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© 2021 Verena Kraft
Autor: Hans Peter Köpf, 1936-2019, Historiker, Theologe, Nagold
Urkunde Kloster Steingaden 176, Bayerisches Hauptstaatsarchiv, München
Satz, Umschlaggestaltung, Herstellung und Verlag:
BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN: 978-3-7534-5623-2
Urkunde Graf Eberharts des Erlauchten von 1302 Febr. 5,
BayHStA Kloster Steingaden U 176
Als Hansmartin Decker-Hauff 1984 seine Entdeckung Hermanns, des Sohnes des Grafen von Wirtemberg, in einer Urkunde von 1231 im Trienter fürstbischöflichen Archiv bekanntgab, ihn als Sohn Hartmanns und Schwiegersohn des Grafen Ulrich von Eppan-Ulten sowie als Vater Ulrichs des Stifters identifizierte wie auch dessen – durch die Mutter Irmgard von Ulten, deren Mutter Agnes (?) von Urach und Großmutter Irmengart von Ronsberg vermittelte – äußerst vornehme Ahnenschaft aufzeigte, da glaubte er feststellen zu müssen, daß „von dem Tiroler Erbe [...] später nichts, vom Ronsberger nur ganz wenig in Wirtemberger Hand“ sei1. An welche doch wohl ostschwäbischen Besitzungen der Wirtemberger er dabei dachte, von denen er ronsbergische Herkunft vermutete, wird leider nicht gesagt.
1 Decker-Hauff, Anfänge (QLV 33) S. 62f.
Die Besitzungen der Grafen von Wirtemberg, insbesondere ihres Zweiges von Grüningen, im Schwaben östlich der Iller sind zweifellos viel umfangreicher, als es erhaltene Schriftquellen erkennen lassen. Denn diese sind doch in der Regel Zeugnisse ihrer Hingabe, ihres Übergangs in andere Hände, somit ihres Verlustes. Erst die Führung von Lehenbüchern seit der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts und überhaupt die Verschriftlichung des Lehenwesens macht es möglich, auch dauerhaft wirtembergischen Besitz zu erfassen. Dieser reicht dann freilich nicht weit über Brenz und Iller hinweg, und zumeist ist dessen Zughörigkeit zu einer später erst erworbenen Herrschaft – Tübingen, Nagold – angegeben oder deutlich. Eine Grenze war freilich die Iller, obwohl sie die Bistümer Konstanz und Augsburg schied, für Herrschaft, Begüterung und Connubium die längste Zeit nicht. Erst nach 1810 wurde sie als Reichsgrenze der souverainen Königreiche zu einem fast undurchdringlichen Vorhang, einer Sichtsperre, durch die allenfalls da, wo es sich gar nicht vermeiden ließ, ein Blick gewagt wurde – von beiden Seiten.
Am frühesten urkundlich bezeugt ist der Zehend von Weilheim im nordwestlichen Zipfel der Pfarrei Blindheim. Da dieselbe Besitz des Hochstifts Speyer war, hatte ihn Graf Hartman von Wirtemberg vom Speyrer Bischof zu Lehen. Als 1209 beide den König Otto von Ulm nach Nürnberg begleiteten, stellte am 5. Februar in Aufkirchen im Ries Bischof Cunrat dem Kloster Kaisheim eine Urkunde aus, womit er demselben im Tausch gegen ein Gut in Holzhof die dos, das Widemgut der Kapelle zu Wilun überließ und zugleich auf den Zehenden verzichtete, den das Kloster vom Grafen Hartman für 33 Mark abgelöst hatte – in der damaligen Nachbarpfarrei Holzin hatte Speyer ja keine Zehendrechte2.
Wer neben dem Bischof die Urkunde besiegelt hat, ist nicht angekündigt. Es kann aber natürlich nur der bisherige Inhaber des Lehens sein, also Graf Hartman von Wirtemberg. Das Siegel, das er angehängt hat, ist allerdings das des Grafen Hartman von Kirchberg, seines nur bis 1198 lebenden Großvaters. Von ihm dürfte er wie das Siegel auch diesen Lehenbesitz geerbt haben. Denn dessen beide Söhne – Rudolf, 1184–1192 genannt3, und Hartman, 1185 noch als puer und danach nur noch einmal 1188 erwähnt4 – starben vor ihrem Vater, so daß dessen ganzes Erbe an den Tochtersohn überging. Das ist vor allem die gräfliche Burg in Oberbalzheim, wo 1239 Graf Hartman mit seinem gleichnamigen Enkel urkundet5, die dann 1281 die Urenkel Conrat und Eberhart von Landau samt Grafschaftsrechten und Wildbann an den Brixner Bischof Brun, damit dem Kirchberger Grafenhaus verkaufen6. Ausgenommen von dem Verkauf sind die Mannlehen und adeligen Gefolgsleute, natürlich auch Besitzungen, die nicht als unmittelbare Zugehörden der Burg galten, sowohl westlich der Iller wie östlich davon, wo indes keineswegs alle aus diesem kirchbergischen Erbe herrühren.
Früher als dieses Erbe, nämlich schon als Heiratgut der Tochter Hartmans von Kirchberg, die wahrscheinlich Willibirg hieß7, scheinen Vöhringen an der Iller, der Nachbarort Thal und noch ein dritter, nicht mehr ermittelbarer Ort in wirtembergischen Besitz gekommen zu sein. In einer Proscriptionsliste, die nach ihrer Entdeckung als allseits etwas beschnittene Buchdecke zunächst ins Jahr 1235, neuerdings auf 1209 datiert wurde, erscheinen nämlich Ludewicus de tal, Reginhardus de veringen und ein weiterer Ludewicus, dessen Herkunftsort weggeschnitten ist. Sie sind offenbar Ministerialen, die von ihrem Dienstherrn den Namen Ludwig übernommen hatten – doch gewiß dem Vater des Grafen Hartman von Wirtemberg8. Dieser urkundet dann 1239 in Vöhringen, wobei der Ortspfarrer Ruodeger Zeuge ist; er ist also im Besitz sowohl der weltlichen wie der kirchlichen Herrschaftsrechte9.
Die unterschiedliche Rechtsstellung zeigt sich dann darin, daß die erst als Erbe angefallenen Besitzungen an die Nachkommen des Sohnes Conrat übergingen, also die Grafen von Grüningen, Vöhringen hingegen als Heiratgut mit den Stammlanden an die Kinder des – doch wohl älteren! – Sohnes Herman10. Über eine Tochter, Schwester Ulrichs des Stifters, die den Grafen Hartman von Kirchberg-Brandenburg heiratete, gelangte die Ortsherrschaft an die Herren von Elrbach11, die Kirchenvogtei mit einigem Grundbesitz ist später in den Händen der Grafen von Kirchberg12. Durch eine ehedem im Kloster Wiblingen vorhandene Grabplatte ist eine Ehe Kirchberg-Wirtemberg bezeugt13 – Professor Decker-Hauff beauftragte mich 1984 zu erkunden, ob und wo im Haus Kirchberg sich eine solche Eheverbindung feststellen lasse. Doch erst ganz allmählich verdichteten sich zur Gewißheit die Indizien dafür, daß der 1269–1326 erwähnte Graf Conrat d.Ä. diese Wirtembergerin zur Frau hatte. Sie kann dann nur eine um 1255 geborene Tochter Ulrichs des Stifters sein14.
Unklar bleibt, ob gleichermaßen als kirchbergisches Erbe ein Hof in Thürheim – in der selben Gegend wie Blindheim, jedoch südlich der Donau an der unteren Zusam – an die Grafen von Grüningen gekommen ist. Graf Hartman senior übereignet ihn dem Kloster Weihenberg (bei Wertingen) zu Landau am 31. März 1270, nachdem ihn der Lehenmann Herman von Wortelstetten diesem Kloster geschenkt und der Augsburger Bischof Hartman ihm einen anderen Hof am selben Ort als Ersatz dafür überlassen hatte15. Ebenda besitzen nämlich auch die Grafen von Montfort einen Hof, den 1275 Graf Rudolf mit Zustimmung seiner Brüder Ulrich und Hugo dem Kloster Kaisheim übergibt16. Zwar hat ja Rudolf zur Frau Agnes, des Grafen Hartman von Grüningen Tochter17, doch weil nicht sie sondern die Brüder zustimmen müssen, ist ausgeschlossen, daß es sich um ihr Zubringen handelt. Zudem sind diese Montforter Söhne einer Markgrafentochter von Burgau, und so könnten sie von ihr diesen Hof erhalten haben – dann hätte eine solche Besitznachbarschaft keine Bedeutung.
Es könnte aber auch sein, daß der Hof auf sie schon von ihrer Urgroßmutter Elisabeth vererbt wurde, der Tochter Graf Rudolfs von Bregenz und der baierischen Herzogstochter Wulfhild. Er wäre damit deren welfisches Erbe, und dann könnte auch der grüningische Hof aus diesem Erbe stammen. Denn Graf Hartman von Kirchberg muß ebenso eine Tochter Graf Rudolfs von Bregenz zur Frau gehabt haben, wohl sogar die ältere, für die sich der Name Berchta erschließen läßt18: So hieß ja die Mutter des Grafen Rudolf, dessen Namen wiederum Graf Hartman seinem älteren (wohl zunächst zweiten) Sohn gab, und auch die Grafschaft im Alpgäu, die erst im Besitz Hartmans nachweisbar ist und 1243 von Hartman von Grüningen an Kaiser Friedrich verkauft wird19, kann nur als Erbe von Rudolf von Bregenz, nicht schon, wie Baumann meinte, als Buchhorner Erbe20, kirchbergisch geworden sein. Indes gibt es da noch eine weitere Möglichkeit, die sogar mehr Wahrscheinlichkeit für sich hat.
Keinesfalls aus kirchbergischem Erbe kann nämlich das Dorf Klosterbeuren an der Günz an die Grüninger Grafen gekommen sein. Graf Hartman – nun nicht mehr senior, weil der gleichnamige Sohn nicht mehr lebte – übergibt es 1273 den Klosterfrauen aus Wurzach, die nach Schenkungen seiner Lehenleute Heinrich und Eberhart von Schönegg und anderer seiner Getreuen – Ulrich von Schönegg und Heinrich von Günz sind in weiteren Urkunden genannt – sich da niedergelassen hatten21. Unverkennbar gehört nämlich Klosterbeuren zu dem Kranz von Siedlungen, die dem Herrschaftsmittelpunkt Babenhausen zugeordnet sind, der etwas gemindert22 später noch als wirtembergisches Lehen bezeugt ist23. Doch wirtembergisch geworden war dieser Bestandteil der Herrschaft Kellmünz erst 1342 mit dem Erwerb der Herrschaft Tübingen. Denn als bregenzisches Erbe war diese an die Pfalzgrafen von Tübingen übergegangen – gewiß ein Grund für die 1164 in der „Tübinger Fehde“ erkennbare Feindschaft des Grafen Hartman von Kirchberg, der sich dadurch übervorteilt fühlen mußte.
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