Cover

Buch

Ist der Gott der Philosophen identisch mit der »Macht« in den Star-Wars-Filmen? Was hat Kants »Ding an sich« mit der männlichen Anatomie zu tun? Und wie schaffte es Moses, Gott auf nur zehn Gebote herunterzuhandeln? So wie Philosophie eine überaus amüsante Sache sein kann, gibt es eine erstaunliche Fülle intelligenter Witze, die beim näheren Hinsehen eine hintergründige philosophische Bedeutung offenbaren. »Platon und Schnabeltier« lehrt uns Philosophie auf mühelose Art und Weise mittels Humor. Nach der Lektüre des Buches ist es ein Leichtes, »induktive« von »deduktiver Logik« und »a priori« von »a posteriori« zu unterscheiden. Wir wissen, warum wir uns in der »besten aller möglichen Welten« aufhalten, obwohl »Gott« bekanntlich »tot ist« – und fühlen uns trotz oder gerade wegen der ernsten Thematik bestens unterhalten.

Autoren

Thomas Cathcart und Daniel Klein studierten in Harvard Philosophie. Thomas Cathcart arbeitete mit Straßenkindern in Chicago. Daniel Klein arbeitete als Gag-Schreiber für Comedians und ist Thriller-Autor. Beide sind verheiratet und leben in New England.

Thomas Cathcart · Daniel Klein

Platon und Schnabeltier gehen in eine Bar…

Philosophie verstehen durch Witze

Aus dem amerikanischen Englisch

von Thomas Pfeiffer und Reinhard Tiffert

Gewidmet dem Andenken
an unseren philosophischen Großvater

GROUCHO MARX

Er brachte unsere Überzeugungen
in einem Satz auf den Punkt:

Dies sind meine Prinzipien; falls sie Ihnen
nicht gefallen, ich habe auch andere
.

Inhalt

Eine Einführung in den Witz der Philosophie

1Metaphysik

2Logik

3Erkenntnistheorie

4Ethik

5Religionsphilosophie

6Existenzialismus

7Sprachphilosophie

8Sozial- und Staatsphilosophie

9Relativität

10Metaphilosophie

Summa summarum: eine Zusammenfassung

Sternstunden in der Geschichte der Philosophie

Glossar

Dank

Eine Einführung

DIMITRI : »Wenn Atlas die Welt auf seinem Rücken trägt, auf wem steht dann Atlas?«

TASSO: »Atlas steht auf dem Rücken einer Schildkröte.«

DIMITRI: »Aber worauf steht die Schildkröte?«

TASSO: »Auf einer zweiten Schildkröte.«

DIMITRI: »Und worauf steht diese Schildkröte?«

TASSO: »Mein lieber Dimitri, es sind lauter Schildkröten, bis ganz nach unten

Dieses Häppchen antiker griechischer Dialog illustriert perfekt die philosophische Idee des unendlichen Regresses, ein Konzept, das im Zusammenhang mit der Frage nach einer ersten Ursache – des Lebens, des Universums, von Zeit und Raum und, vor allem, eines Schöpfers. Da etwas den Schöpfer erschaffen haben muss, kann die kausale Kette – die Schildkröte – nicht mit ihm enden. Oder mit dem Schöpfer hinter ihm. Oder dem hinter dem. Es sind Schöpfer, bis ganz nach unten – oder oben, falls Sie das für die angemessenere Richtung für die Jagd nach Schöpfern halten.

Falls Sie der Ansicht sind, dass der unendliche Regress ganz schnell nirgendwohin führt, probieren Sie es doch mit der Doktrin der Creatio ex nihilo – der Schöpfung aus dem Nichts –, oder, wie John Lennon es in einem leicht anderen Kontext formulierte: »Vor Elvis gab es nichts.«

Aber kehren wir nochmals zum alten Tasso zurück. Seine Erwiderung – »Es sind lauter Schildkröten, bis ganz nach unten!« – ist nicht nur erhellend, sie klingt auch definitiv nach einer Pointe. Ta-ta-damm!

Uns überrascht das kein bisschen. Die Konstruktion und Auflösung von Witzen und die Konstruktion und Auflösung philosophischer Konzepte folgen weitgehend denselben Prinzipien, und beide necken den Verstand auf ähnliche Weise. Was daran liegt, dass Philosophen und Witzmacher denselben Impulsen folgen: Die einen wie die anderen wollen unser Verständnis dafür, wie die Dinge sind, herausfordern, unsere Welt auf den Kopf stellen und verborgene (und oftmals unangenehme)Wahrheiten über das Leben aufspüren. Was dem Philosophen die Erkenntnis ist, ist dem Witzmacher der Lacher.

Nehmen wir folgenden klassischen Witz. An der Oberfläche wirkt er zunächst einfach wie ein typisch dämlicher Witz, bei näherer Betrachtung zielt er direkt auf den Kern der britischen empirischen Philosophie ab – die Frage, welcher Art Information über die Welt wir vertrauen können.

Morty kommt unverhofft nach Hause und erwischt seine Frau und seinen besten Freund Lou nackt zusammen im Bett. Morty will gerade losbrüllen, da springt Lou aus dem Bett und ruft: »Bevor du was sagst, alter Knabe, wem glaubst du mehr? Mir oder deinen Augen?«

Indem Lou das Primat der Sinneswahrnehmung herausfordert, stellt er die Frage danach, welche Art Daten zuverlässig ist und warum sie das ist. Ist eine Methode der Sammlung von Informationen über die Welt – sagen wir, sehen – zuverlässiger als eine andere, zum Beispiel ein Glaubensakt, der Lous Beschreibung der Realität akzeptiert.

Hier ein weiteres Beispiel für einen Philogag, dieses Mal eine Variation über das Analogieargument, demzufolge zwei Erscheinungen, die sich ähnlich sind, auch eine ähnliche Ursache aufweisen müssen:

Ein Neunzigjähriger geht zum Arzt und sagt: »Herr Doktor, meine achtzehnjährige Frau erwartet ein Kind.«

Darauf der Arzt: »Ich will Ihnen mal eine Geschichte erzählen. Ein Mann ging zur Jagd, aber statt seines Gewehres nahm er einen Regenschirm mit. Als plötzlich ein Bär auf ihn zu rannte, hob er den Regenschirm an und erschoss den Bären.«

Der Neunzigjährige: »Unmöglich. Jemand anderes muss den Bären erschossen haben.«

Darauf der Arzt: »Genau das wollte ich sagen.«

Man kann sich keine bessere Illustration des Analogiearguments wünschen, ein philosophisches Argument, das derzeit (und fälschlicherweise) von den Neokreationisten als Beweis für Intelligent Design (sprich, wenn es einen Augapfel gibt, muss es auch einen himmlischen Augapfel-Designer geben) angeführt wird.

Wir könnten dieses Spiel noch endlos weitertreiben – und in der Tat haben wir vor, genau das zu tun, und zwar vom Agnostizismus bis zum Zen und von der Hermeneutik bis zur Ewigkeit. Wir werden Ihnen zeigen, dass man philosophische Konzepte anhand von Witzen erläutern kann – und dass viele Witze voller philosophischer Konzepte stecken. Einen Moment mal, sind diese beiden Aussagen nicht identisch? Nun, das kommt – wie wir Ihnen später erklären werden – ganz darauf an.

Wer als Student ein Philosophieseminar belegt, hofft üblicherweise darauf, gewisse Einblicke in, sagen wir, den Sinn des Lebens zu erhalten. Doch dann schlendert irgendein zerknitterter Kerl in nicht zueinander passenden Tweedsachen auf das Podium und fängt an, sich über den Sinn des Begriffes »Sinn« auszulassen.

Eins nach dem anderen, erklärt er. Bevor wir eine Frage, ob nun klein oder groß, beantworten können, müssen wir zuerst verstehen, was die Frage selbst bedeutet. Nachdem wir anfangs nur widerwillig zuhören, stellen wir bald fest, dass das, was der Kerl da erzählt, verdammt interessant ist.

So ist das eben mit der Philosophie – und den Philosophen. Fragen zeugen Fragen, und diese Fragen zeugen eine ganze Generation neuer Fragen. Es sind lauter Fragen, bis ganz nach unten!

Natürlich können wir mit den ganz grundlegenden Fragen beginnen, mit Fragen wie »Was ist der Sinn des Lebens?«, »Gibt es einen Gott?«, »Wie kann ich mich selbst verwirklichen?« oder »Sitze ich im richtigen Seminarsaal?«, aber wir werden schnell feststellen, dass wir andere Fragen stellen müssen, wollen wir unsere ursprünglichen Fragen beantworten. Dieser Prozess hat zur Entstehung einer ganzen Palette philosophischer Disziplinen geführt, die sich alle mit ihren ganz eigenen Großfragen beschäftigen, indem sie die ihnen zugrunde liegenden Fragen zu stellen und zu beantworten versuchen. Noch irgendwelche Fragen?

So fällt die Frage »Was ist der Sinn des Lebens?« in den Aufgabenbereich der als Metaphysik bekannten philosophischen Disziplin, und die Frage »Gibt es einen Gott?« in den einer namens Religionsphilosophie. Mit der Frage »Wie kann ich mich selbst verwirklichen?« beschäftigt sich der Existenzialismus, und wer sich fragt, ob er im richtigen Seminarsaal sitzt, wird in der noch jungen philosophischen Schule der Meta-Philosophie fündig, wo es unter anderem um die Frage »Was ist Philosophie?« geht. Und so widmet sich, hübsch aufgeteilt, jede Sphäre der Philosophie unterschiedlichen Kategorien von Fragen und Konzepten.

Wir haben dieses Buch nicht chronologisch organisiert, sondern nach den Fragen, die wir im Kopf hatten, als wir den Seminarraum betraten, in dem unser erstes Philosophieseminar stattfand – und den philosophischen Disziplinen, die sich mit diesen Fragen auseinandersetzen. Das Vergnügliche daran ist, dass es, wie sich zeigt, jede Menge Witze gibt, die dasselbe konzeptionelle Territorium wie diese Disziplinen abdecken. (Purer Zufall? Oder gibt es doch so etwas wie einen intelligenten Schöpfer?) Und es gibt einen sehr wichtigen Grund, warum all das so vergnüglich ist: Als wir beide diesen Seminarsaal wieder verließen, waren wir dermaßen verwirrt und verunsichert, dass wir überzeugt waren, dieses hochgeistige Zeug niemals in unsere Schädel hineinzubekommen. Just in dem Moment gesellte sich ein Student aus einem höheren Semester zu uns und erzählte uns den Witz über Morty, der nach Hause kommt und seinen besten Freund mit seiner Frau im Bett erwischt.

»Nun, das ist Philosophie!«, sagte er.

Wir nennen es Philowitzie.

THOMAS CATHCART

DANIEL KLEIN

Im August 2006

Metaphysik

Die Metaphysik geht die großen Fragen frontal an: Was ist Sein?
Was ist die Natur der Realität? Haben wir einen freien Willen?
Wie viele Engel können auf einer Nadelspitze tanzen? Und wie
viele braucht man, um eine Glühbirne auszuwechseln?

DIMITRI: »Tasso, es gibt da eine Sache, die mir in letzter Zeit ziemliches Kopfzerbrechen bereitet.«

TASSO: »Und das wäre?«

DIMITRI: »Was ist der Sinn von allem?«

TASSO: »Was allem?«

DIMITRI: »Du weißt schon, Leben, Tod, Liebe – das ganze gefüllte Weinblatt.«

TASSO: »Was bringt dich auf den Gedanken, dass irgendetwas davon einen Sinn hätte?«

DIMITRI: »Weil es so sein muss. Andernfalls wäre das Leben doch bloß …«

TASSO: »Was?«

DIMITRI: »Ich brauch’ einen Ouzo.«

Teleologie

Hat das Universum einen Sinn?

Laut Aristoteles hat alles ein Telos, sprich ein ihm eigenes Ziel, das zu werden es anstrebt. Eine Eichel hat ein Telos: eine Eiche zu werden. Das ist der »Endzweck« einer Eichel. Vögel haben ein Telos, und Bienen haben eines. Und unten in Boston, in Bean City, behaupten sie, dass sogar Bohnen einen Endzweck haben. Ein immanenter Endzweck ist Bestandteil der Grundstruktur der Wirklichkeit.

Wenn Ihnen das ein wenig zu abgehoben erscheint, lesen Sie die folgende Geschichte: So einfach holt Mrs. Goldstein das Telos auf die Erde herunter.

Mrs. Goldstein geht mit ihren Enkelkindern die Straße hinunter und trifft eine Freundin. Wie alt denn die Kleinen seien, will die Freundin wissen.

Darauf Mrs. Goldstein: »Der Arzt ist fünf, und der Anwalt wird sieben.«

Hat das menschliche Leben ein Telos?

Aristoteles war davon überzeugt. Für ihn bestand der Endzweck des menschlichen Lebens in der Erreichung der Glückseligkeit, eine Ansicht, die allerdings nicht von allen Philosophen geteilt wird. Sieben Jahrhunderte später postulierte zum Beispiel Augustinus die Liebe zu Gott als Telos des menschlichen Lebens, und für einen Existenzialisten des 20. Jahrhunderts wie Martin Heidegger liegt das Telos des Menschen darin, ein Leben ohne Verleugnung der wahren Bedingungen des Menschseins und insbesondere des Todes zu führen. Glückseligkeit? Wie oberflächlich und banal!

Witze über den Sinn des Lebens vermehren sich so schnell wie Theorien über den Sinn des Lebens, die sich ihrerseits wiederum so schnell vermehren wie die Philosophen.

Ein Sinnsuchender hört, dass der weiseste Guru von Indien auf der Spitze des höchsten Berges des Landes lebt. So wandert der Suchende viele Tage und Wochen, bis er schließlich vor dem sagenumwobenen Berg steht. Der Berg ist unglaublich steil, und mehr als einmal verliert er den Halt und fällt. Als er endlich die Spitze erreicht, ist er am ganzen Körper zerschunden und zerschlagen, aber das spürt er kaum, denn da sitzt vor ihm der Guru mit übereinander geschlagenen Beinen vor seiner Höhle.

»Oh weiser Guru«, ruft der Suchende,»ich bin den ganzen Weg zu dir gekommen, um dich nach dem Geheimnis des Lebens zu fragen.«

»Ach ja, das Geheimnis des Lebens«, erwidert der Guru. »Das Geheimnis des Lebens ist eine Teetasse.«

»Eine Teetasse? Ich habe mich auf der Suche nach dem Sinn des Lebens den ganzen Weg hier herauf gemüht, und du sagst mir, der Sinn des Lebens sei eine Teetasse?«

Der Guru zuckt mit den Achseln. »Nun ja, vielleicht ist er ja auch keine Teetasse.«

Das Telos des Lebens zu formulieren ist, wie der Guru offenkundig weiß, ein überaus gewagtes Vorhaben – und das zudem nicht nach jedermanns Geschmack.

Allerdings besteht ein Unterschied zwischen dem Telos des Lebens – sprich jenem dem Menschen innewohnenden Endzweck – und den Zielen, die ein bestimmter Mensch in seinem Leben verfolgt – das also, was er sein möchte. Strebt Sam, der Zahnarzt in der folgenden Geschichte, wirklich das universelle Telos des Lebens an, oder macht er nur sein eigenes Ding? Seine Mutter jedenfalls hat eindeutig ihre ganz eigene Vorstellung vom Telos des Lebens ihres Sohnes.

Sam Lipschitz, ein Zahnarzt aus Philadelphia, reist nach Indien, um dort den Sinn des Lebens zu finden. Monate ziehen ins Land, ohne dass seine Mutter auch nur ein Wort von ihm hört. Schließlich setzt sie sich in ein Flugzeug und folgt ihm nach Indien. Dort angekommen, erkundigt sie sich nach dem weisesten Mann des Landes, woraufhin man ihr den Namen eines Ashrams nennt. Vor dem Ashram sagt ihr ein Wächter, dass sie eine Woche auf eine Audienz mit dem Guru warten müsse und dann, wenn es so weit sei, nur drei Worte zu ihm sagen dürfe. Sie wartet und überlegt sich sorgfältig, was sie sagen soll. Als man sie schließlich vor den Guru führt, sagt sie zu ihm: »Sam, komm heim!«

Wenn Sie »Metaphysik« im Wörterbuch nachschlagen, erfahren Sie, dass der Begriff dem Titel eines Bandes philosophischer Schriften des Aristoteles entstammt und die Disziplin sich mit Dingen auf einem Abstraktionsniveau jenseits (meta) der wissenschaftlichen Beobachtung befasst. Doch wie sich zeigt, handelt es sich dabei um etwas, was der Lateiner post hoc locum (nach dieser Stelle; A. d. Ü.) nennt. Tatsächlich nämlich nannte Aristoteles seine Schrift gar nicht »Metaphysik«, ganz zu schweigen davon, dass er sich darin mit jenseits der sinnlich erfahrbaren Welt liegenden Dingen beschäftigte. In Wahrheit geht der Begriff auf einen Herausgeber der gesammelten Werke Aristoteles im ersten Jahrhundert nach Chr. zurück, der diesen Titel wählte, weil das Kapitel »jenseits« (oder einfach »nach«) Aristoteles’ Abhandlung über die »Physik« kam.

Essentialismus

Welches ist das Wesen der Wirklichkeit? Welche spezifischen Eigenschaften machen die Dinge zu dem, was sie sind? Oder, wie Philosophen gerne sagen: Welche Attribute sind dafür verantwortlich, dass die Dinge nicht sind, was sie nicht sind?

Aristoteles unterschied zwischen essentiellen und zufälligen Eigenschaften. Die essentiellen Eigenschaften sind, wie er es formulierte, diejenigen, ohne die ein Ding nicht das wäre, was es ist, während die zufälligen Eigenschaften bestimmen, wie eine Sache ist, nicht aber, was sie ist. Zum Beispiel war Aristoteles der Meinung, dass die Vernunft essentiell für das Menschsein sei, und da Sokrates ein Mensch war, war Sokrates’ Vernunft essentiell dafür, dass er Sokrates war. Ohne die Eigenschaft der Vernunft wäre Sokrates schlicht nicht Sokrates gewesen. Demgegenüber hielt Aristoteles Sokrates’ Eigenschaft der Stupsnasigkeit für bloß zufällig; Stupsnasigkeit war ein Teil dessen, wie Sokrates war, aber nicht essentiell dafür, was oder wer er war. Anders ausgedrückt: Nimm Sokrates seine Vernunft weg, und er ist nicht länger Sokrates; schick ihn zum Schönheitschirurgen, und er ist Sokrates mit einer Nasen-OP. Was uns an einen Witz erinnert:

An seinem siebzigsten Geburtstag entscheidet Thompson, sein Leben radikal umzukrempeln. Er will länger leben. Er hält strikt Diät, fängt an zu joggen, geht regelmäßig schwimmen und nimmt Sonnenbäder. In nur drei Monaten nimmt er fünfzehn Kilo ab und reduziert seinen Hüftumfang um achtzehn Zentimeter, während sein Brustumfang um fünfzehn Zentimeter anschwillt. Durchtrainiert und gebräunt, wie er ist, beschließt er, dem Ganzen mit einem neuen, sportiven Haarschnitt die Krone aufzusetzen. Mit sich zufrieden, tritt er aus dem Friseurgeschäft auf die Straße – und wird von einem Bus überfahren.

Sterbend liegt er auf der Straße und schreit: »Oh mein Gott, wie konntest du mir das nur antun?«

Da antwortet ihm eine Stimme aus dem Himmel: »Um ehrlich zu sein, Thompson, ich habe dich nicht erkannt.«

Ganz offensichtlich hat der arme Thompson etliche zufällige Eigenschaften seiner Person geändert, dennoch sehen wir in ihm, und, was das betrifft, er auch in sich, immer noch den essentiellen, den eigentlichen Thompson, zwei Bedingungen, die für das Funktionieren dieses Witzes von essentieller Bedeutung sind. Ironischerweise ist die einzige Figur in dem Witz, die Thompson nicht wiedererkennt, Gott, dem man gemeinhin Allwissenheit unterstellt.

Eine ganze Reihe von Witzen dieses Strickmusters illustriert und nimmt diesen Unterschied zwischen essentiellen und zufälligen Attributen aufs Korn.

Abe: »Sol, ich habe ein Rätsel für dich. Was ist grün, hängt an der Wand und pfeift?«

Sol: »Keine Ahnung.«

Abe: »Ein Hering.«

Sol: »Aber ein Hering ist nicht grün.«

Abe: »Nun, man kann ihn grün anmalen.«

Sol: »Aber ein Hering hängt nicht an der Wand.«

Abe: »Nimm einen Nagel, und er hängt an der Wand.«

Sol: »Aber ein Hering pfeift nicht.«

Abe: »Ja, und? Dann pfeift er eben nicht.«

Mit der folgenden Version werden Sie in einer Talkshow kaum Lacher ernten, aber Sie könnten damit auf einem Philosophen-Kongress Eindruck schinden.

Abe: »Was ist das Objekt›X‹mit den folgenden Eigenschaften: Grünlichkeit, Wand-Hängigkeit und mit Pfeiffähigkeit ausgestattet?«

Sol: »Ich bin außerstande, mir ein Objekt mit dieser Kombination von Eigenschaften vorzustellen.«

Abe: »Ein Hering.«

Sol: »Ein Hering weist keine Grünlichkeit auf.«

Abe: »Nicht als essentielle Eigenschaft, Solly. Aber ein Hering könnte zufällig grün sein. Versuch doch mal, einen anzumalen. Du wirst schon sehen.«

Sol: »Aber ein Hering hat keine Wand-Hängigkeit.«

Abe: »Aber was, wenn man ihn zufällig an die Wand nagelte?«

Sol: »Warum sollte man einen Hering an die Wand nageln?«

Abe: »Vertrau mir, alles ist möglich. Wir haben es hier mit Philosophie zu tun.«

Sol: »Gut, aber ein Hering pfeift nicht, nicht einmal zufällig.«

Abe: »Verklag mich doch.«

Sol und Abe lassen den Blick über die versammelten Philosophen im Kongress-Center schweifen. Absolutes Schweigen.

Sol: »Was ist das hier, eine Zusammenkunft von Stoikern? Hey, selbst Nietzsche hat bei seinem Auftritt im Vatikan mehr Lacher geerntet.«

Manchmal besitzt ein Objekt Eigenschaften, die auf den ersten Blick zufällig wirken, aber, wie sich im Nachhinein zeigt, nur bis zu einem bestimmten Grad zufällig sind, wie der folgende Witz illustriert.

Warum ist der Elefant groß, grau und faltig?

Weil er, wenn er klein, weiß und rund wäre, eine Aspirin wäre.

Wir können uns einen Elefanten vorstellen, der nicht sonderlich groß ist, und »kleiner Elefant« zu ihm sagen. Wir können uns sogar einen irgendwie staubbraunen Elefanten vorstellen und ihn als einen »irgendwie staubbraunen Elefanten« beschreiben. Und ein Elefant ohne Falten wäre ein »faltenloser Elefant«. Mit andern Worten, ›Großheit‹, ›Grauheit‹ und ›Faltigkeit‹ sind Attribute, die Aristoteles’ Test der Eigenschaften nicht bestehen würden, was ein Elefant essentiell ist. Stattdessen beschreiben sie, wie Elefanten aussehen, im Allgemeinen und zufällig. Der Witz aber behauptet nun, dass dies nur bis zu einem bestimmten Punkt zutrifft. Etwas, das so klein, weiß und rund wie eine Aspirintablette ist, kann kein Elefant sein, und angesichts eines solchen Objekts würden wir auch niemals in Versuchung geraten, unser Gegenüber zu fragen, ob er sich da gerade eine Aspirin oder einen atypischen Elefanten in den Mund schiebt.

Der springende Punkt ist, dass die Begriffe ›Großheit‹, ›Grauheit‹ und ›Faltigkeit‹ nicht präzise genug sind, um essentielle Qualitäten eines Elefanten zu beschreiben. Vielmehr sind es eine bestimmte Größenordnung und eine bestimmte Farbpalette, deren Ausprägungen neben anderen Eigenschaften bestimmen, ob etwas ein Elefant ist oder nicht. ›Faltigkeit‹ dagegen könnte einen roten Hering oder vielleicht auch einen pfeifenden Hering bezeichnen.

Rationalismus

Wenden wir uns nun etwas völlig anderem zu – einer Schule der Metaphysik, die unzählige satirische Werke hervorgebracht hat, und zwar ohne jede Unterstützung unsererseits. Die Sache hat nur einen Haken: Die Witze schießen ausnahmslos am Ziel vorbei.

Als sich der Mitte des 17. Jahrhunderts geborene Philosoph und Rationalist Gottfried Wilhelm Leibniz zu dem berühmten Ausspruch hinreißen ließ, die wirkliche Welt sei »die beste aller möglichen Welten«, machte er sich damit zur Zielscheibe von nicht enden wollendem Hohn und Spott. Das fing Mitte des 18. Jahrhunderts mit Candide an, Voltaires Burleske über einen gutgläubigen jungen Mann (eben Candide) und seinen philosophischen Mentor Mâitre Pangloss (Voltaires Leibniz-Karikatur). Auf seinen Reisen durch die Welt lernt Candide Grausamkeiten, Undank, Vergewaltigungen und Krankheiten kennen und erlebt gar das Erdbeben von Lissabon mit, das die Stadt 1755 dem Erdboden gleichmacht. Doch nichts kann Mâitre Pangloss in der festen Überzeugung erschüttern, dass »alles zum Besten steht in dieser besten aller möglichen Welten«. Als Candide unmittelbar vor Ausbruch des Erdbebens den holländischen Wiedertäufer Jacques vor dem Ertrinken retten will, hält Pangloss ihn zurück und beweist ihm, dass die »Reede von Lissabon ausdrücklich dazu erschaffen worden [sei], dass der Wiedertäufer daselbst ertrinkt«.

Zwei Jahrhunderte später griff Leonard Bernstein in seinem 1956 uraufgeführten Musical Candide den Witz auf. In »The Best of All Possible Shows«, dem bekanntesten, von Richard Wilbur geschriebenen Song der Show, lobpreisen Pangloss und das Ensemble den Krieg als einen verkleideten Segen, da er uns alle vereint – als Opfer.

In dieselbe Kerbe hieben auch Terry Southern und Mason Hoffenberg mit ihrer zotigen Persiflage Candy über ein naives junges Mädchen, das sich, obwohl es von allen Männern, denen es begegnet, schamlos ausgenutzt wird, seine Unschuld und seinen Optimismus bewahrt. 1968 wurde nach dem Buch ein prominent besetzter Film gedreht, in dem unter anderem Ringo Starr mitspielte [und der in Deutschland ab 1969 unter dem Titel Sexy Ladies lief. A.d.Ü].

Alles sehr witzig und unterhaltsam, ohne Frage, nur leider geht das alles an Leibniz’ These vorbei. Leibniz war Rationalist, ein philosophischer Terminus technicus für jemanden, der der Vernunft Vorrang vor allen anderen Methoden des Wissenserwerbs einräumt (im Gegensatz zum Beispiel zu den Empiristen, die in den Sinnen den primären Weg zum Wissenserwerb sehen).

Leibniz entwickelte seine These über diese Welt als die beste aller möglichen Welten allein durch folgende rationale Argumentationskette:

1.Hätte Gott nicht beschlossen, eine Welt zu erschaffen, gäbe es keine Welt.

2.Für den Fall, dass es eine Alternative gibt, muss es, so besagt das »Prinzip des hinreichenden Grundes«, eine Erklärung dafür geben, warum die Welt so und nicht anders ist.

3.Im Falle der Entscheidung Gottes, diese bestimmte Welt zu erschaffen, muss die Erklärung notwendigerweise in den Attributen Gottes selbst angelegt sein, da zu der Zeit außer Gott nichts existierte.

4.Weil Gott sowohl allmächtig als auch moralisch vollkommen ist, muss er notwendigerweise die beste aller möglichen Welten erschaffen haben. Mehr noch, unter den gegebenen Umständen war es die einzige mögliche Welt. Allmächtig und moralisch vollkommen, wie Gott ist, konnte er gar keine Welt erschaffen, die nicht die beste aller möglichen Welten gewesen wäre.