Iris Paxino
Engelstunden
Gespräche mit der Engelwelt
Verlag Freies Geistesleben
2. Auflage 2021
Verlag Freies Geistesleben
Landhausstraße 82, 70190 Stuttgart
www.geistesleben.com
ISBN 978-3-7725-4644-0
Copyright © 2021 Verlag Freies Geistesleben
& Urachhaus GmbH, Stuttgart Umschlaggestaltung
& Satz: Bianca Bonfert Umschlagfoto: Dirk
Wustenhagen / Trevillion Images Druck: Friedrich
Pustet GmbH, Regensburg
COVER
TITEL
IMPRESSUM
EINLEITUNG
ENGEL, WER SEID IHR?
Die Erscheinung der Engel
Über das Wesen der Engel
Der Aspekt der Freiheit
Die Gefühle der Engel
Die Sprache der Engel
DIE PERSÖNLICHEN ENGEL DES MENSCHEN
Der Schutzengel
Geschwächte Schutzengel
Der Führungsengel
Weitere persönliche Engel
Der Engelring
Über Schicksalsbildung und das Höhere Ich
DIE SCHATTENENGEL
Der luziferische Doppelgänger
Der ahrimanische Doppelgänger
Umgang mit den persönlichen Doppelgängern
Schatten zwischen Mensch und Licht
ENGELWIRKEN IM SOZIALEN GEFÜGE
Über Familienengel und Gemeinschaftsengel
Engel in unseren Lebenszusammenhängen
Über den sozialen Organismus
Das Erzengelwirken im Sozialen
ENGEL ZWISCHEN TOD UND NEUGEBURT
Über das Nachtodliche
Über die Weltenmitternacht
Der Bereich der Tierkreisbilder
Über die Planetensphären
Die Sonnensphäre als Umwandlungssphäre
Von der Sonnensphäre zur Mondensphäre
Die Erdengeburt
DIE MENSCHHEITSAUFGABE DER ENGELHIERARCHIE
METHODISCHES
Voraussetzungen schaffen
Die Seelenstille
Das Herz als Wahrnehmungsorgan
Die Wesensbegegnung
Das Nachklingen der Meditation
SCHLUSSWORT
ANMERKUNGEN
LITERATUR
Allen wunderbaren Engeln dieser Welt gewidmet
Ein Engel ist
der für dich ficht
sacht wie der Mond aufgeht.
Er schweigt und steht,
er hält dich aus,
er bleibt und trägt
dein irdisches Gewicht.
Kein Mensch ist irgendwo allein
und nirgends ohne Licht.
Markus Schrauth
«Ich gehe jetzt und werde
wiederkommen.
Und doch bin ich stets bei dir.»
Der Lehrerengel
Alles begann mit einer kleinen, weißen Feder. Es war ein nasskalter, weiß-gräulicher Februartag. Eilig stieg ich aus dem Auto aus, nahm meine Tasche mit und schlug die Autotüre zu. Ich wollte schnell noch einige Besorgungen machen und drehte mich um, um loszulaufen. Der Wind pfiff und wirbelte die letzten trockenen Blätter des vergehenden Winters durch die feuchte Luft. Die Atmosphäre war seltsam unruhig, als ob die Luft sprechen würde. Kurz blieb ich stehen und schaute mir dieses wundersame Schauspiel an. Und auf einmal, ganz unerwartet, flog eine kleine, weiße Feder heran und blieb, direkt in Herzhöhe, an meinem Mantel hängen. Ich war völlig erstaunt und hatte zugleich das Empfinden, als ob jemand sanft mein Herz berührt hätte. Ich stand noch kurz da, doch Kälte und Wind waren zu ungemütlich, als dass ich diesen Eindrücken hätte länger nachgehen können. Ich nahm die Feder, steckte sie in die Manteltasche und ging eilig meiner Wege.
Zwei Tage später, in einem ruhigen Moment, holte ich die kleine Feder wieder hervor und schaute sie mir an. Strahlend weiß war sie und wunderschön-flaumig. Ich hielt sie behutsam in meiner Hand, schloss die Augen und spürte mit dem Herzen zu ihr hin. Nach einigen Augenblicken erschien im Raum ein weißer Engel. Ganz licht war er und von kraftvoller Gestalt, sein warmes Weiß war durch und durch geformt. Er strahlte eine würdevolle Klarheit aus. Überrascht wandte ich mich meinem Schutzengel zu und schaute, wie er auf diese Anwesenheit reagierte. Er trat vertrauensvoll einen Schritt zur Seite, öffnete also den Raum, wies auf den neuen Engel und sagte: «Höre ihm zu.» Der weiße Engel begann zu sprechen:
«Du hast so viele Fragen zu unserer Engelwelt. Wer wissen will, darf auch erfahren. Wir verstecken uns nicht vor den Menschen. Ihr dürft mit uns lernen und wachsen, ihr könnt eure Seelen weiten und fliegen lassen. Seite an Seite mit uns könnt ihr euch über diese, eure, wunderbare Welt erstrecken und sie liebend, verstehend, mitfühlend sehen lernen. Wir raunen euch Himmelsworte zu, ihr könnt sie erlauschen und beginnen zu begreifen. Es ist die Zeit gekommen, in der die Menschen aus ihrer Egoität aufwachen müssen. Ihr seid eins mit der Welt, sie ist euer tragender Grund und zugleich eure Entwicklungsaufgabe. Sie ist und wird durch euch.
Wir stehen euch zur Seite, damit wir gemeinsam, Engel und Menschen, als Brüder, diese Erdenwelt durchlichten, durchlieben und erlösen. Es ist eure Welt. Der Vater im Himmel hat sie euch geschenkt – werdet ihrer würdig! Und wenn ihr gemeinsam mit uns wirken wollt, so könnt ihr das tun. Jeder in eurer Zeit kann beginnen, mit den Engeln zu arbeiten. Ihr müsst euch nur entscheiden, und dann wird sich euch der Weg auch zeigen.» Der Engel machte eine kurze Pause und sagte dann abschließend: «Wenn du lernen willst, so darfst du lernen. Ich gehe jetzt und werde wiederkommen. Und doch bin ich stets bei dir.» Er verbeugte sich leicht und entschwand meiner Wahrnehmung. – Erstaunt, ergriffen und tief berührt blieb ich in Gedanken versunken zurück.
Ich kannte bereits Engel, dies war nicht meine erste Begegnung mit einem solchen Wesen. Und doch schien diese Begebenheit eine andere Signatur, eine andere, neue Bedeutung für mich zu haben. Meinen Schutzengel kannte ich schon lange. Über Jahre hinweg hatte ich mir schrittweise eine bewusster werdende Verbindung zu ihm aufgebaut; anfangs mich immer und immer wieder an ihn wendend, ihn einladend, ihn fragend, ihm dankend, aber ihn dabei nur ‹erspürend›. Mit den Jahren konnte ich ihn dann klarer wahrnehmen, konnte seinen Rat und seine Antwort auf Fragen vernehmen und ihn konkreter in meine Arbeit einbeziehen.
Auch die Schutzengel meiner Patienten und Klienten wurden mir mit der Zeit immer vertrauter, sie gaben wertvolle Hinweise für die gemeinsame Arbeit. Aus der Beschäftigung mit Verstorbenen waren mir Engel, die ihre Menschen über die Schwelle und durch die nachtodlichen Geistbereiche begleiten, ohnehin geläufig. Stufenweise hatte ich zudem erleben dürfen, dass Familien, Gemeinschaften und soziale Zusammenhänge von Engeln gehalten, getragen und geführt werden. Begegnungen mit Engeln, die Landschaften hüten und betreuen, kannte ich ebenfalls aus einzelnen Begebenheiten heraus. Doch durch die überraschende Begegnung mit diesem weißen Engel hatte ich den Eindruck, dass hier etwas Neues beginnen würde. Seine Worte klangen tief in mir nach: «Wenn du lernen willst, so darfst du lernen», hatte er gesagt. Ja, natürlich wollte ich lernen, seit Jahren bewegten mich unzählige Fragen über die Engelwelt.
Es begann von da an ein reger, intensiver Austausch mit diesem und mit vielen anderen Engeln, die mir Einblicke in ihr Wirken gaben. Ich verstand, dass unsere Welt viel unmittelbarer und intensiver von Engeln begleitet wird, als uns dies bewusst ist. Wir sind es gewohnt, vom Schutzengel zu sprechen und ihn zu ‹denken›. Darüber hinaus ahnen wir, dass es vielleicht noch andere Engel geben müsste, wahrscheinlich viele. Wir erfahren von ihnen in biblischen Geschichten, in Legenden und Märchen. Sie treten uns entgegen in den Kirchengemälden unserer christlichen Kultur und in zahlreichen Kunstdarstellungen. Allerdings bleibt unser Verständnis hier sehr diffus. Weder fragen wir innerlich weiter nach, noch suchen wir in diesen Zusammenhängen Begegnung und konkrete Erkenntnis. In der Regel stellen wir uns über dem Bereich der Schutzengel gleich die höheren Hierarchien vor, ohne wahrhaftig bei der Engelwelt zu verweilen und uns einen tieferen Einblick in ihre Wirklichkeit zu erarbeiten.
Es gibt jedoch Myriaden von Engeln, die mit unserer Erden- und Menschenwelt verbunden sind. Nicht ein Engel begleitet einen jeden Menschen, sondern mehrere, und zwar in ganz unterschiedlicher Weise und mit jeweils verschiedenen Aufgaben. Darüber hinaus sind alle unsere Lebens- und Seinsbereiche vom Engelwirken durchdrungen. Im Leben aller Menschen auf Erden werden Geburten und Übergänge, Krisen- und Heilungsvorgänge, Gefahrensituationen und Todesprozesse von einer Vielfalt von Engeln begleitet. In jeglichem gemeinschaftlichen Geschehen, in allen sozialen Abläufen wirken Engel begleitend und leitend mit. In allen Naturvorgängen, in Landschaftsbildungen und Wetterphänomenen bringen sich Engelkräfte zum Ausdruck. Die Engel sind diejenigen, die uns die Schicksalstore öffnen und die Geschicke unserer Leben so gestalten, dass Schicksalsbegebenheiten möglich werden. Sie inspirieren uns in unserem Denken, impulsieren uns in unserem Fühlen und bestärken uns in unserem Handeln. Sie umhüllen uns in ihrem milden Licht und wachen liebend über uns. Sie fördern Wachstum und Bewusstwerdung des Menschen und ermöglichen geistige Verbrüderung auf Erden.
Die Anthroposophie gibt uns hierzu kostbare Hinweise, denn Rudolf Steiner hat mit einem überragenden Weitblick und in einer unvergleichlichen Konkretheit eine weltumspannende Landkarte der geistigen Welten aufgezeichnet. Alle Kategorien geistiger Wesen hat er aus eigener, lebendiger Anschauung beschrieben. Diesen Indizien können wir, meditativ übend, folgen. Auch wenn wir mit unserer Wahrnehmung nicht sehr ‹weit› kommen, so beginnt doch die entworfene Landkarte in den kleinen Bereichen, die wir uns erobern, für uns lebendig zu werden. Persönliche Begegnungserlebnisse mit unterschiedlichen Wesen dieser Welten werden möglich, die anfänglichen Einblicke eröffnen uns weitere Erfahrungsfelder.
Wir Menschen sind ohnehin aus einer Vielzahl von Wesen ‹beschaffen›, die wir selbst nicht im Geringsten überschauen können. Alle diese Wesen wirken an uns, mit uns, durch uns, auf der geistigen, astralischen und ätherischen Ebene, bis in unser Physisches hinein. Die Engel selbst sind nur eine Wesensart von diesen vielen. Wenn wir lernen, uns ihnen in der eigenen Herzensstille zuzuwenden, dann merken wir, dass sie immer bei uns sind. Wenn wir bereit sind, ihnen zuzuhören, dann sprechen sie unmittelbar zu uns. Entsprechend unserem Schicksalsweg geben sie uns stets Geleit und Hilfestellung. Sie sind die Freunde unseres Werdens, die innigsten Weggefährten auf dem Schicksalspfad der Menschheit. – Wir haben so viele, unzählige lichte Helfer, deren Existenz wir noch nicht einmal erahnen. Und sie stehen uns seit jeher unermüdlich und unverbrüchlich, in jedem Augenblick unseres Seins, zur Seite. Auf allen Ebenen des himmlischen und irdischen Lebens wirken sie, bei Tag und bei Nacht, in unserer Existenz auf Erden und in unserem nachtodlichen Sein.
Viele Herzensfragen, die mich persönlich bewegten, entwickelten sich mit der Zeit zu immer vertrauter werdenden Gesprächen mit den Engeln. Ich durfte erfahren, dass Engel selbst beten und dass sie singen; dass sie Humor haben und sich an unserer Herzensfreude freuen; dass sie uns manchmal Grüße schicken durch Federn, die wir einfach auf der Straße finden; dass sie am tiefen Leid der Erde selbst mitleiden und uns in allen Finsternissen unseres Menschseins beistehen. Trotz alledem verurteilen sie uns nicht und lieben uns so hingegeben, wie wir es kaum ermessen können.
Natürlich sind die Einblicke, die ein einzelner Mensch hier haben kann, nur winzige Mosaiksteine in einem unermesslich vielfältigen kosmischen Geschehen. Durch meine persönliche Arbeit und meinen psychologisch-therapeutischen Schwerpunkt bin ich mit der Welt des Seelischen vertraut. Entsprechend waren auch meine Fragen an die Engelwelt gestellt. So zeigte sich durch diesen Austausch vorwiegend das Engelwirken ins Menschenseelische hinein. Ganz anders hätte sicherlich ein Arzt gefragt. Der Blick auf Wirkungen des Geistigen ins Menschenleibliche hinein hätte ganz andere Facetten des Engel-Tuns beschrieben. Und wieder anders würde es etwa bei einem Landwirt sein oder bei einem Pädagogen. Die Wege, die das Ich des Menschen sucht, um Wirkungen des Geistigen zu erforschen, sind also individuell verschieden. So kann auch dieses Buch nur einzelne Aspekte der wunderbaren, lichten Engelwelt umgreifen – mehr nicht.
Der weiße Engel kam, nach dieser ersten Februarbegegnung, erneut; von da an stets in Begleitung eines weiteren, großen, grün-goldenen Engels. Gemeinsam mit meinem Schutzengel haben mir diese beiden unerwartete Zusammenhänge aufgezeigt und mich durch viele lehrreiche und zutiefst berührende Erlebnisse geführt. Von allen Begegnungen, die ich mit der Engelwelt haben durfte, waren die Zusammenkünfte mit ihnen die für mich prägendsten. Mit ihnen konnte ich die innigsten Gespräche führen, von ihnen konnte ich am meisten lernen. So nenne ich sie ‹meine Lehrerengel› und danke ihnen für diese unaussprechlich kostbaren Geschenke mit aller Liebe meines Menschenherzens.
«Aber in dem Augenblicke,
wo das Bewusstsein aufwacht
und imaginativ wird,
erfüllt sich diese ganze Sinneswelt,
oder besser gesagt sogar,
sie verwandelt sich
in eine Welt webender Bilder.
Diese Welt webender Bilder,
sie zeigt sogleich
in sich eingewoben die Welt der
Angeloi, der Engel.»1
Rudolf Steiner
In der Rangordnung der himmlischen Wesen, die sich aus dem Schoße der Trinität entfalten, bilden die Engel die neunte Hierarchie. Neun Chöre in jeweils drei Gruppierungen gestalten die geistigen Entwicklungsstufen zwischen der Göttlichen Dreifaltigkeit und der Erdenwelt der Menschen. Alle Himmelschöre, aus dem göttlichen Schöpfungsprinzip geboren, zugleich aus dem Wirken der jeweils Höheren ‹herausgesetzt›, lassen unterschiedliche Prinzipien des Werdens walten. Sie vertreten unterschiedliche Stufen geistiger Bewusstheit und somit geistigen Daseins.
Die Engelhierarchie gab es bereits vor der Schöpfung des Menschen, sie vollzog und vollzieht auch weiterhin Schritte eines eigenen Entwicklungsgangs. Die Menschheit folgt ihr in einem sie selbst charakterisierenden Reifezyklus, bei dem sie zugleich von allen höheren Hierarchien durchdrungen und getragen wird.
In dieser überaus weisheitsvoll gewebten kosmischen Architektur sind die Engel die den Menschen am nächsten stehende Wesensordnung. Sie auf der einen Seite und die Elementarwesen auf der anderen Seite sind unsere nächsten Gefährten und Helfer. Innig mit unserer Welt verbunden sind auch die Verstorbenen und die Ungeborenen, doch diese bilden keine für sich selbst stehende Hierarchie. Sie sind Menschenwesen, nur eben in einem nicht inkarnierten Zustand; sie sind ‹wir selbst›, nur auf der ‹anderen Seite›. Wenn wir also die Menschheit in all ihren Entwicklungsstadien als eine Gesamtheit denken, so sind die unmittelbar an sie angrenzenden Hierarchien die Engel auf der geistig-himmlischen Ebene und die Elementarwesen auf der geistig-irdischen Ebene.
Auch wenn die neun Himmelschöre eine ‹hierarchisch› gegliederte Struktur haben, so bedeutet das nicht, dass die Engel als neunte Hierarchie lediglich der darüberstehenden Stufe der Erzengel dienen. Sie sind allen Hierarchien hingegeben und haben teilweise einen unmittelbaren Bezug zu viel höheren Sphären. Es gibt beispielsweise ‹Engel des Christus›, also solche, die direkt dem Christus dienen, ‹Engel der Himmelsmutter›, ‹Engel des Vatergottes›, also Engel, die direkt einem bestimmten Aspekt der Trinität unterstehen. Durch ihr eigenes Sein repräsentieren sie einen bestimmten geistigen Zusammenhang, wirken ganz in seinem Sinne und vermitteln zwischen ihm und den anderen Seinsebenen. Wenn wir uns zum Beispiel in einem innigen Gebet an das Wesen des Christus wenden, dann erscheinen ganz unmittelbar um uns herum Engel, die dem Christus dienen. Wenn wir existenzielle Fragen in Bezug auf Leben und Tod stellen, und das in einer zutiefst aufrichtigen, demutsvollen Haltung tun, dann kann, in einem Gnadenmoment, ein Engel des Vatergottes vor uns aufleuchten. Die Hierarchien der Himmelswesen stellen demnach nicht eine rigide lineare Struktur dar, sondern bilden Welten gegenseitiger Durchdringung, die wie ein lebendiges Wasser sich in harmonischer Bewegung fließend bedingen. Ein Wesen wirkt stets durch das andere hindurch, eine Realität bildet sich durch eine andere ab, jede der anderen dienend, sich gegenseitig offenbarend und darstellend. Und so ist es auch mit den Engeln: Sie sind den höheren, sie lenkenden Hierarchien hingegeben, und zugleich dienen sie auch uns, denn auch wir sind Teil dieser Geisteswelten, die in einer weisheitsvoll abgestimmten Wechselbeziehung zueinander stehen.
Das Sein und Wirken der Engel ist also stets eingebettet in ihren Zusammenklang mit der höheren geistigen Welt. Sie agieren aus einem inneren Licht heraus, welches kosmischer Natur ist und zugleich ihre eigene Seinssubstanz bildet. Sie selbst konstituieren gesamte Welten selbstloser, unmittelbarer Hingabe, die von geistigem Licht und von Himmelsliebe durchwoben sind. Ihre Verbundenheit mit der Erdenwelt ist Bestandteil dieser kosmischen Gesamtkomposition; zugleich stellt sie eine selbst auferlegte Hinwendung zu uns dar. Die Anteilnahme der Engel und ihr von Liebe getragenes Wirken uns gegenüber ist bedingungslos. Weisheit, Liebe und Licht sind ihre Wirkungsprinzipien und zugleich auch die realen Schöpfungssubstanzen allen Seins. So entsprechen die Engel ganz dem Strom der reinen, ewigen Wirklichkeit und umschließen uns als Menschheit in diesem mannigfaltigen, wunderbaren Schöpfungsgebilde.
Wenn wir die Engel selbst fragen, wer sie sind, dann können wir, als Fragment, folgende Antwort vernehmen:
«Unsere Hierarchie ist die Hierarchie des Weisheitslichtes, von Liebe durchdrungen sind unsere Wesen. Unsere Welten leuchten in allen Farben der himmlischen Harmonien. Liebe, Licht und Weisheit, im Eins-Sein des Vatergottes verbunden, bilden das Schöpfungsprinzip dieses Kosmos. Dieses Schöpfungsprinzip der Einheit entfaltet sich als Heilige Dreiheit, die sich dann selbst in manigfaltige Aspekte und Entwicklungsstufen ergießt. All diesen Stufen des Himmlischen dienen wir ganz aus unserer Wesenhaftigkeit heraus, die erhabenen Impulse der Höheren durch uns selbst euch weiter vermittelnd. Auch sind wir diejenigen, die eure Impulse den Höheren, dem Kosmos übermitteln. Vermittler sind wir also – doch nicht nur: Substanz aus unserer Substanz haben wir geopfert, damit ihr, Menschheit, zu dem gelangen könnt, was ihr ‹die Menschenwürde› nennt. Ja, eines Tages wird sie eure sein. Bis dahin jedoch pflegen wir sie euch, tropfenweise, liebend, ein. Mit ihr, durch sie gelangt ihr zu den Christus-Kräften, die eure Iche Seiner würdig werden lassen. Geschenkt wird euch vom Kosmos euer ganzes Sein, und wir vertrauen darauf, mit Christus uns vorausschreitend, dass auch ihr selbst Geschenk einst werdet: Ihr könnt die Erde, durch euch selbst erlöst, den Himmeln übergeben. So schließt sich dann ein Ring des Seins, den ihr, mit uns und allen Himmlischen, aus eurer selbst errungenen Freiheit neu gebildet habt.
Wir sind mit euch auf diesem langen Weg des Werdens. Wir tragen euch, und segnen euch, und hören niemals auf, euch wahr und licht zu lieben. – So sei es, bis ans Ende der Zeiten.»
Die Verbindung der Engel zu uns Menschen ist eine besondere, denn sie lassen durch sich selbst den Himmel in uns gegenwärtig sein. Sie vermitteln die Wirkungen aller Hierarchien, und zwar in spezifischer Weise für jeden einzelnen Menschen. Sie durchweben unsere Wesensglieder, stützen uns in unserer geistigen Aufrichtekraft, durch die unser Menschenwesen mit der Zeit zu seiner wahrhaftigen Würde gelangen kann. Dadurch ‹erheben› sie uns ein Stück weit und befähigen uns, nicht nur Erdenmenschen, sondern zugleich auch Himmelswesen zu sein.
Der Blick der Engel ist stets auf das Gute gerichtet, auf das Zukunftspotenzial eines jeden von uns und auf die Entwicklungschancen eines jeglichen Geschehens. Sie begleiten uns in immerwährender Treue, impulsieren und durchlichten uns. Zugleich lassen sie uns Menschen ganz frei. Entsprechend dem Charakteristikum aller lichten geistigen Wesen greifen sie niemals in unseren freien Willen ein. Sie dienen uns voller Vertrauen in die sich entwickelnde Kraft der menschlichen Freiheit – doch stets nur im Rahmen derjenigen Gegebenheiten, die wir selbst bilden.
Es gibt natürlich auch dunkle oder gleißend helle Engelgestalten, die nicht unsere Freiheit achten – diese sind Boten ganz anderer Kräfte. Solche Kategorien von Wesen werden ‹Widersacher› genannt. Sie bieten dem fließenden Lebensfluss der kosmischen Harmonien Widerstand und bilden somit Gegenpole zu den lichten Welten der sich gemäß der geistigen Ordnung entwickelnden Hierarchien. Diese Mächte suggerieren dem Menschen Ziele einer Selbstwerdung, die ihn vom mittigen Pfad zwischen Himmel und Erde abbringen wollen. Sie stehen ihm nicht selbstlos und freilassend zur Verfügung, sondern wickeln ihn gerne ein in Täuschung und Macht. Durch Verführung und Anziehung, durch Überhöhung oder Erniedrigung versuchen sie, ihn in die Extreme des Daseins zu locken. Ihr Spiel ist gekonnt in Szene gesetzt und taktisch exzellent gestaltet. – Doch wenn wir ganz genau hinschauen, stellen wir fest, dass auch diese Wesen nicht gegen unsere Entwicklung, sondern, lediglich in einer ganz anderen Weise, für unsere Menschwerdung arbeiten. Ihre Bestimmung ist es, uns kunstvoll Aufgaben zu stellen, um uns zu schulen und uns zu prüfen. Gerade sie sind diejenigen, die den Reifegrad unseres Menschseins veranschaulichen und uns die Möglichkeit geben, unser Bewusstsein weiter auszuformen.
Am innigsten mit dem Menschenwesen verbunden sind hier die sogenannten Doppelgänger, die ‹Schattenengel›. Ähnlich den Schutzengeln wachen und agieren sie beständig an unserer Seite. So wie der Schutzengel unser Licht trägt, tragen diese Gestalten unsere Dunkelheiten. Doch auch sie sind Teil unseres eigenen Wachstums, auch sie sind uns treu ergebene Entwicklungsbegleiter: durch Hürden, die sie uns stellen, durch dunkle Kräfte, die sie sich für uns ‹einverleiben›. Sie hüten unser eigenes Unerlöstes und halten es uns durch Spiegelbilder und Entsprechungen vor. – So rufen uns Licht und Schatten dazu auf, Verantwortung für die Gestaltung des eigenen Menschenwesens und somit der gesamten Erde zu übernehmen.
Wenn wir den Blick erneut auf die lichtvoll sich entfaltenden Hierarchien wenden, erkennen wir, dass sie Strukturen bilden, die sich in vielfältigen Strömungen des Geistigen offenbaren. Durch jeweils eigene Impulse bringen sie die Reifungsprozesse der Erdentwicklung voran. Diese Strömungen werden von Erzengeln geleitet, welche gesamte ‹Schulen› von Wesenheiten dirigieren. Jeder Erzengel hat also seine ‹Schule›, die am Bau unserer Welt wirkt. Es gibt Erzengel, die das Göttliche der Himmel vertreten, wie auch Erzengel, die das Göttliche der Erde vertreten. Die vielen Erzengel der Erde haben die Aufgabe, den Leib der Erde zu bilden und ihn als Inkarnationsort für den Menschen zu gestalten. Die ausführenden Organe dieser Erzengel sind die Natur- und Landschaftsengel, die wiederum die Elementarwesenreiche dirigieren. Die unvergleichliche Schönheit unseres Planeten ist das gemeinsame Werk dieser Wesenheiten, die das Göttliche durch den Erdenleib hindurch offenbaren.
Die Erzengel, die das Himmlische vertreten, sind ebenfalls zahlreich. Von ihnen kennen wir vorwiegend die großen Haupterzengel, die sogenannten planetarischen Erzengel. Diese haben unterschiedliche Ausprägungen und Aufgabenschwerpunkte. Dadurch ergänzen sie sich und sind, als Gesamtheit, dem Christus-Wesen als Sonnenzentrum, als Herz unseres planetarischen Systems hingegeben. Auch sie bilden jeweils ‹Schulen› von Wesenheiten, bestehend aus Engeln und Menschen, die in ihrem Sinne an der Erdentwicklung arbeiten. Manche dieser Erzengelschulen haben die Aufgabe, das Geisteslicht auf die Erde hinunter zu bringen. Andere wiederum wirken dafür, dass die Erde sich wieder ins Geisteslicht erhebt. Einige haben die Aufgabe, sich der Dunkelheit zu stellen und zu kämpfen. Bei anderen wiederum geht es darum, das Geisteslicht unter den Menschen zu vermehren. Es sind also jeweils unterschiedliche, ganz charakteristische und sich gegenseitig ergänzende ‹Gesten› im Tun dieser Erzengelschulen. Die übergeordnete Führung der Erzengel wechselt sich in größeren Zeitrhythmen untereinander ab und prägt der Erdentwicklung die entsprechende Gebärde, die Ausrichtung des leitenden Wesens ein. Zugleich wirken die anderen Erzengel durch ihren Einfluss beständig weiter und ermöglichen auf diese Weise ein gemeinsames Ganzes.
Alle Engel, die unter der Führung dieser Erzengel stehen, agieren im Dienste der Trinität. In einer ganz besonderen Weise sind sie voller Hingabe und Liebe dem Wesen des Christus hingegeben. Sie alle arbeiten, entsprechend ihren jeweiligen Aufgabenbereichen, in Seinem Sinne an der Durchchristung der Welt:
«Wir dienen Christus in der seienden, tätigen, alles durchlebenden Liebe für die Welt. Er ist die Sonne als geistiger Ursprung. Aus Ihm, durch Ihn, für Ihn, in Seinem Dienste handeln wir alle weiß-golden-durchwobenen Wesen. Alle!»
Die Engel haben in ihrer eigenen Wesensentwicklung ihre ‹Menschheitsstufe› lange vor uns durchgemacht. Ganz eigene Erfahrungen haben sie geprägt, andere Ziele verfolgte ihr Werden. Doch, als die uns am nächsten stehende Hierarchie, verstehen sie uns, wie auch den Schmerz unserer Selbstwerdung, und stehen uns darin bei:
«Mensch und Engel sind in diesem Erdenzyklus in einer besonderen Weise miteinander verbunden. Nie war das ‹Mensch-Sein›, also die Etappe der Menschenstufe, so nah am Abgrund der Dunkelheit wie jetzt bei euch. Das ist der Preis für die Freiheit, die ihr euch zu erringen habt. Der Himmel schaut auf diese Entwicklung mit großer Geistesgegenwart, alle Hierarchien wissen um die Bedeutung dieses Geschehens. Alle wünschen der Menschheit das Gelingen, das Bewältigen dieser großen Hürde. Und wir alle, groß bis klein, wirken mit euch daran.
Wir Engel sind diejenigen, die unmittelbar über euch stehen: Mit euch gehen wir jeden dieser Schritte am Abgrund. Wir halten euch und reichen euch rettend die Hand, wie ein Freund den anderen festhält, wenn er im Gebirge ausrutscht und droht abzustürzen. Die Landschaften eurer Seelenwege sind steil, wie hohe, scharfe Klippen. Ihr lauft fast blind, wie Bergsteiger in der finsteren Nacht, und entgeht oft nur knapp den lauernden Gefahren. Wir schützen euch, hüten jeden eurer Schritte, lenken eure Blicke zum nächsten Lichtstrahl, zur nächsten sicheren Stelle.
Den Wanderweg geht ihr stets Hand in Hand mit uns, wir sind euch stets Gefährten, und manchmal Träger eurer Lasten. Wir leuchten euch voraus, bereiten euch den Pfad, besänftigen Natur- und Schicksalsmächte, damit ihr weiterlaufen könnt, damit die wilden Tiere in der Finsternis euch nicht ergreifen und vernichten können. Wir glauben unabdingbar an euer inneres Wesen, wissen darum, wie mühsam, schmerzhaft, schwierig diese Wege sind.
Als wir in unserem Zyklus ‹Menschen-Bewusstsein› hatten, waren unsere Hürden ganz andere. Nie kannten wir die Finsternis wie ihr, nie hätten wir uns selbst vernichten können. Und doch fühlen wir euren Schmerz tief mit, ‹Prüfung› ist uns noch nah genug als Seins-Empfinden. So sehr wünschen wir euch das Licht, die Überwindung alles dessen, was euch vom lichten Himmel trennt. Und wir erfüllen uns von neuem immer wieder mit Liebe, Hoffnung, Zuversicht, und senden diese an euch weiter, damit der Stern der Zukunft für euch leuchten kann.
Wir lieben euch, ihr Menschenkinder, wie man nur lieben kann in diesem Kosmos! Von Gott dem Vater, von der Himmelsmutter, vom Sohn sind wir zu euch hinabgesandt und tragen Ihre Liebe weiter, durch alle Zeiten, Räume, Weiten, zu euch, ihr Menschenkinder, die ihr die Brücke bilden sollt zwischen Vergangenem und Künftigem der Schöpfung. Ihr seid der Schlüssel dieser Welt, mit euch beginnt die Zukunft! Mit euch weint alles Höhere Sein – mit euch erstrahlt die Sonn' von morgen! So sei es! Segen mit euch, Kinder dieser Welt!»
Bewahr in deiner Seele dir
die reine Kraft – zu staunen:
von Geistes-Wunderwelten raunen
doch alle Dinge hier.
Herbert Hahn
Aus vielzähligen Engeldarstellungen der christlichen Kultur kennen wir Engel als schöne, erhabene, geflügelte Gestalten. Auch wurden Engel in der früheren religiösen Kunst als ‹Kinder› dargestellt. Viele Maler hatten damals noch ein lebendiges Seelenempfinden für die Wirklichkeit der Engel, die Kindgestalt war Ausdrucksmittel für den Reinheitscharakter ihrer Wesen. Die Qualität der Unverfälschtheit, des Himmlisch-Reinen, sollte dadurch vermittelt werden. Doch wie wirkt ihr Anblick auf uns, wenn wir sie geistig schauen?
Ein Erstes: Engel sind heilig, und das vernimmt man ganz unmittelbar in ihrer Gegenwart. Wenn man sie selbst danach fragt, was ‹heilig› ist und warum sie ‹heilig› wirken, dann antworten sie: «Heilig bedeutet: ‹Aus der Kraft des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes›. Das ist heilig: ‹aus der Kraft der Trinität›.»
Ein Weiteres: Engel sind lichtvoller, schöner, erhabener, vielgestaltiger und in ihrer Ausstrahlung ergreifender als alle Gemälde und bildlichen Darstellungen, die wir kennen. Wenn wir uns innerlich auf sie einstimmen, sehen wir sie als innig-anmutige Lichtwesen in mannigfaltigen Ausdifferenzierungen, in unterschiedlichen Größen, in differierenden Haltungen, Merkmalen und Physiognomien. Keinesfalls sind die Engel ‹gleich›. So wie wir Menschen in der Gesamtgestalt immer als ‹Mensch› wahrgenommen werden können, so zeigen sich auch die Engel in einer erkennbaren ‹Engelgestalt›. Doch wie jeder Mensch auf Erden sein ganz eigenes, individuelles Aussehen hat, so zeigen sich Engel auch in ganz vielseitigen, ausdifferenzierten Ausdrucksgestalten.
Sie erscheinen uns, als ob sie in wunderschönen ‹Lichtschleiern› gekleidet wären, die in ganz feinen, durchscheinenden Farben leuchten. Diese ‹Schleier› sind nicht etwas ‹außerhalb› des jeweiligen Engels, sondern stellen die eigene Seelenleiblichkeit der Engel dar, sie gehören ganz unmittelbar zu ihrem Wesen dazu. Die Gewandfarben der Engel sind zugleich Ausdruck ihrer individuellen Aufgabe und ihres Wirkungsbereiches. Ein Friedensengel zum Beispiel erscheint immer weiß, oder in einem Weiß, welches ganz leicht gelb-gold durchsetzt ist. Ein solcher Engel könnte nicht rötlich erscheinen, denn das würde nicht seiner charakteristischen Natur entsprechen. Die Farbigkeit der Engel spiegelt also ihren Auftrag und ihre Bestimmung wider.
Manche Engel sind in einer einheitlichen Farbe ‹eingekleidet›. Bei den meisten kann man jedoch mehrere Farben wahrnehmen, die in sanften Verläufen ineinander übergehen. Einige Engel haben um ihr Haupt ein besonderes Leuchten, wie einen goldscheinenden Aura-Kranz andere nicht. Von den für uns gewohnten irdischen Eindrücken ist das feine, durchschimmernd-lebendige Leuchten der Regenbogenfarben das Einzige, das man mit den Farbgebungen der Engelgewänder vergleichen könnte. In der geistigen Welt gibt es jedoch in einer gleichen Farbnuance weit mehr Differenzierungen, als wir das von unserer irdischen Sinneswelt her kennen. Es gibt zum Beispiel Weißtöne, die sich in ihrer ‹Gestimmtheit› unterschiedlich anfühlen, obwohl sie alle ganz weiß ‹aussehen›. Christus dienende Engel sind in ihren Gewandfarben strahlend weiß, und die Engel der Himmelsmutter sind ebenfalls strahlend weiß, und trotzdem trägt ihre Farbigkeit eine etwas anders geartete Wirkung in sich, an welcher man sie unterscheiden kann.
Wenn Engel gleichen Aufgabenbereichen unterstehen und in Gruppen tätig sind, dann erstrahlen sie auch entsprechend in der gleichen Farbe. Durch unseren ungeübten Blick können wir dabei den Eindruck haben, dass sie sich zum Verwechseln ähnlich sind. Doch wenn wir unsere innnere Aufmerksamkeit länger darauf richten, bemerken wir, dass auch diese gruppenbildenden Engel durchaus unterschiedlich sind. Ihr Antlitz und ihre Haltung haben immer auch etwas Individuelles, und die Gewänder weisen, obwohl sie sich in den genau gleichen Nuancen zeigen, doch feine Detailunterschiede auf.
Es gibt nicht männliche und weibliche Engel, wie wir es vom Menschengeschlecht her kennen. Es gibt jedoch Engel, die überaus kraftvoll, groß, aufrecht und sehr entschieden bis streng wirken können und die wir eher als ‹männlich› bezeichnen würden. Und es gibt Engel, die in ihrer Wirkung vorwiegend eine berührende, verständniserfüllte Milde und eine sanfte, umhüllende Wärme ausströmen. Diese würden wir dann eher als ‹weiblich› bezeichnen. Engel verkörpern durch ihre Gestalt also unterschiedliche Aspekte des Geistigen, denen sie entsprechen. Diese Merkmale bilden zugleich die Grundqualitäten ihres eigenen Wirkens ab.
Auch können wir bei den Engeln feststellen, dass ihr Inneres und ihr Äußeres immer im Einklang miteinander sind. Das ist anders als bei uns Menschen, denn wir können durchaus etwas nach außen darstellen, was sich in unserem Inneren ganz anders gestaltet. Ein Mensch kann zum Beispiel überaus freundlich wirken und sprechen, dabei aber etwas Abfälliges denken, etwas Negatives empfinden, sogar etwas Böses tun. Bei den Engeln ist es nicht so. In ihrem Wesen gibt es keine Widersprüche und Diskrepanzen, keine ‹Brüche›. Rudolf Steiner beschreibt es folgendermaßen: «Der Mensch ist fähig, etwas wahrzunehmen und andere Vorstellungen in seinem Inneren zu erwecken, auch zu äußern, als sie den Wahrnehmungen entsprechen. Die Möglichkeit der Lüge besteht bei den Wesenheiten der dritten Hierarchie, wenn sie ihre Natur beibehalten, nicht. (…) Diese Wesenheiten müssen im Reich der absoluten Wahrheit leben, wenn sie sich überhaupt erleben wollen. (…) Und jede Abweichung von der Wahrhaftigkeit würde diese Wesenheiten betäuben, ihr Bewusstsein herabstimmen.»2
Wesen und Erscheinung der Engel sind also übereinstimmend und bilden zugleich eine Einheit mit ihrer Mission. Ihr unterstes Wesensglied ist ihr ätherischer Leib, der jedoch feiner gewebt ist als der menschliche. Ihr astralischer Leib ist ihr eigentlicher ‹Lebensleib›, also das, was bei uns das Lebendige unseres Ätherleibes ausmacht.
Auf die Frage nach ihrer Erscheinung und Beschaffenheit geben die Engel folgende Hinweise:
«Wir sind aus Licht gewebt.»
«Was bedeutet das?»
«Eure Substanzialität ist aus den vier Elementen gewoben, die dem Irdischen eigen sind, aus unterschiedlichen Ätherqualitäten und aus sehr ausdifferenzierten Astralsubstanzqualitäten. Bei uns ist es so, dass wir nicht einfach aus ‹Äther› sind, sondern vorwiegend aus Lichtäther, aber mit weiteren Ätherqualitäten gemischt, die unserer jeweiligen Natur und Beschaffenheit entsprechen. Das Seelische, das uns belebt und sich in unserer ‹Farbigkeit› darstellt, ist ein weit durchgeistigteres, reineres Astralisches als bei euch, es ist ein ‹höheres›, ‹geläutertes› Seelisches. Und dieses macht gar nicht unser ‹Empfinden› aus, sondern ist uns nur Lebensleib. Unser ‹Empfinden› und ‹Denken›, unser inneres Sein ist bereits geistig.
Das Seelische ist euch Innenleben, uns ist es – in einer geläuterten Qualität – Lebensleib, wie euch der Ätherleib. Du siehst einem Engel an seiner Erscheinung sofort sein ‹Seelisches› an, weil das schon sein ‹lebendiger Leib› ist. Und darin drückt sich zugleich sein Geistiges aus, weil er eins ist mit sich selbst.
Ihr seid das noch nicht, werdet es aber im Laufe eurer Entwicklung durch die Inkarnationen. Einige geistige Wesen können sich durchaus verstellen, aber wenn man sie in ihrer eigentlichen Gestalt sieht, erkennt man sofort ihre Geistigkeit, da diese eins ist mit ihrer seelischen Erscheinungsform. Bei euch Menschen spiegeln sich in den jeweiligen Inkarnationen jeweils nur bestimmte Aspekte eures Wesens in eurer Erscheinung wider. Das Geschulte, das Erlittene, das Erarbeitete sieht man einem Menschen auch an. Aber er kann sich noch sehr verbergen und verstecken, wie Luziferische auch. Das wird in einigen Jahrtausenden nicht mehr möglich sein. Euer Antlitz wird sichtbar die Außenseite eurer Innenseite werden.»
Die luziferischen Engel können also anders erscheinen, als sie sind, sie können sich verstellen, die Gestalt eines anderen Wesens annehmen, können uns etwas vormachen und uns hereinlegen. Auch die ahrimanischen Wesen können diese Eigenschaften haben, doch nur sehr bedingt, denn sie sind nicht Meister im Spiel mit dem Licht.
Ganz anders ist es bei den Engeln des wahrhaftigen Lichts. Ihr Äußeres entspricht ihrem Inneren in harmonischer Übereinstimmung, sie bilden eine völlige Einheit und stellen somit als Gesamtgestalt eine ‹verkörperte Wahrhaftigkeit› dar. Zugleich ist ihre Erscheinung nicht so unveränderlich wie unsere physische Gestalt. Sie ist wandlungsfähig und bringt dadurch unterschiedliche Ebenen des Eingebunden-Seins in ihren jeweiligen Wirkungsfeldern zum Ausdruck.
Bei Festlichkeiten des geistigen Geschehens, wie zum Beispiel in den Heiligen Nächten, erscheinen die Engel in prächtigeren, feierlicheren Gestalten, so als ob ihre Gewänder ‹fedriger›, eindrücklicher und leicht ausladender wären. Immer wieder erstaunte und bewegte mich diese Wahrnehmung.
Eines Tages schaute ich mir eine weiß-hellgräuliche Vogelfeder an, die ich im Garten gefunden hatte. Sie war vom Ansatz her bis zu ihrer Hälfte ganz flauschig und weiß; ab der Hälfte zur Spitze hin war sie ausladender und von der Struktur her glatt. Auch verdunkelte sich ihre Farbigkeit nach außen hin. Erneut entstand in mir die Frage nach der sich verändernden Erscheinung der Engel:
«Wie wundersam diese Federn als Teil des ‹Vogelkleides› sind. Wie ist es mit euren ‹Engelkleidern›?»
«So ähnlich ist es mit unseren ‹Gewändern› auch. Es gibt eine innere Seite, die ganz ‹fedrige›, ‹flauschige›, wie ihr sie nennen würdet. Diese entfalten wir in besonderen, bestimmten Augenblicken und Zusammenhängen. Und es gibt die äußere Seite, die ‹glattere›, ‹fließendere› und ‹farbendurchwobenere›, in der wir euch in der Regel sichtbar werden. Unsere ‹Gewänder› sind Teil unsere Wesens, wir ziehen sie nicht ein und aus, wie ihr das mit euren Gewändern macht. Sie spiegeln ausdruckshaft unsere Aufgabenbereiche, unser Wirken, unseren ‹Charakter› – wobei auch der Charakter nicht so ist wie bei euch. Bei euch kann er von Leben zu Leben wechseln, wie auch das Erdenkleid, das ihr von Inkarnation zu Inkarnation wechselt – wenn auch euer Kern der gleiche ist. Bei uns ist der ‹Charakter› das, was unseren Kern darstellt und charakterisiert. Und das ist etwas Durchtragendes, Stetiges – nicht starr, denn auch wir befinden uns in Entwicklung, aber auch nicht wechselhaft, sondern strömend sich formend.»
«Wie sind eure Farben ‹vergeben›, was ist ihre Bedeutung?»
«Lediglich für den Blick aus eurer Welt darauf: Weiß ist die obere himmlische Welt, das reine Licht aus den höheren Sternensphären. Gold ist aus dem Zentrum, es ist die geistige Sonne eures Kosmos. Alle explizit sonnenhaften Wesen haben das himmlische Gold in sich, es erscheint in ihren Gewändern, um ihren sonnengebundenen Ursprung und ihre Aufgabe darzustellen. Oder es erscheint in ihrer Aura, was ihre Verbundenheit mit der Sonne aufzeigt und darauf hinweist, dass sie im Auftrage, im Sinne, im Dienste der Sonne handeln.»
«Wie ist die Farbigkeit der Wesen, die dem Gottvater direkt unterstellt sind?»
«Das könnt ihr kaum erfassen. Aber wenn, dann erscheinen Seine Engel im weiß-grünlichen Spektrum, zumindest meistens. Bei manchen ist da auch etwas ‹Ehernes›, aber nicht im metallischen Sinne, sondern als Abbild der Urgrundsubstanz der Schöpfung, die aus dem Licht entstanden ist.»
«Wie ist es mit den anderen Farben?»
«Sie wirken zusammen als sich gegenseitig ergänzende, sich unterstützende Aspekte des Schöpfungs-Seins. Sie dienen unterschiedlichen Aufgabenbereichen in der Gesamtheit der Schöpfung. Alle zusammen, wenn sie harmonisch miteinander ‹klingen›, erstrahlen wieder im heiligen Weiß, im Schöpfungslicht des Anfangs. Aber es ist ein Weiß, das alle Farben in sich trägt. Es hat sich der Welt in all seinen Facetten verschenkt, damit all diese Facetten auf ihre Weise wirken können und in der Ergänzung zu den anderen heilend, heilsam werden können. – Aus der Einheit die Vielheit, aus der Vielheit eine neue, selbst errungene Einheit. Darin ist die gesamte Entwicklung eurer Welt, eures Kosmos zusammengefasst!»
Durch die ‹Farbigkeit› der Engelerscheinungen können wir also einen Abglanz derjenigen Wirklichkeiten erleben, in deren Wirksamkeiten diese Wesen jeweils stehen. Unsere Wahrnehmungen sind hier jedoch nur ein anfängliches ‹Erspüren›, ein ‹seelisches Ertasten› dieser mannigfaltigen Realitäten der Geistwelten.
So wie die Engel uns in unterschiedlicher Gestalt, Farbigkeit und Größe erscheinen, so treten sie auch in unterschiedlicher Weise an uns heran. Hier stellt sich immer die Frage: ‹Wo› erlebe ich den jeweiligen Engel? Erlebe ich ihn zum Beispiel von vorne auf mich zukommend, erlebe ich ihn hinter mir oder vielleicht seitlich von mir stehend? Natürlich sind die Engel nicht an die irdischen Raumverhältnisse des ‹Hier› und ‹Dort› gebunden, wie wir es innerhalb der physischen Verhältnisse sind. Doch wir Menschen sind daran gebunden, und unsere Wahrnehmungen geschehen stets durch uns selbst. Rudolf Steiner stellt diesen Zusammenhang in wunderbarer Weise dar: «Man müsste also immer sagen – nicht: Ich nehme einen Engel wahr – denn das entspricht nicht ganz genau dem Erleben –, sondern man müsste sagen: Ich spüre, ich empfinde, dass ich von einem Engel wahrgenommen werde.»3 Hier geht es also darum, in welcher Weise ich ein ‹Gegenüber› in einem Engel erlebe. Wie nehme ich wahr, dass mich der Engel wahrnimmt?
Das, was für uns die ‹Verortung› eines Engels ist, also die ‹örtliche› Wahrnehmung der Engelgestalt, deutet bereits auf einen geistigen Sinnzusammenhang hin. Unser Erleben ist hier lediglich die ‹Übersetzung› eines bestimmten Aspektes des Verhältnisses zwischen dem Engel und mir. Wenn ich mich zum Beispiel von einem Engel eingehüllt erlebe, deutet dies auf ein anderes Verhältnis zwischen uns beiden hin, als wenn ein Engel unmittelbar vor mir erscheint und mich dadurch direkt anspricht. Diese Unterschiede sind uns bereits aus unseren physischen Verhältnissen vertraut: Wenn eine Mutter ihr Kind in liebevoller Umarmung hält, drückt sich darin eine andere seelisch-geistige Geste aus, als wenn jemand entschieden auf mich zuschreitet. Wiederum anderes spricht sich aus, wenn jemand geduldig neben mir steht und wartet, bis ich mich ihm zuwende, als wenn jemand mich frontal und eindringlich anblickt. Diese Begegnungsgesten innerhalb der Raumverhältnisse sind auch für unser normales Tageserleben niemals rein physisch, sondern bereits Ausdruck einer seelisch-geistigen Sprache. Und so ist es auch mit der Erscheinung der Engel: Natürlich ‹steht› der Engel nicht ‹hinter› mir, weil er selbst weder ‹steht› noch örtlich an meinen Rückenraum gebunden ist. Aber wenn ich ihn dort erlebe, dann weist dieses erlebte Bild auf einen bestimmten Aspekt unseres gemeinsamen Bezuges hin.
Zeit- und Raumverhältnisse erscheinen uns im Irdischen als durchaus abgegrenzt und somit auch als recht starr. Im Lebendigen des Geistigen sind sie das aber überhaupt nicht. Dadurch, dass wir in diesen Zusammenhängen noch ungeübt sind, denken wir beispielsweise die Engel eher als ‹statische› Gestalten, Gemälden oder Statuen gleich. Doch das sind sie nicht, ganz im Gegenteil. Sie sind sehr beweglich und wandlungsfähig, sie können – physisch gedacht – gleichzeitig an mehreren Orten agieren, können – zeitlich gedacht – gleichzeitig mehrere Tätigkeiten ausführen und können sich uns auch unter unterschiedlichen Aspekten ihres Wirkens zeigen.
Da wir selbst der schwere Klotz am Bein unserer Wahrnehmung sind, können wir schrittweise lernen, uns innerlich etwas beweglicher zu machen. In der Sinneswelt machen wir zum Beispiel die Erfahrung, dass wir jemanden, der uns gegenübersteht, deutlicher, ichhafter erfassen können als jemanden, den wir hinter uns erspüren. Der vordere Raum ist für unser Bewusstein nicht nur der ‹sichtbarste›, sondern auch der ‹wachste› und ‹klarste›. Nun können wir versuchen, diese klarere Wahrnehmungsqualität auch im Geistigen anzustreben. Ein geistiges Wesen, welches uns beispielsweise von der Seite erscheint, können wir bitten, dass es sich vor uns hinstellt. Dabei werden wir bemerken, dass wir es auf diese Weise viel deutlicher erkennen können. Übend können wir hier Verschiedenes experimentieren, um die Qualitäten unserer eigenen Wahrnehmungsfähigkeit kennenzulernen.
imeigenen Herzensraumsseine eigene