Gefährliche Herausforderung
Schon im Alter von drei bis fünf Jahren lernten sich Stefan Eisner, Daniel Hofbauer, Michael Feldbergler und Simon Fechtold kennen und aufgrund gemeinsamer Interessen entwickelte sich zwischen den vieren schnell eine Freundschaft. Das heißt so schnell auch wieder nicht. Da jeder einzelne von ihnen vom Charakter her eher still und reserviert, eben introvertiert und auch schüchtern und daher taten sie sich schwer, neue Kontakte zu knüpfen oder Freundschaften zu finden. So mussten da ihre Mütter ran. Die waren da ganz anders. Beim Bringen in oder dem Abholen ihrer Sprösslinge vom Kindergarten kamen sie miteinander immer wieder, wie von selbst, ins Gespräch. Dann und wann lief man sich in der Stadt beim Einkauf im Supermarkt, Bäcker oder Metzger über den Weg. Wenn man sich dann mit jemanden besonders gut verstand, dann luden sich die Damen gerne gegenseitig zum Kaffeeklatsch ein. Die kleinen Kinder waren natürlich immer mit dabei und so entwickelten sich halt da auch Freundschaften. Teilweise hielten die jahrelang, denn mittlerweile waren aus den vier kleinen Buben Teenager geworden und besuchten allesamt das örtliche Gymnasium.
Das Gymnasium in Tonhofen ist sowohl mathematisch-naturwissenschaftlich ausgerichtet, wie neusprachlich. Es fasst eine Schülerschaft von etwa 600 Mädchen und Jungen, die nicht nur aus Tonhofen selbst stammen, sondern auch aus all den umliegenden Dörfern und Gemeinden kommen. Tonhofen selber ist eine Kleinstadt mit knapp 8000 Einwohnern und liegt zirka 130Km nordöstlich von München.
Stefan Eisner, Daniel Hofbauer, Michael Feldbergler und Simon Fechtold waren, wie schon erwähnt, schon seit Jahren befreundet. Das mussten sie eigentlich auch sonst niemanden und passten auch nirgendwo so richtig rein. Das heißt, an ihrer Schule teilten sich alle Schüler grob in drei Kategorien.
Erstens die Sportler. Das waren die, die freizeitmäßig schon seit langem in Sportvereinen waren, sich entweder direkt aus demselben Verein kannten oder aber daher weil, in der Regel, die Vereine beziehungsweise Verbände regelmäßig miteinander im Wettbewerb stehen – beispielsweise in einer Liga.
Zweitens die coolen Typen. Das waren zum einen vorpubertierende oder pubertierende Jungs. Sie interessierten sich für die aktuell angesagten Dinge in der Musikszene, experimentierten heimlich sehr viel mit Alkohol und legten meistens so ein Möchtegern-Macho-Gehabe an den Tag unter anderem...
Die Mädchen dieser Kategorie waren die, die sich von jener Spezies beeinflussen ließen, sich deshalb die Büstenhalter ausstopften und weil sie es zu Hause noch nicht durften, sich heimlich auf der Schultoilette schminkten.
Drittens die, die meistens von den ersten beiden Sorten gehasst oder angefeindet wurden, die Streber. Kurzum waren das diejenigen, die immer eifrig und fleißig mit lernten, auf das hörten, was der Lehrer sagte, immer brav ihre Hausaufgaben machten und die guten Noten einfuhren.
Stefan Eisner, Daniel Hofbauer, Michael Feldbergler und Simon Fechtold gehörten jedoch zu keinem der genannten Genres. Sie waren weder sportlich und hatten in dieser Richtung auch kein Interesse, weder waren die Jungs recht fleißig oder lernten viel. So waren gute Zensuren bei den vieren eher Mangelware. Und das was die vier noch mehr langweilte als Sport, diese für sie dümmliche Musikszene mit dem damit verbundenem , für sie albernem Getue.
Da das Quartett sich also nirgends so richtig zuordnen konnte trafen sich die Jungen regelmäßig nach der Schule und flüchteten sich in die virtuellen, imaginablen Welten ihrer Computer- und Videospiele. Dann in diesen Welten waren sie die sogenannten Alphamännchen, die Helden, die als Ritter in strahlender Rüstung, Geheimagent oder Karatekämpfer die Welt retten und die schönen Frauen abbekommen.
Am ehesten könnte man die vier wohl einer nerdig angehauchten Kategorie zuordnen.
Stefan Eisner, Daniel Hofbauer, Michael Feldbergler und Simon Fechthold oder Steffi, Dany Sahne, Feldi und Simmerl, wie sie von ihren Schulkammeraden oft genannt wurden – gutmütig natürlich, denn so unbeliebt waren unsre vier Helden nicht – saßen in ihrem Klassenzimmer und warteten auf den Mathematiklehrer. Für heute wurde die Rückgabe der Mathearbeit von letzter Woche erwartet. Stefan 'Steffi' Eisner und Michael 'Feldi' Feldbergler hatten beide eine Drei. Simon 'Simmerl' Fechtold eine Vier. Alles nichts was ungewöhnlich gewesen wäre. Etwas erstaunlicher war da die Note von Daniel 'Dany Sahne' Hofbauer. Der hatte eine Zwei, fast eine Eins. Alle, selbst der Mathelehrer Herr Swoboda, waren verblüfft aufgrund dieses unerwarteten Ergebnisses. Dabei war die Erklärung so einfach. Dany Sahne hatte geschickt betrogen. Vor der Prüfung hatte er sich alle relevanten Formeln und Merksätze mit Tinte direkt auf sein Pult notiert. Nachdem der Lehrer dann die Arbeiten eingesammelt und das Klassenzimmer wieder verlassen hatte, entfernte er die Tinte mit dem ordinären Tafelschwamm.
Nun war es Freitagnachmittag und das Wochenende stand vor der Tür. Fast drei Tage frei bis zum nächsten Schultag, dem Montag. Stefan Eisner, Daniel Hofbauer, Michael Feldbergler und Simon Fechtold schleuderten jeweils, bei sich zu Hause, ihr Schultaschen geringschätzend in die Ecke und verzogen sich erst einmal in ihre Zimmer. Dort klemmten sie sich dann vor ihre Computer.
Später, abends traf sich die Vierertruppe noch bei den Fechtholds. Dort hatten die Eltern vom Simon ihrem, einzigen Kind, eines der zwei Räume auf dem Dachboden zur freien Verfügung gestellt. Ihr Sohn hatte sich dort folglich eine Art Freizeitzimmer eingerichtet. Darin befand sich ein weiterer Computer mit allerhand Peripheriegeräten, diverse Konsolen für Videospiele, einen großen Fernseher mit DVD-Player und einer endlos scheinenden Sammlung von DVDs. Des Weiteren eine Couch, Couchtisch und Kühlschrank.
„Da hast du aber den Swoboda ganz schön verarscht, Dany“, lachte Stefan Eisner und klopfte seinem Kumpel Daniel Hofbauer anerkennend auf die Schulter.
„Hey Leute seht mal, was ich vor ein paar Stunden am Flohmarkt gekauft hab“, rief der Feldhofer Michael, als er gerade das Zimmer betrat.
„Zeig mal“, riefen alle darauf fast gleichzeitig.
„Hier“, sagte Michael, „hat mich nur nen Fünfer gekostet“, und präsentierte dann seinen Freunden seine Errungenschaft.
Es war ein Videospiel. Es hieß 'Fear of Death' und war im Vier-Spieler-Modus spielbar auf dem klassischen Super Nintendo. Die vier Freunde suchten und fanden die Konsole und schlossen sie auch gleich an den Fernseher an, legten das Spielkassettenmodul ein, nahmen ihre Controller und schalteten ein. Satan Games lief sogleich in flammenden, roten Buchstaben über den Bildschirm. Dann fiel plötzlich der Strom aus und im Zimmer war alles stockfinster.
„Verdammt, was ist jetzt los“, fragten sich alle und alle redeten durcheinander, bis dann auf einmal das Fernsehbild wieder kurz aufflackerte.
„Jetzt kommt her“, vernahmen die vier deutlich eine fremdartige, geisterhafte Stimme.
Darauf fingen die Kabel zu den hin Controllern an zu fluoreszieren. Die Situation wurde unheimlich und die Jungen versuchten ihre Controller loszulassen, doch es ging nicht. Die Dinger schienen in ihren Händen quasi festgewachsen. Schließlich fingen auch sie selber an zu fluoreszieren und wurden, über die jeweiligen Kabel, geradezu in die Konsole hineingesaugt.
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München, in meiner kleinen Privatdetektei...
„Lena“, rief ich vom Schreibtisch aus rüber in die Küche, „bring mir dann noch nen Kaffee mit raus, bitte.“
„Geht klar“, rief Lena zurück.
Wer Lena ist, fragt Ihr. Ich will es euch gern erklären, liebe Leser. Lena oder Magdalena Sobieski, wie sie mit vollständigem Namen hieß, war seit kurzem meine neue Sekretärin.
In gewisser Weise waren ihre Wurzeln polnisch. Das heißt ihre Eltern waren aus Schlesien und kamen in den Siebzigerjahren nach Deutschland. Da war ihre Mutter bereits mit ihr schwanger. Geboren wurde Lena dann in Deutschland. Mittlerweile war sie sechsundzwanzig, besuchte die Realschule und hatte Ahnung von Buchhaltung, Finanzen und Steuern. Also alles Dinge, auf die ich ja so rein gar keinen Bock habe, bis auf die einundzwanzig Jahre natürlich. Außerdem tippte sie noch fünfhundert Anschläge pro Minute.
Nun da ich ja bei meiner letzten Mission ganze einhunderttausend Euro verdient habe, dachte ich, leiste dir doch wieder eine Büroangestellte. Und bisher erledigte Lena wirklich alle ihre Aufgaben ohne Fehl und Tadel.
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München, 1:40 Uhr, in einer Tiefgarage in einem großflächigen Gewerbegebiet
Ich jagte ihn schon seit längerem. Bereits mehrere Wochen war ich ihm auf der Spur, aber immer wieder war er mir im letzten Moment doch noch entkommen. Es ging um einen Vampir, namens Kerlon D'cruze, der angeblich schon seit anderthalb Jahrhunderten seine blutige Spur durch Europa zog. Von Portugal aus, nach Spanien, Österreich und schließlich Deutschland. Jedoch wird sie heute enden, denn vor kurzem gab mir ein Fahrer, der im Auftrag von D'cruze Blutkonserven transportierte, wenn auch nicht ganz freiwillig, den entscheidenden Hinweis.
Da, er kam. Der Vampir ging zügig in Richtung eines dunklen Jaguars. Er wirkte zwar leicht angespannt, schien aber nichts zu ahnen. Ich wartete noch wenige Sekunden, dann sprang ich hinter dem Wagen hervor, baute mich vor ihm auf, materialisierte das Luminis und sagte: „Zeit, den Schlussstrich zu ziehen!“
„Der Schwertträger“, gab sich der Vampir zunächst verdutzt, zog dann aber selbst ein äußerst respektables Breitschwert unter seinem langen, schwarzen Ledermantel hervor, „mal sehen, wer hier was zieht.“
Der Kampf, der darauf entbrannt, war kurz, aber heftig und von einer Dynamik, die jeden Formel-eins-Rennen aussehen ließ, wie einen lächerlichen Wettlauf von Schnecken. Doch letzten Endes rammte ich ihm die Klinge des Luminis durch die Brust und beendete so sein untotes Dasein. Der Vampir Kerlon D'cruze verglühte – übrig blieb nur ein Häufchen Asche.
Darauf dematerialisierte ich das Luminis wieder und joggte zu meiner Harley. Damit sie nicht entdeckt wird, hatte ich das Motorrad am anderen Ende der Tiefgarage in einer schwer einsehbaren Nische abgestellt. Doch als ich auf die Maschine steigen wollte, sprach mich jemand von der Seite an. Ich drehte mich um und wich abrupt zurück. Es war ein dunkler, ein gefallener Engel Satans.