[*]
a (geologische Anonymität hinzufügen. Land und Meer)
[*]
b Solférino
[*]
* vom Gebrauch rissigen
[*]
a oder eine Art Melone?
[*]
b und grobe Schuhe
[*]
a Der kleine Junge
[*]
a Ist es dunkel?
[*]
a Ich habe den Krieg gegen die Marokkaner mitgemacht (mit zweideutigem Blick) die Marokkaner sind nicht gut.
[*]
1 Im Widerspruch zu S. 12: «Ein vierjähriger kleiner Junge schlief an sie gelehnt.»
[*]
a wie manche Zellen unter dem Mikroskop es machen
[*]
a Von Anfang an müsste das Monströse an Jacques deutlicher gemacht werden.
[*]
* erloschene
[*]
1 So im Manuskript
[*]
a Überleitung
[*]
a Entwicklung Krieg 1914
[*]
a Kapitel schreiben und streichen
[*]
1 Diese drei Absätze sind durchgestrichen.
[*]
a Ich leihe Leuten, die mir gleichgültig sind, oft Geld, von dem ich weiß, dass es verloren ist. Aber ich kann einfach nicht nein sagen, und gleichzeitig bin ich erbittert.
[*]
a Jacques/Ich habe versucht, von Anfang an, schon als Kind, selbst herauszufinden, was gut und was böse ist – da niemand in meiner Umgebung es mir sagen konnte. Und jetzt, wo mir alles abhanden kommt, wo ich das Bedürfnis habe, dass jemand mir den Weg weist, mich tadelt und lobt, nicht aufgrund von Macht, sondern von Autorität, brauche ich meinen Vater.
Ich glaubte es zu wissen, mich in der Hand zu haben, ich [weiß?] noch nicht.
[*]
a Um das Alter von zehn herum
[*]
a Jene dicken Bücher aus Zeitungspapier mit plump koloriertem Einband, auf dem der Preis größer gedruckt war als der Titel und der Name des Verfassers.
[*]
b Die übertriebene Sauberkeit. Ein Schrank, ein Toilettentisch aus Holz mit Marmorauflage. Ein abgenutzter, schmutziger, ausgefranster geknüpfter Bettvorleger. Und in einer Ecke ein großer Koffer, über den ein alter arabischer Teppich gelegt war.
[*]
a Pierre, ebenfalls Sohn einer Kriegerwitwe, die bei der Post arbeitete, war sein Freund.
[*]
1 Siehe Erklärung des Autors nächste Seite
[*]
a der geschickte Verteidiger im Singular
[*]
a Auf dem grünen Feld fanden die «donnades» statt.
[*]
b Omar ist der Sohn dieses Ehepaars – der Vater ist Straßenkehrer bei der Stadt.
[*]
a Ein Kern wurde auf drei im Dreieck liegende andere gelegt. Und aus einer vorgegebenen Entfernung wurde ein weiterer Kern geworfen und so versucht, diesen Aufbau umzulegen. Wem es gelang, der bekam die vier Kerne. Wenn er danebentraf, gehörte sein Kern dem Besitzer des Häufchens.
[*]
a Galoufa
[*]
* großartigsten
[*]
a die Bäume benennen
[*]
A frz. Keule
[*]
B frz. dreckiger Deutscher
[*]
a 2 Sous
[*]
b Wenn du ertrinkst, bringt deine Mutter dich um. – Schämste dich nicht, dich vor allen so zu zeigen. Wo ist denn deine Mutter.
[*]
a der Bruder
[*]
a Sonntag
[*]
1 Wird weiter unten Ernest.
[*]
a Überleitung
[*]
1 Zwei unleserliche Zeichen
[*]
a Der knochige, glatte Bogen, in dem das schwarze, fiebrige Auge glänzt.
[*]
a Der Vater – Befragung – Krieg von 1914 – Anschlag
[*]
a 14
[*]
b ob du mit oder ohne krepierst, hatte der Unteroffizier gesagt
[*]
a Zeitung 1814 [so im Manuskript] in Algier
[*]
* August
[*]
a Er hatte Frankreich nie gesehen. Er sah es und wurde getötet.
[*]
a entwickeln
[*]
a sie glaubt, Granatsplitter funktionierten selbständig
[*]
a Veränderungen in der Wohnung
[*]
a – Hat er ihn gesehen, bevor er seine Mutter besucht?
– Im dritten Teil den Anschlag von Kessous neu schreiben, und in dem Fall hier nur auf den Anschlag hinweisen.
– Weiter unten.
[*]
1 Der ganze Abschnitt bis «Leiden war» ist mit einem Fragezeichen versehen.
[*]
1 So im Manuskript
[*]
a Verhältnis zum Bruder Henri: die Prügeleien
[*]
b Was gegessen wurde: Innereienragout-Kabeljauragout, Kichererbsen usw.
[*]
a Überleitung
[*]
1 Weiter oben heißt Jacques Cormerys Mutter mit Vornamen Lucie. Von hier an heißt sie Catherine.
[*]
* in einer Mischung von Scham und Ekel
[*]
a Nein. Weil er schon einmal behauptet hatte, Geld auf der Straße verloren zu haben, musste er eine andere Erklärung finden.
[*]
a Ihren Nichten
[*]
a Riveccio
[*]
a Zeichen von Armut hinzufügen – Arbeitslosigkeit – Ferienkolonie Sommer in Miliana – Hornsignal – Rauswurf – Wagt es ihm nicht zu sagen. Spricht: Gut, heute Abend werden wir Kaffee trinken. Ab und zu ist das eine Abwechslung. Er sieht sie an. Er hat oft Geschichten über Armut gelesen, in denen die Frau tapfer ist. Sie hat nicht gelächelt. Sie ist in die Küche gegangen, tapfer – nicht resigniert.
[*]
a Den alten Onkel Ernest vorher einführen – das Porträt von ihm in dem Zimmer, in dem Jacques und seine Mutter sich aufhielten. Oder ihn nachher auftreten lassen.
[*]
1 Bald mit Vornamen Ernest, bald Étienne, handelt es sich immer um dieselbe Person: Jacques’ Onkel.
[*]
a 9 Jahre
[*]
a das Geld, das er beiseitegelegt hat und das er Jacques schenkt.
[*]
b Mittelgroß, mit etwas gekrümmten Beinen und leicht gebeugtem Rücken unter einem dicken Panzer aus Muskeln, vermittelte er, trotz seiner Schlankheit, einen Eindruck außergewöhnlicher männlicher Kraft. Und dabei war sein Gesicht das eines Jugendlichen geblieben und sollte es noch lange bleiben, zart, ebenmäßig, etwas [ ]1?, mit denselben schönen braunen Augen wie seine Schwester, sehr gerader Nase, kahlen Augenbrauenbögen, ebenmäßigem Kinn und schönem borstigem, nein, leicht gewelltem Haar. Schon seine körperliche Schönheit erklärte, dass er trotz seiner Behinderung einige Abenteuer mit Frauen erlebt hatte, die nicht zur Ehe führen konnten und zwangsläufig kurz waren, die sich manchmal aber mit ein wenig von dem färbten, was man gemeinhin Liebe nennt, wie jene Liaison, die er mit einer verheirateten Geschäftsfrau des Viertels gehabt hatte, und bisweilen nahm er Jacques samstags abends mit zum Konzert auf dem Square Bresson, der zum Meer hin lag, und im Pavillon spielte die Militärkapelle Les cloches de Corneville oder Melodien aus Lakmé, während der sonntäglich herausgeputzte Ernest inmitten der Menge, die in der Dunkelheit um [ ] herumflanierte, es so einrichtete, dass er der in Tussorseide gekleideten Frau des Cafébesitzers über den Weg lief, und sie lächelten sich freundschaftlich zu, während der Ehemann, dem Ernest bestimmt nie
1Ein Wort durchgestrichen als möglicher Rivale in den Sinn gekommen war, mitunter kurze freundschaftliche Sätze an ihn richtete.
[*]
c das Waschhaus, die Mouna [vom Autor eingekreiste Wörter, A.d.Hg.].
[*]
d der Strand die gebleichten Holzstücke, die Korken, die abgetragenen Scherben … Kork Schilfrohre.
[*]
A Würste. Wahrscheinlich balearischer Herkunft.
[*]
a Jagd? Kann gestrichen werden.
[*]
b das Buch müsste schwer sein von Gegenständen und Körperlichem.
[*]
a Achtung, Vornamen ändern.
[*]
a Tolstoj oder Gorki (I) Der Vater Aus diesem Milieu stammt Dostojewskij (II) Der Sohn der zu den Ursprüngen zurückgekehrt zum Schriftsteller der Epoche wird (III) Die Mutter
[*]
b M. Germain – Das Lycée – die Religion – der Tod der Großmutter – Mit Ernests Hand enden?
[*]
a Mikrotragödien
[*]
a Der Haushalt Ernest, Catherine nach dem Tod der Großmutter.
[*]
* Tränen ohnmächtiger Liebe
[*]
a ihn sehr viel früher einführen – Kampf nicht Lucien.
[*]
b denn das Alter sollte bald kommen – damals fand Jacques seine Mutter alt, und sie war kaum so alt wie er jetzt, aber Jugend ist in erster Linie eine Ansammlung von Möglichkeiten, und er, zu dem das Leben großzügig gewesen war … [durchgestrichener Absatz. Anm. d. Hg.]
[*]
c Böttcherei vor Wutanfälle stellen und vielleicht sogar an den Anfang Porträt Ernest
[*]
a den Namen des Werkzeugs feststellen
[*]
a das Fass fertig bauen
[*]
1 Unlesbarer Name
[*]
a Michel während des Erdbebens von Orléansville nachholen
[*]
a Sechstes Buch im 2. Teil
[*]
b Und auch Francis war tot (siehe letzte Notizen)
[*]
c Denise geht mit achtzehn Jahren fort, um auf den Strich zu gehen – Kommt, reich geworden, mit einundzwanzig zurück und erneuert vom Verkauf ihres Schmucks den ganzen Pferdestall ihres Vaters – während einer Epidemie umgekommen.
[*]
a die Töchter?
[*]
1 Unleserlicher Name
[*]
b sind sie denn Monstren? (nein, er war das M.)
[*]
a demütiger und stolzer Herrscher über die Schönheit der Nacht.
[*]
1 Siehe Anhang, S. 243–244, Blatt II, das der Verfasser zwischen die Seiten 68 und 69 des Manuskripts gelegt hatte.
[*]
a Überleitung von 6?
[*]
a Fremdartig die Erbsensuppe
[*]
1 Der Name geht zurück auf die erste Person, die dieses Amt übernommen hatte und wirklich Galoufa hieß.
[*]
1 So im Manuskript
[*]
1 So im Manuskript
[*]
a verlängern und die staatliche Schule preisen
[*]
1 Hier nennt der Autor den Lehrer bei seinem richtigen Namen.
[*]
a siehe Buch
[*]
* Roman
[*]
a Die Strafen
[*]
a oder was für die einen eine Strafe ist, ist für die anderen eine Wonne.
[*]
a und deine Toten sind Huren
[*]
1 Der Absatz hört hier auf.
[*]
1 Der Absatz hört hier auf.
[*]
a Monsieur, er hat mir ein Bein gestellt
[*]
a das Stipendium
[*]
1 Am Rand: drei unlesbare Zeilen.
[*]
a Der Tod in Algerien
[*]
1 Ein unlesbares Wort
[*]
a In einem Katechismus nachlesen
[*]
1 Im Manuskript folgt hier kein Wort.
[*]
a Prüfungsstoff Stipendium nachlesen
[*]
a Pferdewagen Eisenbahn Schiff Flugzeug
[*]
1 Zwei unlesbare Wörter
[*]
2 Arabisch: «Es stand geschrieben» (im Schicksal).
[*]
a ausführen
[*]
a 48 [vom Autor umrandete Zahl. Anm. d. Hg.]
[*]
1 Ein unlesbares Wort
[*]
* unbekannten
[*]
* Furcht
[*]
* Algier
[*]
a Entweder mit dem Aufbruch ins Lycée anfangen und dann chronologisch weiter, oder mit einer Einführung des monströsen Erwachsenen und danach auf die Periode Aufbruch ins Lycée bis Krankheit zurückkommen.
[*]
b physische Beschreibung des Kindes
[*]
a die Mahnung
[*]
* in Empfang nehmen
[*]
1 So im Manuskript
[*]
b später bei seinem Tod auf ihn zurückkommen
[*]
a Entdeckung des Vaterlands 1940
[*]
a Schülermütze
[*]
a Die Schnur und die Klingel
[*]
a er wie alle anderen
[*]
a Zlabias, Makroud
[*]
b Siehe die Spatzen von Algerien bei Grenier
[*]
a Monsieur Bernard wurde geliebt und bewundert. Der Lehrer am Lycée wurde bestenfalls bewundert, und man wagte nicht, ihn zu lieben.
[*]
b sagen welche? Und entwickeln?
[*]
1 Ein unlesbares Wort
[*]
2 Ein unlesbares Wort
[*]
a der Hof weniger voll wegen der nach Hause gegangenen Externen
[*]
a ausführen
[*]
a Angriff des Päderasten
[*]
a Lucien – 14 EPS – 16 Versicherungen
[*]
1 Jacques’ Bruder wird mal Henri, mal Louis genannt.
[*]
a verzerrten
[*]
a Am nächsten Tag der Geruch des abgesengten Hühnchens
[*]
a Im Gymnasium keine donnade, sondern Faustkampf
[*]
1 Gemeint ist Jacques.
[*]
a Heißt es so?
[*]
b der Brand
[*]
* die Kinder
[*]
a die anderen großen Bäume
[*]
a chronologische Ordnung herstellen
[*]
a sie von ihrem Milieu trennen
[*]
1 Ein unlesbares Wort
[*]
a In Wirklichkeit kämpften sie darum, wer d’Artagnan oder Passepoil sein durfte. Keiner wollte Aramis, Athos sein, höchstens Porthos.
[*]
a Seiten des Wörterbuchs Quillet, der Geruch der Bretter
[*]
b Mademoiselle, Jack London, ist der gut?
[*]
a ausführen
[*]
a Man (Onkel Ernest) hatte ihm einen kleinen Schreibtisch aus Fichtenholz machen lassen.
[*]
a und die vom Schicksal schlecht Bedachten können irgendwo in ihrem Innern nicht umhin, sich selbst dafür verantwortlich zu machen, und meinen, sie sollten diese allgemeine Schuld nicht noch durch kleine Verfehlungen verschlimmern …
[*]
* hinwegging
[*]
a Les travailleurs de la mer
[*]
b Sie hatte weder das Lycée noch irgendetwas von seinem Alltag gesehen. Sie hatte einer für die Eltern organisierten Vorführung beigewohnt. Das war nicht das Lycée. Es war …
[*]
* den Bürgersteigen
[*]
a weiter oben Spielzeuge der Trick mit den nützlichen Geschenken
[*]
b fahlroten
[*]
c Sablettes? und andere Beschäftigungen im Sommer
[*]
* Regenfälle
[*]
a im Lycée – die Dauerkarte – jeden Monat Antrag – die berauschende Antwort: «Abonniert» und die siegreiche Überprüfung
[*]
a Einmischung der Mutter – Er wird müde sein.
[*]
b Die Lektüre vorher? die höher gelegenen Viertel?
[*]
a ein Kragenknopf, abknöpfbarer Kragen
[*]
1 Vom Autor umrandeter Absatz
[*]
a Postgeschäfte?
[*]
a Der Sommer die Nachhilfestunden nach der Reifeprüfung – das stumpfsinnige Gesicht vor ihm.
[*]
a Der Unfall des Hafenarbeiters? Siehe Tagebuch.
[*]
1 Ein unlesbares Wort
[*]
a die Liste fortführen
[*]
1 Ein unlesbares Wort
[*]
1 Der Satz bricht hier ab.
[*]
A Thomas-Robert Bugeaud de la Piconnerie, Marschall von Frankreich, wurde 1840 zum Gouverneur von Algerien ernannt. Seine Devise war die Kolonisierung «mit Pflug und Schwert». Berüchtigt wegen seiner «Razzien», Bestrafungsstreifzügen gegen algerische Dörfer.
[*]
1 Die Zahlen beziehen sich auf die Manuskriptseiten.
[*]
2 Das Manuskript endet mit Seite 144.
[*]
a Tod der Großmutter
[*]
* solidarisch
[*]
a Siehe: Histoire de la colonisation.
[*]
A Hauptfigur in Camus’ Roman Der Fall
[*]
1 Kommunistischer Aktivist, der in einer Fabrik Sprengstoff gelegt hatte. Im Algerienkrieg guillotiniert.
[*]
1 Unlesbares Wort
[*]
a (er begegnet ihm unbewaffnet [provoziert] das Duell)
[*]
A Mit Camus befreundeter algerischer Arzt und Philosoph
[*]
1 Grenier
[*]
2 Ein unlesbares Wort
[*]
1 Ein unlesbares Wort
[*]
A Deutsch im Original
[*]
1 Vom Autor umrandet.
[*]
1 «das ungeheure Vergessen» vom Autor umrandet.
[*]
A (Ergänzung der Ü.)
[*]
1 Ein unlesbares Wort.
[*]
2 Ein unlesbares Wort.
[*]
1 Zwei unlesbare Wörter
[*]
a Mondovi 48
[*]
b Die Menorquiner 1850 – Die Elsässer 72–73–14.
[*]
1 Der ganze Abschnitt wurde vom Autor umrandet.
[*]
2 Ein unlesbares Wort
[*]
1 Sechs unlesbare Wörter
[*]
2 Zwei unlesbare Wörter
[*]
3 Zwei unlesbare Wörter
[*]
a Er träumt es während der Siesta:
[*]
1 Ein unlesbares Wort
[*]
a Das alles in einem [wirklichkeitsfernen] lyrischen, gerade nicht realistischen Stil.
[*]
b Die Franzosen haben recht, aber ihr Recht unterdrückt uns. Und deshalb wähle ich die arabische Verrücktheit, die Verrücktheit der Unterdrückten.
[*]
1 Vermutlich Lucien Camus, der Vater.
[*]
A Russischer Revolutionär von 1905, wird in Der Mensch in der Revolte gepriesen und ist die Hauptfigur in Die Gerechten.
[*]
1 Vier unlesbare Wörter
[*]
1 Ein unlesbares Wort
[*]
1 Vier unlesbare Wörter
[*]
A Französ. satirische Wochenzeitung
Der erste Mensch ist das Werk, an dem Albert Camus bis zu seinem Tod arbeitete. Das Manuskript wurde bei dem tödlichen Autounfall am 4. Januar 1960 in seiner Mappe gefunden. Es besteht aus 144 mit der Hand in einer eiligen, schwer entzifferbaren Schrift heruntergeschriebenen Seiten, manche ohne Punkt und Komma, die nie überarbeitet wurden.
Der hier erstmals veröffentlichte Text wurde nach dem Manuskript und einer ersten Maschinenabschrift von Francine Camus, der Witwe des Autors, erstellt. Zum besseren Verständnis wurde die Zeichensetzung ergänzt. Die nicht eindeutig lesbaren Wörter stehen in eckigen Klammern, die Wörter oder Satzteile, die nicht entziffert werden konnten, als Leerzeichen in eckigen Klammern. Vom Verfasser über die Wörter geschriebene Varianten sind mit einem Sternchen, Zusätze am Rand mit einem Kleinbuchstaben, Anmerkungen der Herausgeberin mit einer Zahl [Anmerkungen der Übersetzerin mit Großbuchstaben] markiert und werden unten auf der Seite aufgeführt.
Im Anhang finden sich die (hier von I bis V nummerierten) Blätter, die teils in das Manuskript eingelegt waren (Blatt 1 vor das 4. Kapitel, Blatt II vor das Kapitel 6 a), teils an das Manuskriptende angefügt waren (Blatt III, IV und V).
Es folgt das Heft mit dem Titel Der erste Mensch (Notizen und Pläne), ein kleines Spiralheft mit kariertem Papier, aus dem der Leser ersehen kann, wie der Autor sein Werk weiterzuentwickeln gedachte.
Nach der Lektüre von Der erste Mensch wird man verstehen, weshalb wir auch den Brief Albert Camus’, den er nach der Verleihung des Literaturnobelpreises an seinen Volksschullehrer Louis Germain schickte, und dessen letzten Brief an ihn im Anhang abdrucken.
Mein Dank gilt Odette Diagne Créach, Roger Grenier und Robert Gallimard für ihre großzügige, beständige Freundschaft und Hilfe.
Catherine Camus
Fürsprecher: Wwe. Camus
Dir, die Du dieses Buch nie wirst lesen können[*]
Über dem Karren, der auf einer steinigen Straße entlangfuhr, zogen große, dichte Wolken in der Abenddämmerung gen Osten. Drei Tage zuvor hatten sie sich über dem Atlantik aufgebläht, hatten auf den Westwind gewartet, hatten sich dann in Bewegung gesetzt, zuerst langsam und immer schneller, waren über das herbstlich phosphoreszierende Wasser geradewegs auf den Kontinent zugeflogen und an den marokkanischen Gebirgskämmen zerfleddert[*], hatten sich über den Hochebenen Algeriens wieder zusammengeschart und versuchten jetzt, im Anflug auf die tunesische Grenze, das Tyrrhenische Meer zu erreichen, um sich dort aufzulösen. Nach einer Strecke von Tausenden von Kilometern über dieser vom bewegten Meer im Norden und von den erstarrten Sandwogen im Süden geschützten Art unermesslicher Insel, die sie über diesem namenlosen Land kaum schneller zurücklegten, als es jahrtausendelang die Reiche und Völker getan hatten, erlahmte ihr Schwung, und manche verflüssigten sich schon zu einzelnen dicken Regentropfen, die auf das Stoffdach über den vier Reisenden zu klopfen begannen.
Der Karren knirschte über die recht klar sich abzeichnende, aber kaum befestigte Straße. Hin und wieder schoss ein Funke unter der Eisenfelge oder unter dem Huf eines Pferdes hervor, und ein Feuerstein schlug gegen das Holz des Karrens oder bohrte sich im Gegenteil mit einem dumpfen Geräusch in die weiche Erde des Straßengrabens. Die beiden kleinen Pferde liefen indessen gleichmäßig, kaum einmal stolpernd, mit vorgewölbter Brust, um den schweren, mit Möbeln vollgeladenen Karren zu ziehen, und ließen mit ihrem unterschiedlichen Traben rastlos die Straße hinter sich. Das eine schnaubte mitunter laut und geriet aus dem Trab. Der Araber, der lenkte, ließ dann die abgewetzten[*] Zügel flach auf seinen Rücken klatschen, und das Tier fiel brav in seinen Rhythmus zurück.
Der Mann, der auf der vorderen Bank neben dem Lenker saß, ein Franzose über dreißig, sah mit verschlossenem Gesicht auf die beiden Kruppen, die sich unter ihm auf und ab bewegten. Mittelgroß, stämmig, mit länglichem Gesicht und hoher, breiter Stirn, einem energischen Kiefer und hellen Augen, trug er trotz der vorgerückten Jahreszeit eine Drillichjacke mit drei Knöpfen, die nach der Mode der damaligen Zeit am Kragen zugeknöpft war, und auf dem kurzgeschnittenen Haar eine leichte Schirmmütze[*] [*]. Sobald der Regen auf das Verdeck über ihnen zu trommeln begann, drehte er sich ins Wageninnere um: «Geht’s dir gut?», rief er. Auf einer zwischen die erste Bank und einen Haufen alter Koffer und Möbel eingezwängten zweiten Bank lächelte eine unzureichend gekleidete, aber in einen großen Schal aus grober Wolle gehüllte Frau ihn schwach an. «Ja, ja», sagte sie mit einer leichten, entschuldigenden Geste. Ein vierjähriger kleiner Junge schlief an sie gelehnt. Sie hatte ein sanftes, ebenmäßiges Gesicht, das schön gewellte schwarze Haar der Spanierin, eine gerade kleine Nase, schöne, warmherzige braune Augen. Aber etwas in diesem Gesicht fiel auf. Es war nicht nur das Maskenhafte, das die Müdigkeit oder Ähnliches vorübergehend ihren Zügen aufprägte, nein, eher ein Ausdruck von Abwesenheit und lieblicher Zerstreutheit, wie manche Naive ihn ständig zeigen, der sich hier aber flüchtig über die Schönheit der Gesichtszüge legte. In die so auffällige Güte des Blicks mischte sich bisweilen auch ein Funke unsinniger Furcht, der sogleich wieder erlosch. Mit der flachen, schon von der Arbeit ruinierten und an den Gelenken knotigen Hand klopfte sie leicht auf den Rücken ihres Mannes: «Es geht, es geht», sagte sie. Und sofort hörte sie auf zu lächeln, um unter dem Verdeck auf die Straße zu blicken, wo schon Pfützen zu schimmern begannen.
Der Mann drehte sich wieder zu dem Araber um, der still unter seinem Turban mit gelben Schnürchen saß, wie aufgeplustert von derben, über den Waden zusammengebundenen Hosen mit breitem Hosenboden. «Ist es noch weit?» Der Araber lächelte unter seinem gewaltigen weißen Schnurrbart. «Acht Kilometer, und du bist da.» Der Mann drehte sich um, sah seine Frau ohne Lächeln, aber aufmerksam an. Sie hatte den Blick nicht von der Straße gewandt. «Gib mir die Zügel», sagte der Mann. – «Meinetwegen», sagte der Araber. Er reichte ihm die Zügel, der Mann stieg über den alten Araber hinweg, während der unter ihm auf den Platz rutschte, den er eben verlassen hatte. Mit zwei Schlägen der flachen Zügel übernahm der Mann die Pferde, die ihren Trab verschärften und plötzlich gerader zogen. «Du kennst Pferde», sagte der Araber. Die Antwort kam knapp und ohne dass der Mann lächelte: «Ja», sagte er.
Die Helligkeit hatte abgenommen, und auf einmal wurde es Nacht. Der Araber holte die links von ihm hängende Laterne aus ihrer Schließklappe und verbrauchte, dem Wageninnern zugedreht, mehrere dicke Streichhölzer, um ihre Kerze anzuzünden. Dann hängte er die Laterne wieder auf. Der Regen fiel jetzt sanft und stetig. Er glänzte im schwachen Licht der Lampe und erfüllte die vollständige Finsternis ringsum mit einem leisen Rauschen. Hin und wieder rollte der Karren an Dornbüschen, an sekundenlang schwach beleuchteten niedrigen Bäumen vorbei. Die übrige Zeit aber fuhr er in einem durch die Dunkelheit noch ausgedehnter wirkenden leeren Raum. Nur Gerüche von verbranntem Gras oder, plötzlich, ein starker Geruch nach Dünger erinnerten daran, dass man mitunter an bebauten Feldern entlangfuhr. Die Frau sagte etwas hinter dem Lenkenden, der seine Pferde ein wenig zügelte und sich nach hinten beugte. «Da ist niemand», wiederholte die Frau. – «Hast du Angst?» – «Wie?» Der Mann wiederholte seinen Satz, diesmal aber schreiend. «Nein, nein, nicht, wenn du da bist.» Aber sie wirkte unruhig. «Du hast Schmerzen», sagte der Mann. – «Ein bisschen.» Er trieb seine Pferde an, und wieder hallte nur der laute Lärm der Räder, die die Furchen durchquerten, und der acht Hufeisen, die auf die Straße schlugen, durch die Nacht.
Es war eine Nacht im Herbst 1913. Die Reisenden waren zwei Stunden zuvor vom Bahnhof von Bône abgefahren, wo sie nach einer Nacht und einem Tag Fahrt auf den harten Bänken der dritten Klasse von Algier angekommen waren. Sie hatten am Bahnhof den Wagen und den Araber vorgefunden, der sie erwartete, um sie zu dem Gut in der Nähe eines kleinen Dorfes etwa zwanzig Kilometer landeinwärts zu bringen, dessen Verwaltung der Mann übernehmen sollte. Es hatte gedauert, die Koffer und ein paar Sachen aufzuladen, und dann hatte die schlechte Straße sie noch weiter aufgehalten. Als bemerke er die Unruhe seines Mitreisenden, sagte der Araber: «Keine Angst. Hier gibt es keine Banditen.» – «Die gibt es überall», sagte der Mann. «Aber ich habe das Nötige dabei.» Und er klopfte auf seine schmale Tasche. «Du hast recht», sagte der Araber. « ’s gibt immer Verrückte.» In dem Augenblick rief die Frau ihren Mann. «Henri», sagte sie, «es tut weh.» Der Mann fluchte und spornte seine Pferde noch etwas mehr an.[*] «Wir sind gleich da», sagte er. Nach einer Weile sah er wieder nach seiner Frau. «Tut es noch weh?» Sie lächelte ihn mit einer seltsamen Zerstreutheit an, jedoch ohne dass sie zu leiden schien. «Ja, sehr.» Er sah sie mit dem gleichen Ernst an. Und sie entschuldigte sich wieder. «Es ist nicht schlimm. Das kommt vielleicht von der Zugfahrt.» – «Sieh mal», sagte der Araber, «das Dorf.» Tatsächlich konnte man links von der Straße, etwas weiter weg die im Regen verschwommenen Lichter von Solférino sehen. «Aber du nimmst die Straße rechts», sagte der Araber. Der Mann zögerte, drehte sich zu seiner Frau um. «Fahren wir zum Haus oder ins Dorf?», fragte er. – «Oh, zum Haus, das ist besser.» Ein Stück weiter schwenkte der Wagen nach rechts in Richtung des unbekannten Hauses, das sie erwartete. «Noch einen Kilometer», sagte der Araber. «Wir sind gleich da», sagte der Mann zu seiner Frau hin. Sie saß zusammengekrümmt, das Gesicht in den Armen. «Lucie», sagte der Mann. Sie regte sich nicht. Der Mann berührte sie mit der Hand. Sie weinte lautlos: Er schrie, wobei er die Silben einzeln aussprach und seine Worte mit Gebärden begleitete: «Du legst dich gleich hin. Ich hole den Doktor.» – «Ja. Hol den Doktor. Ich glaube, es ist soweit.» Der Araber sah sie erstaunt an. «Sie bekommt was Kleines», sagte der Mann. «Gibt es im Dorf einen Doktor?» – «Ja. Ich hole ihn, wenn du willst.» – «Nein, du bleibst im Haus. Du passt auf. Ich bin schneller. Hat er einen Wagen oder ein Pferd?» – «Einen Wagen.» Dann sagte der Araber zu der Frau: «Es wird ein Junge. Möge er schön sein.» Die Frau lächelte ihn an, ohne dass sie zu verstehen schien. «Sie hört nicht», sagte der Mann. «Im Haus schreist du laut und machst die entsprechenden Gesten.»
Der Wagen fuhr plötzlich fast geräuschlos. Die schmaler gewordene Straße hatte eine Tuffdecke. Sie führte an ziegelgedeckten kleinen Schuppen vorbei, hinter denen man die ersten Reihen der Weinfelder sah. Ein starker Geruch nach Traubenmost schlug ihnen entgegen. Sie ließen große Gebäude mit aufgestockten Dächern hinter sich, und die Räder knirschten auf dem Schlackebelag einer Art von baumlosem Hof. Der Araber nahm wortlos die Zügel und zog sie an. Die Pferde blieben stehen, und das eine schüttelte sich.[*] Der Araber zeigte auf ein weißgekalktes Häuschen. Ein kletternder Weinstock rankte sich um eine niedrige kleine Tür, deren Umkreis vom Sulfatspritzen blau verfärbt war. Der Mann sprang hinunter und lief durch den Regen zum Haus. Er öffnete die Tür, die in einen dunklen, nach leerer Feuerstelle riechenden Raum führte. Der nachfolgende Araber ging geradewegs in der Dunkelheit auf den Kamin zu, riss ein Streichholz an und zündete eine Petroleumlampe an, die in der Mitte des Raums über einem runden Tisch hing. Der Mann nahm sich kaum die Zeit, eine gekalkte Küche mit einem rotgekachelten Ausguss, einer alten Anrichte und einem aufgeweichten Kalender an der Wand wahrzunehmen. Eine ebenfalls rotgeflieste Treppe führte nach oben. «Mach Feuer», sagte er und ging wieder zum Wagen. (Er nahm den kleinen Jungen?) Die Frau wartete, ohne etwas zu sagen. Er nahm sie in die Arme, um sie herunterzuheben, hielt sie einen Augenblick an sich gedrückt und beugte ihren Kopf zurück. «Kannst du gehen?» – «Ja», sagte sie und streichelte ihm mit ihrer knotigen Hand den Arm. Er schleppte sie zum Haus. «Warte», sagte er. Der Araber hatte bereits das Feuer angemacht und legte mit genauen und geschickten Bewegungen Rebholz nach. Sie stand neben dem Tisch, die Hände auf dem Bauch, und ihr schönes, dem Licht der Lampe zugekehrtes Gesicht wurde jetzt von kurzen Schmerzwellen durchzogen. Sie schien weder die Feuchtigkeit noch den Geruch von Verwahrlosung und Elend zu bemerken. Der Mann machte sich oben in den Zimmern zu schaffen. Dann erschien er oben auf der Treppe. «Gibt es im Schlafzimmer keinen Kamin?» – «Nein», sagte der Araber. «In dem anderen auch nicht.» – «Komm»,sagte der Mann. Der Araber ging zu ihm hinauf. Dann sah man ihn mit dem Rücken voran auftauchen, eine Matratze tragend, die der Mann am anderen Ende hielt. Sie legten sie neben den Kamin. Der Mann schob den Tisch in eine Ecke, während der Araber wieder nach oben ging und bald wieder mit einem Kopfpolster und Decken herunterkam. «Leg dich da hin», sagte der Mann zu seiner Frau und führte sie zu der Matratze. Sie zögerte. Man roch jetzt den Geruch von feuchtem Rosshaar, der aus der Matratze stieg. «Ich kann mich nicht ausziehen», sagte sie und blickte sich furchtsam um, als entdecke sie erst jetzt diese Räumlichkeiten … «Zieh aus, was du drunter hast», sagte der Mann. Und er wiederholte: «Zieh deine Unterwäsche aus.» Dann zu dem Araber: «Danke. Spann ein Pferd aus. Ich reite ins Dorf.» Der Araber ging hinaus. Mit dem Rücken zu ihrem Mann, der sich auch umdrehte, nestelte die Frau an sich herum. Dann legte sie sich hin, und sobald sie lag und die Decke über sich zog, schrie sie ein einziges Mal, lange, aus vollem Hals, als habe sie sich mit einem Schlag von allen Schreien befreien wollen, die der Schmerz in ihr angestaut hatte. Der Mann, der neben der Matratze stand, ließ sie schreien, dann, als sie verstummte, nahm er seine Mütze ab, kniete sich auf ein Bein nieder und küsste die schöne Stirn über den geschlossenen Augen. Er setzte seine Mütze wieder auf und ging dann hinaus in den Regen. Das ausgespannte Pferd drehte sich schon um sich selbst, die Vorderbeine in die Schlacke gestemmt. «Ich hole einen Sattel», sagte der Araber. – «Nein, lass die Zügel dran. Ich reite es so. Bring die Koffer und die Sachen in die Küche. Hast du eine Frau?» – «Sie ist tot. Sie war alt.» – «Hast du eine Tochter?» – «Nein, Gott sei Dank nicht. Aber ich habe die Frau meines Sohnes.» – «Sag ihr, sie soll kommen.» – «Mach ich. Geh in Frieden.» Der Mann sah den unbeweglich im feinen Regen stehenden alten Araber an, der ihn unter seinem nassen Schnurrbart hervor anlächelte. Er lächelte immer noch nicht, aber er sah ihn mit seinen hellen, aufmerksamen Augen an. Dann reichte er ihm die Hand, die der andere nach arabischer Sitte mit den Fingerspitzen nahm und dann an den Mund führte. Der Mann drehte sich mit einem Knirschen auf der Schlacke um, ging auf das Pferd zu, schwang sich auf dessen bloßen Rücken und entfernte sich in schwerfälligem Trab.
Nach dem Verlassen des Gutes schlug der Mann die Richtung zu der Kreuzung ein, von wo aus sie zum ersten Mal die Lichter des Dorfes erblickt hatten. Sie leuchteten jetzt heller, der Regen hatte aufgehört, und die Straße, die rechts auf sie zuführte, lief schnurstracks durch Weinfelder, deren Stützdrähte stellenweise glänzten. Etwa auf halbem Weg wurde das Pferd von sich aus langsamer und fiel in Schritttempo. Sie näherten sich einer Art rechteckiger Hütte, deren einer Teil, der einen Raum bildete, gemauert war, und der andere, der größere, war aus Brettern gebaut, mit einem großen Vordach, das über einer Art vorspringendem Ladentisch herabhing. Eine Tür war in den gemauerten Teil eingesetzt, über der man lesen konnte: «Landwirtschaftliche Kantine Mme Jacques». Unter der Tür drang Licht hervor. Der Mann hielt sein Pferd dicht neben der Tür an und klopfte, ohne abzusteigen. Sofort fragte eine schallende, entschiedene Stimme von innen: «Was ist?» – «Ich bin der neue Gutsverwalter von Saint-Apôtre. Meine Frau kommt nieder. Ich brauche Hilfe.» Niemand antwortete. Nach einer Weile wurden Riegel aufgeschoben, Querbalken angehoben und dann weggezogen, und die Tür ging einen Spaltbreit auf. Man konnte den schwarzen, kraushaarigen Kopf einer Europäerin mit vollen Wangen und einer etwas platten Nase über dicken Lippen sehen. «Ich heiße Henri Cormery. Können Sie zu meiner Frau gehen? Ich hole den Doktor.» Sie sah ihn fest mit einem Blick an, der es gewohnt war, Menschen und Widrigkeiten einzuschätzen. Er hielt ihrem Blick stand, aber ohne ein Wort der Erklärung hinzuzufügen. «Ich gehe zu ihr», sagte sie. «Machen Sie schnell.» Er bedankte sich und spornte das Pferd mit den Fersen an. Einige Augenblicke später erreichte er, zwischen so etwas wie Wällen aus trockener Erde hindurchreitend, das Dorf. Vor ihm erstreckte sich die offenbar einzige Straße, gesäumt von einstöckigen kleinen Häusern, alle gleich, an denen er bis zu einem kleinen Platz mit Tuffbelag entlangritt, auf dem überraschenderweise ein Musikpavillon mit schmiedeeiserner Verkleidung stand. Der Platz war wie die Straße ausgestorben. Cormery ritt schon auf eines der Häuser zu, als das Pferd einen Satz zur Seite machte. Ein Araber in einem dunklen, abgerissenen Burnus tauchte aus der Dunkelheit auf und kam auf ihn zu. «Das Haus des Doktors», fragte Cormery sofort. Der andere sah den Reiter prüfend an. «Komm», sagte er, nachdem er ihn geprüft hatte. Sie gingen die Straße in umgekehrter Richtung zurück. An einem der Häuser, das über dem Erdgeschoss um eine Etage aufgestockt war, die man über eine gekalkte Treppe erreichte, konnte man lesen: «Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit.» Daneben befand sich ein von verputzten Mauern umgebener kleiner Garten, in dem ein Haus stand, auf das der Araber zeigte: «Das ist es», sagte er. Cormery sprang vom Pferd und durchquerte mit Schritten, die keinerlei Müdigkeit verrieten, den Garten, von dem er nur, genau in der Mitte, eine Zwergpalme mit vertrockneten Zweigen und einem verfaulten Stamm sah. Er klopfte an die Tür. Niemand antwortete.[*] Er drehte sich um. Der Araber wartete schweigend. Der Mann klopfte noch einmal. Auf der anderen Seite waren Schritte zu hören und verhielten hinter der Tür. Aber sie öffnete sich nicht. Cormery klopfte wieder und sagte: «Ich suche den Doktor.» Sofort wurden Riegel zurückgeschoben, und die Tür ging auf. Ein Mann mit jungem, pausbäckigem Gesicht, aber fast weißem Haar, groß und stattlich, wurde sichtbar, dessen Beine in Gamaschen steckten und der gerade eine Art Jagdrock überzog. «Nanu, wo kommen Sie denn her?», sagte er lächelnd. «Ich habe Sie noch nie gesehen.» Der Mann gab Auskunft. «Ach ja, der Bürgermeister hat mich informiert. Aber sagen Sie mal, das ist eine komische Gegend, um hier niederzukommen.» Der andere sagte, er habe das Ereignis später erwartet und sich wohl getäuscht. «Gut, das passiert jedem. Reiten Sie los, ich sattle Matador und komme nach.»
Auf der Hälfte des Rückwegs, im wieder einsetzenden Regen, holte der auf einem Apfelschimmel reitende Arzt Cormery ein, der völlig durchnässt war, aber noch immer gerade auf seinem schweren Ackergaul saß. «Eine komische Art anzukommen», rief der Doktor. «Aber Sie werden sehen, der Landstrich hat seine guten Seiten, abgesehen von den Moskitos und den Banditen der Gegend.» Er ritt auf gleicher Höhe mit seinem Begleiter. «Wohlgemerkt, mit den Moskitos haben Sie bis zum Frühling Ihre Ruhe. Mit den Banditen … » Er lachte, aber der andere setzte seinen Weg wortlos fort. Der Doktor sah ihn neugierig an: «Fürchten Sie nichts», sagte er, «alles wird gutgehen.» Cormery wandte dem Doktor seine hellen Augen zu, sah ihn ruhig an und sagte mit einem Anflug von Herzlichkeit: «Ich habe keine Angst. Ich bin harte Schläge gewohnt.» – «Ist es Ihr Erstes?» – «Nein, ich habe einen vierjährigen Jungen bei meiner Schwiegermutter in Algier gelassen.» [*] Sie kamen an die Kreuzung und schlugen die Straße zum Gut ein. Bald flog die Schlacke unter den Füßen der Pferde. Als die Pferde anhielten und es wieder still wurde, hörte man aus dem Haus einen lauten Schrei. Die beiden Männer stiegen ab.
Ein Schatten erwartete sie im Schutz des tropfenden Weinstocks. Im Näherkommen erkannten sie den alten Araber, der einen Sack über dem Kopf trug. «Guten Tag, Kaddour», sagte der Doktor. «Wie steht’s?» – «Ich weiß nicht, ich gehe ja nicht zu den Frauen rein.» – «Ein guter Grundsatz», sagte der Doktor. «Besonders wenn die Frauen schreien.» Aber von innen kam kein Schrei mehr. Der Doktor öffnete die Tür und ging hinein, Cormery hinter ihm her.
Ein großes Feuer aus Rebholz loderte ihnen gegenüber im Kamin und beleuchtete den Raum noch heller als die Petroleumlampe mit Kupfer- und Perlenfassung, die in der Deckenmitte hing. Rechts von ihnen hatte sich der Ausguss mit Metallkannen und Handtüchern gefüllt. Links, vor eine wacklige Anrichte aus Fichtenholz, war der Tisch aus der Mitte geschoben worden. Eine alte Reisetasche, eine Hutschachtel und kleine Bündel lagen nun darauf. In allen Ecken des Zimmers stapelten sich überall alte Gepäckstücke und ließen nur in der Mitte, nicht weit vom Feuer, freien Raum. An dieser Stelle, auf der quer zum Kamin ausgebreiteten Matratze, lag die Frau mit etwas nach hinten auf ein Kissen ohne Bezug geneigtem Kopf und nun offenem Haar. Die Decke war jetzt nur noch über die Hälfte der Matratze gebreitet. Links von der Matratze verbarg die kniende Kantinenwirtin den aufgedeckten Teil der Matratze. Sie wrang über einer Schüssel ein Handtuch aus, von dem gerötetes Wasser herabtropfte. Rechts saß im Schneidersitz eine Araberin ohne Schleier und hielt in einer darbietenden Haltung eine Zweite, etwas abgestoßene Emailschüssel, in der heißes Wasser dampfte. Die beiden Frauen waren an den zwei Enden eines zusammengefalteten Betttuchs, das unter der Kranken lag. Die Schatten und die Flammen des Kamins stiegen und fielen auf den Kalkwänden, den Gepäckstücken, mit denen das Zimmer vollgestellt war, und glühten, noch näher daran, auf den Gesichtern der beiden Helferinnen und dem Körper der bis zum Hals zugedeckten Kranken auf.
Als die beiden Männer eintraten, sah die Araberin sie mit einem kurzen Lachen an, während ihre dünnen braunen Arme noch immer die Schüssel darboten. Die Kantinenwirtin sah sie an und rief fröhlich: «Wir brauchen Sie nicht mehr, Doktor. Es ist von ganz allein gekommen.» Sie stand auf, und die beiden Männer sahen neben der Kranken etwas Formloses und Blutiges, das von einer Art regloser Bewegung belebt wurde und aus dem jetzt ein anhaltendes Geräusch kam, einem fast unmerklichen unterirdischen Knirschen ähnlich.[*] «Das sagt man so», sagte der Doktor. «Ich hoffe, Sie haben die Nabelschnur nicht angerührt.» – «Nein», sagte die andere lachend. «Wir mussten Ihnen schließlich etwas übrig lassen.» Sie stand auf und überließ dem Doktor ihren Platz, der das Neugeborene wieder Cormerys Blick entzog, der an der Tür stehen geblieben war und seine Mütze abgenommen hatte. Der Doktor ging in die Hocke, öffnete seine Arzttasche und nahm dann die Schüssel aus der Hand der Araberin, die sich sofort aus dem beleuchteten Bereich entfernte und sich in die dunkle Ecke des Kamins verzog. Noch immer mit dem Rücken zur Tür, wusch sich der Doktor die Hände, dann goss er Alkohol darüber, der ein wenig nach Marc roch und dessen Geruch sofort das ganze Zimmer erfüllte. Im gleichen Augenblick hob die Kranke den Kopf und sah ihren Mann. Ein wunderbares Lächeln verklärte das schöne, erschöpfte Gesicht. Cormery ging zu der Matratze hinüber. «Er ist da», sagte sie in einem Atemzug und streckte die Hand nach dem Kind aus. «Ja», sagte der Doktor. «Aber liegen Sie still.» Die Frau sah ihn fragend an. Cormery, der am Fuß der Matratze stand, machte ihr ein beruhigendes Zeichen. «Leg dich hin.» Sie ließ sich zurücksinken. In dem Augenblick wurde der Regen auf dem alten Ziegeldach stärker. Der Doktor hantierte unter der Decke. Dann richtete er sich auf und schien vor sich etwas zu schütteln. Ein leiser Schrei wurde hörbar. «Es ist ein Junge», sagte der Doktor. «Und ein Prachtstück.» – «Der fängt ja gut an», sagte die Kantinenwirtin. «Mit einem Umzug.» Die Araberin in der Ecke lachte und klatschte zweimal in die Hände. Cormery sah sie an, und sie wandte sich verwirrt ab. «Gut», sagte der Doktor. «Lassen Sie uns jetzt einen Moment allein.» Cormery sah seine Frau an. Aber ihr Gesicht war noch immer nach hinten geneigt. Nur die entspannt auf der groben Decke liegenden Hände erinnerten noch an das Lächeln, das eben den armseligen Raum erfüllt und verschönt hatte. Er setzte seine Mütze auf und ging zur Tür. «Wie wollen Sie ihn nennen?», rief die Kantinenwirtin. – «Ich weiß nicht, wir haben nicht darüber nachgedacht.» Er sah ihn an. «Wir nennen ihn Jacques, weil Sie dabei waren.» Die andere lachte laut, und Cormery ging hinaus. Unter dem Weinstock wartete der Araber, immer noch mit seinem Sack auf dem Kopf. Er sah Cormery an, der nichts sagte. «Da», sagte der Araber und hielt ihm ein Stück seines Sacks hin. Cormery stellte sich darunter. Er fühlte die Schulter des alten Arabers und roch den Tabakrauch, den dessen Kleidung verströmte, und spürte den Regen, der auf den Sack über ihren beiden Köpfen fiel. «Es ist ein Junge», sagte er, ohne seinen Gefährten anzusehen. – «Gelobt sei Gott», antwortete der Araber. «Du bist ein Chef.» Das Tausende Kilometer weit hergekommene Wasser fiel ohne Unterlass auf die von zahlreichen Pfützen ausgehöhlte Schlacke, auf die Weinfelder weiter hinten, und die Stützdrähte glänzten noch immer unter den Tropfen. Es würde das Meer im Osten nicht erreichen und würde nun das ganze Land überschwemmen, das Sumpfgebiet am Fluss und die umliegenden Berge, das fast menschenleere, unermessliche Land, dessen starker Geruch zu den beiden unter demselben Sack dicht nebeneinander stehenden Männern drang, während hinter ihnen dann und wann noch ein schwacher Schrei erklang.
Spätnachts betrachtete Cormery, der in langer Unterhose und im Unterhemd auf einer zweiten Matratze neben seiner Frau lag, die an der Decke tanzenden Flammen. Das Zimmer war jetzt fast eingerichtet. An der anderen Seite seiner Frau, in einem Wäschekorb, schlummerte das Kind ohne einen Laut, außer manchmal leisem Gegluckse. Auch seine Frau schlief mit ihm zugewandtem Gesicht und leicht geöffnetem Mund. Der Regen hatte aufgehört. Am nächsten Tag würde er sich an die Arbeit machen müssen. Neben ihm erinnerte ihn die schon verbrauchte, fast holzartige Hand seiner Frau ebenfalls an diese Arbeit. Er streckte seine Hand aus, legte sie sanft auf die der Kranken, ließ sich zurücksinken und schloss die Augen.