Wenn die Klimakrise auf die Psyche schlägt
Originalausgabe
1. Auflage 2022
Verlag Komplett-Media GmbH
2022, München
www.komplett-media.de
E-BOOK ISBN: 978-3-8312-7095-8
Lektorat: Redaktionsbüro Diana Napolitano, Augsburg
Korrektorat: Monika Pfaff, Langenfeld
Umschlaggestaltung: FAVORITBUERO, München
Layout & Satz: Daniel Förster, Belgern
E-Book-Herstellung und Auslieferung: Brockhaus Commission, Kornwestheim www.brocom.de
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Für alle, die bereit sind für eine bessere Welt.
Für Mama und Papa.
Einleitung: Klima im Kopf
Wo stehen wir in der Klimakrise?
Der Klimawandel ist da
Wie konnte es so weit kommen?
Was uns noch bevorsteht
Haben wir noch eine Chance?
Klimaangst
Was ist Klimaangst?
Die emotionale Ebene
Die kognitive Ebene
Wie sich Klimaangst äußert
Wie beeinflusst uns Angst?
Welche psychischen Auswirkungen hat die Klimakrise?
Konstanter Stress durch die Klimakrise
Prätraumatischer Stress
(Unbewusste) Bewältigungsstrategien
Verdrängen
Leugnen
Aufgeben
Aktionismus
Wie hilft Resilienz gegen Klimaangst?
Interview mit Graeme Maxton – Autor, schottischer Ökonom, ehemaliger Generalsekretär des Club of Rome
Emotionen in der Krise
Warum ist Akzeptanz der erste Schritt?
Akzeptanz der Klimakrise
Akzeptanz der Emotionen
Was sind Emotionen?
Welchen Einfluss haben Emotionen?
Welche Funktionen erfüllen Emotionen?
Warum sollten Emotionen nicht unterdrückt werden?
Wie können Emotionen wahrgenommen werden?
Methoden, um mit akuten Emotionen umzugehen
Zählmethode
Body Scan
Bauchatmung
4-7-8 Atmung
Bewegung
Zeit in der Natur
Zwischen Wut und Verzweiflung: Gedanken über die Klimakrise
Warum ist die Klimakrise so eine Herausforderung?
Das Super-Wicked-Problem
Unklarheiten
Bestätigungsfehler
Erklärungen aus der Sozialpsychologie
Warum ist es einfacher, das Negative zu sehen?
Wie wir mit unseren Gedanken umgehen sollten
Interview mit Leonie Bremer – Pressesprecherin für Fridays for Future
Aktiv werden: Mit Klimaschutz gegen Klimaangst
Warum hilft Handeln gegen Klimaangst?
Warum ist es aber oft schwierig zu handeln?
Hilflosigkeit
Unklare Verantwortung
Handeln unter Unsicherheit
Deine persönliche Handlung
Finde dein persönliches Warum
Stecke deinen Einflussbereich ab
Gehe den Pfad der Freude
Gehe in kleinen Schritten
Wie lassen sich Gewohnheiten ändern?
Fang klein an
Sei spezifisch
Kenne die Ursachen
Ändere den Kontext
Erstelle Notfallpläne
Gib dir Zeit
Interview mit Franziska Viviane Zobel – Autorin und Illustratorin
Selbstfürsorge in der Klimakrise
Perfektionismus und Schuldgefühle
Hab kein schlechtes Gewissen
Es muss nicht immer perfekt sein
Abgrenzung von hohen Ansprüchen und Kritik von außen
Selbstfürsorge
Achte auf einen liebevollen Umgang mit dir selbst
Priorisiere deine Grundbedürfnisse
Konsumiere Nachrichten achtsam
Finde Raum für Spaß und Glück
Du bist nicht allein!
Baue dir einen Unterstützerkreis auf
Sprich über deine Klimaangst
Unterstütze andere Menschen
Wie gelingt gute Kommunikation in der Klimakrise?
Bleibe so sachlich wie möglich
Vergiss deine Blase und Privilegien nicht
Lebe deine nachhaltige Lebensweise vor
Schüre keine Angst
Ermutige, statt anzuklagen
Wir schaffen das nur zusammen!
Interview mit Julia Twachtmann und Céline Rohlfsen – Gründerinnen von Simply Impact
Optimismus und Achtsamkeit
Was ist Optimismus?
Warum brauchen wir Optimismus?
Wie hilft uns Optimismus in der Klimakrise?
Wie kann Optimismus entwickelt werden?
Umgib dich mit Optimist:innen
Praktiziere Dankbarkeit
Achte auf positive Entwicklungen
Wie Achtsamkeit uns hilft
Welche Effekte hat Achtsamkeit?
Wie kann Achtsamkeit praktiziert werden?
Nachwort: Auf die Zukunft
Anmerkungen
»We do not inherit the earth from our ancestors,
we borrow it from our children.«
Sprichwort der indigenen Völker Nordamerikas
Sommer 2020. Ein komischer Sommer. Ein paar Monate zuvor hatte das Coronavirus unser aller Leben auf den Kopf gestellt und uns gezeigt, dass all das, was wir einmal als selbstverständlich wahrgenommen haben, gar nicht so selbstverständlich ist. In dieser Zeit war ein Gedanke in meinem Kopf sehr präsent: »Steuern wir nicht gerade auf eine Krise zu, die noch viel bedrohlicher und einnehmender sein wird als Corona? Eine Krise, für die wir keinen Impfstoff entwickeln können?«
Natürlich dachte ich dabei an die Klimakrise. Diese Krise, von der wir schon unser ganzes Leben lang wissen, dass sie existiert, aber trotzdem noch keine richtige Lösung gefunden haben. Die schon jetzt Tausende Todesopfer fordert und die Auswirkungen auf unser Leben haben wird, die wir uns noch gar nicht wirklich vorstellen können.
Das Paradox, dass wir so gut über den Klimawandel Bescheid wissen und uns auch über dessen Folgen bewusst sind, aber trotzdem so wenig tun, war für mich schon immer schwer auszuhalten. Mich frustrierte zu sehen, dass, obwohl es um eine Krise geht, die im Grunde unsere gesamte Existenz bedroht, das Problem von einer Generation zur nächsten gereicht wurde. Am Status quo festgehalten wurde, anstatt wirkliche, notwendige Veränderungen anzustoßen. Dass Entscheidungen von Politiker:innen viel zu klein waren, um diese große Krise abzuwenden.
Deswegen suchte ich nach Antworten. Antworten darauf, warum die Menschheit es so lange nicht geschafft hat, angesichts der Klimakrise wirklich zu handeln. Ich hatte Internationale Beziehungen studierte, um herauszufinden, warum die internationalen Staatengemeinschaften es lange nicht schafften, sich auf ein allumfassendes Abkommen zu einigen und den Klimaschutz nach ganz oben auf die Agenda zu setzen. Warum der Klimawandel lange wie ein eher unwichtiges Thema auf der Tagesordnung behandelt wurde und nicht wie eine existenzielle Krise, die die gesamte Menschheit vor ganz neue Herausforderungen stellt und im Grunde unser aller Existenz infrage stellt. Ich betrachtete unsere Wirtschaftssysteme und schaute mir rechtliche Grundlagen an. Ich fragte mich, warum die Menschheit in Situationen verharrte, von denen sie doch wusste, dass sie unsere Lebensgrundlage auf lange Sicht bedrohen werden.
Dabei verlor ich mich zunehmend in den großen Systemen. Sah, wie verstrickt die Antworten manchmal waren. Verstand, dass Politiker:innen oft der Mut fehlte, auch unpopuläre Maßnahmen zum Schutz der folgenden Generationen umzusetzen.
Irgendwann fing ich an, mich sehr machtlos zu fühlen. Ich wusste nicht, wie wir wirkliche Veränderungen anstoßen sollten, und verlor zunehmend meinen Optimismus. Auch wurde mein Bild von Menschen immer negativer, weil ich allen unterstellte, nur auf kurzzeitigen wirtschaftlichen Gewinn aus zu sein. Ich wurde immer wütender. Es tat mir weh zu sehen, wie jungen Menschen ihre Zukunft geraubt wurde. Während wiederum andere sich gegen jede Art von Veränderung querstellten und nicht einsahen, dass es kein »weiter so wie immer« geben kann.
Ich war vollkommen frustriert, weil ich keine Lösung sehen konnte, und fühlte mich selbst sehr hilflos. Dazu kamen Sorgen und die Angst darüber, wie die Zukunft aussehen wird. Vieles kam mir angesichts der Klimakrise trivial vor. Gleichzeitig versuchte ich, mein eigenes Verhalten möglichst ökologisch verträglich zu gestalten. Und merkte, dass ich anfing, Menschen zu verurteilen, die nicht so handeln, wie ich es für richtig empfand. Ich war selbst kurz davor, Teil dieser »Zeigefinger-Kultur« zu werden, die ich selbst doch eigentlich komplett ablehnte.
Und dann fiel mir auf, wie negativ ich geworden war. Dass ich auf Themen, die mit dem Klimawandel zu tun hatten, schon fast zynisch reagierte. Mir gefiel das nicht, und ich wollte das ändern. Ich wusste, dass ich für mich Strategien finden musste, besser mit der Klimakrise umgehen zu können. Ich wollte wieder zuversichtlich werden und mir nicht den Kopf zerbrechen. Ich wollte einen Weg finden, mit den unangenehmen Emotionen umzugehen, ohne dabei den Klimawandel einfach zu ignorieren und meine Augen vor ihm zu verschließen. Vielmehr wollte ich mich nicht mehr von Sorge und Wut leiten lassen, sondern von Zuversicht. Ich wollte Teil der Lösung und nicht des Problems sein.
Ich nahm diese Frustration aber nicht nur bei mir selbst wahr, sondern auch in meinem Umfeld, in den sozialen Medien und öffentlichen Diskussionen. Der Frust über die Klimakrise sitzt bei vielen Menschen tief, und immer mehr junge Menschen machen sich Sorgen um ihre Zukunft. Die Klimakrise ist nicht nur ein Problem für unsere äußere Welt, sondern auch für unsere Innenwelten. Sie verursacht Schmerz und Leid und wird zunehmend zu einem psychologischen Problem. Ich fand, es wurde endlich an der Zeit, dass wir darüber sprechen, wie die Klimakrise unser psychisches Wohlergehen beeinflusst. So kam mir die Idee zu diesem Buch.
Dafür benötigte ich jemanden, der mir mit psychologischem Wissen zur Seite stehen kann. Sofort musste ich an meine Schwester denken, studierte Psychologin, mit Fokus auf Positiver Psychologie.
Als meine Schwester mit der Idee zu mir kam, ein Buch über die psychischen Auswirkungen der Klimakrise zu schreiben, war ich sofort überzeugt.
Meine Reise zum Thema »Klima und Nachhaltigkeit« begann im letzten Jahr meines Studiums. Ich schaute mir Dokumentation zu vielen verschiedenen Themen an. Wo kommt unser Essen eigentlich her? Besonders unser Fleisch. Innerhalb von einem Tag auf den anderen wurde ich Vegetarierin und schnell danach Veganerin. Ich konnte das Stück Fleisch auf meinem Teller nicht mehr von dem Tier trennen, das dafür sterben musste. Ich konnte nicht verstehen, wie ich jahrelang in der Lage war, andere Lebewesen zu essen. Wie konnte ich es vertreten, dass für mich diese wunderbaren Lebewesen getötet werden, einfach nur, weil es mir schmeckt? Auch wenn ich, gesundheitlich, Fleisch überhaupt nicht benötige. Ich kann auch bis heute nicht verstehen, dass andere Menschen das tun. Ich kann es respektieren und versuche, niemanden mit dem Thema zu nerven, aber nachvollziehen kann ich es trotzdem nicht.
Das war 2014. Zu dieser Zeit war man sogar »nur« als Vegetarier:in noch die Ausnahme, von Veganer:in ganz zu schweigen. Zumindest war das in meinem Umfeld so. Inzwischen sind diese Ernährungsformen sehr viel akzeptierter, es gibt viele tolle Ersatzprodukte, und auch ich bin entspannter geworden. Während ich vor ein paar Jahren noch ein schlechtes Gewissen hatte, wenn ich mal ein Stückchen Käse gegessen habe, bin ich inzwischen deutlich flexibler geworden und esse auch mal eine Pizza mit echtem Käse oder den leckeren Kuchen mit Sahne. Nur Fleisch habe ich seit Jahren nicht gegessen und weiß, dass sich das niemals wieder ändern wird.
Auch wenn das Thema inzwischen sowohl gesellschaftlich als auch bei mir persönlich etwas entspannter geworden ist, gibt es sie trotzdem – die nervigen Diskussionen. Ich kann mich darauf verlassen, dass bei jedem Grillabend das Thema »Fleisch essen« angeschnitten wird. Interessant ist aber, dass sich die Art der Diskussion darüber mit den Jahren geändert hat. Es geht weniger darum, ob es überhaupt moralisch vertretbar ist, Tiere zu essen, sondern mehr darum, ob es im Angesicht des Klimawandels noch vertretbar ist. Es ist mittlerweile bekannt, wie schädlich Massentierhaltung für das Klima ist. Inzwischen haben viele Menschen in meinem Umfeld ihren Fleischkonsum reduziert, und ein Bewusstsein für den Klimawandel ist vorhanden. Das freut mich natürlich.
Zu wissen, dass die Menschen, zumindest die in meinem näheren Umfeld, den Klimawandel ernst nehmen und sich damit auseinandersetzen, hilft mir, mit meiner eigenen Klimaangst umzugehen. Wenn ich moralisch nicht vertreten kann, dass Tiere für mein Essen getötet werden, wie kann ich dann akzeptieren, dass durch einen menschengemachten Klimawandel ganze Tierarten aussterben, weil deren Lebensbereiche durch den Menschen ausgelöscht werden? Allein der Gedanke löst bei mir so eine tiefe Trauer aus, dass ich beim Schreiben dieser Zeilen erst mal in Tränen ausgebrochen bin. Wie können wir nur? Wie können wir nicht nur zulassen, dass die Natur verschmutzt wird, Pflanzen und Tiere sterben, und gleichzeitig auch noch so dämlich sein, dass wir uns eigenes Überleben in Gefahr bringen? Wie können wir, die reichen und privilegierten Nationen, zusehen, wie viele Menschen in weniger privilegierten Ländern bereits aufgrund der Folgen des Klimawandels ihre Heimat verlieren und fliehen müssen?
Das ist meine Klimaangst. Sie äußert sich weniger in Angst, mehr in einer Art »Weltschmerz«. Aber auch das ist von Tag zu Tag unterschiedlich. Manchmal spüre ich den Weltschmerz kaum, dann wieder überwältigt er mich und nimmt mich komplett ein. Zumindest in der Theorie weiß ich, wie ich damit recht gut umgehen kann. In der Praxis ist es oft eher ein Prozess.
Weil ich weiß, dass meine Schwester und ich nicht die Einzigen sind, die unter Klimaangst leiden, lasse uns dir sagen: Wenn du auch Angst um die Zukunft hast, dich hoffnungslos fühlst oder frustriert bist, dann bist du damit nicht allein. Und auch wenn andere Menschen anders mit der Klimakrise umgehen, ändert das nichts an deiner Erfahrung.
Was große Krisen mit unserer Psyche machen, konnten wir während der Coronakrise sehen. Wir haben eine völlig neue, unbekannte Situation erlebt, es herrschte Unsicherheit und natürlich auch Angst. Angst um unsere eigene Gesundheit oder die von unseren Liebsten. Angst um unsere Jobs. Angst um unsere Zukunft. Während die Coronakrise und die Klimakrise zwar in einigen Aspekten Ähnlichkeiten aufweisen, kam die Coronakrise plötzlich und wurde auf einmal akut. Die Auswirkungen der Klimakrise kommen langsam immer näher. Was macht diese schleichende, aber konstante Bedrohung mit uns? Welche Auswirkungen hat sie auf unsere Psyche? Besonders auf junge Menschen, die mit dieser Bedrohung von klein auf aufwachsen.
Auch wenn die Klimakrise so viele Menschen in ihrem täglichen Leben beeinflusst, sind die psychischen Auswirkungen des Klimawandels noch recht unerforscht. Eins ist sicher: Der Klimawandel geht nicht spurlos an uns vorbei. Er nimmt zunehmend Platz in unserem Leben ein und löst in vielen Menschen Angst und Sorgen aus. Eine Umfrage in 2021 von 10.000 jungen Menschen im Alter zwischen 16 und 25 Jahren ergab, dass 59 Prozent aufgrund der Klimakrise extrem um ihre Zukunft besorgt sind. Fast jede:r Zweite von ihnen (45 %) gab an, dass die Angst vor dem Klimawandel sein/ihr tägliches Leben beeinflusse. Die Teilnehmenden der Studie kamen aus den Ländern Australien, Brasilien, Indien, Nigeria, den Philippinen, Portugal, Großbritannien und den USA.1
Die Klimakrise tritt nicht separat vom Rest unseres Lebens auf. Sie kommt auf den Stress, den wir durch die Pandemie, aber auch persönliche Probleme wie Gesundheit, Arbeit, Beziehung oder andere Herausforderungen oder Konflikte in unserem Leben sowieso schon haben, noch obendrauf. Das Stresslevel vieler Menschen ist kontinuierlich erhöht, da die Klimakrise uns als eine unsichtbare Bedrohung ständig im Nacken sitzt. Zudem sorgt sie dafür, dass wir mit einem höheren Level an Unsicherheit umgehen müssen. Wir können heute nicht mehr so für die Zukunft planen, wie es früher der Fall war. Der Klimawandel muss bei vielen Entscheidungen mit einbezogen werden. Sowohl in Bezug auf die unsichere Zukunft – »Sollte ich bestimmte Ausbildungen oder Karrierewege noch starten oder sterben bestimmte Berufe aufgrund des Klimawandelns bald aus?« – als auch im Bezug zu existenziellen Fragen wie: »Wird meine Heimat, so wie sie heute ist, in 30 Jahren überhaupt noch bewohnbar sein?«
Die Klimakrise hinterfragt auch die moralische Vertretbarkeit unserer Handlungen – »Kann ich es vertreten, diesen Langstreckenflug zu nehmen?« – und löst in vielen Menschen Schuldgefühle und ein schlechtes Gewissen aus. Oft befinden wir uns im Zwiespalt, indem wir uns zwischen unseren verschiedenen Werten entscheiden müssen.
Wir wissen mittlerweile viel über mögliche Folgen der Erderwärmung, dennoch bleibt die Klimakrise weitestgehend abstrakt. Wir müssen also einen ziemlichen gedanklichen Aufwand betreiben, um sie in ihrer Komplexität zu greifen. Das ist nicht nur anstrengend, sondern kann kann auch sehr frustrierend sein, wenn man sich erstm al mit dem ganzen Ausmaß der Klimakrise auseinandersetzt. Wenn man versteht, was uns in der Zukunft noch erwartet, dann kann man sich gegenüber der Klimakrise sehr hilflos fühlen.
Obwohl die Klimakrise so einen starken Einfluss auf das Leben und Befinden vieler Menschen hat, wird Diskussionen über die emotionalen Auswirkungen der Klimakrise zu wenig Raum gegeben. Doch die Klimakrise wird in den nächsten Jahren unser Leben weiter verändern. Deswegen ist es an der Zeit, dass wir anfangen zu schauen, wie wir uns besser auf die Herausforderungen der Zukunft vorbereiten können. Für uns ist die emotionale Säule hier extrem wichtig, denn die Klimakrise wird noch einiges von uns abverlangen. Sodass wir nicht nur Deiche erhöhen, sondern unseren eigenen emotionalen Schutz stärken. Dafür fehlt es uns aber häufig an Werkzeugen. Unser Ziel ist es, dir mit diesem Buch einige dieser Werkzeuge an die Hand zu geben. Unsere große Hoffnung ist, dass du wieder optimistischer in die Zukunft blicken kannst und wieder mehr Ruhe und Leichtigkeit gewinnst.
Dazu findest du in diesem Buch viele Ratschläge, um dich zu stärken. Dabei schauen wir uns an, was genau Klimaangst eigentlich ist, welche Auswirkungen sie hat und warum es so schwierig ist, mit ihr umzugehen. Wir stellen dir Möglichkeiten vor, wie du mit akuten Emotionen und konkreten Ängsten umgehen kannst, warum Selbstfürsorge und Unterstützung von anderen Menschen so wichtig sind und wie Optimismus im Umgang mit der Klimaangst helfen kann.
Zusätzlich haben wir Interviews mit Menschen geführt, die sich auf ganz unterschiedliche Arten und Weisen für das Klima einsetzen, die uns erzählt haben, wie sie mit ihren Emotionen in der Klimakrise umgehen.
Hier noch ein wichtiger Hinweis: Dieses Buch kann keine Therapie ersetzen! Wenn du es nicht schaffst, aus dem Kreislauf von negativen Gedanken oder Emotionen herauszukommen, du dich konstant schlecht und belastet fühlst oder du merkst, dass du Unterstützung benötigst, dann suche dir bitte, bitte professionelle Hilfe. Sich Hilfe von außen zu holen, ist oft das Beste, was wir machen können. Sprich dazu zum Beispiel mit deiner/m Hausärzt:in oder deiner Krankenkasse, die können dich an entsprechende Stellen weiterleiten.
»It might be said that the scale of the sustainability
crisis extends all the way from planetary systems
to the heart and soul of every human being.«
C. D. Ives, R. Freeth & J. Fischer
In: Inside-out sustainability: The neglect of inner worlds
»I want you to panic!« – »Ich möchte, dass ihr in Panik geratet!« Ein Satz, der vermutlich vielen aus der emotionalen Rede von Greta Thunberg vor dem Wirtschaftsforum in Davos im Januar 2019 in Erinnerung geblieben ist. Die junge Schwedin verstand nicht, wie man in Anbetracht der Einflüsse des Klimawandels so wenig gegen ihn unternehmen könne. Man konnte ihr den Schmerz, die Wut und die Verzweiflung angesichts der Klimakrise und des Nichthandelns der politischen Entscheidungsträger:innen deutlich ansehen.
Damals schrieb ein Vater unter dem Video von Gretas Rede einen Kommentar. Er bat Greta, mit ihrer Arbeit aufzuhören, da er sich große Sorgen um die Gesundheit seiner Tochter mache. Diese könne bereits im Grundschulalter nicht mehr richtig schlafen und habe Angstzustände, da sie sich so große Sorgen um die Klimakrise und die Zukunft des Planeten mache.
Einerseits ist es verständlich, dass ein Vater seiner Tochter die Angst nehmen möchte. Doch es ist nicht Greta, welche verantwortlich für die Ängste der Tochter ist, sondern die Klimakrise selbst. Im Grunde hat Greta nur ausgesprochen, was schon seit Jahrzehnten in der Wissenschaft bekannt ist: Die Menschen haben durch das Verbrennen fossiler Brennstoffe so viel Kohlenstoffdioxid in die Atmosphäre entlassen, dass sich die Erde langsam erwärmt, was katastrophale Auswirkungen für Mensch und Natur hat.
Mit ihrer Rede beabsichtigte Greta keinesfalls, Angst bei Kindern auszulösen, sondern bei jenen Menschen, die tatsächlich etwas am Status quo ändern könnten. Sie wollte ihnen klarmachen, dass nun endlich etwas getan werden müsse. Dass Klimaschutz höchste Priorität haben müsse, wenn wir den Klimawandel noch irgendwie aufhalten möchten.
Lange versuchten Wissenschaftler:innen mit Fakten, Menschen zum Handeln zu bringen. Wenig erfolgreich. Da es lange verpasst wurde, wirkliche Maßnahmen in die Wege zu leiten, liegt nun die Last der Klimakrise auf den Schultern der jüngeren Generation. Es ist also nicht verwunderlich, dass bereits junge Menschen Angst haben, denn sie haben gesehen, wie überfordert die Generationen vor ihnen mit dem Klimawandel waren. Statt nach Lösungen zu suchen, wurde oft nichts getan, vielleicht in der Hoffnung, den Klimawandel einfach aussitzen zu können.
Mittlerweile haben aber viele Menschen verstanden, dass der Klimawandel durchaus real ist und wir handeln müssen. Nicht zuletzt, weil sich Greta und viele weitere Klimaaktivist:innen für eine lebenswerte Zukunft von Kindern und zukünftigen Generationen starkmachen und sich dafür einsetzen, dass die Versäumnisse der Vergangenheit ausgeglichen werden. Doch nicht nur die Stimmen derer, die Klimaschutz fordern, werden immer lauter, auch der Klimawandel selbst wird immer spürbarer und erinnert uns auf brutale Art und Weise daran, dass es Zeit wird, etwas zu verändern.
Im Juli 2021 nahm das Jahrhunderthochwasser in Deutschland mehr als 180 Menschen das Leben. Tausende verloren ihr Zuhause und ihre Lebensgrundlage. Extreme Regenmengen waren in kürzester Zeit heruntergestürzt und lösten Sturzfluten und massive Überschwemmungen aus. Auch in anderen Teilen Europas verursachte das Sturmtief verheerende Überschwemmungen, während andere Teile der Welt unter extremen Hitzewellen, Waldbränden und Dürren litten.
Der Schock über die Überflutungen war groß. Doch nachdem der Wasserstand langsam wieder gesunken war und Schlamm und Verwüstung zurückließ, wurden Diskussionen laut, ob die Überflutungen direkt auf den Klimawandel zurückzuführen waren. Auch wenn es schwierig ist, einzelne Wetterereignisse direkt dem Klimawandel zuzuschreiben, so ist sich die Forschung einig: Der Klimawandel hat einen Einfluss auf die Häufigkeit und Intensität von Extremwetterereignissen.
So wurde die Hochwasserkatastrophe mindestens durch den Klimawandel intensiviert. Denn die wärmere Atmosphäre kann deutlich mehr Wasser aufnehmen, sodass größere Wassermengen in einem kürzeren Zeitraum niederschlagen können.2
Doch nicht nur Überschwemmungen treten durch den Klimawandel häufiger auf, auch die Hitzebelastung nimmt weiter zu. Die fünf weltweit heißesten Jahre seit Beginn der Wetteraufzeichnungen wurden alle nach 2015 gemessen. Die hohen Temperaturen sind eine zunehmende Gefahr für die Gesundheit. Allein in Europa verstarben im Hitzesommer 2003 70.000 und im Hitzesommer 2018 100.000 Menschen vorzeitig aufgrund von Hitzebelastung.3
Diese Extremwetterereignisse zeigen ganz deutlich: Die Klimakrise ist da. Auch in Deutschland. Im Jahr 2018 gehörte Deutschland zu den drei am stärksten von Extremwetter betroffenen Ländern, und im Jahr 2019 wurde mit 41,2 °C ein neuer Hitzerekord gebrochen.4 Schon heute hat sich die weltweite Temperatur bereits um mehr als ein Grad Celsius im Vergleich zu vorindustriellen Zeiten erhöht. In Deutschland sogar schon um 1,6 °C.
Eigentlich wäre es auch schon deutlich wärmer, wenn uns nicht unsere natürlichen Ökosysteme schützen würden. Unsere Meere haben mehr als 90 Prozent der überschüssigen Wärme aufgenommen. Doch dies ist nicht folgenlos geblieben: Das natürliche Gleichgewicht im Meer ist durch die wärmeren Wassertemperaturen durcheinandergebracht worden. Besonders Korallen sind stark betroffen: Bereits heute ist die Hälfte aller Korallenriffe zerstört.5
Die Klimaerwärmung ist vor allem durch die Zunahme der Konzentration von Treibhausgasen, hauptsächlich Kohlenstoffdioxid (CO2), in unserer Atmosphäre zurückzuführen. Laut Klimawissenschaftlerin Veronika Eyring von der Universität Bremen war im Jahr »2019 die CO2-Konzentration in der Atmosphäre höher als zu jedem anderen Zeitpunkt seit mindestens zwei Millionen Jahren«.6
Treibhausgase kommen natürlich in unserer Atmosphäre vor, und der natürliche Treibhausgaseffekt sorgt dafür, dass auf der Erde ein mildes Klima herrscht. Der Mensch hat dieses Gleichgewicht allerdings ins Wanken gebracht. Seit der Industrialisierung hat die Menschheit durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe mehr als zwei Billionen Tonnen CO2 in die Luft geblasen und wurde damit zum Treiber des Klimawandels. Dass der Mensch für den Klimawandel verantwortlich ist, steht mittlerweile außer Frage.
Gleichzeitig nahmen natürliche Lebensräume wie Wälder und Moore, welche natürliche Regulatoren des Klimas sind, immer weiter ab. Heute ist bereits die Hälfte der tropischen Regenwälder zerstört, und jährlich gehen fast 5 Millionen Hektar Wald verloren. Hauptsächlich, um auf gerodeten Flächen Soja und andere Futtermittel anzubauen.7 Da Bäume aktiv CO2 speichern können, nehmen wir uns durch Abholzung und Rodungen von Wäldern selbst ein Werkzeug, welches unser Klima regulieren könnte. Um es mit den Worten des Schriftstellers Jonathan Safran Foer zu sagen: »Wälder abzubrennen ist, als würde man den Hahn weiter aufdrehen und gleichzeitig den Abfluss verstopfen.«8
Obwohl sie deutlich weniger Fläche einnehmen, speichern Moore doppelt so viel Kohlenstoff wie Wälder.9 Doch sie wurden zu großen Teilen trockengelegt, um sie als landwirtschaftliche Nutzfläche zu bewirtschaften. Dadurch verlieren sie nicht nur ihre Fähigkeit, Kohlenstoff zu binden, sondern auch der gespeicherte Kohlenstoff wird als CO2 freigesetzt.
Doch es ist nicht so, als ob diese Krise nicht absehbar gewesen wäre. Bereits 1972 warnten die amerikanischen Wissenschaftler:innen Dennis und Donella Meadows in »Die Grenzen des Wachstums« davor, dass wir geradewegs auf eine Katastrophe zusteuerten, und schon Ende der 70er wussten Wissenschaftler:innen ähnlich viel wie heute über den Klimawandel.10 Trotz ausreichender Informationen haben wir es nicht geschafft, ihn abzuwenden. Ganz im Gegenteil:
In den letzten 50 Jahren wurden die natürlichen Grenzen unseres Planeten aktiv überschritten. Anstatt dass Treibhausgasemissionen verringert wurden, hat sich der globale jährliche Treibhausgasausstoß seit 1990 fast verdoppelt.11