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ISBN: 9783754336106
© 2021 Dr. phil. Wolfgang Boochs wolfgang-boochs@t-online.de
Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt
Malerei: Leysa Ortynska
Alle Photos public domain CC0
Gestaltung und Satz: Karl King fotonaut@gmx.net www.karlking.de
Die Beschäftigung mit unserer kolonialen Vergangenheit sowie das Erinnern daran führt uns zum Begriff der Erinnerungskultur, unter der man den Umgang des Einzelnen und der Gesellschaft mit ihrer Vergangenheit und ihrer Geschichte versteht. Im Zusammenhang mit der Erinnerungskultur stellt sich zwangsläufig die Frage: Was dürfen wir nicht vergessen?
Beiträge einer Erinnerungskultur sind vor allem Denkmäler, Mahnmale und Gedenkstätten für Personen und historische Ereignisse, aber auch öffentliche Veranstaltungen wie Gedenktage, die begleitet sind von ritualisierten Formen wie Militärparaden und Kranzniederlegungen.
Zur Erinnerungskultur der kolonialen Vergangenheit Deutschlands gehört bislang in erster Linie das Erinnern an Negatives und vor allem an Rassismus, wie an die Völkermorde der deutschen Schutztruppe in Afrika an den Hereros und Namas in Deutsch- Südwestafrika sowie an die am Maji- Maji Aufstand in Deutsch- Ostafrika beteiligten Afrikanern. Gerade in diesen Fällen beinhaltet die Erinnerungskultur erhebliche Konfliktpotentiale, z.B. bei der Frage nach der Entschädigung von Opfern oder auch bei der Rückgabe geraubter kolonialer Kulturgüter. Gerade in diesen Fällen kann die Erinnerungskultur ein Mittel sein, vergangene Konflikte aufzuarbeiten und letztlich zu überwinden.
So ist eine Erinnerungskultur und vor allem eine Aufarbeitung der Koloniegeschichte Deutschlands, bislang weitgehend ausgeblieben. Noch während des 2. Weltkrieges besaß der reaktionäre Reichskolonialbund fast zwei Millionen Mitglieder, welche die erneute Inbesitznahme der im Ersten Weltkrieg verlorenen Gebiete forderten und sich zu einem Einsatz in den früheren Kolonialgebieten bereit erklärten. Dies änderte sich erst mit dem verlorenen 2. Weltkrieg.
Selbst in der deutschen Geschichtsschreibung wurde die Stellung und Verantwortung Deutschlands als Kolonialmacht entweder schlechthin geleugnet oder die Thematik angesichts der Verantwortung Deutschlands für den 1. und 2. Weltkrieg und deren Folgen sowie insbesondere für den Holocaust der Juden vernachlässigt. Vielfach hat man sich damit begnügt die Bewohner der Kolonien als rückständige hilflose Opfer zu bemitleiden sowie die Nachkommen der Kolonialherren als ahnungslose Nachkommen blutrünstiger Täter darzustellen und ihnen ein schlechtes Gewissen einzureden.
Die dem kolonialen Denken und der Kolonisierung zugrundeliegende Ideologie von der Vorherrschaft der Weißen, ihrem Staatswesen sowie ihren kulturellen und religiösen Werten ist heutzutage aktueller als je zuvor. Ein derartiges Gedankengut entwickelte sich im 19. Jahrhundert nicht nur in den Köpfen autokratischer Politiker und Militärs, sondern wurde sogar von Gelehrten und Intellektuellen vertreten, von denen damals vorkoloniale Förderorganisationen gegründet oder unterstützt wurden.
In dieser Ideologie zeigt sich insbesondere die untrennbare Verbindung zwischen Kolonialismus und Rassisimus. Beide argumentieren mit der angeblich durch die Rasse bedingten Unterschiede zwischen den Weißen und den Eingeborenen. Diese Unterschiede wurden festgemacht an der Sitte und Moral, den Kleidungs-und Ernährungsgewohnheiten, den kulturellen Bräuchen und der Einstellung zur Arbeit.
Die Betonung der Unterschiede zwischen Weißen und Farbigen wurde verbunden mit negativen Urteilen über die Eingeborenen, die vielfach als wild, kulturlos, faul, schmutzig, dumm, unehrlich und unsittlich bezeichnet wurden. Durch diese den Eingeborenen als typisch zugeschriebenen Eigenschaften wurde der Kolonialismus durch die Kolonialherren gerechtfertigt. Für sie war der Kolonialismus eine Kultur- und Zivilisierungsmission. Dies wird deutlich aus der Beschreibung des Kolonialismus durch den ersten Leiter des Reichskolonialamtes, Staatssekretär Dernburg aus dem Jahre 1907:
Kolonisation heißt die Nutzbarmachung des Bodens, seiner Schätze, der Flora, der Fauna und vor allem der Menschen zugunsten der Wirtschaft der kolonisierenden Nation und diese ist dafür zu der Gegengabe ihrer höheren Kultur, ihrer sittlichen Begriffe, ihrer besseren Methoden verpflichtet.
Im kolonialen Alltag zeigte sich der von Rassismus geprägte Kolonialismus vor allem in der strikten Trennung der Weißen und Farbigen in getrennten Wohnvierteln, getrennten Schulen und Krankenhäusern.
Die fehlende Aufarbeitung der Kolonialgeschichte ist neben der verfehlten Flüchtlingspolitik eine der Ursachen für ein zu beobachtendes Anwachsen des Rassismus gegenüber Farbigen und belastet damit das Verhältnis Deutschlands zu den Staaten in Afrika, Asien und Ozeanien, die ehemalige deutsche Kolonien waren.
Nachdem Deutschlands koloniale Vergangenheit über Jahrzehnte totgeschwiegen wurde, beginnt Deutschland nunmehr zaghaft mit der Aufarbeitung seiner Koloniegeschichte und seiner Verantwortung. Unmittelbar nach dem schmerzhaften Verlust der Kolonien nach dem verlorenen 1. Weltkrieg entstand der Mythos, die Deutschen seien eigentlich gute Kolonialherren gewesen. Diesem Mythos entsprang in der Weimarer Zeit sowie in der Zeit der Naziherrschaft die Forderung nach Rückgewinnung der Kolonien. Diese Forderung wurde bekräftigt durch entsprechende Kolonialausstellungen, Vorträge, Bücher und Filme.
Nach dem verlorenen 2. Weltkrieg und den Verbrechen an den Juden, dem Holocaust hatte Deutschland alle Hände voll damit zu tun, sich mit seiner unmittelbaren Vergangenheit und seiner Verantwortung dafür auseinandersetzen. Das Phänomen des deutschen Kolonialismus wurde dadurch in den Hintergrund gedrängt. Erst in jüngster Zeit in Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise und der verfehlten europäischen Flüchtlings- und Integrationspolitik sowie mit dem Auftreten der Black- Lives- Matter Bewegung in den USA erinnert man sich an die deutsche Kolonialzeit und die von Deutschen begangenen Kolonialverbrechen.
Es wurde daraufhin der Ruf nach einer Gedenkkultur laut. Dies zeigte sich daran, dass in dem letzten Regierungsprogramm der Großen Koalition erstmals explizit festgehalten wurde, dass die Erinnerung an die Verbrechen in der Kolonialzeit Teil einer deutschen Gedenkkultur werden soll wie bereits die Aufarbeitung der NS- Terrorherrschaft oder der SED Diktatur.
Im Koalitionsvertrag heißt es: Ohne Erinnerung keine Zukunft- zum demokratischen Grundkonsens in Deutschland gehören die Aufarbeitung der NS- Terrorherrschaft und der SED-Diktatur, der deutschen Kolonialgeschichte, aber auch positive Momente unserer Demokratiegeschichte
Wie diese Gedenkkultur aussehen soll, ist jedoch weitgehend unklar. Zu einer derartigen Kultur gehört es, dass neben den Schattenseiten der Kolonialpolitik auch die wenigen positiven, nach 1907 zu beobachtenden Aspekte in der Kolonialpolitik herausgearbeitet werden.
Themen einer derartigen Gedenkkultur könnten sein: Fragen eines zentralen Gedenkortes für die Opfer des deutschen Kolonialismus sowie die Frage nach einer Rückgabe von kolonialer Raubkunst. Eine derartige Gedenkkultur müsste dabei im Kontext einer europäischen und globalen Erinnerungskultur an das Kolonialzeitalter zu sehen sein.
In Berlin wurde als erster Schritt zur Schaffung einer derartigen Gedenkkultur Straßennamen im Afrika- Viertel in Berlin- Wedding umbenannt wie die Petersallee und die Lüderitzstraße. Dabei geht es um Straßennamen von kolonialen Verbrechern wie Carl Peters und Adolf Lüderitz. Damit beginnt Deutschland zaghaft sich mit seiner kolonialen Vergangenheit auseinanderzusetzen. Diese Ansätze sind jedoch wenig glaubhaft angesichts des Umstandes, dass aus den ehemaligen Kolonien massenhaft Kunstschätze sowie sonstige für die Geschichte und das Verständnis der Kolonien wichtige Objekte weitgehend ohne Einverständnis der betroffenen Kolonien nach Deutschland geschafft wurden und dort in Museen und Sammlungen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden.
Auf dieses Problem von kolonialen (Kunst) Objekten weist der Bau und die aktuelle Eröffnung des Berliner Humboldtforums hin, das in dem wieder aufgebauten Berliner Königlichen Stadtschloss des Architekten Andreas Schlüter im Zustand um 1720 untergebracht ist. Im Humboldtforum haben unter anderem die ethnologischen Sammlungen des Völkerkundemuseums in Berlin Dahlem eine neue Heimat gefunden. Um die Objekte der ethnologischen Sammlungen sind von Beginn an viele Fragen und Diskussionen entstanden. Dabei handelt es um Fragen nach der Herkunft der Objekte wie und unter welchen Bedingungen sind diese nach Berlin und in die Sammlungen gelangt? Dürfen sie heute noch hier sein? Derartige Fragen stellen sich nicht nur für das Humboldt- Forum, sondern im Allgemeinen und zwar für alle anderen Völkerkundemuseen und Sammlungen in europäischen Staaten mit kolonialer Vergangenheit.
Folgerichtig bezeichnet das Humboldtforum den Kolonialismus und die Kolonialität als ein Kernthema seiner Programmarbeit. So hat auch der Generalintendant Hartmut Dorgerloh die reflexive Beschäftigung mit dem Kolonialismus und seinen Folgen sowie die Problematisierung aktueller Formen des Rassismus auf allen Ebenen des gesellschaftlichen Lebens als wichtige Leitthemen für das Programm und das Profil des Humboldtforums bezeichnet. Hierzu gehört aber auch die Forderung nach einer Restitution von Objekten aus diesen Sammlungen.
Unter Kolonialität versteht das Humboldtforum die kolonialen Denk- und Handlungsmuster, die in verschiedenen Konfigurationen kontinuierlich und nachhaltig die heutigen Realitäten in ehemals kolonisierten und kolonisierenden Gesellschaften begründen. Zu den kolonialen Praktiken gehören Ausbeutung, Gewalt und Genozide an nicht- weißen Menschen. Im Rahmen des Kernthemas Kolonialismus und Kolonialität will das Humboldforum sich mit postkolinialen Perspektiven und Stimmen auseinandersetzen und eine methodische Praxis entwickeln, die einen transparenten, dauerhaften Reflektionsprozess über die Kontinuität kolonialer Praktiken befördert. Dazu sollen notwendige Handlungsfelder und Narrative für Forschung und Kulturpraxis gefördert werden, vor allem im Hinblick auf den Umgang mit den eigenen Sammlungen. Ziel ist es durch Aufarbeitung und Vermittlung einer gegenwärtigen kolonialen Geschichte für die Zivilgesellschaft deren Komplexität im Zusammenhang mit ihren Verwicklungen in die Gegenwart und unser aller Lebensrealitäten sichtbar zu machen. Dies soll erfolgen im Rahmen bestimmter mit Partnerinstitutionen in den ehemaligen Kolonialstaaten entwickelter wissenschaftlicher Projekte wie z.B. das mit Tansania entwickelte Pilotprojekt Tansania Deutschland sowie das Namibia-Projekt 2.
Derartige Projekte zur Aufarbeitung des Kolonialismus sind sicherlich zu begrüßen. Besser wäre es meiner Meinung den guten Willen durch handfestere Aktionen zu unterstreichen. Ich hielte es für besser, statt Straßen und Plätzen umzubenennen und bestimmte Wörter in der Alltagssprache als rassistisch zu diffamieren, zunächst Objekte in deutschen Museen und Sammlungen an die ehemaligen Kolonialländern zurückzugeben und sich bei der Ausstellung mit Fotos und Nachbildungen zu begnügen. Dies gilt zumindest für die der kolonialen Raubkunst zuzurechnenden Objekte. Hierfür haben sich bereits einige Regierungsvertreter ausgesprochen.
Für die Kulturstaatsministerin Monika Grütters müssen alle Objekte, die sich eindeutig als Raubkunst erweisen, zurückgegeben werden. Diese Ansicht wurde auch von Michelle Müntefering, der Referentin für Auswärtige Kulturpolitik im Auswärtigen Amt vertreten. Hierfür soll die Herkunft von Museumsbeständen mit kolonialem Hintergrund durch das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste erforscht werden. Dieses Zentrum wurde ursprünglich für NS- Raubkunst gegründet. Derartige postkoloniale Denkmalprojekte werden vielfach als Provokation angesehen als Stein des Anstoßes für eine Öffentlichkeit, welche Deutschland immer noch als eine unbelastete Kolonialmacht ansieht.
Einer Aufarbeitung bedürfte zudem die in der Kolonialzeit von den Kirchen im Schlepptau der staatlichen Kolonisation verfolgte Missionierung der Kolonien und deren Bevölkerung. Eine Debatte um Kolonialismus muss insoweit die Missionstätigkeit der Kirche umfassen, um vollständig zu sein. Soweit diese unter Anwendung von physischer und psychischer Gewalt erfolgte, stellte sie vielfach auch eine Form der Ausbeutung von Menschen dar. Dennoch waren auch die Missionare in erster Linie Menschen, welche als Mitglieder von kirchlichen Missionsgesellschaften in unbekannten Gegenden unwägbare Gefahren auf sich nahmen um ihren Glauben und das Evangelium zu verbreiten in der Überzeugung fremde Menschen zu retten und ihnen den Zugang zum ewigen Leben zu ermöglichen. Christentum und Islam missionieren anders als das Judentum, dem die Mission fremd ist aus der Überzeugung, dass allein sie die göttliche Wahrheit verkünden können und insoweit auch keine andere Religion neben sich dulden.
Diese Debatte um den Kolonialismus und die Missionierung ist inzwischen in beiden Kirchen angekommen und wird offenbar auch von ihnen angenommen. Die christlichen Missionsgesellschaften waren in den Kolonien tätig und profitierten von der kolonialen Herrschaft der Kolonialstaaten. Sie galten in den Kolonien als Repräsentanten ihrer Regierung. Anderserseits vermittelten die Missionsgesellschaften in den Kolonien nicht nur ihren Glauben, sondern auch Bildung und ein Schulwesen sowie ein Gesundheitswesen, die den Eingeborenen zugute kamen und viel Positives bewirkten. Sie unterstützten dabei auch teilweise Freiheitskämpfe in den Kolonien, welche gegen ihren eigenen Staat gerichtet waren.
Die Missionare waren oftmals die ersten Repräsentanten der deutschen Regierung. Dadurch gerieten sie in direkte Abhängigkeit von der deutschen Kolonialpolitik. Auf der anderen Seite waren sie auf die staatliche Ordnungsmacht angewiesen, um sich vor der Gefahr der Vertreibung durch indigene Machthaber zu schützen. Sie wurden damit zu Stützen des Kolonialismus. Dadurch neigten Teile der Missionare nicht vor sozialdarwinistischen und vor rassistischen Vorstellungen, dass die Völker sich in einem Konkurrenzkampf um das Überleben befänden.
Die Angehörigen der indigenen Völker müssten im Zuge einer Kulturmission erst zu Menschen gemacht werden, bevor ihnen das Evangelium zu vermitteln sei. Insoweit wurden die Eingeborenen von Missionaren als unmündige Kinder gesehen und behandelt. Vielfach wurden die Eingeborenen auch als moralisch und religiös verderbt angesehen. Abgelehnt wurden von den Missionaren vor allem viele gesellschaftliche Konventionen wie Inititiationsriten, die Beschneidung und Polygamie sowie der Ahnenkult. Dabei wurde nicht erkannt, dass diese Konventionen zur Stabilisierung der sozialen Gemeinschaft beitrugen.
Obwohl das Christentum in sozialer Hinsicht, z.B. durch Bildungseinrichtungen und Gesundheitsvorsorge durchaus ein moderniserendes Element darstellte, zwang sie auf der anderen Seite die Eingeborenen vielfach in Verhältnisse der Abhängigkeit, vor allem auch in wirtschaftlicher Hinsicht
Ein weiteres Thema spaltet derzeit die deutsche Öffentlichkeit, das Thema Flüchtlingspolitik, insbesondere die Frage nach Integration von Asylbewerbern und Flüchtlingen die deutsche Politik und die Deutschen. Dabei besteht durchaus die Gefahr, dass Fehler der deutschen Kolonialpolitik bei der Integration der Einheimischen, die schließlich zur Bruchlandung der Kolonialpolitik führten, wiederholt werden. Scheiterte damals die deutsche Kolonialpolitik an mangelnder Integration der Einheimischen, so ist zu befürchten, dass auch die derzeitige Asyl- und Integrationspolitik an ähnlichen Fehlern scheitern wird. Insoweit bestehen heute augenfällige Analogien und Parallelen zu der verfehlten Integrationspolitik in der deutschen Kolonialzeit.
Im Folgenden werden die deutschen Kolonien Neuguinea und Samoa sowie die vom Deutschen Reich verfolgte Kolonialpolitik vorgestellt.
Deutsch- Neuguinea, die Deutsche Südsee, umfasste neben der Insel Neuguinea alle im Südpazifik gelegenen deutschen Gebiete, abgesehen von Deutsch-Samoa. Es bestand vor allem aus den Südseegebieten Mikronesiens und Melanesiens 1.
Mikronesien bestand aus etwa 2.300 Inseln im Pazifik, die überwiegend nördlich des Äquators über eine Strecke von mehr als 5000 Kilometern von West nach Ost über das Meer verstreut lagen. Hierzu gehörten Inselgruppen wie die Marianen, die Karolinen mitsamt den Palauinseln, die Marshallinseln mit der Insel Nauru, Jak, Truk, Ponape und Kusaie, Inseln, die überwiegend vulkanischen Ursprungs und entsprechend fruchtbar waren. Demgegenüber handelte es sich bei Inselgruppen wie den Karolinen, den Marshall- und Gilbertinseln um niedrige Koralleninseln mit einer kargen Atoll Vegetation und ohne Quellwasser.
Melanesien bestand aus dem Bismarck- Archipel mit den Admiralitätsinseln, den Französischen Inseln, Neuhannover, Neulauenburg, Neumecklenburg, Neupommern sowie den Westlichen Inseln, den nördlichen Salomon Inseln Buka und Bougainville sowie dem Kaiser Wilhelm Land auf Neuguinea. Die Gebiete lagen zwischen 2 ½ und 8 Grad südlicher Breite in unmittelbarer Nähe des Äquators. Dadurch bestand in Neuguinea ein tropisch feuchtes und heißes Klima. Der jährliche Niederschlag konnte je nach Lokalität fünf Meter übersteigen. Die Gesamtfläche Deutsch- Neuguineas betrug ca. 249.500 Quadratkilometer. Davon umfasste das Kaiser- Wilhelmsland allein 185.650 Quadratkilometer. Damit war die deutsche Kolonie etwa ein Drittel so groß wie das Deutsche Reich. Die ganze Bevölkerung von Deutsch- Neuguinea betrug 1911 ca. 600.000 Einwohner. Es kamen auf den Quadratkilometer ca. 3 Einwohner.
Die Insel Neuguinea mit dem früheren Kaiser- Wilhelmsland selbst ist mit einer Länge von etwa 2400 Kilometer und einer Breite von ca. 600 Kilometer nach Grönland die größte Insel der Erde. Heute ist Neuguinea politisch in den selbständigen Staat Papua Neuguinea im Osten und in Irian Jaya im Westen, das zu Indonesien gehört, unterteilt.Zu Beginn der deutschen Kolonialisierung im Jahre 1899 bestand Neuguinea neben dem im Osten gelegenen Gebiet der deutschen Kolonie aus dem zu den Niederlanden gehörendem Gebiet im Norden und dem zu England gehörenden Gebiet im Süden der Insel. Der Bismarckarchipel bestand aus 200 Inseln mit einer Landfläche von ca. 47100 qkm. Die größte Insel des Archipels war Neupommern (25.000 qkm), deren nördlicher Teil die Gazellenhalbinsel war. Dann folgten je nach der Größe: das lang gestreckte Neumecklenburg (13.000 qkm), die von einem Kranz kleinerer Inseln umgebene Hauptinsel der Admiralitätsgruppe Manus (1940 qkm) sowie Neuhannover (1500 qkm) ebenfalls mit vorgelagerten kleinen Inseln. Die größeren Inseln des Bismarckarchipels sind gebirgig. So gab es auf Neupommern und Neumecklenburg Gebirge bis zu 2000 Metern Höhe. Von den Inseln waren manche vulkanischen Ursprungs, andere waren Koralleninseln mit geringer Erhebung über dem Meeresspiegel. Tätige Vulkane waren der Kaie auf der Gazellenhalbinsel, der Vater in Neupommern sowie der Mont Balbi auf Bougainville. Die meisten Inseln waren abgesehen von geringen kultivierten Flächen mit dichtem Urwald bedeckt, der sich wie eine Mauer dem Vordringenden entgegenstellte. Wo die Eingeborenenpfade aufhörten, musste man sich mit Messer und Beil den Weg durch den Urwald erkämpfen.
Die deutschen Salomoninseln umfassten seit 1899 nur noch Bougainville und das nördlich vorgelagerte Buka sowie eine Anzahl kleinerer Inseln mit einer Landfläche von ca.10.000 qkm. Bis 1899 gehörten dazu auch Choiseul und Ysabel, die Shortland und die Lord Howe Inseln. Diese Inseln wurden durch den Samoa-Vertrag an England abgetreten .
Die zum Raum Mikronesien (Landfläche ca. 2481 qkm) gehörenden Marianen Inseln (Landfläche ca. 626 qkm) lagen am Westrand des tiefen Marianengrabens. Ihre Entstehung war vulkanisch und sie waren teilweise überlagert von vielfach terassenförmig aufgebautem Muschelkalk, der den vulkanischen Kern teilweise verdeckte. Die Inseln nahmen eine Fläche von 1140 qkm ein, wovon aber 510 auf die südlichste, in amerikanischen Besitz befindliche Insel Guam entfielen. Die seit 1899 zu Deutsch- Neuguinea gehörenden Inseln wurden von ca. 3.500 Eingeborenen bewohnt, wovon 2500 auf Saipan, 500 auf Rota in festen Siedlungen lebten.
Die seit 1899 zu Deutsch- Neuguinea gehörenden Karolinen Inseln mit den vier Inselgruppen Ponape (347 qkm), Jap (207 qkm), Truk (132 qkm) und Kusaie (110 qkm) sowie den benachbarten Palauinseln bestanden aus vier größeren, bewohnten Inseln und mehr als 20 kleineren unbewohnten Inseln, die vulkanischen Ursprungs und durch Hebung aus dem Meer entstanden waren. Die Landfläche der Marshallinseln mit Nauru betrug 405 qkm. Die deutschen Kolonialgebiete in der Südsee erstreckten sich insgesamt über ein Inselgebiet, das zum Teil Tausende Kilometer voneinander entfernt lag. Man fragt sich, warum die Deutschen sich gerade Neu Guinea, die Hochburg des Kannibalismus als Kolonie ausgewählt hatten.
Als in Deutschland nach dem gegen Frankreich gewonnen Krieg 1871 die koloniale Bewegung einsetzte , hatten sich die älteren Kolonialmächte, insbesondere England und Frankreich bereits die Sahnestücke unter den Kolonien gesichert. Den Deutschen blieb das, was diese Staaten bislang verschmäht hatten, der nordwestliche Teil von Neuguinea Kaiser- Wilhelmsland und die melanesischen Inseln, der Bismarck Archipel, die Karolinen, die Marshallinseln und die Salomoninseln. Deren Besitzergreifung wurde als Restposten problemlos von den anderen Kolonialmächten England, Frankreich und Holland anerkannt.
Während Kaiser- Wilhelmsland bis zur Hissung der deutschen Flagge von europäischen Einflüssen gänzlich unberührt war, waren im Bismarckarchipel anfänglich Missionare der Australisch- Methodistischen Gesellschaft sesshaft. Über den Stellenwert, den Deutsch-Neuguinea im damaligen Europa genoss, zeugten bissige Kommentare. Der Reiseschriftsteller Hesse- Wartegg 2sprach von Deutsch-Guinea als von einem Land:
...wo der Pfeffer wächst und man eine Reise in ein solches Land nur solchen Leuten wünscht, für die man gelinde gesagt, keine besondere Vorliebe hegt.
Über seine Reise nach Neuguinea erzählte er weiter 3:
Es gewährt einen ganz eigenartigen Genuss, Länder zu besuchen, die bisher von der Berührung mit der alles gleichmachenden Außenwelt so vollständig abgeschlossen waren wie Neuguinea. Ja in dieser Hinsicht gibt es überhaupt kein Land auf unserem Planeten mehr, das mit diesem dunklen Kontinent der Südsee verglichen werden könnte. …Neuguinea aber ist heute noch ein jungfräuliches Land, das noch vollständig unbeeinflusst geblieben ist durch die Weißen…
Überall bedienen sie sich noch der Steinbeile, Steinhämmern; Messer aus Muscheln geschliffen, Pfeile und Lanzen mit Bambusspitzen, Dolche aus Kasuarknochen, Lendentücher aus Gras oder Baumbast.
Andererseits haben Reiseberichte seit dem Mitte des 18. Jahrhunderts die Südsee als ein Stück vom Paradies dargestellt, als Land mit weißen Stränden, malerischen Palmenhainen und schönen Frauen. Über seinen ersten Eindruck von Neuguinea schrieb Eugen Werner, ein Pflanzer 4fast schwärmerisch:
Der erste Eindruck, den Neuguinea auf den Ankommenden macht, ist der eines ungeheuren botanischen Gartens, eines Treibhauses. Wo das Auge hinblickt, erschaut es Grün und abermals Grün, selbst im Wasser spiegelt sich die gewaltige grüne Wand des Uferwaldes, der landeinwärts über terassenmäßig aufgebaute Hügelketten und Berge in unverminderter Üppigkeit ansteigt, und dieses ganze Bild ist eingehüllt in den warmen Duft einer feuchtigkeitsgesättigten Atmosphäre. Lockender kann sich kaum ein Land dem Auge darbieten.
Auf ähnliche Weise äußerten sich andere Besucher 5:
Auserlesener Lieblingsort der Menschheit , bei dessen Schmuck Natur und Kunst sich die Hand gereicht haben, oder: Wie hingezaubert liegt Finschhafen, das lieblichste Stück Erde, das man sich denken kann, bzw.: Bunte Blumen und Sträucher ergötzen das Auge.
Märchenhaft erschienen vor allem die Berichte über den Sonderling August Engelhardt und seinen Orden der Sonnenanbeter, der erst neulich von Christian Kracht zu seinem Bestsellerroman Imperium verarbeitet wurde und Emma Kolbe, die unter Queen Emma bekannt wurde. Sie soll die Tochter einer samoanischen Prinzessin und eines amerikanischen Walfängers gewesen sein. Ihr gehörten die fruchtbarsten Kokosnussplantagen des ganzen Bismarck- Archipels. Sie residierte in einem luxuriösen Anwesen und galt als der unumstrittene Mittelpunkt der kleinen Kolonialgesellschaft in der Südsee. Sie feierte rauschende und vielfach frivole Champagnerfeste. Damit verkörperte sie den Traum vieler Europäer von sagenhaftem Reichtum und sexueller Freizügigkeit, durch welche sie sich in die Südsee locken ließen. Andere schwärmten in ähnlicher Weise von den jungen Mädchen und der freien Liebe 6:
Freie Liebe, junge Mädchen, treffend „Funga“ (Blüten) genannt… Auf Truk in den Karolinen fehlt ein Wort für Jungfräulichkeit, was ja auch etwas heißt Männlein und Weiblein in ungeniertem Durcheinander, wer in die Südsee reist, so gängige Meinung, hat Damenwahl: Schönste Lebensfreude und harmlose Natürlichkeit, wahrhaft vollendete Geschöpfe; oft bis auf Null reduzierte Kleidung, die für sie die gesündeste und beste ist. Die Frauen der Pingelapesen auf den Karolinen sind kräftige, schöne Erscheinungen. Das dunkle Haar, stets durchflochten mit Blättern und duftendem Blütenwerk, und die großen leuchtenden Augen stehen den braunen Gestalten sehr gut.
Sie leben ohne Sorge wie die Lilien auf dem Felde, tanzend lachend durch das Leben hin, stets heiter wie der blaue Himmel über ihnen. Heißer Sand und ein rundherum erotisches Land. Auf Palau können Frauen, in der Blütezeit nicht unschön, bis sie verheiratet sind ein freies Leben führen, Es dürfte einer der schönsten und eigenartigsten Eindrücke sein, die heutzutage geboten werden können, diese kräftigen und teilweise geradezu klassisch schön gewachsenen Menschen mit ihrer prachtvollen braunen Haut in ihren graziösen Tänzen zu bewundern
Dort angekommen wurden viele Träumer aus Europa andererseits brutal mit der Realität konfrontiert. Sie litten vor allem unter dem für sie ungewohnten feuchtheißen Klima, den unzähligen Moskitoschwärmen und den damit verbundenen rätselhaften Tropenkrankheiten, insbesondere Malaria, die unter den weißen Europäern viele Opfer fanden. Dazu kamen vor allem in Neu- Guinea Fälle von Kannibalismus sowie blutigen Auseinandersetzungen mit den Einheimischen, welche aus dem Traum von der Südsee schnell einen Albtraum werden ließen.
Einmal in der Südsee angekommen fragte sich mancher Europäer, was er dort eigentlich wolle. Wirtschaftlich gesehen war die Südsee uninteressant. Dies wurde vor allem vom Historiker Hermann Joseph Hiery 7problematisiert:
Die ganze Region ist viel zu weit entfernt von Deutschland. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts gab es dort zwar einige deutsche Händler und Siedler, deren Interessen man schützen wollte. Aber was das langfristige Ziel gewesen sein könnte, wird nicht ganz klar. Später argumentierte man im Reichstag, man wolle die deutsche Kulturmission dort verwirklichen. Das Deutsche Reich erhob damals den Anspruch, es könne besser als andere europäische Mächte die einheimische Bevölkerung zivilisieren, Genau das wollte man der Welt nun beweisen.
Insgesamt erstreckt sich die melanesische Inselwelt über eine Länge von 5.600 Kilometern auf 967.000 Quadratkilometer Landfläche, auf der etwa 3,4 Millionen Menschen wohnten 8. Die Ethnien der dort lebenden Eingeborenen waren vielfältig. Das Erscheinungsbild der in Kaiser Wilhelm Land lebenden Eingeborenen ist negroid, verwandt mit den Australoiden und den australischen Aborigines, die vor etwa 50.000 Jahren nach Neuguinea und auf die benachbarten Inseln einwanderten. Ihre Hautfarbe ist dunkel, sie tragen Kraushaar.
Die meisten Besucher Deutsch- Neuguineas näherten sich der Kolonie auf dem Schiffsweg. Was sie erblickten war ein schroffes Zentralgebilde vom Ausmaß der Alpen oder des Kaukasus. Es sind vor allem Berge, immer nur Berge mit Höhen bis zu 5000 Metern, die durch Hebungen und Faltungen bis in die jungtertiäre bzw. quartäre Zeit entstanden sind. Die Gebirge bestehen ihrer Grundstruktur nach überwiegend aus kristallinischen Schiefern und älteren Eruptivgesteinen wie Graniten, Dioriten, Gabbros und Diabasen. Die ganze Kolonie schien bedeckt zu sein mit hohen, zerissenen Gebirgen, welche ein Vordringen in das Innere fast unmöglich erscheinen lassen. In den höchsten Regionen der Hochgebirge des Kaiser-Wilhelmslandes traten häufig Schneefälle auf.
Die in Mikronesien zahlreichen Koralleninseln dienten einerseits den Menschen zur Siedlung, andererseits auch dem menschlichen Verkehr dadurch, dass sie gut gesicherte Häfen schufen. Auf der anderen Seite waren sie aber gefährliche Schifffahrtshindernisse, wenn sie die Oberfläche des Meeres nicht ganz erreichten oder in zusammenhängenden Massen lange Küstenstrecken umsäumten und damit den Schifffahrtsverkehr behinderten. Nur an Stellen, wo Süßwasser ins Meer einmündete und damit den Korallenpolypen die Existenzbedingungen genommen wurden, waren die Riffe durchbrochen und für Schiffe passierbar 9.Schnee beschrieb in seinen Bildern aus der Südsee 10seine ersten Eindrücke von Neuguinea vom Dampfer Stettin im November 1898 aus:
In der Ferne tauchten gewaltige Gebirgsketten auf, welche sich bläulich schimmernd von dem hell leuchtenden Tropenhimmel abhoben. Beim Näherkommen verschwand diese Färbung, dafür erschien das Ganze, Flachland wie Gebirge, von einem gleichmäßigen Grün bedeckt. Das Land macht mit den hochragenden Gebirgen und dem undurchdringlichen Urwald, der kein Fleckchen frei lässt, einen erhabenen und gleichzeitig düsteren Eindruck… Wohin das Auge blickte war das Land bis hoch in die Gebirge hinein mit Urwald wie mit einem gewaltigen grünen Tuch überdeckt. Nur vereinzelt wechselte der Busch mit Grasflächen ab.
Richard Thurnwald beschrieb den Anblick des Urwaldes auf Neuguinea wie folgt 11:
Die großen und kleinen Bäume waren von Schlingpflanzen aller Art durchwuchert und offenbarten ein undurchdringliches Chaos von vegetativen Kräften. Die Luft war schwül und dampfend wie ein türkisches Bad. Weiße Kakadus zankten in den Bäumen und flatterten in den Bäumen und flatterten hier- und dorthin. Dann hörte man ein sonderbares Surren. Es kam von zwei großen schwarzen Nashornvögeln, die mit vorgestreckten Schnäbeln hoch über uns nebeneinander, Männchen und Weibchen dahinflogen. Auf einer Seite der Lagune gewahrten wir ein Kanu. Der Mann stand vorne wie eine Figur aus Bronze mit gespanntem Blick, Bogen zum Wasser geneigt, um Fische zu schießen. Hinten ruderte langsam seine Frau. Plötzlich hatten sich Wolken geballt, wir suchten zurück zum Schiff zu eilen, aber schon entlud sich Blitz mit wildem Donner, und wir wurden in einem Wolkenbruch gebadet. „This was my initiation into New Guinea.“
Insgesamt durchzog ein über 5000 Meter ansteigendes zentrales Gebirgsmassiv mit schnee- und eisbedeckten Gipfeln die Insel Neuguinea von West nach Ost. Steile Berghänge wechselten mit kleinen Tälern ab. Im Westen bildeten dicht besiedelte Hochtäler das Hochland. Das Bismarckgebirge erreicht im Quellgebiet des Augustaflusses sogar Höhen bis 5000 Meter. Die Berggipfel sind schneebedeckt. Nach Nordosten und Süden stürzt das Hochgebirge terassenförmig zum Meer ab. Auffällig ist das Fehlen von Seen und Wasserfällen. Anderseits gibt es zahlreiche mit dem Meer zusammenhängende Lagunen In den Kalk-und Kreidegebirgen Neu Guineas waren zahlreiche Höhlen, einige davon mit Tropfsteinbildungen, besonders um den Sattelberg. Diese waren meist schwer zugänglich, deren Betreten oftmals gefährlich, insbesondere bei einsetzenden schweren Regengüssen. Im Norden und Süden wird der Urwald durch eine steppen- und savannenartige Landschaft unterbrochen. Im Norden Neuguineas finden sich entlang der großen Flüsse Sumpflandschaften, im Süden des zentralen Gebirgsmassivs gibt es ein dicht bewaldetes Schwemmland, das aus fluvialen Ablagerungen besteht.
Die Gebirge sind von einem dichten dunklen Urwald, die Kuppen von immer feuchten Mooswald bedeckt, Schlingengewächse und Astwerk sind von einem dicken Pelz mit grünem Moos überzogen. Ansonsten streben alle Pflanzen hinauf zum Licht. Was das Licht nicht erreicht, vermodert in der feuchtheißen Atmosphäre. Der Hochwald wird ab und zu vom messerscharfen, mannshohen Alangras, in dem sich bei senkrechter Sonne eine unerträgliche Hitze entwickelte sowie von Bambusdickichten abgelöst, wo man nur in gebückter Stellung vorankommen kann.
Erschwert wird jedes Vorankommen auch durch die Schlüpfrigkeit der wenigen Wege und Pfade, bei denen man entweder bis über die Knöchel im Morast versinkt oder auf den schlüpfrigen Steinen oder Baumstämmen ausrutscht. Verkehrswege waren zu Kolonialzeiten in Kaiser- Wilhelmland Fehlanzeige. Der Küste nahe vorgelagert war eine Vielzahl bergiger Inseln, von denen einige tätige Vulkane waren.
Erdbeben waren häufig vor allem um den Sattelberg bei Finschhafen sowie beim Huongolf bei Samoahafen, wo die Erde teilweise einmal in der Woche bebte, ein Ereignis, das vielfach nachts stattfand und an das die Einwohner sich längst gewöhnt hatten. Die Erdbeben hingen vielfach mit der starken Vulkantätigkeit in diesen Gebieten zusammen. Schlimmer waren in der Regel jedoch die Erdbeben, die einen tektonischen Ursprung hatten. Das schlimmste Erdbeben, das damals zu großen Zerstörungen und Todesopfern unter der Bevölkerung führte, war in der Nacht vom 14. bis zum 15. September 1906. Begleitet wurden diese schweren Erdbeben an der Küste vielfach von Tsunamis, Flutwellen, die eine Stunde nach dem Erdbeben anrollten, nachdem sich das Wasser zunächst zurückgezogen hatte. Sie überfluteten die ganze Küstenregion und richteten große Zerstörungen vielfach schlimmer als die des Erdbebens an. So wurde 1906 das Inseldorf Quampu bei Kap König Wilhelm durch eine derartige Flutwelle völlig zerstört.
Neben der Unzugänglichkeit der Bergwelt war ein weiteres Manko für eine Besiedelung und Kolonialisierung von Kaiser- Wilhelmsland , dass sich an den Küsten kaum brauchbare Häfen und Ankerplätze für die ankommenden Schiffe befanden. Die schlechten Hafenverhältnisse sowie außerdem die zahllosen Korallenriffe und die starken Meeresströmungen erschwerten Handel und Schifffahrt. Die Zahl der Bewohner von Kaiser Wilhelmland, dem deutschen Teil der Insel Neuguinea betrug 200.000 bis 400.000 Bewohner, das ergab eine Bevölkerungsdichte von 1 bis 2 Menschen pro Quadratkilometer.
Die Kolonie Deutsch- Neuguinea besaß ein tropisches, zum Teil äquatoriales Seeklima mit geringen Unterschieden der Temperaturextreme. Größere tägliche Temperaturschwankungen beschränkten sich auf das gebirgige Innere von Kaiser-Wilhelmsland und von Bougainville. Die mittlere Jahrestemperatur schwankte zwischen 26 Grad Celsius und 27,5 Grad Celsius. Der Unterschied zwischen dem kältesten und wärmsten Monat in Mikronesien betrug höchstens 1 Grad Celsius, in Melanesien höchstens 2 Grad Celsius. Größere Unterschiede bestanden nur auf den Marianeninseln. Auch der Luftdruck zeigte nur geringe Jahresschwankungen.Die Niederschläge waren reichlich. Sie betrugen fast überall 2000 mm und mehr im Jahr Es gab keine eigentliche Trockenzeit, sondern nur Zeiten, in denen die Niederschläge vermindert waren. Die Verteilung der Niederschläge hing vor allem auch von den großen Windsystemen der Monsune und Passate ab.
Im Hauptteil von Kaiser Wilhelmsland, das zwischen dem zweiten und achten Grad südlicher Breite gelegen war, herrschte echtes Tropenklima mit Regenzeiten, die von der jeweiligen Windrichtung abhingen. Von Oktober bis April herrschte Nordwestwind, in den übrigen Monaten Südostwind. Der vom Meer kommende Wind brachte Regen, der Landwind Trockenheit. Während der Regenzeit entstand an den weitgehend hafenlosen Küsten eine derartig starke Brandung, welche den Schiffverkehr stark einschränkte. Man darf sich die Regenzeiten jedoch nicht so vorstellen, dass es in dieser Zeit ununterbrochen regnete und in der Trockenzeit fortwährend die Sonne schien. Auch in der Trockenzeit regnete es vor allem in der Nacht und während der Regenzeit konnte es zu längeren Trockenperioden kommen.
Die Kolonie gehörte zu den regenreichsten und gewitterreichsten Gebieten auf der Erde. Die jährliche Niederschlagsmenge schwankte von 3000 bis 6000 mm. Deutsch- Neuguinea lag außerhalb des Gebietes der Taifune, so dass Wirbelstürme selten waren. Die Lufttemperatur war vor allem vormittags in der Küstenregion noch erträglich, weil eine Seebrise für Abkühlung sorgte. Im Landesinnern schwankte die Luftfeuchtigkeit jedoch vielfach zwischen 80 und 90 Prozent. Das Klima in Mikronesien war ein gleichmäßiges, tropisches Seeklima mit häufigen Niederschlägen und mit einer jährlichen Mitteltemperatur von 27,4 Grad Celsius.
Die Flora Deutsch Neuguineas wurde bestimmt durch die jeweilige Lokalität. Dabei spielten die Richtung der Winde und Meeresströmungen sowie die Bodenart wichtige Rollen. Die Bodengüte wurde vor allem begünstigt durch hohe gleichmäßige Wärme sowie beträchtlichen Regenfall, welche die chemische Verwitterung der vorhandenen Gesteine und damit die Ansprüche tropischer Nutzpflanzen begünstigten.
Es bestanden Unterschiede zwischen den Gebieten Kaiser- Wilhelmsland, Melanesien und Mikronesien.Die Pflanzenwelt Deutsch- Neuguineas schloss sich in ihrer Zusammensetzung weitgehend an die des tropischen Ostasiens an. Vereinzelt fanden sich auch Vertreter der australischen Flora wie der Eucalyptus12) Etwa 3000 Pflanzenarten sind uns bekannt, wovon ca. 900 nur in Deutsch- Neuguinea vorkamen. Geprägt wurde die Pflanzenwelt Deutsch- Neuguineas durch den Hochwald, der das Land von der Küste bis zu den Bergspitzen in einen dichten, dunkelgrünen Mantel einhüllte. Bei 600- 900 Meter begann der Gebirgsregenwald oder Moos- oder Nebelwald, bei dem die Stämme und Zweige der Bäume mit dichten Moss- und Farnpolstern bedeckt waren. Der Wald erreichte bei etwa 3500 Metern die Grenze. Dann begann eine alpine Vegetation in Form einer Grasland -oder Hochgrassteppe oder von ausgedehnten Grasfeldern.
Weiter im Landesinneren wurde die Flora durch den Regenwald mit schlanken, astlosen Stämmen bestimmt. Am Boden des Regenwaldes staffelte sich das Grün des Waldes in verschiedenen Etagen in einer ein bis zwei Meter hohen Krautschicht von unterschiedlichen Pflanzenarten. Darüber fand man vier bis sechs Meter hohe Sträucher, die wiederum von der Schicht von acht bis fünfundzwanzig Meter hohen Bäumen überwuchert wurden. Die letzte Etage bildeten die Kronen der etwa dreißig bis vierzig Meter hohen Bäumen (Eukalyptusarten), das eigentliche Dach des Urwalds, deren weißlich leuchtende Äste über das Dach hinausragten. Über alle Etagen erstreckten sich Farne, Orchideen und Schlingpflanzen, welche den Urwald für Licht und Lebewesen undurchdringlich machten. Alles strebte nach oben zur Sonne, was das rettende Licht nicht erreichte, musste vermodern. Vielfach waren die Ursache Lianen, die am Stamm eines Baumes empor krochen. Dabei konnten selbst kräftige Baumstämme die enge Umklammerung nicht ertragen und starben ab.
Außer den Lianen fielen viele Bäume auch dem Baumwürger, einem pflanzlichen Raubwesen, der selbst starke Bäume langsam erdrosselte, zum Opfer. Im Unterholz des papuanischen Urlaubs versperrten stachelbesetzte Ranken der Kletterpalme (Rotang), Bretterwurzeln oder Bambusse sowie vermoderte Baumriesen dem Wanderer den Weg. Für den unmittelbaren Bereich der Küste waren Mangroven Wälder typisch mit ihren langen Stelzwurzeln und den kurzen senkrecht aus dem Schlamm aufragenden Wurzelspitzen sowie für das Gebiet im Küstenbereich, die im Brackwasser wachsenden Nipalpalmen mit ihren bis zu acht Meter hohen Blättern, die unmittelbar über dem Erdboden büschelartig von einem kurzen Stamm ausgingen. Weiterhin fand man in diesem Gebiet die mächtigen Kasuarinabäume.
Entlang der Flüsse und im Innern der Küstenregionen standen Sagopalmen, deren Mark viel Stärke enthielt und welche für die Ernährung der Einheimischen von großer Bedeutung waren. Ihre Blätter verwandten die Eingeborenen zur Bedachung ihrer Hütten. Selbst nach Aberntung der Felder schoss innerhalb kurzer Zeit der Urwald wieder auf und erstickte jedes Gras im Keime.
Die wichtigsten Kulturpflanzen waren die Kokospalme, die bis zu einer Höhe von 800 Meter angepflanzt wurde, Kautschuk, Kakao, Kaffee Taro und Yamsknollen, die bis 25 kg schwer wurden, darüber hinaus Bananen, Zuckerrohr, Mais, Maniok, Papaya, Betel und Kawa, die Wurzel von Piper methysticum, Ananas und Mango. Königinnen der Pflanzenwelt Deutsch Neuguineas waren die vielen Orchideenarten. In Neuguinea findet sich noch heute der größte Artenreichtum an Orchideen der Welt.
In Deutsch Neuguinea fehlten größere Säugetiere. Das größte Säugetier war das Wildschwein. Größere Raubtiere fehlten ganz. Daneben gab es Kängurus, Baumkängurus und Buschkängurus sowie verschiedene Beuteltiere wie der Kuskus, ein katzengroßer Kletterbeutler, der seinen mit Greifschwielen versehenen Schwanz beim Klettern benutzte und je nach Art weiß, gefleckt und schwarz-braun gefärbt sein konnte. Er wurde vor allem wegen seines Fells, das als Schmuck verarbeitet wurde, gejagt. Weitere Beuteltiere waren der kleine Streifenbeutler sowie der Schnabeligel, der Eier legte. Darüber hinaus gab es Flughunde, ein Mittelding zwischen Vogel und Säugetier, die tagsüber zu vielen Hunderten an manchen Bäumen hingen, und Fledermäuse. In den Flüssen der größeren Inseln gab es Krokodile, auch Schlangen waren häufig.
Vielfältiger als die Säugetierwelt war die Vogelwelt. So gab es über 60 Arten von Paradiesvögeln, wobei vor allem die Männchen wegen ihres bunten Gefieders gejagt wurden. Die Weibchen waren wegen ihres einfachen Gefieders weniger begehrt. Auffallend waren auch die Nashornvögel mit ihren riesengroßen Schnäbeln sowie unter den zahllosen Taubenarten die Krontaube mit ihrem prächtigen Federkopfschmuck, welche die Größe einer Pute erreichten. Von den Reptilien war außer Eidechsen, Molchen und Schlangen vor allem der Leguan erwähnenswert.
Neuguinea war die Heimat des Goliaths, des größten Schmetterlings neben anderen Schmetterlingsarten, die sich vor allem durch ihre Größe und ihre Färbung auszeichneten. Auch die Ameisen waren ungewöhnlich groß mit ihrer Länge bis zu 2 cm. Sie stellten eine Gefahr für die Holzkonstruktion der Häuser dar, so konnten weiße Ameisen die Balken der Häuser in kurzer Zeit vernichten. Eine wahre Plage waren die Flöhe und Mücken, vor allem als Überträgerin der Malaria sowie die stecknadelkopfgroßen schwarzen Sandfliegen, die durch die kleinste Masche von Moskitonetze hindurchschlüpfen können 13.
Der Paradiesvogel, lateinisch Paradisaeidae gehört zu den Sperlingsvögeln, er ist mit den Raben verwandt und ein Singvogel. Paradiesvögel leben außer in den Regenwäldern Australiens und auf einigen Molukkeninseln vor allem in Neu Guinea. Neu- Guinea hat deshalb auch den Beinamen Insel der Paradiesvögel.
Selbst das Wappen des heutigen Staates Papua Neuguinea zeigt einen Paradiesvogel. Von den Eingeborenen wurden sie auch Sonnenvögel bezeichnet, weil sie nach ihren Beobachtungen in der Luft leben und sich stets gegen die Sonne wenden und sich erst kurz vor ihrem Tod auf der Erde niederlassen. Kennzeichen der Paradiesvögel ist ihre samtartige Befiederung der Zügel vor den Augen, freiliegende Nasenlöcher und die eigentümlichen an verschiedenartigen Körperteilen sitzenden Schmuckfedern. Auffallend sind vor allem die prächtigen schleierartigen Schmuckfedern an den Brustseiten 14.
Große ParadiesvogelGöttervogelParadisaea apodaGöttervogel-