manchmal geschüttelt, immer berührt
Angehörige erzählen aus ihrem Parkinson Alltag
© 2021, Martha Strubinger
Herausgeberin: Martha Strubinger
E-Mail: martha.strubinger@gmx.at
www.marthastrubinger.at
Illustration: Künstlerin Ambichl Marisa marisa.ambichl@gmail.com
https://www.facebook.com/marisaproduktion
Autorenprofil (Portrait): Fotograf Dominik Müller www.dominikmueller.at
Umschlaggestaltung: myMorawa von Dataform Media GmbH
Verlag: myMorawa von Dataform Media GmbH, Wien www.mymorawa.com
ISBN:
978-3-99125-756-1 (Paperback)
978-3-99125-753-0 (Hardcover)
978-3-99125-755-4 (E-Book)
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manchmal geschüttelt, immer berührt
Vorwort
Parkinson – und wie geht's jetzt weiter?
Parkinson ist ein Arschloch!
Bei DREI ist einer zu viel und plötzlich ist alles anders...
Brief an Parki
Veränderung und Gleichgewicht
ZEIT
Nichts ist mehr, wie es einmal war...
So hatten wir uns das eigentlich nicht vorgestellt (das Zusammen-alt-werden)
Vertauschte Rollen
Mut-Mach-Geschichte
FÜR MEINE KÄMPFER, MEINE SCHÄTZELEINS Unsere Geschichte - eine GÄNZLICH NEUE Situation
Nachwort
„Pflegt ein Partner einen anderen, haben
möglicherweise beide gegenseitig Einfluss auf den
Gesundheitszustand des jeweils anderen.“
(Claire Ankuda)
Angehörige erzählen aus ihrem Parkinson Alltag
ICh denke nicht, dass ich hier eine Grundsatzdiskussion beginnen möchte, wer am meisten von der Diagnose Parkinson betroffen ist: Nämlich ganz ohne Frage der Erkrankte selbst! Und ich will auch gar nicht beschönigen, dass der oder die Betroffene nach solch einer gestellten Diagnose erstmal Zeit für sich braucht um es zu verarbeiten, wenn überhaupt zu diesem Zeitpunkt eine Verarbeitung, aufgrund aufkommender Existenz- und Zukunftsängste samt einer Überflutung sämtlicher Emotionen überhaupt möglich ist.
Im März 2018 ließ uns der Satz „Sie haben Parkinson“ meinen Mann und mich ganz unterschiedliche Wege gehen. Mein Mann, der Erkrankte, fiel in ein tiefes Loch und baute sich seinen eigenen Rückzugsort, sein Schneckenhaus, zu dem er mir keinen Zugang gestattete. Ein Ansprechen der Krankheit war facto unmöglich, da jede Form der Kommunikation darüber sofort abgeblockt wurde. Ich wiederum, von der für mich verschlossenen Tür erstmal wie vor den Kopf gestoßen, fing an, wie wild nach einer Heilung zu suchen (die es freilich nicht gibt, da Morbus Parkinson bis heute als unheilbar gilt) und versuchte aus den Symptomen samt ihren Begleiterscheinungen irgendwie schlau zu werden. Jeder von uns fühlte sich unverstanden und allein; mit seinen Gedanken, in unserer Beziehung und vor allem mit dieser Krankheit. Da mein Mann erstmal jegliche Hilfe von außen ablehnte, suchte ich für einen möglichen Austausch nach anderen Betroffenen - ich wollte mich einfach nicht länger allein fühlen. Und nach einigen tollen Kennenlernen fiel mir eines ganz besonders auf: Angehörige und deren Bedürfnisse werden kaum thematisiert. Immer oder fast immer steht der Erkrankte im Mittelpunkt. Angehörige werden selten nach ihrem Wohlbefinden gefragt und so werden die eigenen Sorgen und Ängste einfach zurückgeschoben, muss doch der Parkinsonpatient mit der Diagnose leben.
Aber stimmt das denn?
Muss denn nicht auch der oder die Angehörige(n) mit der Diagnose leben? Ich bin mir der schweren Thematik durchaus bewusst und trotzdem lautet meine Antwort eindeutig und ganz klar JA!
Angehörige unterstützen im Alltag in sämtlichen Bereichen; ob bei der Zubereitung einer Mahlzeit oder beim Begleiten zu (Arzt)Terminen, der Kontrolle der Medikamenteneinnahme bis hin zur Hilfe bei der täglichen Körperhygiene. Um all den Herausforderungen und Funktionen gerecht zu werden, werden die eigenen psychischen und physischen Beschwerden oft unterdrückt, was die Lebensqualität aller Beteiligten mindert. Viele dieser Angehörigen trauen sich nicht, sich selbst auch wichtig zu nehmen und sich Gehör zu verschaffen. Es war mir deshalb ein großes Anliegen und eine Herzensangelegenheit diesen Menschen eine Stimme, eine Plattform zu bieten. Du bist nicht allein!
In diesem Buch erzählen zehn tolle Angehörige von ihren Erfahrungen, beschreiben ihren Alltag oder berichten von lustigen oder auch weniger lustigen Momenten mit dieser Krankheit und als Betroffene aus der zweiten Reihe.
Und ich möchte das gleich richtig stellen: Es geht nicht darum, dass wir uns Mitleid erhoffen oder uns mehr Aufmerksamkeit wünschen! Oder dass wir unsere erkrankten Liebsten schlecht „schreiben“, denn wer das annimmt, sollte auf keinen Fall weiterlesen und hat meiner Meinung nach das falsche Buch erwischt!
Vielmehr geht es um Liebe, um Zuneigung und um Respekt, den wir für den geliebten Partner, Freund oder Freundin, Tante, Onkel oder sonst einer nahestehender Person empfinden - mit oder ohne Parkinson! Und was wir bereit sind für diese Liebe zu tun.
Jeden Tag.
Es war im Februar 2012, als das Leben von meinem Mann und mir vollkommen auf den Kopf gestellt wurde. Ich verbrachte nach einer Hüftoperation einen Reha-Aufenthalt in Bad Radkersburg in der Südsteiermark und mein Mann besuchte mich mit unserem Hund über das Wochenende. Während der Reha vertraute ich mich einer Psychotherapeutin an und erzählte ihr, dass sich mein Mann in den letzten Wochen verändert hätte. Mir war aufgefallen, dass sich sein Gangbild verändert hatte und er schien auf einmal Probleme mit der Orientierung zu haben. Sie schlug mir vor, einen Termin bei einem Primar der Rehaklinik, der auch für neurologische Erkrankungen zuständig sei, zu vereinbaren. Ich überlegte, wie ich meinen Mann zu einer Untersuchung bei diesem Arzt motivieren könnte. Da er aber auch gelegentlich an Trigeminusneuralgie Attacken (Gesichtsschmerzen, die sich auf den Drillingsnerv, der in drei Äste für die Stirnpartie, Unter- und Oberkiefer aufgeteilt ist, beziehen) litt, konnte ich meinen Mann doch dazu überreden, an dem Besuchs- Wochenende den Primar zu kontaktieren. Nach einer kurzen Untersuchung, wobei mein Mann Auf- und Abgehen sollte, erhielt er nur kurz und knapp die Auskunft „Sie haben Parkinson“. Es wurde ihm eine Broschüre über die Krankheit Morbus Parkinson in die Hand gedrückt und schon war die Untersuchung beendet. Als mein Mann nach ein paar Minuten das Untersuchungszimmer wieder verließ, ich wartete schon ungeduldig vor der Tür, meinte mein Mann ganz entgeistert: „Ich hab' Parkinson. Was ist das für eine Krankheit?“
Mit dieser Diagnose habe ich natürlich nicht gerechnet. Ich war verzweifelt und verunsichert, konnte aber meine Gefühle meinem Mann nicht offen zeigen, denn jemand musste ja jetzt einen kühlen Kopf bewahren. Am Abend des gleichen Tages gab es eine Tanzveranstaltung im RehaZentrum. Wir saßen mit einem Ehepaar aus Wien an einem Tisch. Die Frau erzählte uns, sie leide seit 10 Jahren an Parkinson und ich erzählte ihr, dass mein Mann soeben erst die Diagnose erhalten habe. Ich fragte mich, woran sie „es“ bemerkte oder war es ihr bereits geschultes Auge, dass sie uns darauf ansprach? Bei ihr wäre mir nichts aufgefallen und sie erklärte, dass sie sehr gut mit ihren Medikamenten eingestellt sei. Weiters gab sie mir viele interessante Informationen, unter anderem erzählte sie mir von der Selbsthilfegruppe für Parkinsonbetroffene und deren Angehörigen. Und sie nannte mir auch einige auf Parkinson spezialisierte Neurologen. Es war wohl kein Zufall, dass wir gerade diese freien Tischplätze wählten.
ER ICH