Für Paolo Lanapoppi
«Wir haben gesiegt. In einem Erdrutsch gesiegt. Es war ein Erdrutschsieg.»
Präsident Donald J. Trump am 6. Januar 2021
Aus der New York Times vom 31. Januar 2021:
… eine Untersuchung der 77 die Demokratie untergrabenden Tage zwischen der Wahl und der Inauguration zeigt, wie in einem von der Pandemie gebeutelten Land, in dem Verschwörungstheorien grassierten, eine Lüge des Mr. Trump, die er jahrelang gehegt und gepflegt hatte, schließlich die Republikanische Partei überwältigte und, als eine Bremse nach der anderen gelöst wurde, immer mehr Fahrt aufnahm, unterstützt von neuen und radikaleren Anwälten, Politikern, Geldgebern und dem Surround-Sound rechter Medien.
Nach jenem zerstörerischen Nachmittag am Kapitol tauchte die Lesart auf, entropische Kräfte seien in Trumps Namen in einem ungeplanten, allerdings verhängnisvollen Ausbruch von Wut und Verdrängung entfesselt worden.
Interviews mit wesentlichen Akteuren und Dokumente wie bislang unveröffentlichte E-Mails, Videos und Posts auf sozialen Netzwerken lassen jedoch eine umfassender koordinierte Aktion erkennen.
In diesen 77 Tagen rief der scheidende Präsident die Mächte des Chaos herbei und wiegelte sie auf. Dabei nutzte er die Macht, die ihm seine treuen Parteianhänger verliehen, indem sie ihn für nahezu unfehlbar erklärten, zu einem letzten die Regeln verletzenden Akt einer Präsidentschaft, die auf dem Leugnen der Realität beruhte.
Wobei …
In den Tagen und Wochen nach dem Wahltag des 3. November wurde der Präsident von seinen Beratern und Mitarbeitern im Stich gelassen. Das politische Establishment ließ ihn fallen, zumindest all jene mit einer vielversprechenden Karriere. Die unglückselige Schar seiner Mitverschwörer war entweder zu verrückt oder zu betrunken oder zu zynisch, um eine glaubwürdige Strategie zu entwickeln und in die Tat umzusetzen. Es war einfach eine beschissene Show – lächerlich, unerklärlich, peinlich, wahnsinnig, sogar für die Leute, die ihm größte Loyalität bewiesen. Die Anfechtung der Wahl war von Anfang an zum Scheitern verurteilt.
Trumps ganze Präsidentschaft war das Gegenteil von guter Regierung und normaler Funktionalität eines Staatsapparats, doch in seinen letzten Tagen entfernte er sich um einen weiteren Quantensprung von jeglichem System, das ihm Unterstützung oder Wahlerfolge hätte bieten können – und sei es nur ein erschwindeltes oder fingiertes Resultat.
Im zweiten Amtsenthebungsverfahren wurde Donald Trump wegen seiner expliziten Pläne und Strategien und Absichten angeklagt – seine letzten Tage im Amt als der ausgeklügelte Versuch, alles für den Erhalt seiner Präsidentschaft zu tun. Aber jene, die Trump aus der Nähe erlebten, selbst jene, die glaubten, dass er sich vieler Vergehen schuldig gemacht hatte, hielten diese Einschätzung für falsch. Im Gegenteil: Trumps wahrer Anschlag auf die Normen der Demokratie war gewesen, dass er Organisation, Strategie, Methode, rationales Denken und bewusste Entscheidungsfindung aus der höchsten Regierungsebene verbannte.
Als Trump in das politische Leben Amerikas einzudringen begann, waren seine Fahrlässigkeit und Ignoranz für die zielstrebige, geordnete, ergebnisorientierte, liberale Welt und ihre Medien völlig unvorstellbar, und bis heute gelingt es ihnen mit ihren normalen politischen Maßstäben nicht, ihn und seine Unterstützer zu verstehen. Was ihnen verrückt und selbstzerstörerisch erscheint, musste doch Teil eines Plans sein.
Politik konnte schließlich nicht pure Launenhaftigkeit und Farce sein, oder?
Durch dieses Festhalten an einer bestimmten Intention, an einem kalkulierten oder «koordinierten» Machtmissbrauch wird Donald Trump im Bereich einer einschätzbaren Politik gelassen. Was aber, wenn es genau die Abwesenheit einer Intention oder sogar das Auf und Ab von Unvernunft und Verrücktheit waren, was so viele Menschen in seinen Bann zog, selbst noch, als seine Regierung in sich zusammenbrach?
Die grundlegende moderne Annahme geht dahin, dass eine verrückte Person nicht zum Präsidenten gewählt werden kann – ein böser Mensch, ein korrupter, ein inkompetenter, ein verlogener, ein heuchlerischer Mensch ja, aber keiner, der sich völlig von der Wirklichkeit verabschiedet hat. Der heutige Politikbetrieb verlangt einem zumindest ab, eine Sitzung bis zum Ende durchzustehen, ohne wie ein Hund zu bellen.
Vom Schlingerkurs der katastrophalen letzten Phase seines Wahlkampfes zur Wiederwahl über seine absurde Anfechtung des Ergebnisses und das tödliche Chaos des 6. Januar bis hin zu der unsäglichen Clownsposse bei seinem zweiten Amtsenthebungsverfahren entsteht ein ganz anderes Bild als das überwiegend von den Medien gezeichnete eines korrupten, zynischen und despotischen Versuchs, an der Macht festzuhalten und die Demokratie zu unterwandern. Hier zeigt sich vielmehr eine deutlich kompliziertere menschliche und politische Geschichte der Verzweiflung und Verblendung.
Nach allen Regeln der Vernunft hätte diese Geschichte am 6. Januar enden müssen. Aber die herausragende und dieses politische Zeitalter bestimmende Tatsache ist, dass die Trump-Saga weitergesponnen wird und dass sie selbst in der Niederlage weiterhin so viele Menschen inspiriert – und dass alle Wege der Republikaner jetzt nach Mar-a-Lago führen. «Mr. President», sagte der Meinungsforscher Tony Fabrizio, als er Trump zu erklären versuchte, was er selbst nicht ganz verstand, «Ihre Wähler glauben alles, wenn Sie ihnen sagen, dass sie es glauben sollen.» Tatsächlich zeigte eine Umfrage Mitte Mai 2021, dass 67 Prozent der Republikaner glaubten, Joe Biden hätte die Präsidentschaftswahl 2020 nicht rechtmäßig gewonnen.
Trump macht nichts richtig. Kann sich nicht ein Hosenbein nach dem anderen anziehen. Seine stümperhaften, zum Scheitern verurteilten und peinlichen Versuche, die Wahl rückgängig zu machen, sowie sein fahrlässiger Ruf zu den Waffen am 6. Januar zeigten ihn erneut als den Kaiser ohne Kleider, dessen Nacktheit nicht nur seine Feinde erkannten, sondern, mit immer tieferem ungläubigem Seufzen, auch seine Verbündeten. Und trotz alledem sind wir an einem Punkt angelangt, an dem er das Herz von knapp der Hälfte der Menschen seines Landes in der Hand hält, der einstige und zukünftige Donald Trump, der seine Wunden leckt und mit dem Blick auf sein Publikum darüber sinniert, welche neuen, absurden und unüberlegten Heldentaten er in Angriff nehmen soll.
Dies ist das dritte Buch, das ich in drei Jahren über Donald Trump geschrieben habe. Aufgrund dieser Chronistentätigkeit habe ich fast jede Phase Trumps im Weißen Haus aus nächster Nähe miterlebt und war mit fast allen Mitgliedern seiner ständig wechselnden Belegschaft in engem Kontakt. Sehr viele von ihnen aus dem West Wing, aus dem Wahlkampf und der Republikanischen Partei haben zu diesem Bericht beigetragen, auch Donald Trump selbst.
Dem Büro des ehemaligen Präsidenten wurde eine detaillierte Zusammenfassung eines Großteils des Materials in diesem Buch zur Verfügung gestellt. Sein Mitarbeiterstab hat Begebenheiten, Gespräche und verschiedene Details aus der Trumpwelt, wie ich sie beschrieben habe, entweder bestätigt oder Korrekturvorschläge gemacht. Wenn dabei Fakten bestritten wurden, fanden sie nur Aufnahme ins Buch, wenn sie durch andere Quellen bestätigt werden konnten.
Viele, die mit mir über diese Ereignisse gesprochen haben, baten mich, ihre Anonymität zu wahren – aus Gründen, die im Verlauf dieser Geschichte offensichtlich werden.
Tippfehler brachten ihn auf die Palme. Er konnte tagelang toben, wenn er einen entdeckte oder, was wahrscheinlicher war, wenn jemand anderer auf einen Schnitzer in einem Dokument hinwies, das in seinem Namen erstellt wurde – die hilflose Wut von jemandem, der befürchtet, die Nachlässigkeit anderer lasse seine eigenen Schwächen sichtbar werden.
Diesmal schäumte er vor Wut, weil ein juristischer Schriftsatz voller Fehler war, in dieser Woche nun schon der zweite – die Vereinten Staaten! In der ersten Zeile! Ein Staatsstreich! Und noch viel mehr. Die Presse stürzte sich bereits auf ihn, er machte sich vollends lächerlich – in gewisser Weise war das eine noch schlimmere Erniedrigung und noch mehr Grund für einen Wutausbruch als das zweite Amtsenthebungsverfahren, mit dem er gerade überzogen wurde.
Dafür musste jemand büßen – wer immer das freigegeben hatte, war gefeuert. Sollte sofort verschwinden! Er telefonierte einen nach dem anderen seiner verbliebenen Berater ab. «Was, verdammt noch mal, läuft bei diesen Leuten verkehrt? Können die nicht mal die Rechtschreibprüfung einschalten?» Die Rechtschreibprüfung – im Kopf eines Mannes, der nicht einmal einen Computer benutzte, war das die Lösung.
Der Übeltäter jedoch konnte realistisch betrachtet nicht so leicht rausgeschmissen werden, denn es war der leitende Anwalt im Amtsenthebungsverfahren des Präsidenten, Bruce Castor. Erst seit wenigen Tagen mit dem wichtigsten Auftrag seiner Berufslaufbahn betraut, hatte Castor an diesem Morgen, am 8. Februar 2021 um 3 Uhr 40, den Schriftsatz in aller Eile gelesen und sofort abgeschickt. Niemand hatte ihn Korrektur gelesen.
Castor versuchte, dies dem ehemaligen Präsidenten zu erklären, der ihn ständig unterbrach und seine Ausreden schneidend, schroff, spöttisch und unnachgiebig zurückwies. «Die Rechtschreibprüfung erfasst kursiv gesetzte Wörter nicht», sagte Castor, noch einer, der wohl eher selten einen Computer benutzt.
«Wie bitte? Das ist das Bescheuertste, was ich je gehört habe! Bringen Sie das in Ordnung! JETZT!», brüllte der ungläubige Präsident, wie so oft halb am Durchdrehen.
Das war es auch, was das zusammengekauerte Grüppchen auf dem vereisten Gehsteig vor dem Trump International Hotel in Washington wie ein kopfloses Huhn versuchte – während es zur gleichen Zeit, ohne Vorbereitung oder ernstzunehmende Vorkehrungen, versuchte, den Präsidenten vor einer bodenlosen Schande zu bewahren. Sie korrigierten Tippfehler. JETZT!
«Kann man dämlicher sein als diese Anwälte?», schimpfte Trump jedem gegenüber, der es hören wollte. «Kann man noch dämlicher sein?»
Das weitaus größere Problem, das nun von diesem Rechtschreib-Drama überschattet wurde, war das vierte Impeachment-Verfahren in der Geschichte der Vereinigten Staaten, dessen Beginn für den folgenden Tag angesetzt war und das von Anwälten geführt werden sollte, die den Fall erst vor einer Woche übernommen hatten. Von den drei Hauptanwälten, Castor, David Schoen und Mike van der Veen, hatte Trump noch keinen persönlich getroffen, und mit van der Veen hatte er noch nicht einmal gesprochen (tatsächlich der einzige der Anwälte, der von Trump einen gewissen bleibenden Respekt erfahren würde).
Castor saß in einem G-Klasse-Mercedes und wartete darauf, einen Rundgang durchs Kapitol zu machen und die Republikanischen Senatsmitarbeiter zu treffen. Außerdem standen da noch ein Jeep Rubicon und ein Range Rover, die darauf warteten, das neue Team zur Verhandlung im Senat zu bringen. Castor fühlte sich noch immer getroffen, weil Trumps Leute ihm nicht erlaubt hatten, mit seiner geliebten Corvette am Kapitol vorzufahren. So hatte er sich das vorgestellt. Das war einer der Gründe, warum er den Fall übernommen hatte: dieses Bild. «Die Corvette, das bin ich. Sie ist so was wie meine Visitenkarte.»
Die verbliebenen Berater Trumps – an diesem Punkt bereits gegen jede Überraschung gefeit – konnten es kaum fassen. In Trumps Kreisen war fehlendes Gespür für Situationen, gelinde gesagt, ein häufig auftretendes Problem, aber eine Corvette vor dem Kapitol der Vereinigten Staaten, das noch ganz unter dem Schock des gewalttätigen Sturms stand, den man dem Präsidenten zu Füßen gelegt hatte?
Trumps Anwälte – nicht diese Anwälte, sondern Trumps ehemalige Anwälte, von denen einige beim ersten Amtsenthebungsverfahren dabei waren, die jetzt versuchten, bei diesem Impeachment-Schlamassel nicht im Vordergrund zu stehen – wurden ihrerseits vom ehemaligen Präsidenten wegen der neuen Anwälte zusammengestaucht. «Wer sind die? Woher kommen die? Wer hat sie beauftragt? Warum gerate immer ich an die schlechtesten Anwälte?»
Irgendwie, und aus einem für niemanden, außer für Bruce Castor und den Rest der neuen Anwälte, ersichtlichen Grund, war Trumps juristische Bezugsperson Eric Herschmann. Herschmann war ein Jahr zuvor, während des letzten Amtsenthebungsverfahrens, im Trumpuniversum aufgetaucht und trieb sich noch immer im Weißen Haus herum, abwechselnd mit der Aufgabe betraut, den White House Counsel, das Rechtsbüro im Weißen Haus, zu leiten, dann als Wahlkampf- und Politikberater im West Wing – er war einer der vielen, die Schwiegersohn und ranghöchster Berater Jared Kushner als Babysitter für den Präsidenten einsetzte.
Auch Herschmann hing an seinen Autos und parkte seinen Lamborghini unpassenderweise neben den Staatskarossen auf dem Parkplatz des Weißen Hauses. Doch nach dem Sturm auf das Kapitol am 6. Januar und vor dem zweiten Impeachment-Verfahren hatte Herschmann sich schleunigst aus dem Staub gemacht. Tatsächlich waren sämtliche Anwälte, die in Trumps erstes Amtsenthebungsverfahren involviert waren, praktischerweise nicht verfügbar. Dennoch, ähnlich wie Trumps ehemaliger Anwalt Michael Cohen, der dem Präsidenten bei all seinen Vergehen zur Seite gestanden hatte, die er, Cohen, seitdem widerrufen hat, man verlässt Donald Trump nicht so einfach. Vielleicht weil er einen ständig am Telefon anschnauzt oder einfach nur weil einen das Drama wieder zurückrief, das Drama des außer Kontrolle geratenen Zuges. Sollte man nicht bleiben, um das Ende mitzuerleben: das haarsträubendste Fiasko aller Zeiten?
Und tatsächlich waren Schoen und Castor inzwischen wütend auf Herschmann, der sich in Deckung hielt, aber trotzdem noch versuchte, seinen Platz im Trumpuniversum zu halten und alles zu steuern. Na ja, richtiger ist, niemand hat da etwas gesteuert; Herschmann steuerte etwas mehr als sie, weil er öfter mit dem Ex-Präsidenten telefonierte – der war wütend, rasend vor Zorn, nörgelte ununterbrochen herum, unumstößlich in seinen Gewissheiten, so wie immer.
Er erging sich seinem Anwaltsteam gegenüber in endlosen Tiraden, das Verfahren dürfe nicht so über die Bühne gehen – Formsachen, Meinungsfreiheit, Rechtsprechung, dieser ganze Schwachsinn. Er wollte, dass seine Verteidigung darin bestand zu beweisen, dass man ihm seine Wahl gestohlen hatte. Sie war gestohlen! Jeder wusste, dass sie gestohlen war. Und dies war die Gelegenheit, den Fall darzulegen! Und wirklich schlug der vormalige Präsident vor, seinen Fall vor dem Senat selbst zu vertreten!
Doch war just dies der Anklagepunkt, bei dem Herschmann und so ziemlich jeder, der mit dem Verfahren zu tun hatte, keinerlei Zweifel hegte, dass der ehemalige Präsident verurteilt werden würde. Einmal mehr versuchten alle, Trump vor sich selbst zu schützen – das war noch nie ein vielversprechendes Unterfangen gewesen.
Es gab akutere Probleme. Das disparate Grüppchen – keiner von ihnen war besonders gesprächig – saß draußen vor dem Hotel in der Kälte fest. Die Trump-Truppe, die verbliebene Gefolgschaft und ein paar Übriggebliebene, versuchte, sie alle anzutreiben – und dazu zu bringen, schnellstmöglich die Tippfehler zu korrigieren. Doch nach dem 6. Januar war das Kapitol regelrecht abgeschottet. Es gab neue Straßensperren und Kontrollposten, die passiert werden mussten. Die Temperaturen lagen ein Grad unter null, es war eiskalt, und sie standen schon seit zwanzig Minuten draußen (mit Ausnahme von Castor, in dessen Mercedes die Heizung lief). Und außer diesem Jemand, der ihnen gesagt hatte, sie müssten warten, schien keiner zu wissen, warum; und Adam war nicht da.
Wer, fragte schließlich jemand, ist Adam?
Adam war der Rechtsreferendar, der den Jeep fahren wollte.
Und warum ist Adam nicht da?
«Er nimmt auf Zoom an einer Prüfung der juristischen Fakultät teil.»
Einer der Trump-Witzbolde bemerkte dazu: «Da haben wir sämtliche Anwälte durchlaufen, und jetzt sind wir bei den Jurastudenten gelandet.»
Schließlich verfrachteten die Trump-Jungs die Leute in zwei Autos, den Jeep und Adam ließen sie zurück.
Im Kapitol zwängten sich zwei Dutzend Leute in Raum S-211, den Lyndon-Baines-Johnson-Raum gegenüber dem Senatsflügel. Es herrschte ein Gedränge aus Trump-Anwälten, Servicemitarbeitern, Mitgliedern der Presseabteilung und Leuten aus dem Büro des Republikanischen Fraktionsvorsitzenden Mitch McConnell: David Popp, der Pressesprecher von McConnell, Stefanie Muchow, seine stellvertretende Stabschefin, und Andrew Ferguson, der Verteidiger vor dem Nebenausschuss, die alle drei eher kleinlaut wirkten in ihrer plötzlichen Rolle als Trumps Händchenhalter und sich ihrer Funktion genauso wenig sicher waren wie alle anderen.
Es war dies das erste persönliche Zusammentreffen von Trumps Verteidigungsteam und der Parteiführung der Republikaner, von der Trumps Schicksal abhing. Zu behaupten, dass auf Seiten der Verteidigung niemand auch nur die leiseste Idee davon hatte, welche Vorgehensweise die jeweils anderen für das vierte Impeachment-Verfahren in der Geschichte, aber eben auch das zweite in dreizehn Monaten, im Sinn hatten, wäre geradezu eine Untertreibung. Auch hier mal wieder die vertraute Trump’sche Verkettung: Jeder hoffte, dass sich irgendein anderer einen Reim auf die Plan- und Ziellosigkeit machen konnte, die Donald Trump stets begleitete, oder der zumindest den ersten Schritt machte, um es zu versuchen.
Die Leute von McConnell, die ja irgendwie den Anschein würden erwecken müssen, dass es hier eine vernünftige Verteidigungsstrategie gäbe, und die in der Tat über vier Jahre Erfahrung im Umgang mit den fundamentalen Eigenheiten des Weißen Hauses unter Trump verfügten, wirkten dennoch wie aus allen Wolken gefallen und fassungslos: Die Demokraten verfügten über eine neue Mehrheit, eine gerechte Sache, und obendrein hatten sie dieses Amtsenthebungsverfahren eben vor einem Jahr schon einmal geprobt. Das Trump-Team seinerseits, das man, weiß der Himmel wo, aufgetrieben hatte, sah gewiss nicht nach einer Truppe aus, die einen geraden Schuss zustande brachte – eher schienen sie sich gegenseitig abzuschießen.
Bruce Castor, der noch immer versuchte, die Tippfehler zu korrigieren, kümmerte sich auch noch bis ins kleinste Detail um die Sitzordnung der Verteidiger in der Senatskammer, wo jeder für die dort fest installierte Fernsehkamera positioniert werden sollte. Präsenz im Fernsehen war der Lohn.
David Schoen, ein selbständiger Jurist aus Montgomery, Alabama, war von Trump zum leitenden Anwalt bestimmt worden. Doch dann erklärte Bruce Castor dem Team, dass in Wirklichkeit verdammt noch mal er der leitende Anwalt sei. Das war, nachdem die erste Riege an Anwälten – eine Gruppe von Typen aus South Carolina, die der Senator ebendieses Bundesstaats, Lindsey Graham, nach einer Golfrunde mit Trump zusammengetrommelt hatte – innerhalb weniger Tage nach ihrer Einsetzung wieder entlassen worden war.
Das versetzte Schoen in mürrisch-explosive Stimmung – eine Art Streik, wie es plötzlich schien, nur einen Tag bevor das Verfahren eröffnet wurde. Und da war sie nun, die Krise, die alles anhalten ließ: Castor hatte für Schoens Sohn im Studentenalter, Simon, keinen Platz vor dem Senat reserviert!
Es war schwer zu verstehen, warum jemand Donald J. Trumps Verteidigung übernahm. Die meisten Anwälte haben – wieder und wieder – eine solche Gelegenheit gescheut. Hier freilich könnte ein nachvollziehbarer Grund zu finden sein: Schoen wollte seinen Sprössling beeindrucken.
«Wo wird Simon sitzen? Es ist für Simon kein Platz vorgesehen. Mir wurde gesagt, Simon könne mich begleiten.» Schoen war drauf und dran, die Nerven zu verlieren, während McConnells Berater in Schockstarre gerieten.
In dem kalten Dunstkreis Donald Trumps, wo in der Regel nur die Gefühle eines einzigen Mannes zählten, war dies ein bizarrer menschlicher Ausraster, mit dem niemand umzugehen wusste.
«Mir wurde gesagt, ich kann Simon mitnehmen», wiederholte Schoen und verharrte auf seinem Standpunkt.
Im Raum herrschte ein kollektives Oh-Oh, alle versuchten, Blickkontakt zu vermeiden, und schienen bestürzter denn je über die grundlegenden Funktionsweisen, mit denen Donald Trump sich zu verteidigen gedachte, wenn einer seiner führenden Anwälte gleich losheulen würde.
«Sie haben Assistenten. Ich habe niemanden.» Schoen verschränkte die Arme.
«Aber es gibt nur eine beschränkte Anzahl an Plätzen, und er ist nicht direkt in den Fall involviert», versuchte Castor seinen neuen Kollegen zu beschwichtigen.
«Das ist nicht der Punkt. Das ist nicht der Punkt!», erwiderte Schoen mit brechender Stimme. «Mir wurde gesagt, ich kann ihn dabeihaben. Ich will, dass er dabei ist», sagte der empörte Vater – die bedeutendere Rolle als die des Präsidentenverteidigers.
«Dad, Dad, ist schon okay», sagte der Sohn schließlich, im letzten Moment, bevor das Impeachment-Verfahren gegen Donald Trump aussah, als würde es in völliger Absurdität, Unzulänglichkeit und Tränen versinken, und sich alle in Raum S-211 fragten – wie übrigens jeder, der sich im Trumpuniversum wiederfand –, an was für einen irrsinnigen Ort es sie verschlagen hatte.