Michael Zamis und seine Familie stehen mit dem Rücken zur Wand. Mit Adalmar hat er seinen begabtesten Sohn verloren. Dafür kehrt Coco in den Schoß der Familie zurück, um ihren Eltern im Kampf gegen den übermächtig erscheinenden Dämon Abraxas beizustehen. Der amtierende Fürst der Finsternis, Asmodi, hält sich zunächst bedeckt. Ist er am Ende der lachende Dritte?
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Band 62
Hexenjagd
von Madeleine Puljic und Logan Dee
nach einem Exposé von Uwe Voehl
© Zaubermond Verlag 2021
© »Das Haus Zamis – Dämonenkiller«
by Pabel-Moewig Verlag GmbH, Rastatt
Titelbild: Mark Freier
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Alle Rechte vorbehalten
Die junge Hexe Coco Zamis ist das weiße Schaf ihrer Familie. Die grausamen Rituale der Dämonen verabscheuend, versucht sie den Menschen, die in die Fänge der Schwarzen Familie geraten, zu helfen. Auf einem Sabbat soll Coco endlich zur echten Hexe geweiht werden. Asmodi, das Oberhaupt der Schwarzen Familie der Dämonen, hält um Cocos Hand an. Doch sie lehnt ab. Asmodi kocht vor Wut – umso mehr, da Cocos Vater Michael Zamis ohnehin mehr oder minder unverhohlen Ansprüche auf den Thron der Schwarzen Familie erhebt.
Nach jahrelangen Scharmützeln scheint endlich wieder Ruhe einzukehren: Michael Zamis und seine Familie festigen ihre Stellung als stärkste Familie in Wien, und auch Asmodi findet sich mit den Gegebenheiten ab. Coco Zamis indes hat sich von ihrer Familie offiziell emanzipiert. Das geheimnisvolle »Café Zamis«, dessen wahrer Ursprung in der Vergangenheit begründet liegt und innerhalb dessen Mauern allein Cocos Magie wirkt, ist zu einem neutralen Ort innerhalb Wiens geworden. Menschen wie Dämonen treffen sich dort – und manchmal auch Kreaturen, die alles andere als erwünscht sind.
Die intriganten Spiele, auch innerhalb der Zamis-Sippe, gehen unvermindert weiter. Dabei erfährt Coco Zamis einen ganz besonderen Exorzismus: Ihre böse Seite gewinnt die Oberhand. Mit wessen Hilfe Michael Zamis das geschafft hat, bleibt erstmal sein Geheimnis.
Coco wird unterdessen aufgewiegelt, dass ihre Halbschwester Juna ihr das Café streitig machen wolle. Kurzerhand versetzt Coco sie mithilfe des Zwerges Ficzkó in die Vergangenheit – in die Dienste der berüchtigten Blutgräfin.
Doch Juna taucht in der Gegenwart wieder auf – als Puppe. Georg Zamis, der inzwischen seine Gefühle für Juna entdeckt hat, entführt sie kurzerhand und versteckt sich mit ihr im Haus der Callas. Coco findet es heraus und zwingt Ficzkó, Juna erneut auf magische Weise in die Vergangenheit zu entführen. Sie bringt Ficzkó einen Zauber bei, den dieser anwenden soll, sobald er Junas habhaft wird. Von Georg verfolgt, flüchtet Ficzkó in einen Schrank und versetzt sich und Juna in die Vergangenheit. In letzter Sekunde springt Georg hinzu. Alle drei werden von dem Sog erfasst und gelten seitdem als verschollen.
Doch etwas ging schief: Fortan ist ein Durchgang zu anderen – höllischen – Dimensionen entstanden. Ein neuer Dämon taucht so in Wien auf: Monsignore Tatkammer. Niemand weiß, woher er stammt, doch er sät Böses, wo immer er ist. Noch ist die Schwarze Familie nicht auf ihn aufmerksam geworden, sodass er ungehindert wirken kann.
Unterdessen wird der verschwundene Schiedsrichter der Schwarzen Familie, Skarabäus Toth, in Wien gesichtet. Michael Zamis hatte ihn, um ihn loszuwerden, in ein Chamäleon verwandelt. Offensichtlich aber hat Toth eine Möglichkeit gefunden, zumindest als Geistererscheinung auf seine verzweifelte Lage aufmerksam zu machen. Michael Zamis will ihn daher endgültig loswerden und beauftragt dafür Coco.
Sie macht sich widerwillig auf die Reise und lässt den Sarg mit Toth über dem Ätna abwerfen.
Auftrag erledigt, doch sie zieht es nicht sofort nach Wien zurück, denn dort warten weitere Probleme auf sie. Nicht zuletzt ein Dämon namens Youssef, dem sie ihr Café »verkauft« hat.
In Italien lernt sie Alessandro Wolkow kennen. Als Sohn einer weißen Hexe und eines schwarzblütigen Dämons ist er eine zwiegespaltene Persönlichkeit. Die beiden verlieben sich ineinander, auch wenn Coco bewusst ist, dass sie ihre magischen Fähigkeiten dadurch zum großen Teil verliert. Dafür erkennt sie, warum sie sich so sehr verändert hat: Ihr Vater hat die Neiddämonin Invidia auf sie angesetzt. Doch gegen die Liebe ist auch die Neiddämonin machtlos – und verschwindet. Coco hofft, sie für immer los zu sein, und flüchtet mit Alessandro nach Frankreich.
Unterdessen finden sich Georg Zamis, Juna und Ficzkó im Jahr 1888 in Paris wieder. Sie sind getrennt worden, und Georg macht sich auf die verzweifelte Suche nach Juna. Dort treffen sie auf den damals noch jungen Michael Zamis, mit dessen unfreiwilliger Hilfe sie wieder in die Gegenwart gelangen – genau in die Arme einer Pariser SEK, die von der Existenz des Übersinnlichen – und vor allem von den Mächten und Machenschaften der Schwarzen Familie – weiß. Beide, Georg und Juna, werden seitdem verhört und in Gefangenschaft gehalten, haben jedoch ihr Gedächtnis verloren.
Währenddessen verbringt Coco mit ihrem Liebhaber Alessandro entspannende Wochen an der Côte d’Azur. Nach Wien zieht es sie nicht mehr. Sie ahnt nicht, dass die Zeit des Friedens bald vorbei sein wird. Jemand hat einen dämonischen Kopfgeldjäger auf sie angesetzt: den berüchtigten Charles Axman und seine Rocker-Crew! Cocos Liebhaber stirbt, als er in die Fänge eines fluchbeladenen Hauses gerät und dieses ihn verschlingt. Coco selbst entkommt dem Inferno und erblickt erneut Invidia – als habe die Neiddämonin nur auf den passenden Moment gewartet, sich Coco erneut zu nähern.
Unterdessen schart ein mächtiger Dämon weltweit Jünger um sich: Abraxas. Niemand weiß, was genau er bezweckt, doch selbst Asmodi, der amtierende Fürst der Finsternis, sieht in ihn einen gefährlichen Gegenspieler.
Inzwischen ist ein ganzes Jahr vergangen, in dem Coco vor Invidia auf der Flucht ist und versucht hat, sie abzuschütteln.
Der geheimnisvolle Monsignore Tatkammer wird indes wie magisch von dem Café Zamis angezogen. Und vor allem von dem Gemälde mit den darin verbliebenen Todsünden …
Die 7. Todsünde
von Madeleine Puljic
nach einem Exposé von Uwe Voehl
»Es ist eine große Ehre, das weißt du.«
Tatkammer blinzelte verwundert. Jemand sprach mit ihm.
Eben hatte er noch in einem finsteren Café auf der Wiener Mariahilfer Straße gestanden – allein. Er hatte den schalen Dunst längst erkalteter Zigaretten eingeatmet. Und jetzt … Von dem Café keine Spur mehr, vor ihm erhob sich eine grobe Steinwand mit einem winzigen, glaslosen Fenster darin. Sonnenlicht fiel durch die Öffnung, das weder die klamme Kälte des Raumes noch das trübe Zwielicht darin vertreiben konnte. Ein Umstand, der Tatkammer üblicherweise durchaus recht gewesen wäre. Im Augenblick empfand er seine Umgebung allerdings als ziemliches Ärgernis. Wo war er gelandet?
Tatkammer ballte die Fäuste. Er hatte wirklich Besseres zu tun, als … Überrascht sah er auf seine Hände. Auch die kamen ihm fremd vor, ebenso die grobe Holzplatte des Tisches, an dem er saß. Ein kleines Tintenfass stand griffbereit neben ihm, aus dem ein zurechtgeschnittener Gänsekiel hervorragte. Das erklärte immerhin die dunklen Flecken an seinen Fingern, wenn auch sonst nicht viel.
»Der Bote hat ausdrücklich nach deiner Arbeit verlangt.«
Richtig. Da war noch jemand. Tatkammer sah auf.
Über ihm stand ein hagerer alter Mann in Priesterkluft. Der Abt, durchfuhr es ihn, obwohl er schwören konnte, den Kerl noch nie zuvor gesehen zu haben. Die schmale Nase, die aus dem ausgezehrten Gesicht hervorstach und bis an die dünnen Lippen herunterhing, hätte er sicher im Gedächtnis behalten.
Aber nein! Was dachte er da bloß? Der ehrwürdige Abt stand seinem Kloster vor, schon seit er als junger Mann in den Orden eingetreten war! Sein Prinzipal und Lehrmeister, der Tatkammer wie ein Vater gewesen war, nachdem sein eigener vom Siechtum dahingerafft worden war. Wie hatte er für einen Augenblick glauben können, ihn nicht zu kennen?
Tatkammer schüttelte den Kopf. »Verzeiht, ehrwürdiger Vater. Ich war wohl einen Moment in Gedanken gefangen. Der Bote nannte meinen Namen?«
»Aber nein.« Der Abt zog tadelnd die buschigen Brauen zusammen. Dabei hatte nur die Verwunderung aus Tatkammer gesprochen, keineswegs die Eitelkeit. »Aber der Bote fragte nach unserem besten Maler«, fuhr der Abt fort. »Und das bist du.«
Tatkammer war der einzige Maler in ihrem kleinen Kloster. Dennoch neigte er artig den Kopf. »Ihr seid zu gütig, Vater.«
»Da ist nur eine Sache …« Der Abt strich mit knotigen Händen über den grauen Stoff seiner Kutte, als würde sie ihm Trost spenden. »Er fürchtete, dass niemand aus unserem Orden über die nötige Erfahrung verfügt, um das Kunstwerk zu schaffen, das dem Heiligen Vater vorschwebt.«
»Nun, ein Mann der Kunst verfügt gewiss über mehr Geschick in diesen Dingen …«, wandte Tatkammer ein, doch der Abt schüttelte bereits den Kopf.
»Das Geschick ist es nicht«, erklärte er. »Es geht um die … weltliche Erfahrung.«
»Ich verstehe nicht.«
Wieder rieb der Abt über seine Kutte, er krallte die Finger regelrecht in den dicken Wollstoff. »Ich spreche von den Sünden, mein Sohn. Wir führen ein behütetes Leben, fern allen Versuchungen. Das macht es einem Priester unmöglich, das wahre Gesicht der Todsünden abzubilden.«
Weshalb kam der Bote dann ausgerechnet in ein Kloster? Die Richtung, die dieses Gespräch nahm, behagte Tatkammer nicht. »Da spricht der Bote wohl die Wahrheit. Zweifellos gibt es große Künstler in Florenz oder in Rom, die von den entsprechenden Dingen mehr verstehen als ein Mann der Kirche.«
»Das Gemälde ist für den Heiligen Vater höchstselbst bestimmt!«, entgegnete der Abt mit einer gewissen Ungeduld. »Undenkbar, damit einen Mann mit zweifelhaftem Glauben zu betrauen.«
»Ich verstehe.« Tatkammer neigte das geschorene Haupt, auch wenn er nicht wirklich verstand, was das alles nun zu bedeuten hatte. »Was wünscht Ihr von mir, Vater?«
Der Abt seufzte. Endlich ließ er von seiner Kutte ab. »Du sollst eine Reise antreten, die dich an die Grenzen deines Glaubens führen wird.« Er legte eine Hand auf Tatkammers Tonsur – eine väterliche Geste, wie er sie nur selten gewährte. »Du musst dich den Versuchungen dort draußen stellen und sie bezwingen. Geh hinaus und suche die Sünden der Welt. Der Herr wird deine unsterbliche Seele behüten, auf dass du niemals wanken wirst. Lege Zeugnis ab über die Gräuel, die einen Sünder erwarten, und kehre zurück mit den Erfahrungen, die du benötigst, um dieses Gemälde zu schaffen. Suche die sieben Todsünden.«
Tatkammer schauderte. Zwanzig Jahre lang hatte er in der Geborgenheit des Klosters Trost und Sicherheit gefunden. Und nun sollte er sich dem Bösen stellen, es sogar aufsuchen?
Doch er durfte nicht undankbar sein. Der Abt hatte ihm Obdach gewährt, hatte ihm den Herrn nähergebracht. Es war Zeit, dass er dem Kloster etwas zurückgab.
Ergeben verneigte er sich vor seinem Abt. »Ich werde Euch nicht enttäuschen, Vater.«
Die Welt hatte sich verändert, seit Tatkammer ihr den Rücken zugekehrt hatte. Sie begegnete ihm nicht länger mit Abscheu und Groll, wie er es als junger Mann hatte erdulden müssen. Nun fand er Wohlwollen und Respekt unter den Menschen, wo immer er auch hinging. Womöglich lag das bloß an seiner Mönchskutte, doch Tatkammer bevorzugte den Gedanken, dass der Glaube sie zu einem besseren Umgang miteinander anhielt.
In jedem Dorf und in jeder Stadt fand er Einlass in Kirchen und Herbergen. Tatkammer war ein genügsamer Gast. Er nahm nie mehr, als er brauchte, und bemühte sich stets, seine Gastgeber mit Gebeten und frommen Wünschen für ihre Umsicht zu entlohnen. Gegenüber einem Mönch zeigten sich die Menschen gern von ihrer besten Seite. Das half ihm allerdings nicht, wenn er eigentlich nach ihrer schlechtesten suchte.
Nach wochenlanger Reise sah Tatkammer sich seinem Ziel nicht näher als an jenem Tag, als er das Kloster verlassen hatte. Er hatte Blasen an den Füßen, einen Sonnenbrand im Nacken und immer noch keinen einzigen Sündenfall erlebt. So kam er nicht weiter.
Als er also wieder einen Tag lang umsonst durch die Einöde gestapft war, kam ihm statt des üblichen Abendgebets über die Lippen: »Oh Herr, hast du mich ganz vergessen?« Jammern war ebenfalls sündig, deshalb schob er eilig hinterher: »Du hast mich doch ausgeschickt, um zu lernen. Nun weise mich! Ich will dir ein Bildnis fertigen, das deinen Kindern Sünde und Tugend vor Augen führen soll. Zeig mir den Weg, damit ich deinen Willen erfüllen kann.«
Ein Wispern antwortete ihm, das vermutlich nicht mehr war als der Wind, der durch das Strohdach seiner Unterkunft fuhr. Aber Tatkammer fühlte, dass sein Gebet erhört worden war.
Drei Tage später erreichte er ein Dorf, das ihn nicht willkommen hieß wie all die anderen zuvor. Etwas war anders hier. Er fühlte die Blicke der Menschen auf sich. Sie beäugten ihn neugierig aus Fenstern und Höfen heraus, doch niemand trat näher, um ihn zu begrüßen. Ein paar Bauern hielten in ihrer Arbeit inne, als er vorbeikam. Doch als Tatkammer segnend die Hand hob, spuckten sie in die Spreu und fuhren mit ihrer Arbeit fort.
Möglicherweise stärkte bereits seine Anwesenheit ihr Pflichtgefühl. Oder sie waren Fremden gegenüber misstrauischer als andere. Dennoch breitete sich ein Gefühl der Aufregung in Tatkammer aus, während er durch die verwaisten Gassen schritt. Ein Odem der Sünde haftete an diesem Ort, stinkend wie die Jauche, die in den lehmigen Straßen breite Pfützen bildete. Würde er hier finden, wonach er suchte? Würde er endlich hinter die Fassade der Menschen blicken?
Suchend sah er sich um. Schlecht schien es diesen Leuten nicht zu gehen. Die Männer und Frauen, die Tatkammer zu Gesicht bekam, trugen eine erstaunliche Leibesfülle zur Schau. Selbst den Knechten schien es an nichts zu mangeln. Das Dorf musste wahrhaft gesegnet sein, wenn es solchen Wohlstand hervorbringen konnte. Immerhin hieß es doch, dass Gott Sünder strafte, oder nicht?
Hatte Tatkammer sich den Schatten des Bösen also nur eingebildet? Seine Reise setzte ihm mehr zu, als er sich eingestehen wollte. Seine Füße waren wund, die Knie schmerzten, und selbst der kleine Leinensack mit seinem Proviant, der nur noch einen leeren Wasserschlauch enthielt, hing ihm schwer an der Schulter. Auch wenn die Nacht noch fern war, er brauchte dringend eine Rast. Also klopfte er an die Tür des Wirtshauses und drückte sie auf.
Stickige Wärme und der Duft von gebratenem Fleisch schlugen ihm entgegen. Die Gespräche, die er eben noch gedämpft durch die Tür gehört hatte, verstummten. Die Gäste sahen von ihren Schüsseln und Bechern auf. Tatkammer spürte ihre Blicke deutlich, während er zum Tresen ging, hinter dem ein feistes Mädchen Bier aus einem großen Fass zapfte. Ihr Haar war unter einem Tuch verborgen, aber einzelne Strähnen hingen daraus hervor. Sie waren flammend rot.
Als das Mädchen ihn sah, zog es die Augenbrauen zusammen. »Kann ich Euch helfen?«
»Ich suche eine Unterkunft für heute Nacht«, sagte Tatkammer. »Und etwas zu essen, falls ihr es erübrigen könnt.«
Das Mädchen runzelte die Stirn noch ein wenig mehr. »Erübrigen?«, wiederholte sie. »Also habt Ihr nicht vor, dafür zu bezahlen?«
»Lottchen!«
Die Wirtin eilte herbei und drückte mit ihrem üppigen Busen das Mädel beiseite. »Verzeiht, Vater. Meine Tochter weiß sich nicht zu benehmen. Wir haben selten Besuch von außerhalb.«
»Seid unbesorgt«, wiegelte Tatkammer ab. »Euer Kind hat recht. Ich bin nur ein einfacher Mönch auf Wanderschaft und kann euch nicht mit Geld entlohnen, aber wenn Ihr mein Gebet annehmen wollt …«
»Unfug.« Sie wedelte mit der Hand, was ihren gewaltigen Oberarm erbeben ließ. »Setzt Euch, seid unser Gast. Lotte, bring vom Braten. Wird’s bald?«
Tatkammer wollte widersprechen. Etwas Brot und Suppe genügten ihm vollauf. Doch seine Gastgeberin ließ ihn nicht zu Wort kommen. Sie lotste – vielmehr schubste sie – ihn zu einem Tisch, der etwas abseits stand. Ein ruhiges Eck unter der Treppe, das gerade genug Platz für einen einzelnen Hocker bot. Tatkammer war es recht, er wollte die anderen Gäste nicht in ihrer Fröhlichkeit stören, und dass sie sich nicht besonders wohl fühlten in seiner Anwesenheit, war nicht zu übersehen. Also nahm er Platz.
Als die Wirtin jedoch einen Humpen voll Bier vor ihm abstellte, schüttelte er nachdrücklich den Kopf. »Nur Wasser, bitte.«
Die Wirtin zuckte mit den fleischigen Schultern. »Wie Ihr meint.« Sie winkte Lottchen, die daraufhin einen Becher Wasser und einen üppig beladenen Teller mit Braten, Brot und Wurzelgemüse vor ihm abstellte. »Der Rest kommt gleich.«
Rest? Von dieser Portion alleine wäre er im Kloster drei Tage lang satt geworden! »Das ist sehr liebenswürdig, aber wirklich nicht nötig …«
Die beiden Frauen beachteten ihn gar nicht weiter. Tatkammer blieb also nichts weiter übrig, als sich zu fügen. Mit einem Seufzen betrachtete er das Festmahl vor sich, das den kleinen wackeligen Tisch bereits ausfüllte. Das Essen roch wirklich vorzüglich.
Er stach seinen Spieß in das Fleisch, schnitt ein kleines Stück ab und steckte es sich in den Mund. Das Fleisch schmolz regelrecht auf der Zunge, so zart war es. Es war Tatkammer unmöglich, die Gewürze zu benennen, selbst als er einen zweiten und einen dritten Bissen nahm. Ein genüssliches Stöhnen drang aus seinem Mund, so laut, dass es ihn selbst erschreckte. Das war nicht die Art, die sich für einen Mann des Glaubens ziemte!
Es kostete ihn einige Überwindung, doch er legte Spieß und Messer beiseite und griff stattdessen nach dem Brot. Im Gegensatz zum Braten schmeckte das fade, es war trocken und ungesalzen. Das entsprach schon eher dem, was er gewohnt war.
Er nahm einen Schluck von seinem Wasser und sah sich um. Sobald er den ersten Bissen genommen hatte, hatten die anderen Gäste ihre Gespräche wieder aufgenommen. Es schien, als würde das gemeinsame Mahl ihnen das Gefühl geben, dass er einer von ihnen war. Ihr Interesse an ihm war versiegt, niemand beachtete ihn weiter.
Das gab Tatkammer die Gelegenheit, sie umso eingehender zu betrachten. Was er sah, ließ ihn schaudern. Die gierige Hast, mit der sie sich das Essen in den Mund stopften, so als fürchteten sie, man würde ihnen den Teller fortnehmen, ehe sie ihn leer gegessen hatten. Das Fett, das ihnen dabei über Kinn und Hände rann.
Tatkammer starrte sie an, gebannt von einer Faszination der Abscheu. Sie fraßen wie Tiere, schöpften mit bloßen Händen aus ihren Tellern und Schüsseln. Das Schlimmste waren jedoch die Geräusche. Das Knacken der Knochen, wenn die Esser sie aufbrachen, um das Mark auszusaugen. Das Schlürfen und Schmatzen der hungrigen Mäuler, das Grunzen und Stöhnen, das ihr Gelage begleitete. Ein Kind, kaum alt genug, um sich auf den fetten Beinchen aufrecht zu halten, grabschte ungeniert nach dem Bratenspieß seines Vaters und lutschte das Fleisch ab. Niemand erhob Einwand, als der Balg mitten in der Wirtsstube auf den Boden kackte. Die Leute fraßen einfach weiter.
Angewidert schob Tatkammer seinen Teller von sich, behielt nur das trockene Brot. Zugleich sprach er ein stummes Dankesgebet. Er hatte den Herrn um einen Hinweis gebeten, und seine Schritte waren in dieses Dorf geleitet worden, das eindeutig der Völlerei anheimgefallen war. Ein ganzes Dorf, das einer der Todsünden huldigte … Umso wichtiger erschien es ihm, sich auf sein Gelübde und seine Askese zu besinnen. Selbst als die Wirtstochter ihm noch weitere Speisen brachte, aß Tatkammer nur, was er brauchte, um satt zu werden.
Zwar erschien es ihm ebenfalls als eine Sünde, die Speisen unberührt zurückzuschicken, doch er tröstete sich damit, dass seine Reste einen anderen erfreuen würden – wenn nicht die Bettler im Dorf, dann die Hunde, die sich japsend durch die Wirtsstube wälzten, um zu fressen, was bei dem Gelage der Gäste zu Boden fiel. Ihre dicken Wänste streiften über den Boden, und die kurzen Beine zitterten unter ihrem Gewicht, während sie sich knurrend um die besten Bissen stritten. Tatkammer sandte ein kurzes Dankesgebet zum Herrn, der seine Bitte erhört hatte. Er hatte die erste Sünde gefunden. Nun endlich würde er seiner Aufgabe nachkommen können.
Tatkammer ging früh zu Bett, doch er fand keinen Schlaf. Was er gesehen hatte, verstörte ihn zutiefst. War es das, wie die Sünde die Menschen veränderte? Sie nahm ihnen die Menschlichkeit und machte sie den Tieren gleich?
Zugleich spürte er, dass sich in ihm erneut Hunger breit machte. Sein Magen knurrte immer nachdrücklicher, während er im Dunkeln der Dachkammer lag und zum Gebälk hinaufstarrte. Das Brot alleine war offensichtlich weniger sättigend gewesen, als er gedacht hatte. Jetzt verfluchte er sich dafür, den Braten verschmäht zu haben. Der Gedanke an das köstlich zarte Fleisch ließ ihn nicht schlafen.
Sollte er nachsehen, ob die Hunde noch etwas übrig gelassen hatten? Er hatte seine Portion schließlich kaum angerührt.
Aber nein, das wäre nicht nur schwach, es wäre erbärmlich. Den Hunden die Reste streitig zu machen, das war nun wirklich nichts, was eines Mönchs würdig war.
Wäre da nicht die Erinnerung an die üppige Bratensoße, an den würzigen Geschmack …
Genug! Entschlossen warf Tatkammer seine dünne Decke beiseite und erhob sich. Er würde hinunter in die Gaststube gehen und sehen, ob noch etwas von dem Brot übrig geblieben war. Und falls nicht, würde er sich mit einem Becher Wasser begnügen.
Zufrieden mit der Entscheidung stieg er die knarrenden Stufen von der Dachkammer hinab, vorbei an den Gästezimmern und zur Treppe hin, die in die Wirtsstube führte, von wo aus er zweifellos in die Küche gelangen würde. Das schmutzige Holz knarrte unter seinen nackten Füßen. Tatkammer biss die Zähne zusammen und drängte sich näher an die Wand, ehe er die nächsten Schritte setzte. Was, wenn man ihn hörte? Er hatte keine Entschuldigung für sein nächtliches Herumschleichen, und nachdem er seine Mahlzeit derart verschmäht hatte, war es mehr als unhöflich, nun Nachschlag zu verlangen. Ganz zu schweigen davon, dass er sich selbst bedienen wollte wie ein Dieb. Aber ein Dieb war er nicht. Er würde die Wirtsleute für seinen Unterhalt entlohnen, und wenn er dafür Böden schrubben und Felder bestellen musste!
Die Wirtsstube war verlassen, wie Tatkammer gehofft hatte. Im Herd gloste noch ein letzter Rest der Glut und tauchte die Stube in rötliche Schatten.
Gerade als er das untere Ende der Treppe erreichte und versuchte, sich in dem Halbdunkel zu orientieren, ertönte über ihm ein dumpfer Knall. Die Dielenbretter über seinem Kopf zitterten, als wäre etwas Schweres zu Boden gefallen, und Tatkammer glaubte, ein gedämpftes Stöhnen zu hören.
Erschrocken hielt er inne und lauschte.
Nichts.
Wahrscheinlich ist eines der fetten Schweine aus seinem Bett gefallen. Bestürzt hielt Tatkammer inne. Nicht nur die Worte selbst, auch die Zufriedenheit, mit der er sie gedacht hatte, schienen nicht zu ihm zu gehören. Aber vielleicht war das auch nur sein frommer Wunsch – und das selbstgefällige Grinsen, das ihm die Wangen hob, bezeugte seinen wahren Charakter.
Nun waren aus dem Gästezimmer über ihm wischende Geräusche zu hören. Schritte, die sich dem Flur näherten, gefolgt von dem leisen Klicken einer Tür, die geöffnet wurde. Jemand kam nach draußen. Und er stand hier immer noch an der Treppe wie ein ertappter Tunichtgut!
Hastig sah sich Tatkammer um. Dann eilte er zu dem kleinen Tisch unter der Treppe, an dem er zu Abend gegessen hatte, und kroch darunter. Das Möbelstück war viel zu schmal, um ihn zu verbergen, aber wenn man nicht gerade einen Blick in die Nische warf, genügten die Schatten vielleicht, damit er unentdeckt blieb.
Nun hörte er bereits das Knarzen der Treppenstufen. Schwere Schritte, erst ein Paar Stiefel, dann ein zweites, das in sein Sichtfeld kam. Und dazwischen …
Tatkammer musste eine Hand auf den Mund pressen, um sich nicht durch ein unbedachtes Geräusch zu verraten. Derjenige, der da voranging, musste der Wirt sein. Dahinter ging seine Frau. Und zwischen ihnen hing eine dritte Gestalt. Ein Mensch, dessen Kopf kraftlos nach hinten hing. Tatkammer konnte sein Gesicht nicht sehen. Aber er erkannte die blassgrüne Tunika, auch wenn sie im Schein der Glut eher grau aussah. Es war einer der Gäste. Ein Wandersmann, der am Abend noch kräftig zugelangt hatte.
Die Wirtin grunzte vor Anstrengung, der bewusstlose Mann entglitt ihrem Griff und knallte mit dem Kopf auf die Stufen.
»Pass doch auf«, zischte der Wirt.
»Ja, ja.« Sie wischte sich die Hände an der Schürze ab und packte erneut zu.
Der Gast indessen hatte nicht auf den Sturz reagiert. Immer noch hing er völlig leblos zwischen den beiden. War er seiner Völlerei erlegen?
Nein. Dunkle Flecken prangten auf seiner Tunika, die nicht bloß von Fett und Bratensaft herrührten. Das war Blut! Der Mann war verletzt, vermutlich schwer! Und die grobe Weise, auf der die beiden Wirtsleute mit ihm verfuhren, trug gewiss nicht zu seiner Genesung bei.
Tatkammer wollte bereits aufspringen und die beiden zur Vernunft bringen, als der Kopf des Gastes herumrollte. Die Augen waren weit aufgerissen, doch sie sahen nichts mehr, was im Diesseits geschah. Eine klaffende Wunde spaltete die Stirn, Blut und weiße, gallertartige Masse quollen daraus hervor. Dem Bedauernswerten war eindeutig nicht mehr zu helfen.
Tatkammer schlug ein Kreuz und kroch zurück in die Schatten unter der Treppe. Ihn beschlich ein ungutes Gefühl. Der Gast war nicht einfach verschieden. Hatten die beiden ihn etwa ermordet? War das die Art und Weise, wie man hier mit Zechprellern umging? Tatkammer schauderte. War das das Schicksal, das auch ihn ereilt hätte, wenn er seinem Hunger nachgegeben hätte und in die Küche geschlichen wäre?
Mittlerweile hatten die Wirtsleute die Tür erreicht. Unter heftigem Geschnaufe schob der Wirt mit dem Ellbogen den Riegel nach oben und drückte die Tür mit dem Hintern auf. Dann zerrten die beiden ihre schwere Last nach draußen.
Tatkammer ließ ein paar Augenblicke verstreichen, dann folgte er ihnen. Ganz gleich, welcher Sünden sich der Tote schuldig gemacht hatte, er hatte ein christliches Begräbnis und einen letzten Segen verdient. Wenigstens das wollte Tatkammer ihm angedeihen lassen. Also drückte er die Tür auf und schlüpfte ins Freie.
Die Wirtsleute waren noch nicht weit gekommen, doch sie waren zu sehr mit ihrer Last beschäftigt, um ihn zu bemerken. Sie zerrten den Toten jedoch nicht in Richtung Dorfmitte, wo die Kirche stehen musste, sondern an der Hauswand entlang – und in ihren eigenen Stall.
Das kam Tatkammer nun erst recht merkwürdig vor. Er schlich hinterher.
Die Bretterwand des Stalls war windschief und verzogen, aber nicht ausreichend, um einen Blick hindurch zu erlauben. Er tastete sich an der Wand entlang, bis er ein Astloch fand, groß genug, um hindurchzuspähen. Tatkammer drückte ein Auge dagegen.
Diesmal konnte er ein entsetztes Keuchen nicht unterdrücken. Die Wirtsleute hatten den Toten entkleidet. Tunika, Stiefel und Beinkleider lagen fein säuberlich auf einem Schemel. Der Tote selbst hingegen hing mit den Füßen nach oben an einem Balken. Ein kräftiger Fleischerhaken war knapp über den Knöcheln durch seine Beine gebohrt, der Körper hing herab wie geschlachtetes Vieh, das man zum Ausbluten aufgehängt hatte.
Da nahm der Wirt eine große Klinge zur Hand. Ohne zu zögern rammte er sie dem ehemaligen Gast in den Leib. Mit kräftigen Bewegungen ruckte er das Messer nach unten, bis es die Rippen erreichte. Der Bauch des Mannes klaffte auf, die Eingeweide klatschten in den bereitgestellten Eimer.
Tatkammer zuckte zurück. Sein Vergleich war treffender, als er geahnt hatte: Der Mann war Schlachtvieh.
Nun erst fiel ihm auf, dass der Stall beinahe leer war. Ein paar fette Hühner hockten auf den Balken und schliefen, den Kopf unter einen Flügel gesteckt. Das war alles. Die Wirte besaßen kein Viehzeug. Jedenfalls kein herkömmliches. Stattdessen mästeten sie ihre Gäste, bis sie sie schließlich töteten, brieten … und servierten.
Tatkammer floh. Er drehte sich nicht um und rannte auf nackten Sohlen fort, so schnell er konnte. Sein Bündel, selbst seine Schuhe waren noch in der Dachkammer. Aber sämtliche Dämonen der Hölle hätten ihn nicht zurück in das Gasthaus gebracht, aus dem es nur einen Ausgang gab. Er wollte nicht als Nächster auf den Tellern der Gäste landen.
Der Gedanke ließ ihn würgen. Er taumelte weiter, doch die Erkenntnis, was in diesem Dorf gegessen wurde – was er gegessen hatte –, war zu viel für ihn. Sein Magen krampfte sich zusammen und trieb ihm Erbrochenes mit solcher Heftigkeit in den Rachen, dass es ihm durch die Nase schoss. Tatkammer blieb stehen, hustete und spuckte, bis nichts mehr nachkam. Mit dem Ärmel wischte er sich das schlimmste Brennen aus der Nase. Den säuerlichen Geschmack konnte er dadurch nicht loswerden. Es half nichts. Er musste weiter.
Er wusste nicht, wie lange er durch die Dunkelheit geirrt war. Als der Morgen kam, waren seine Hände zerkratzt vom Geäst des Waldrands, weil er trotz aller Vorsicht immer wieder vom Weg abgekommen war, und seine Füße waren blutig von Wurzeln und Steinen. Den Weg zu finden wurde leichter, als die Sonne aufging, doch seine Kräfte erlahmten zusehends. Dennoch wagte er nicht, eine Rast einzulegen. Was, wenn ihm die Wirtsleute folgten? Wenn sie ihn am Wegrand fanden, schlafend, und ihm ein Beil in den Schädel schlugen, wie sie es bei dem Wanderer getan haben mussten? Das war nicht die Art, wie er aus dem Leben scheiden wollte! Und wenn sein Körper verspeist wurde, statt in geweihten Boden gebettet zu werden … Was würde dann aus seiner unsterblichen Seele werden? Nein, er durfte nicht stehen bleiben!
Ein Hahnenschrei tönte durch den Morgen. Tatkammer unterdrückte sein atemloses Keuchen und lauschte. Der Hahn krähte kein zweites Mal. Stattdessen erklangen nun Glockenschläge! Eine Glocke, die zum Morgengebet rief! Von neuem Mut beseelt, beschleunigte er seine Schritte.
Endlich, endlich tauchte das nächste Dorf vor ihm auf. Gepflegte Höfe, und dort, der Kirchturm!
Tatkammer überlegte nicht lange. Er humpelte schneller, eilte auf das Haus Gottes zu. Ein kleines schlichtes Gebäude, doch sauber verputzt, in den kleinen Fenstern standen Sträuße mit frischen Wiesenblumen. Die Glockenschläge waren längst verklungen. Die Messe war in vollem Gang, als er das schwere Tor aufdrückte und in den tröstlichen Geruch von Weihrauch und Talgkerzen stolperte.
Der Sermon des Predigers verstummte. Ein weiteres Mal drehten sich alle Anwesenden zu ihm um, aber diesmal war Tatkammer dankbar dafür. Kaum berührten seine geschundenen Füße den geheiligten Steinboden, verließ ihn alle Kraft. Besinnungslos stürzte er zu Boden.
»Geht es wieder?«
Tatkammer schlug die Augen auf und stöhnte, als helles Sonnenlicht auf ihn einflutete und ihm wie ein Dolch in den Schädel fuhr. Er wandte den Kopf zur Seite.
»Langsam, Bruder. Hier, trinkt das.«
Jemand griff ihm unter den Kopf, drückte ihn hoch und hielt ihm einen ledernen Becher an die Lippen. Gierig schluckte Tatkammer das kühle Nass. Nie hatte Wasser heilsamer geschmeckt.
Als er ein weiteres Mal blinzelnd die Augen öffnete, blieb der Schmerz aus, und er erkannte einen Mann mit dunklen Augen und rabenschwarzem Haar, der sich über ihn beugte. Die Tonsur, die in den schwarzen Haarkranz geschoren war, ließ Tatkammer erleichtert aufseufzen. Er war in der Obhut eines Kirchenmannes. Er war in Sicherheit.
»Danke«, krächzte er.
»Ich helfe Euch.« Der Glaubensbruder, zweifellos der Pfarrer jener kleinen Kirche, in die Tatkammer gestolpert war, griff ihm unter die Achsel.
Inzwischen hätte Tatkammer seiner Hilfe gar nicht mehr bedurft, aber er wollte nicht undankbar erscheinen. Er hatte schon für genug Aufruhr gesorgt. »Es tut mir leid, dass ich Eure Messe gestört habe.«
»Ach, das.« Der Pfarrer winkte ab. »Wie fühlt Ihr Euch?«
Tatkammer lauschte in sich hinein. Er fühlte ein leises Kribbeln an den Fußsohlen und stellte erstaunt fest, dass sie mit sauberem Leinen verbunden waren. Er lag auch nicht auf dem Steinboden der Kirche, sondern in einer kleinen Kammer, die wohl zum Pfarrhaus gehörte. Wie lange war er ohnmächtig gewesen?
»Besser als bei meiner Ankunft«, war alles, was er sagen konnte. Und besser, als mir zusteht. Die Erinnerung an seine Erlebnisse der letzten Nacht kamen in ihm hoch. Was er gesehen hatte – und was er gegessen hatte. Nur mit Mühe gelang es ihm, ein verräterisches Würgen zu unterdrücken.