Lyane Sautner/Udo Jesionek (Hrsg.)
Zugang zum Recht für Kriminalitätsopfer
Viktimologie und Opferrechte (VOR)
Schriftenreihe Weisser Ring
Band 10
Geleitwort
Vorwort
Lyane Sautner
Zugang zum Recht für Kriminalitätsopfer. Eine Einführung
Silvia Ulrich
Zugang zu Opferrechten aus intersektioneller Perspektive
Udo Jesionek/Vera Wolf
Recht auf Zugang zu Opferunterstützung
Wolfgang Gappmayer/Tobias Körtner
Prozessbegleitung und Verfahrenshilfe für Opfer
Monika Stempkowski/Ivana Havelka
Dolmetschleistungen für Opfer im Strafprozess
Maria Eder-Rieder
Der lange Weg von Opfern zur Befriedigung ihrer zivilrechtlichen Ansprüche im Strafverfahren
Martin Prinz
Opferrechte und Diversion
Wolfgang Sicka
Im Dickicht des Verbrechensopfergesetzes
Thomas Wenzel/Tatiana Urdaneta Wittek/Daniela Dörfler/Reem Alksiri/Franz Galla
Traumafolgenstörungen bei Verbrechensopfern – interdisziplinäre Aspekte und neue Entwicklungen
Susanne Schmittat
Opfer vor Gericht – Wie bewusstes und unbewusstes Aussageverhalten der Opfer gerichtliche Entscheidungen verzerren kann
Abkürzungsverzeichnis
Autor*innen
Liebe Leser*innen,
Sie halten den zehnten Band der Reihe „Viktimologie und Opferrechte“ in Händen. Für diesen Jubiläumsband hat der WEISSE RING das besonders wichtige Thema „Zugang zum Recht für Kriminalitätsopfer“ aufgegriffen.
Eine wichtige Aufgabe des Strafprozessrechts ist es, Opfern von Straftaten die Durchsetzung ihrer Rechte zu ermöglichen.
In § 10 Abs 2 der Strafprozessordnung wird geregelt, dass Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaft und Gericht dazu verpflichtet sind, auf die Rechte, Interessen und besonderen Schutzbedürfnisse der Opfer von Straftaten angemessen Bedacht zu nehmen und alle Opfer über ihre wesentlichen Rechte im Verfahren sowie über die Möglichkeit zu informieren, Entschädigungs- oder Hilfeleistungen zu erhalten.
Die Umsetzung dieser Bestimmung ist eine ständige Aufgabe für die Strafjustiz im Umgang mit Opfern von Straftaten. Dabei ist es mir ein besonderes Anliegen, dass die effektive Geltendmachung von Opferrechten allen Betroffen möglich ist – unabhängig von Faktoren wie dem ökonomischen Status, der Bildung, der Herkunft, dem Geschlecht, der (psychischen) Gesundheit oder dem Alter des Opfers.
Es ist daher immer zu prüfen, ob die derzeit bestehenden Rechtsinstrumente ausreichen, alle Opfer zur Wahrnehmung ihrer Verfahrensrechte zu ermächtigten. Die Rechtsinstrumente müssen auch geeignet sein, dass die Opfer ihre Rechte effektiv und rasch durchsetzen können und es so weit wie möglich zu einer (auch materiellen) Wiedergutmachung kommt.
Der Idealzustand einer Strafjustiz, die für alle Opfer gleich zugänglich und hilfreich ist, darf nie aus den Augen verloren werden und muss immer die Leitlinie unseres politischen Handelns sein.
Der WEISSE RING als gesetzlich anerkannte Einrichtung für die Unterstützung von Verbrechensopfern, die allen Opfern von Straftaten unabhängig von Alter, Geschlecht, Herkunft oder Religionszugehörigkeit offensteht, ist dafür unverzichtbar. Neben seiner praktischen Hilfe leistet er mit diesem Band auch noch einen höchst willkommenen wissenschaftlichen Beitrag zu dem Thema, wofür ich ihm herzlich danke.
Ich wünsche Ihnen, liebe Leserin und lieber Leser, eine inspirierende Lektüre.
Ihre
Dr.in Alma Zadić, LL.M.
Die Rechte von Kriminalitätsopfern haben in Österreich wie auch auf europäischer Ebene in den vergangenen Jahrzehnten eine bemerkenswerte Entwicklung durchlaufen. Opfer verfügen in Österreich im Strafprozess und in anderen Rechtsgebieten wie insb dem Sozialrecht durch das Verbrechensopfergesetz über zahlreiche Rechte. Doch verschaffen diese Rechte Opfern auch Zugang zum Recht? Was ist unter Zugang zum Recht für Kriminalitätsopfer überhaupt zu verstehen? Welche tatsächlichen und rechtlichen Hürden versperren Opfern den Zugang zum Recht? Und wie lassen sich diese Hürden beseitigen? Diesen Fragen widmet sich der vorliegende zehnte Band der vom WEISSEN RING herausgegebenen Reihe „Viktimologie und Opferrechte“. Er verfolgt dazu einen interdisziplinären Ansatz, der Perspektiven des Strafrechts, des Antidiskriminierungsrechts, des Sozialrechts, der Psychiatrie, der Rechtspsychologie, der Translationswissenschaft sowie der Opferhilfe berücksichtigt. Für die mit großer Sachkunde und Sorgfalt durchgeführte redaktionelle Bearbeitung der Beiträge sei Herrn Mag. Michael Josef Pfeifer, BA BA MA herzlich gedankt!
Linz, Wien im Oktober 2021
Lyane Sautner, Udo Jesionek
Zugang zum Recht für Kriminalitätsopfer lässt an die zahlreichen Opferrechte denken, die in Österreich in der Strafprozessordnung, aber auch in anderen Rechtsbereichen implementiert wurden. Tatsächlich sind Opferrechte eine sehr dynamische Materie. Die Entwicklung begann in den 1980er Jahren.1 Doch allein wenn man die vergangenen zwanzig Jahre betrachtet, hat sich auf diesem Gebiet Vieles getan – so viel, dass man von einem Paradigmenwandel hin zu einer opferorientierten Strafrechtspflege2 sprechen kann. Ein erster großer Schritt war mit dem EU-Rahmenbeschluss über die Stellung des Opfers im Strafverfahren aus dem Jahr 2001 getan.3 Der Rahmenbeschluss hat es sich zum Ziel gesetzt, ein „hohes Schutzniveau“ für Kriminalitätsopfer in sämtlichen Mitgliedstaaten herzustellen, durch das sekundäre Viktimisierungen vermieden werden.4 Weitere Ziele waren die Förderung der Entschädigung von Opfern5 sowie die Berücksichtigung von Opferbedürfnissen im Strafverfahren.6 Es folgte das Strafprozessreformgesetz 2004 (StPRefG 2004)7, das am 1.1.2008 in Kraft trat. Opfer erhielten dadurch unabhängig von ihrer Zeugnispflicht und der bereits bestehenden Möglichkeit zur Privatbeteiligung den Status eines Verfahrenssubjekts.8 Opfer haben seither allein aufgrund ihrer Opfereigenschaft weitreichende Rechte im Strafverfahren. Sie sind dadurch Verfahrenssubjekte. Die in § 10 StPO verankerte Opferbeteiligung zählt sogar zu den Grundsätzen des Strafprozesses. Angelpunkt der Opferrechte ist der in § 65 Z 1 StPO definierte Opferbegriff. Einen weiteren großen Schritt stellte die 2012 erlassene EU-RL über Mindeststandards für die Rechte, die Unterstützung und den Schutz von Opfern von Straftaten (OpferschutzRL)9 dar. Die Richtlinie verfolgt das Ziel, dass Kriminalitätsopfer angemessene Informationen, angemessene Unterstützung und angemessenen Schutz erhalten und sich am Strafverfahren beteiligen können (Art 1). Sie trat nicht nur formell an die Stelle des zuvor genannten Rahmenbeschlusses und gab dessen Regelungsbestand eine neue Rechtsform; vielmehr sieht die OpferschutzRL auch eine Reihe neuer Regelungen vor.10 Besondere Erwähnung verdient hier die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, Opfern breitflächig kostenlosen Zugang zu Opferunterstützungsdiensten zu ermöglichen (Art 8 und 9). Hervorzuheben ist auch, dass Opfer die Möglichkeit erhalten sollen, eine Entscheidung, mit der auf die Strafverfolgung verzichtet wird, überprüfen zu lassen (Art 11). Österreich hatte eine entsprechende Regelung im Zuge des StPRefG 2004 bereits mit dem Recht des Opfers, die Fortführung eines von der Staatsanwaltschaft eingestellten Strafverfahrens zu beantragen (§ 195 StPO), eingeführt. Und schließlich statuiert die OpferschutzRL, dass Opfer frühzeitig individuell zu begutachten sind, um abzuklären, ob sie besondere Schutzbedürfnisse aufweisen und besonderer Schutzmaßnahmen bedürfen (Art 22 f). Die Umsetzung der OpferschutzRL erfolgte in Österreich mit etwas Verspätung durch das Strafprozessrechtsänderungsgesetz I 2016 (StPRÄG I 2016).11 Den bislang letzten großen Schritt im Bereich der Opferrechte bildet das im Jahr 2020 erlassene Hass-im-Netz-Bekämpfungs-Gesetz (HiNBG).12 Es führte zu Änderungen in zahlreichen Rechtsmaterien mit dem Ziel, eine verbesserte Handhabe gegen Hass im Netz und die damit verbundene Verletzung von Persönlichkeitsrechten zu schaffen. Im Strafprozessrecht brachte das HiNBG insb eine Ausdehnung der psychosozialen und juristischen Prozessbegleitung (§ 66b StPO) sowie erweiterte Ermittlungsmöglichkeiten im Bereich der Privatanklage wegen den §§ 111, 113 und 115 StGB, sofern diese Delikte im Wege einer Telekommunikation oder unter Verwendung eines Computersystems begangen wurden (§ 71 StPO).
Angesichts dieser Fülle und stetigen Weiterentwicklung der Opferrechte in Österreich stellt sich die Frage, ob Kriminalitätsopfer damit Zugang zum Recht haben. Die Antwort auf diese Frage hängt davon ab, was man unter Zugang zum Recht versteht. Es liegt auf der Hand, dass sich access to justice nicht in der formalen Position erschöpft, „Rechte zu haben“. Der gegenständliche Beitrag beleuchtet die unterschiedlichen Dimensionen des Zugangs zum Recht für Kriminalitätsopfer (2.) und identifiziert jene Hindernisse, die Opfern ihren Zugang zum Recht erschweren (3.).
Das Spektrum der Themen, die unter dem Titel „Zugang zum Recht“ diskutiert werden, ist überaus breit.13 Als rechtspolitisches Postulat meint Zugang zum Recht, eine solche Ausgangslage für die Verfahrensbeteiligten* zu schaffen, dass sie ihre Rechte im Verfahren tatsächlich geltend machen können. Um mit Christian Broda zu sprechen, geht es dabei „um die Verwirklichung der Forderung, daß jeder Mensch, ohne Unterschied des Vermögens, des Einkommens, der Bildung und der gesellschaftlichen Stellung zu seinem Recht kommen können muß“.14 Der so verstandene Zugang zum Recht ist im Gleichheitsgedanken verankert.15 Dieser verlangt Ausgleich dort, wo ökonomische oder soziale Barrieren den Zugang zum Recht erschweren.16 Damit treten finanzielle Gesichtspunkte des Zugangs zum Recht in den Vordergrund.17 Zugang zum Recht wird zum leistbaren Zugang zum Recht18 und die Verfahrenshilfe zu einem Kernthema desselben.19 Die Verfahrenshilfe soll Rechtssuchenden die Inanspruchnahme einer Rechtsanwält*in in Fällen ermöglichen, in denen dies ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts sonst nicht möglich wäre (§§ 63 ff ZPO, § 61 Abs 2 StPO). Zugang zum Recht soll also durch Finanzierung eines Rechtsbeistandes sichergestellt werden, indem die Wahrnehmung von Rechten von der wirtschaftlichen Leistungskraft einer Person entkoppelt wird. Das gilt nach österreichischem Strafprozessrecht auch für Kriminalitätsopfer, die sich dem Verfahren als Privatbeteiligte* angeschlossen haben, sofern ihnen nicht juristische Prozessbegleitung zu gewähren ist (§ 67 Abs 7 StPO).
Zugang zum Recht bedeutet im rechtspolitischen Diskurs jedoch wesentlich mehr. Dazu zählt die Forderung nach klarer20 bzw bürgernaher21 Gesetzgebung, die die Notwendigkeit, Recht bei Gerichten und Behörden suchen zu müssen, von vornherein möglichst gering hält. Gemeint ist damit eine verständliche Gestaltung des materiellen Rechts. Für Kriminalitätsopfer ist dieser Gesichtspunkt insofern von untergeordneter Bedeutung, als es dabei um den sich aus den Delikten ergebenden Verhaltensmaßstab des Zusammenlebens in der Gesellschaft geht. Jene rote Linie, die nicht überschritten werden darf, ist ohnehin zumeist ausreichend klar. Erst dass sie im Einzelfall tatsächlich überschritten wird, macht eine Person zum Opfer. Relevant ist für Kriminalitätsopfer freilich die Gewährung von Rechtsansprüchen im Anschluss an die Begehung einer strafbaren Handlung. Zu denken ist hier an zivilrechtliche Ansprüche, allen voran Schadenersatzansprüche sowie an Ansprüche auf sozialstaatliche Leistungen nach dem Verbrechensopfergesetz (VOG)22 sowie Vorschussleistungen nach §§ 373a f StPO.
Zugang zum Recht umfasst auch und besonders die Einräumung von Verfahrensrechten.23 Erst die adäquate Ausgestaltung prozessualer Rechte erlaubt Rechtsdurchsetzung. Welche Rechte Kriminalitätsopfer im Strafprozess haben (sollen), ist damit eine Frage des Zugangs zum Recht.24 Die Diskussion darüber ist trotz der weitreichenden Entwicklung der Opferrechte in den beiden vergangenen Dekaden nach wie vor im Gang.25
Materielle und prozessuale Rechte allein verschaffen noch keinen Zugang zum Recht. Dieser setzt Kenntnis der eigenen Rechtsposition voraus.26 Nur wer seine Rechte kennt und weiß, an welchem Punkt das Verfahren steht, verfügt über die erforderliche Grundlage, um zu entscheiden, inwiefern er von seinen Rechten Gebrauch macht.27 Und eine Reihe weiterer Themen wird mit Verweis auf ihre Relevanz für den Zugang zum Recht diskutiert. Sie reichen von der Forderung nach rascher Rechtsdurchsetzung,28 über die Forderung nach alternativen Konfliktlösungsmodellen29 bis hin zur Barrierefreiheit von Gerichten und Behörden.30
Die Rechtssoziologie ordnet die Voraussetzungen des Zugangs zum Recht unter den Titel der „Mobilisierung von Recht“ ein.31 Dabei geht es um die Bedingungen, unter denen Menschen „Recht benutzen“32, dh ihre Rechte wahrnehmen. Unterschieden werden hierbei objektive und subjektive Faktoren der Mobilisierung.
Die objektiven Faktoren der Mobilisierung erfassen zT jene Aspekte, die auch Gegenstand der rechtspolitischen Forderung nach Zugang zum Recht sind, gehen aber darüber hinaus. Dazu gehört zu allererst die Existenz materieller Normen als Grundlage von Rechten.33 Des Weiteren bedarf es Verfahren und Verfahrensrechte, ohne die eine Mobilisierung nicht möglich ist. Eine zentrale Rolle spielen ferner die Mobilisierungskosten.34 Diese meinen nicht nur den finanziellen Aufwand, der mit der Wahrnehmung von Rechten verbunden ist. Vielmehr zählen dazu auch persönliche und soziale Kosten wie Informationen, Zeit, der soziale Ruf, das soziale Selbstbild und soziale Beziehungen.35 Gerade für Kriminalitätsopfer kann die Mobilisierung von Recht unter Effizienzgesichtspunkten wenig sinnvoll erscheinen; etwa wenn sich bei häuslicher Gewalt die Strafanzeige gegen den Partner richten würde und eine gewaltsame Reaktion derselben, finanzielle Nachteile oder familiäre Ausgrenzung erwartet werden.36 Die hohe Nichtanzeige-Rate von Opfern von Sexualdelikten37 wiederum kann als Ausdruck der von den Opfern antizipierten hohen persönlichen und sozialen Kosten, zu denen oft auch die befürchtete Stigmatisierung zählt, interpretiert werden. Es würde also zu kurz greifen, die Hürden des Zugangs zum Recht nur im Finanziellen zu sehen.
Die subjektiven Faktoren der Mobilisierung von Recht betreffen die subjektive Haltung der Einzelnen* zum Recht. Um die eigenen Rechte in einer bestimmten Situation wahrzunehmen, ist es erforderlich, in einer Situation überhaupt ein Rechtsproblem zu erkennen.38 Die dafür nötigen subjektiven Mobilisierungsfaktoren sind Rechtsbewusstsein, Rechtskenntnis und Anspruchswissen. Rechtsbewusstsein hat, wer über das grundlegende Wissen über die Existenz und die Geltung von Recht verfügt.39 Es handelt sich dabei um ein sehr allgemeines Wissen um Recht, das allerdings die Haltung zu den rechtlichen Instanzen beeinflusst. Gespeist wird das Rechtsbewusstsein (auch) aus der Erfahrung mit rechtlichen Instanzen. Wer seine Erfahrungen negativ bewertet, wird kaum erwarten, dass der Gang zur Polizei oder zu Gericht die eigene Lage verbessert.40 Konkreter als das Rechtsbewusstsein gestaltet sich die Rechtskenntnis als laienhaftes Wissen über das Recht,41 das im Bereich des Kriminalstrafrechts insbesondere als Wissen über strafrechtliche Verbote verstanden werden kann. Die Rechtskenntnis ist Voraussetzung für eine mit dem geltenden Recht übereinstimmende Bewertung der eigenen Lage; etwa, dass einem durch Zufügung einer Körperverletzung Unrecht getan wurde und dies Anlass für ein Strafverfahren ist. Allein Rechtskenntnis genügt für die Mobilisierung von Recht nicht. Dazu braucht es überdies instrumentelles Wissen oder Anspruchswissen betreffend die eigenen Rechte und deren Durchsetzbarkeit.42 Darunter ist die Erkenntnis zu verstehen, sein Recht legitimerweise einfordern zu können.43 Um bei dem zuvor genannten Beispiel einer Körperverletzung zu bleiben, bezieht sich das Anspruchswissen des Opfers auf das Recht, Strafanzeige erstatten und in einem dadurch angestoßenen Strafverfahren vom Täter Schadenersatz fordern zu können. Das Anspruchswissen und insgesamt die Mobilisierung von Recht können durch gezieltes Empowerment unterstützt werden.44
Empowerment als Voraussetzung des Zugangs zum Recht meint die Ermächtigung von Verfahrensbeteiligten* zur prozessualen Selbstbestimmung.45 Das gilt auch und besonders für Kriminalitätsopfer, die sich aufgrund des Viktimisierungserlebnisses in einer Ausnahmesituation befinden. Unter den zahlreichen Rechten, die Kriminalitätsopfer in Österreich haben, gibt es eine Reihe, die ihnen Zugang zum Recht verschaffen sollen.46
Das Empowerment von Kriminalitätsopfern setzt idealerweise bereits vor einem Strafprozess an. IdS haben die Mitgliedstaaten gem Art 8 Abs 1 der OpferschutzRL sicherzustellen, dass Opfer ihrem Bedarf entsprechend vor, während sowie für einen angemessenen Zeitraum nach Abschluss des Strafverfahrens kostenlos Zugang zu Opferunterstützungsdiensten erhalten, die im Interesse der Opfer handeln und dem Grundsatz der Vertraulichkeit verpflichtet sind. Das schließt vielfältige Informationen, emotionale und gegebenenfalls psychologische Unterstützung sowie Beratung in rechtlichen, finanziellen und praktischen Fragen iZm der Straftat sowie zum Risiko und zur Verhütung einer wiederholten oder sekundären Viktimisierung ein (Art 9 Abs 1 OpferschutzRL). Die Hilfeleistung spezialisierter Opferunterstützungsdienste geht noch darüber hinaus (Art 9 Abs 3 OpferschutzRL). Der Zugang zu Opferunterstützungsdiensten, der eines der Kernstücke der OpferschutzRL ist,47 darf gem Art 8 Abs 5 OpferschutzRL nicht von der förmlichen Anzeige einer Straftat abhängig gemacht werden. Für den Fall der Anzeigeerstattung liegt es gem Art 8 Abs 2 OpferschutzRL in der Verantwortung der Mitgliedstaaten, die Vermittlung der Opfer an Opferunterstützungsdienste zu erleichtern. Das Guidance Document der EU-Kommission zur OpferschutzRL versteht hierunter auch die Verpflichtung, Opfer danach zu fragen, ob sie mit Opferunterstützungsdiensten in Kontakt treten oder von solchen kontaktiert werden wollen.48
Die StPO sieht demgegenüber nur die Verpflichtung von Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaft und Gericht vor, Opfer über die Möglichkeit, Hilfeleistung zu erhalten, zu informieren (§ 10 Abs 2 StPO). Die praktische Relevanz dieser Informationsverpflichtung bleibt für Opfer freilich meist gering. Für Opfer stellt der Kontakt mit Strafverfolgungsbehörden und Gerichten zumeist eine Ausnahmesituation dar, was sich auf ihre Aufnahmefähigkeit von derlei Informationen nachteilig auswirkt. Abgesehen davon ist der Schritt von der Information über Opferunterstützungsdienste hin zur Kontaktaufnahme mit einem Unterstützungsdienst meist ein großer, den nicht viele Opfer aus eigenem Antrieb gehen (können). Selbst der vom Weissen Ring österreichweit betriebene telefonische Opfernotruf (0800 112 112) setzt eine Initiative des Opfers voraus. Für den Zugang von Kriminalitätsopfern zur Opferhilfe bedeutet dies eine beträchtliche Hürde. Eine automatische Weitergabe der Opferdaten an Opferunterstützungsdienste, die von sich aus mit den Opfern in Kontakt treten, ist gegenwärtig nur iZm Betretungs- und Annäherungsverboten vorgesehen (§ 25 Abs 3, § 38a Abs 4, § 56 Abs 1 Z 3 SPG).49
Das Recht, zu verstehen und verstanden zu werden, stellt einen fundamentalen Faktor für den Zugang zum Recht dar. Die OpferschutzRL sieht dafür in Art 3 eine detaillierte Regelung vor, die von der Zielsetzung geleitet ist, dass Opfer ab dem ersten Kontakt mit einer zuständigen Behörde im Strafverfahren verstehen und selbst verstanden werden (Abs 1). Jegliche Kommunikation mit dem Opfer ist in einfacher und verständlicher Sprache zu führen, wobei persönlichen Merkmalen wie einer Behinderung des Opfers Rechnung zu tragen ist (Abs 2). Umzusetzen ist das Recht, zu verstehen und verstanden zu werden, gem Art 7 OpferschutzRL durch kostenlose Dolmetsch- und Übersetzungsleistungen für Opfer, die die Verfahrenssprache nicht verstehen oder sprechen. Erforderlich ist dazu (jeweils) ein Antrag des Opfers (Abs 1). Mündliche Dolmetschleistungen sind Opfern jedenfalls bei Vernehmungen im Strafverfahren (Art 7 Abs 1) und bei Anzeigeerstattung (Art 5 Abs 2) zur Verfügung zu stellen. Im Übrigen richtet sich der Umfang der Dolmetschleistungen nach der Stellung des Opfers in der jeweiligen Strafrechtsordnung, sodass Dolmetschleistungen Opfern auch bei (allfälliger) aktiver Teilnahme an Gerichtsverhandlungen zu gewähren ist (Art 7 Abs 1). Eine kostenlose schriftliche Übersetzung hat in Bezug auf jene Informationen zu erfolgen, die für die Ausübung der Opferrechte im Strafverfahren wesentlich sind; dies freilich nur soweit, als diese Informationen Opfern überhaupt zur Verfügung gestellt werden (Art 7 Abs 3).50 Zu den wesentlichen zu übersetzenden Informationen zählen jedenfalls die verfahrensbeendende Entscheidung samt Begründung (Art 7 Abs 3),51 die schriftliche Anzeigebestätigung (Art 5 Abs 3) und die Information über Zeitpunkt und Ort der Hauptverhandlung, sofern die Opfer auf diese Information Anspruch haben (Art 7 Abs 4). Im Übrigen können Opfer mit entsprechender Begründung die Einstufung eines Dokuments als wesentlich beantragen (Art 7 Abs 5). Eine Entscheidung, mit der die Gewährung von Dolmetsch- und Übersetzungsleistungen abgelehnt wird, unterliegt der Anfechtung nach nationalem Recht (Art 7 Abs 7).
Eine Angleichung der österreichischen Rechtslage an die genannten Vorgaben der OpferschutzRL erfolgte durch das StPRÄG I 2016. Gem § 66 Abs 1 Z 5 und Abs 3 StPO haben Opfer, die der Verfahrenssprache nicht mächtig sind, dh diese nicht sprechen oder verstehen, ein Recht auf kostenlose Übersetzungshilfe, wozu neben mündlichen Dolmetschleistungen auch die schriftliche Übersetzung wesentlicher Aktenstücke gehört. Wesentliche Aktenstücke sind gem § 66 Abs 3 StPO die Bestätigung der Anzeige, die Verständigung von der Einstellung des Ermittlungsverfahrens samt Begründung sowie die Ausfertigung des Urteils bzw der Strafverfügung. Die Aufzählung hat demonstrativen Charakter.52 Beantragt das Opfer die Übersetzung von weiteren Schriftstücken oder Teilen davon,53 so hat es dies außer bei offenkundiger Relevanz zu begründen. Die Gewährung schriftlicher Übersetzungshilfe hängt in solchen Fällen davon ab, ob diese zur Wahrung der Rechte und Interessen des Opfers iSd § 10 StPO erforderlich ist (§ 66 Abs 3 letzter Satz, § 56 Abs 1 StPO). Schriftliche Übersetzungshilfe kommt unter den genannten Voraussetzungen Opfern unabhängig von einem allfälligen Privatbeteiligtenanschluss zu.54 Gehörlosen oder stummen Opfer ist eine Dolmetscher*in für die Gebärdensprache beizugeben, sofern sich das Opfer darin verständigen kann (§ 66 Abs 3, § 56 Abs 7 StPO). Ist dies nicht der Fall, ist zu versuchen, mit dem Opfer schriftlich oder auf andere geeignete Art, in der es sich verständlich machen kann, zu verkehren. Die Entscheidung über jegliche Übersetzungshilfe hat zu treffen, wer die jeweilige Amtshandlung leitet.55
Im Strafprozess bilden Informations- und Verständigungsrechte jene Basis, auf der Kriminalitätsopfer als Verfahrenssubjekte im Strafprozess agieren können.56 Erst die Kenntnis der eigenen Rechte und des Verfahrensstands ermöglichen es ihnen, sich im Prozess den eigenen Interessen entsprechend zu artikulieren.57 IdS hält ErwGr 26 der OpferschutzRL fest:
„Die Opfer sollten so genau informiert werden, dass sichergestellt ist, dass sie eine respektvolle Behandlung erfahren und in Kenntnis der Sachlage über ihre Beteiligung am Verfahren entscheiden können. Besonders wichtig ist in diesem Zusammenhang die Unterrichtung des Opfers über den Stand des Verfahrens. …“
Dies unterstreicht auch das Guidance Document der EU-Kommission, das betont, dass Opfer idealerweise von Amts wegen mit den nötigen Informationen versorgt werden sollen.58 Gem Art 4 Abs 1 der OpferschutzRL sind Opfer beim Erstkontakt mit einer zuständigen Behörde über die ihnen zustehenden Verfahrensrechte zu informieren; die Informationen darüber können gem Art 4 Abs 2 OpferschutzRL entsprechend den konkreten Bedürfnissen und den persönlichen Umständen des Opfers und je nach Wesen oder Art der Straftat unterschiedlich umfangreich bzw detailliert ausfallen. Zu den verpflichtend mitzuteilenden Informationen gehört gem Art 6 Abs 1 und 2 der OpferschutzRL auch das Recht der Opfer, auf Antrag über die wesentlichen Verfahrensschritte informiert zu werden. Genannt werden in diesem Zusammenhang ua Informationen über jedwede Entscheidung, auf das Strafverfahren zu verzichten bzw dieses einzustellen oder die Täter*in nicht strafrechtlich zu verfolgen, sowie Informationen über Zeit und Ort der Hauptverhandlung und die Art der gegen die Täter*in erhobenen Beschuldigungen.59 Vorgesehen ist überdies die Möglichkeit, sich über die Freilassung oder Flucht der Täter*in verständigen zu lassen (Abs 5 leg cit).
Die österreichische StPO hat Informationspflichten von Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaft und Gericht gegenüber Opfern zu einem Verfahrensgrundsatz (§ 10 Abs 2 StPO) erhoben. Konkretisiert wird dieser Grundsatz durch eine Reihe allgemeiner und spezieller Informations- und Verständigungsrechte. Während allgemeine Informationsrechte eingreifen, sobald ein Ermittlungsverfahren gegen eine bestimmte Beschuldigte* geführt wird, sind spezielle Informationsund Verständigungsrechte für bestimmte Opfergruppen bzw Opfer in bestimmten Verfahrenskonstellationen vorgesehen.60 Die Erstinformation der Opfer umfasst neben Entschädigungs- und Hilfeleistungsmöglichkeiten gem § 70 Abs 1 StPO die wesentlichen Opferrechte (§§ 66 bis 67 StPO). Ein Informationsaufschub ist nur ausnahmsweise erlaubt, wenn besondere Umstände befürchten lassen, dass ansonsten der Zweck der Ermittlungen gefährdet wäre. Jene Opfergruppen, die berechtigt sind, Prozessbegleitung zu verlangen, sind über die Voraussetzungen der Prozessbegleitung spätestens vor ihrer ersten Vernehmung zu informieren. Bis dahin müssen auch besonders schutzbedürftige Opfer Information über ihre Verfahrensrechte erhalten (§ 70 Abs 2 StPO). Spätestens bei ihrer Vernehmung sind sämtliche Opfer darüber zu informieren, dass sie das Recht haben, auf Antrag vom Verbleib der inhaftierten Beschuldigten* verständigt zu werden (§ 70 Abs 1 StPO).
Informations- und Auskunftsrechte können Opfern Rechtskenntnis freilich nur bedingt vermitteln. Um Kriminalitätsopfer entsprechend ihrer individuellen Aufnahmefähigkeit und -bereitschaft über ihre Rechte zu informieren und sie bei der Wahrnehmung ihrer Rechte zu unterstützen, bedarf es weitergehender Anstrengungen. Neben den bereits erwähnten Opferunterstützungsdiensten kommt der psychosozialen und juristischen Prozessbegleitung hierbei eine bedeutende Rolle zu, sofern Kriminalitätsopfer dazu Zugang haben. Gem Art 9 Abs 1 lit a OpferschutzRL sind Opfer im Rahmen ihrer Unterstützung durch Opferunterstützungsdienste in Bezug auf ihre Rechte, ihre Stellung im Strafverfahren sowie nationale Entschädigungsprogramme zu beraten und zu unterstützen. Das schließt auch die Vorbereitung auf die Teilnahme am Strafprozess mit ein. Zudem ist ihnen emotionale und psychologische Unterstützung zu gewähren (Art 9 Abs 1 lit c OpferschutzRL). Diese Gesichtspunkte der Opferunterstützung korrespondieren mit der psychosozialen und juristischen Prozessbegleitung nach österreichischem Recht. Während jedoch Opfern nach Art 8 Abs 1 OpferschutzRL ihrem Bedarf entsprechend Zugang zu Opferunterstützungsdiensten zu gewähren ist, ist die Prozessbegleitung auf bestimmte Opfergruppen beschränkt.61 Die psychosoziale und juristische Prozessbegleitung österreichischen Zuschnitts stellt damit einen spezifischen Ausschnitt der von der OpferschutzRL den Mitgliedstaaten aufgetragenen Opferunterstützung dar.
Gem § 66b Abs 1 StPO ist bestimmten, typischerweise besonders belastete Opfergruppen auf Verlangen kostenlose psychosoziale und juristische Prozessbegleitung zu gewähren, „soweit es zur Wahrung ihrer prozessualen Rechte unter größtmöglicher Bedachtnahme auf ihre persönliche Betroffenheit erforderlich ist“. Die psychosoziale Prozessbegleitung umfasst die Vorbereitung der Betroffenen auf das Verfahren und die damit verbundenen emotionalen Belastungen sowie die Begleitung zu Vernehmungen im Ermittlungs- und Hauptverfahren, die juristische Prozessbegleitung hingegen die rechtliche Beratung und Vertretung durch eine Rechtsanwält*in62 (§ 66b Abs 2 StPO). Dadurch erhalten Opfer spezifische Unterstützung in der für sie ungewohnten und neuerlich belastenden Situation, die ein Strafverfahren für sie idR bedeutet.63 War die Prozessbegleitung ursprünglich auf Opfer zugeschnitten, die durch eine vorsätzlich begangene Straftat Gewalt oder gefährlicher Drohung ausgesetzt oder in ihrer sexuellen Integrität beeinträchtigt worden sein könnten (§ 65 Z 1 lit a StPO), sowie bestimmte Angehörige einer Person, deren Tod durch eine Straftat herbeigeführt worden sein könnte (§ 65 Z 1 lit b StPO), so wurde der Kreis der Anspruchsberechtigten schrittweise erweitert. Zugang zu Prozessbegleitung haben nunmehr64 Opfer, deren persönliche Abhängigkeit durch eine vorsätzlich begangene Straftat ausgenützt worden sein könnte, Opfer terroristischer Straftaten (§ 278c StGB), Opfer von beharrlicher Verfolgung (§ 107a StGB), fortdauernder Belästigung im Wege einer Telekommunikation oder eines Computersystems (§ 107c StGB) und Verhetzung (§ 283 StGB), Opfer von übler Nachrede (§ 111 StGB), Vorwurf einer schon abgetanen gerichtlich strafbaren Handlung (§ 113 StGB), Beleidigung (§ 115 StGB) und Verleumdung (§ 297 StGB), wenn auf Grund bestimmter Anhaltspunkte angenommen werden kann, dass eine solche Tat im Wege einer Telekommunikation oder unter Verwendung eines Computersystems begangen wurde, sowie minderjährige Zeug*innen von Gewalt im sozialen Nahraum, die iSd StPO gar keine Opfer sind (§ 66b Abs 1 lit b–e StPO). Trotz dieser Erweiterung des Kreises der Anspruchsberechtigten gibt es nach wie vor Opfergruppen, die der Prozessbegleitung bedürften, ohne dass sie in eine der gesetzlichen Gruppen fallen, etwa traumatisierte Opfer von Wohnungseinbrüchen. Insofern ist zu überdenken, ob das Empowerment von Kriminalitätsopfern durch die Prozessbegleitung ausreichend ist.
Charakteristisch für die Prozessbegleitung ist, dass sie für Opfer kostenfrei ist.65 Sie setzt damit anders als die Verfahrenshilfe, für die es zentral auf die wirtschaftliche Bedürftigkeit des Opfers ankommt, bei der Erforderlichkeit für das jeweilige Opfer in psychosozialer und rechtlicher Hinsicht an und soll so niederschwellig Zugang zum Recht verschaffen.
Opfern Zugang zum Recht durch Beseitigung finanzieller Hürden zu ermöglichen, ist Ziel der Verfahrenshilfe. Gem Art 13 OpferschutzRL haben Opfer Anspruch auf Prozesskostenhilfe (legal aid), wenn sie als Partei im Strafverfahren auftreten. Die Bedingungen und Verfahrensbestimmungen richten sich nach dem nationalstaatlichen Recht. So ist in Österreich Opfern, die sich dem Strafverfahren zur Durchsetzung ihrer zivilrechtlichen Ansprüche aus der Straftat als Privatbeteiligte* angeschlossen haben, unter bestimmten Voraussetzungen Verfahrenshilfe durch unentgeltlich Beigebung einer Rechtsanwält*in zu gewähren (§ 67 Abs 7 StPO). Dies setzt voraus, dass das jeweilige Opfer sonst außerstande ist, die Kosten einer anwaltlichen Vertretung ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten. Darüber hinaus muss die Verfahrenshilfe im Interesse der Rechtspflege liegen, va dadurch, dass die Vertretung im Interesse einer zweckentsprechenden Durchsetzung der Ansprüche zur Vermeidung eines nachfolgenden Zivilverfahrens erforderlich ist. Gerade diese Voraussetzung reduziert für Opfer die Chancen, Verfahrenshilfe zu erlangen. Denn nach verbreiteter Ansicht soll die Verfahrenshilfe der Privatbeteiligten* nur dann im Interesse der Rechtspflege liegen, wenn im Antragszeitpunkt eine endgültige Erledigung der Ansprüche im Strafverfahren naheliegt.66 Dies ist in der Verfahrensrealität jedoch nur sehr selten der Fall.67 Ausgehend vom Wortlaut des § 67 Abs 7 StPO, der die Vermeidung eines nachfolgenden Zivilverfahrens lediglich beispielhaft als Bedingung der Verfahrenshilfe nennt, ist eine solche restriktive Auslegung freilich nicht zwingend.68 Überdies ist Verfahrenshilfe nur zu gewähren, sofern kein Anspruch auf juristische Prozessbegleitung besteht. Das gilt selbst für den Fall, in dem das Opfer zwar keine juristische Prozessbegleitung beantragt hat, die Voraussetzungen dafür aber erfüllt sind.69 Bedenkt man, dass Opfer im österreichischen Strafprozess allein kraft ihrer Opfereigenschaft den Status eines Verfahrenssubjekts – in der Diktion der OpferschutzRL einer Prozesspartei70 – haben, so erscheint die Beschränkung der Verfahrenshilfe auf Privatbeteiligte* unter den genannten Bedingungen als sehr restriktiv. Allerdings ist die Verfahrenshilfe nicht isoliert, sondern im Verein mit der juristischen Prozessbegleitung zu betrachten, die für die berechtigten Opfergruppen der Sache nach die Funktion der Verfahrenshilfe erfüllt. Nur so lässt es sich erklären, dass Opfer, die Anspruch auf juristische Prozessbegleitung haben, von der Verfahrenshilfe ausgeschlossen sind. Zusammengenommen decken die Verfahrenshilfe und die juristische Prozessbegleitung ein durchaus beachtliches Spektrum an Opfern ab. Zu einem Ungleichgewicht unter den verschiedenen Opfergruppen führt freilich, dass Opfer, die keinen Anspruch auf juristische Prozessbegleitung haben, den engen Voraussetzungen der Verfahrenshilfe unterliegen.
Das Recht, sich vertreten zu lassen, hat va, aber nicht nur für Opfer Bedeutung, die weder Prozessbegleitung noch Verfahrenshilfe in Anspruch nehmen können. Die OpferschutzRL nimmt in verschiedenen Zusammenhängen auf die rechtliche Vertretung Bezug. Am klarsten kommt das Recht, eine Rechtsvertreter*in zu wählen, in Art 4 Abs 1 lit d OpferschutzRL zum Ausdruck, wonach Opfer beim Erstkontakt mit einer zuständigen Behörde auch darüber zu informieren sind, wie und unter welchen Voraussetzungen sie Rechtsbeistand, Prozesskostenhilfe oder sonstigen Beistand erhalten können. Deutlicher als die OpferschutzRL formuliert hingegen § 73 StPO das Recht auf Vertretung. Danach haben Opfer wie Haftungsbeteiligte*, Privatbeteiligte*, Privatankläger*innen und Subsidiarankläger*innen das Recht, sich durch eine Rechtsanwält*in, eine nach§ 25 Abs 3 SPG anerkannte Opferschutzeinrichtung oder eine sonst geeignete, aber nicht notwendig rechtskundige Person71 vertreten lassen. Wie sinnvoll die Vertretung durch eine nicht rechtskundige Person im Allgemeinen ist, muss dahingestellt bleiben. Für Opferhilfeeinrichtungen, die nicht nach § 25 Abs 3 SPG anerkannt sind, ist der zuletzt genannte Vertretungstatbestand jedoch die Grundlage für Vertretungen außerhalb der Prozessbegleitung und damit wesentlich für ihre Arbeit.72 Die Vertreter*in steht dem Opfer beratend und unterstützend zur Seite und übt vorbehaltlich anderer Regelungen die Verfahrensrechte des Opfers aus (§ 73 StPO). Für Opfer im Kindesalter ist gem Art 24 Abs 1 lit c OpferschutzRL wiederum eine besondere Vertreter*in zu bestellen, wenn die Träger des elterlichen Sorgerechts auf Grund eines Interessenkonflikts das Opfer nicht vertreten dürfen oder wenn das kindliche Opfer unbegleitet oder von seiner Familie getrennt ist. Dieser Bestimmung entspricht § 66a Abs 3 StPO durch die Regelung, dass in den genannten Fällen beim Pflegschaftsgericht die Bestellung einer Kurator*in anzuregen ist.
Ein einfaches, aber wirkungsvolles Instrument des Empowerments von Opfern im Strafprozess ist das Recht, bei Vernehmungen eine Vertrauensperson beizuziehen. Dadurch weiß das Opfer in der idR ungewohnten Vernehmungssituation eine emotionale Stütze bei sich. Entsprechend statuiert Art 20 lit c OpferschutzRL das Recht, dass Opfer während strafrechtlicher Ermittlungen von einer Person ihrer Wahl begleitet werden, und zwar neben dem Recht auf Begleitung durch die rechtliche Vertreter*in.73 Seine Grenzen findet dieses Recht im gerichtlichen Ermessen; auch kann die Beiziehung einer Vertrauensperson begründet verweigert werden. Ergänzend regelt die OpferschutzRL das Recht auf Beiziehung einer Vertrauensperson, wenn das Opfer beim Erstkontakt mit einer zuständigen Behörde Hilfe benötigt, um zu verstehen oder verstanden zu werden (Art 3 Abs 3). In Österreich haben grundsätzlich alle Zeug*innen das Recht, auf Verlangen ihrer Vernehmung eine Vertrauensperson beizuziehen (§ 160 Abs 2 StPO). Für besonders schutzbedürftige Opfer wird dieses Recht in § 66b Abs 2 Z 6 StPO eigens hervorgehoben. Zwar ändert sich der Rechtsgehalt des § 160 Abs 2 StPO für besonders schutzbedürftige Opfer nicht, doch muss diese Opfergruppe spätestens vor der ersten Vernehmung über das Recht auf Beiziehung einer Vertrauensperson informiert werden (§ 70 Abs 2 StPO). Wird die Beiziehung einer Vertrauensperson einem besonders schutzbedürftigen Opfer gegenüber abgelehnt, so sind ihm die Gründe dafür mitzuteilen (§ 66a Abs 4 StPO).74 Die von der Zeug*in benannte Person kann als Vertrauensperson ausgeschlossen werden, wenn die Rolle als Vertrauensperson mit anderen prozessualen Rollen bzw der Zielsetzung der Wahrheitserforschung in Konflikt gerät. Das gilt gem § 160 Abs 2 StPO für Verdächtige*, Zeug*innen, sonstige Verfahrensbeteiligte* und Personen, deren Anwesenheit die freie und vollständige Aussage beeinflussen könnte. In der Praxis bewährt hat sich die Beiziehung von Mitarbeiter*innen von Opferschutz- bzw Opferhilfeeinrichtungen. Zwingend beizuziehen ist eine Vertrauensperson, wenn die Zeug*in psychisch krank, vergleichbar in ihrer Entscheidungsfähigkeit beschränkt oder unmündig ist (§ 160 Abs 3 StPO). Während der Hauptverhandlung ist unter sinngemäßer Anwendung von § 160 Abs 2 und 3 StPO jedenfalls drei Vertrauenspersonen des Opfers auf dessen Verlangen Zugang zur Verhandlung zu gewähren (§ 230 Abs 2 StPO).
Verfahrensrechte, die Zugang zum Recht verschaffen sollen, zielen häufig auf die Geltendmachung bestimmter materieller Rechte wie beispielsweise Schadenersatzansprüche ab. Für Kriminalitätsopfer ist Zugang zum Recht allerdings nicht nur die prozedurale Seite einer Medaille, auf deren anderer Seite materielle Opferrechte zu finden sind. Eine Reihe von Opferrechten im Strafprozess ist nicht auf die Wahrnehmung materieller Rechtsansprüche hin ausgerichtet. Man denke an das Recht, an kontradiktorischen Vernehmungen und Tatrekonstruktionen teilzunehmen (§ 66 Abs 1 Z 5, § 150 Abs 1, § 165 Abs 2 StPO), sowie an das Recht, während der Hauptverhandlung anwesend zu sein und Angeklagte*, Zeug*innen und Sachverständige* zu befragen (§ 66 Abs 1 Z 6, § 249 Abs 1 StPO). Diese Partizipationsrechte sind von der Geltendmachung zivilrechtlicher Ansprüche im Wege der Privatbeteiligung unabhängig. Hinter diesen Rechten stehen vielmehr legitime Interessen von Kriminalitätsopfern, ihre Sichtweise in den Strafprozess einzubringen, durch ihr Sonderwissen gezielt Fragen zu stellen und so zur Wahrheitsfindung beizutragen.75 Nach der Intention des Gesetzgebers sollen die Beteiligungsrechte Opfern bei der Bewältigung der Tatfolgen helfen und ihre berechtigten Genugtuungsinteressen befriedigen, was wiederum zu einer Stärkung des „Wiedergutmachungsaspekts im Rechtsfolgenbereich“ führen soll.76 Die Partizipation am Verfahren dient also letztlich der Wiederherstellung des gestörten Rechtsfriedens. Diese Gesichtspunkte bilden auch die Basis für das Recht des Opfers, die Fortführung eines durch die Staatsanwaltschaft eingestellten Verfahrens zu verlangen (§ 66 Abs 1 Z 8, § 195 StPO). Es kann als Anerkennung der berechtigten Genugtuungsinteressen von Opfern, zumindest jedoch als Anerkennung ihres Interesses an Strafverfolgung gedeutet werden.77
Tatsächlich haben Kriminalitätsopfer ein Interesse, dass „ihr“ Fall aufgeklärt werde, was sich insbesondere auf die Ermittlung der Täter*in bezieht,78 sowie ein Interesse, dass die Täter*in bestraft werde.79 Dieser Wunsch nach Bestrafung bezieht sich nur zT auf Strafe iSd Strafrechtsdogmatik. Vielmehr kann er für etwa zwei Drittel der Opfer bereits durch ein diversionelles Vorgehen befriedigt werden.80 Untersuchungen zu den Partizipationswünschen von Kriminalitätsopfern im Strafverfahren zeigen, dass immerhin knapp die Hälfte der Opfer ein Interesse hat, sich verstärkt in den Strafprozess einzubringen.81 Diese Partizipationswünsche dürften vom Interesse an der Sanktionierung der Täter*in angetrieben werden.82 Aufgrund der Linzer Opferbefragung kann für Österreich festgehalten werden, dass Opfer am deutlichsten an Informationsrechten und Rechten zur Mitwirkung an der Wahrheitserforschung interessiert sind, also an Befragungsrechten in der Hauptverhandlung, am Recht zur Mitwirkung bei der Sachverhaltsfeststellung und bei Vernehmungen sowie am Recht auf Akteneinsicht.83
In der Verfahrenswirklichkeit nehmen Opfer ihre Partizipationsmöglichkeiten im Strafprozess freilich nur sehr zurückhaltend wahr. Dies ergibt sich für Österreich aus einer breit angelegten Studie, die die Rechtspraxis des österreichischen Ermittlungsverfahrens nach der Strafprozessreform des Jahre 2008 erforscht. Sie basiert auf der Untersuchung von etwa 5.000 Verfahrensakten in Fällen, die nach dem 1. März 2009 durch Anklage, Einstellung oder Diversion abgeschlossen wurden.84 So wurde Akteneinsicht nur von 2,7 % der Opfer beantragt, die Ausübung dieses Rechts erfolgte fast ausschließlich durch die Rechtsvertreter*in des Opfers.85 Auch verfügten nur 2 % der Opfer über einen Rechtsbeistand, und weniger als 1 % der Opfer stellten einen Antrag auf Fortführung des Ermittlungsverfahrens.86 Ein Grund für diese geringe Inanspruchnahme der genannten Verfahrensrechte mag darin liegen, dass nur ein sehr geringer Teil der Opfer über juristische (1,8 %) bzw psychosoziale (1,4 %) Prozessbegleitung verfügte. Selbst vom Recht auf Privatbeteiligung machten in den untersuchten Fällen nur 12,1 % der Opfer Gebrauch.87 Beweisanträge wurden von den Privatbeteiligten* kaum gestellt.88 Die Diskrepanz zwischen den erwünschten Partizipationsrechten und deren tatsächlicher Wahrnehmung ist insofern bemerkenswert, als sich die Erkenntnisse der Linzer Opferbefragung auf die Rechtslage vor Inkrafttreten des StPRefG 2004 im Jahr 2008 beziehen, die Opfern nur geringe Mitwirkungsmöglichkeiten einräumte. Das StPRefG 2004 ließ viele der noch in der Linzer Opferbefragung erwünschten zusätzlichen Mitwirkungsrechte Realität werden, ohne dass Opfer aber in nennenswertem Ausmaß davon Gebrauch machen. Dies lässt vermuten, dass der Zugang zu den nunmehr weitreichenden Partizipationsmöglichkeiten im Strafprozess nicht ungehindert ist. Diese Annahme wird gestützt durch eine von der Europäischen Grundrechteagentur in Auftrag gegebene qualitative Studie betreffend den Zugang von Kriminalitätsopfern zum Recht in Österreich. Danach entfaltet die aktive Mitwirkung von Opfern am Strafprozess nur geringe Bedeutung;89 va weil Polizist*innen, Staatsanwält*innen und Richter*innen darin eine Gefahr für die Verteidigungsrechte der Beschuldigten* erblicken. Vielmehr wird die Rolle des Opfers im Strafprozess weiterhin vornehmlich in jener der Zeug*in gesehen. Dieser Befund bestätigt sich auf europäischer Ebene in einer von der Europäischen Grundrechteagentur durchgeführten Studie: Sofern Mitgliedstaaten Kriminalitätsopfern (überhaupt) Mitwirkungsrechte im Strafprozess einräumen, existieren diese Rechte häufig nur auf dem Papier.90
Zusammenfassend ist festzustellen, dass für Kriminalitätsopfer Zugang zum Recht auch die Möglichkeit bedeutet, sich im Strafverfahren ihren legitimen Interessen entsprechend – und zwar auch an einem bestimmten Verfahrensausgang – zu artikulieren. In diese Richtung weist auch die Rechtsprechung des EGMR, was zur grundrechtlichen Dimension des Zugangs zum Recht führt.
Die Grundrechte der EMRK haben nicht nur Abwehrcharakter, sondern erlegen dem Staat auch Gewährleistungspflichten auf. Während der erstgenannte Aspekt vor staatlichen Eingriffen in die Freiheitssphäre des Einzelnen schützen soll, verpflichtet der zweitgenannte Aspekt den Staat, positive Maßnahmen zum Zweck des Grundrechtsschutzes zu ergreifen.91 Dazu zählt, abhängig von der Art und Bedeutung des zu schützenden Rechts, auch die Erlassung mit Strafe bewehrter gesetzlicher Verbote,92 die als Bestimmungsnormen präventiv wirken und vor Grundrechtseingriffen schützen sollen. Soweit die präventive Wirkung solcher Verbote im Einzelfall aber versagt und eine irreversible Grundrechtsverletzung eintritt, hat iSd grundrechtlichen Gewährleistungspflichten immerhin eine staatliche Untersuchung der Grundrechtsverletzung stattzufinden.93 Der EGMR stützt diese Verpflichtung einerseits auf das jeweils verletzte Grundrecht und entnimmt den Art 2, 3, 4, 5 sowie 8 eine prozedurale Komponente.94 Die Schutzpflicht des Staates, die die genannten Grundrechte betrifft, verlängert sich auf diese Weise.95 Diese Judikatur bezieht sich überwiegend, aber nicht nur96 auf Grundrechtseingriffe von staatlicher Seite. Andererseits leitet der EGMR die Untersuchungsverpflichtung aus dem Recht auf wirksame Beschwerde gem Art 13 EMRK ab. Danach hat jede Person, die in Rechten oder Freiheiten iSd EMRK verletzt wurde, das Recht, eine wirksame Beschwerde bei einer nationalen Instanz einzulegen. Dieses Recht wird verletzt, wenn der Staat im Fall einer gravierenden Menschenrechtsverletzung seiner Untersuchungsverpflichtung nicht nachkommt.97 Das Verhältnis beider Argumentationssäulen ist vielschichtig,98 bisweilen nimmt der EGMR sowohl eine Verletzung der prozeduralen Komponente der Art 2 bzw 3 EMRK als auch eine Verletzung von Art 13 EMRK an.99
Die Anforderungen an die erforderliche staatliche Untersuchung wurden in reichhaltiger Judikatur ausdifferenziert. In Fällen gravierender Menschenrechtsverletzungen ist ein Ermittlungsverfahren durchzuführen, was eine umfassende strafrechtliche Untersuchung der Vorwürfe sowie die Identifizierung und Bestrafung der verantwortlichen Personen miteinschließt.100 Dem wird nur durch den ernsthaften Versuch der Wahrheitserforschung unter Berücksichtigung der zur Verfügung stehenden, angemessenen Beweismittel Genüge getan.101 Die Untersuchungsverpflichtung bezieht sich folglich auf deren Mittel, nicht jedoch deren Ergebnisse.102 Die Durchführung eines Ermittlungsverfahrens hat amtswegig zu erfolgen103 und schließt die Gewährung von Partizipationsmöglichkeiten an die Opfer mit ein. So ist den Opfern effektiver Zugang zum Strafverfahren zu gewähren,104 sodass sie ihre berechtigten Interessen wahrnehmen können.105 Auch die Beteiligung der Opfer hat von Amts106 wegen und nicht bloß auf Antrag107 zu erfolgen.108 Überdies ist den Opfern angemessener Zugang zu den relevanten Dokumenten zu gewähren.109 Der so definierte Zugang zum Strafverfahren bezog sich in der Judikatur des EGMR ursprünglich auf die nächsten Angehörigen einer getöteten Person.110 In jüngerer Zeit stellte der EGMR fest, dass den Opfern selbst Zugang zum Strafverfahren zu gewähren ist.111 Um als Opfer zu gelten, genügt es nach stRsp des EGMR, dass jemand mit einer gewissen Plausibilität behauptet, Opfer einer Menschenrechtsverletzung geworden zu sein.112
Was das Verfahrensergebnis betrifft, so haben Opfer keinen Anspruch auf eine (bestimmte) Strafe der verurteilten Person.113 Doch ist eine der Menschenrechtsverletzung angemessene Strafe zu verhängen, um den nötigen Abschreckungseffekt zu erzielen.114
Die Judikatur des EGMR zur Pflicht des Staates, gravierende Menschenrechtsverletzungen in einem dafür geeigneten Verfahren zu untersuchen, kommt dem Wunsch von Opfern an der Aufklärung „ihres“ Falles115 entgegen. Dasselbe gilt für den Zugang zum Verfahren, der Opfern zu gewähren ist, damit sie ihre berechtigten Interessen wahrnehmen können. Auch wenn der EGMR bislang nicht weiter ausführte, um welche Interessen es dabei geht,116 so anerkennt er damit doch, dass Opfer auf Grund ihrer Opferwerdung legitime Interessen haben, die sie in einem Strafverfahren artikulieren können sollen. Insgesamt legt der EGMR in bemerkenswert konkreter Weise klar, in welcher Form Opfern schwerwiegender Menschenrechtsverletzungen Zugang zum Recht zu gewähren ist. Er trägt damit auch zum Verständnis von Art 47 GRC bei, der im Bereich der durch Unionsrecht garantierten Rechte oder Freiheiten das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf statuiert.117
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