Von Hexen und Unholden
Ein christlicher, nützlicher, und zu diesen
unseren gefährlichen Zeiten notwendiger Bericht,
aus Gottes Wort, geistlichen und weltlichen Rechten
und auch sonst aus allerlei Historien gezogen.
Anfänglich vor 86 Jahren durch Ulrich Molitor
von Konstanz, Doktor der Rechte, lateinisch in Form
eines Gespräches verfaßt, und jetzt wiederum
auf das treulichste verdeutscht und in
bestimmte Dialoge abgeteilt.
Durch
Konrad Lautenbach,
Pfarrherr von Hunaweiler.
Anno 1575.
Impressum.
© 2021 Nicolaus Equiamicus (Hrsg. u. Bearb.)
Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt.
ISBN: 978-3-7543-8614-9
Es haben von der Zauberei
Ihrer viel geschrieben mancherlei,
Doch ist keiner unter allen,
Der mir so wohl hätt’ gefallen,
Als dieser Ulrich Molitor,
Von Konstanz, der Rechten Doktor.
Welcher in ein kleines Büchelein
Den ganzen Spann gefasset ein,
Doch alles im Latein gestellt,
Wie es den gelehrten Herrn gefällt.
Weil jedoch nicht jedermann,
Das Latein recht wohl verstehen kann,
Hab ich der Sachen nachgedacht,
Und sein Büchlein nun zu Deutsch gemacht,
Verhoff den Frommen insgemein,
Wird meine Arbeit wohl gefällig sein.
Der Herr verleih uns seine Gnad’,
Daß uns des Teufels List nicht schad’.
Amen.
Konrad Lautenbach.
DEM ehrenwerten und wohlachtbarsten Herrn Johann Haubensack, Landrichter zu Markirchen und im Leberthal etc. Seinem gütigen Herrn wünscht Konrad Lautenbach, Pfarrherr von Hunaweiler, Gnade und Frieden durch Jesus Christus, unseren Herrn, Amen.
GROSSGÜNSTIGER Herr. Demnach sich eben in diesen Jahren viel und je länger, je mehr Unruhe mit den gottlosen Weibern (welche man Hexen und Unholde nennt) in unseren und gleichwohl auch in anderen Landen zuträgt und begibt und welche Plage, leider, nun schon viele Jahre währt, und noch kein Aufhören absehbar ist; Gott wolle sich über uns erbarmen. Weswegen bei gelehrten und ungelehrten Leuten allerhand Fragen aufgeworfen wurden, darum nun darüber auch etliche lateinische und deutsche Traktätlein von solchem Hexenwerk und Zauberei geschrieben und in Druck gegeben wurden, deren viele den gutherzigen Leser jedoch mehr verwirren und in Aberglauben führen, als auf richtige Wege ziehen und bringen. Nun ist aber, meines Bedenkens, keiner so kurz und richtig mit dieser Materie umgegangen als eben dieser Dr. Ulrich Molitor, welches mich auch veranlaßt hat, solche seine Meinung aus dem Latein in unsere deutsche Sprache zu übertragen. Insbesondere aber, weil diese Plage zu unseren Zeiten nicht weniger, ja heftiger als eben zu seinen, des Autors Zeiten, leider hin und wieder im Schwange geht. Und ich habe also solches, Euer Weisheit, als meinem mir günstigen geliebten Herrn, nicht ohne Ursache widmen wollen, mit der demütigen Bitte, solche kleine Arbeit mit christlichem Gemüt aufzunehmen. Und tue es hiermit, Euer Weisheit, dem Allmächtigen zu Gnaden und angenehmen Diensten befehlen.
Gegeben zu Hunaweiler,
den 6. August im Jahre Christi 1575.
ZU Ehren des durchlauchtigen und hochgeborenen Fürsten und Herrn, Herrn Sigismund, Erzherzog von Österreich, Steiermark, Kärnten etc.
Verfaßt von Ulrich Molitor von Konstanz, Doktor der Rechte, auch Leser in der Hohen Schule zu Pavy und Advokat in Rechtssachen.
DURCHLAUCHTIGER, hochgeborener Fürst, gnädigster Herr: Euer Fürstliche Gnaden seien meiner untertänigsten Dienste versichert. Nachdem die vergangenen Jahre eine besondere Plage mit den Hexen und Unholden oder Zauberinnen in Euer Fürstlichen Gnaden Ländereien entstanden ist und etliche Weiber, die dieser Ketzerei halber verdächtig gewesen und gefänglich eingezogen worden sind, die auch in peinlicher Frage viel bekannt haben, worüber Euer Fürstliche Gnaden Räte uneins waren, da einer dieses der andere ein anderes geschlossen, ist schließlich auch meiner bei Euer Fürstliche Gnaden gedacht worden. Und weil Euer Fürstliche Gnaden von Natur aus der Wahrheit begierig sind, ist mir durch derselben Euer Fürstliche Gnaden Räte befohlen worden, meine Gedanken von dieser Sache schriftlich niederzulegen.
Obwohl es nun sowohl mühselig als auch gefährlich ist, mühselig deshalb, da ich sonst mit anderen Geschäften beladen bin, gefährlich aber um der Mißgönner und Lästermäuler willen, die alles, was sie gleich nicht bessern, ja vor eitler Grobheit auch nicht verstehen können, dennoch tadeln und mit ihren giftigen Zungen verleumden und verlästern. Zudem, daß auch wohl vortreffliche Leute in dieser Materie nicht zweifelsfrei haben richten können: So erkenne ich mich doch schuldig, Euer Fürstlichen Gnaden mit meinem Leib und geringem Verstand nach bestem Vermögen zu dienen, will mich auch keineswegs schonen, damit Euer Fürstlichen Gnaden nur willfahren werden möge. Unterwerfe darum diese meine Arbeit Euer Fürstlichen Gnaden und derselbigen hochverständigen Räte, und im besonderen dem hochgelehrten, vornehmen Herrn Konrad Stürtzel, Doktor beider Rechte, Euer Fürstlicher Gnaden Sekretär, und meinem alten Schulmeister.
Und weil die Gespräche bei den alten Rednern allgemein lustiger und lieblicher zu lesen sind, so habe ich auch diesen Bericht in der Form eines Gespräches zwischen zwei oder drei Personen darstellen wollen.
Weil ich den wohlweisen und vornehmen Herrn Konrad Schatz, dieser löblichen Stadt Konstanz Städtemeisters und Amtmann, seit vielen Jahren schon als einen verständigen und wohlberedten Mann kenne, der auch solcher Weiber Aussage und Bekenntnis sehr oft gehört hat, und mit welche mich auch vielmals gute Gespräche gehalten habe, so habe ich es auch für gut angesehen, diesen Bericht nach der Form und Gestalt eines Gespräches zwischen Euer Fürstlichen Gnaden, demselbigen genannten Herrn Konrad und mir darzustellen. Will also mit Euer Fürstlichen Gnaden Gunst zur Sache schreiten und den ganzen Handel zum Eingang dieses Berichtes in etliche Fragestücke verfassen.
So empfange denn, durchlauchtiger, hochgeborener Fürst und gnädigster Herr, das Gespräch dieses Traktats, welches ich Euer Fürstlichen Durchlaucht zu Ehren, zur Erheiterung der Gemüter und allen gutherzigen Christen zum Besten verfaßt, und bitte, Euer Fürstliche Gnaden wollen diese meine Arbeit in Gnaden erkennen und aufnehmen. Und wenn hierin etwas übersehen oder anders, als es sich gehört und der Wahrheit gemäß, gesetzt worden ist, dasselbige nicht eigener Vermessenheit, sondern meiner Unwissenheit zuzuschreiben. Tue mich hiermit in Euer Fürstliche Gnaden Schutz und Schirm untertäniglich befehlen. So lebe denn wohl. Seiest du ewig mit Glück gesegnet als eine Zierde des Vaterlandes, von Gott und dem ganzen Volk geliebter, ehrenreicher Fürst.
Gegeben zu Konstanz,
den 10. Tag des Januars. Anno Christi 1489.
Euer Fürstlichen Durchlaucht untertänigster Rat und Diener
Ulrich Molitor von Konstanz,
Doktor der Rechte.
DEN Anfang dieses Gespräches macht der durchlauchtige, hochgeborene Fürst und Herr, Herr Sigismund, Erzherzog von Österreich etc.
Sigismund: Lieber und getreuer Doktor Ulrich, weil wir einen besonderen geneigten Willen zu dir tragen, darum, daß du wohl um uns verdient bist, so haben wir auch eine besondere Lust, mit dir, vor anderen, über die gegenwärtigen Fragen zu reden.
Ulrich: Durchlauchtiger, hochgeborener Fürst, wiewohl es mich sehr freut, daß Euer Fürstliche Gnaden mich zu diesem Gespräch für tüchtig erkennen, so ist doch auch Konrad Schatz, unser Städtemeister, ein verständiger, erfahrener Mann, und mein sehr guter Freund, vorhanden. Sofern es nun Euer Fürstlichen Gnaden nicht zuwider ist, wollen wir auch seine Meinung zuvor hören.
Sigismund: Ja, wir sind damit zufrieden, denn uns ist wohl bewußt, daß er eines hohen Verstandes und kurzweiligen Gespräches ist. Da wir uns denn der Hexen und Unholden halber unterreden wollen, so fällt zuerst die Frage vor: Ob die Hexen und Unholden auch Hagel, Donner und Regen in der Tat machen können.
Konrad: Wiewohl ich mich zu solchen wichtigen Sachen, die auch wohl den allergelehrtesten Leuten zu schaffen machen, zu ungeschickt befinde, und wie Sokrates zu sagen pflegt, das allein weiß, daß ich nichts weiß, will ich jedoch auf Euer Fürstliche Gnaden Begehren hin, ein wenig zu der Sache reden und Ursache geben, über den Handel weiter und besser nachzudenken.
Sigismund: Wohlan, so fange an.
Konrad: Es ist ein Sprichwort bei den Philosophen: „Es ist nicht alles fehl, was man gemeinhin sagt.“ Nun geht die allgemeine Rede, die Hexen sollen Donner und Hagel gemacht, der Frucht auf dem Feld und den Menschen damit großen Schaden getan haben. So bekennen sie auch in der peinlichen Frage selbst, und man weiß aus der täglichen Erfahrung, daß sie einander solche Künste gelehrt haben.
Sigismund: Es ist aber nicht immer auf das allgemeine Gerede zu gehen oder einem jeden Geschrei zu glauben. Denn es redet immer einer aus des anderen Mund. Wir lassen uns auch nicht sättigen an dem Bekenntnis, das sie in der Folter und strengen Marter tun, nachdem oft einer aus Furcht und Schmerzen in peinlicher Frage etwas bekennen muß, das er nie getan hat. Wir wollen aber gerne die Sachen, die man mit Augen nicht sehen kann, aus gutem Grund und gewissen Ursachen erkundigen und verstehen. Denn eine rechtschaffene Disputation beruht auf satten Zeugnissen und Beweisen.
Ulrich: Die Erfahrung ist wahrlich in Erörterung der Sache nicht zu verwerfen, denn die Erfahrung lehrt alle Dinge, wie steht in Cap. Ubi periculum, de elect. lib. 6. Daher ist das allgemeine Sprichwort: Experto crede Ruperto, das ist: „Glaube einem, der es erfahren hat.“
Sigismund: Daß die Hexen und Unholden hierin nichts vermögen, beweise ich daher: Denn wenn die Weiber solche Dinge könnten und zuwege zu bringen wüßten, so dürften Fürsten und Herren in Kriegsläufen ihre Lehensleute nicht aufmannen, oder Kriegsknechte annehmen, um den Feind damit zu überfallen, Land und Leute zu verderben, Städte und Dörfer zu verbrennen; sondern es wäre genug, daß man eine solche Zauberin beorderte, mit sicherem Geleit verwahrte und anstiftete, den Feind in seinem Land mit Donner, Hagel und Unwetter anzugreifen und zu schädigen. Wir sehen aber wohl, daß sie solches nicht vermögen, und wenn sie auch von Fürsten und Herren (davor Gott sei) angestellt und dazu gebraucht werden sollten, und sie es auch für sich selbst gern tun wollten. Daraus ist dann zu schließen, daß sie solches nicht vermögen. Daneben, so lehrt uns auch unser christlicher Glaube, daß Gott allein die Sterne und Elemente nach seinem Gefallen regiere und des Himmels Lauf in eine bestimmte Ordnung fasse, wie auch Boëthius im Buch De Consolatione sagt:
Perpetua mundum ratione gubernat,
Stabilis manens dat cuncta moveri.
Das ist:
Gott regiert die ganze Welt,
Auf gewisse Weis’ wie’s ihm gefällt.
Er bleibt allezeit beständig,
Und macht andere Dinge wendig.
Wie sollten dann die Unholden durch des Teufels Hilfe und Beistand dem obersten Regenten, der allen Dingen eine bestimmte Ordnung vorschreibt, Eingriffe tun, des Himmels Lauf hindern und anderes ausrichten können?
Konrad: Es reden zwar Euer Fürstliche Durchlaucht nicht unrecht davon. Es ist aber gleichwohl auch zu erwägen, was im 7. Kapitel des 2. Buches Moses steht, daß Moses vor Pharao, dem König in Ägypten, viele Zeichen und Wunder vollbracht hat, und die Zauberer eben dieselbigen Wunderwerke nachgetan haben. Denn sie haben durch ihre Zauberei das Wasser in Blut verwandelt und das Land voll mit Fröschen gemacht. Deswegen ist aus den Büchern des Alten Testaments zu beweisen, daß die Zauberer durch des Teufels Beistand das Wasser trübe machten, weil sie es in Blut verwandelt haben, und die Äcker und Felder mit Fröschen erfüllt haben. Desgleichen steht in dem 1. Kapitel des Buches Hiob, daß der Teufel einen großen Wind von der Wüste her erweckt habe, welcher auf die vier Ecken des Hauses gestoßen und es auf Hiobs Kinder geworfen habe, daß diese davon gestorben seien. Da hört man, daß der Teufel einen Wind erweckt und das Haus auf Hiobs Kinder geworfen habe. Es steht auch in genanntem Kapitel, daß der Teufel ein Unwetter gemacht habe. Denn der Text sagt: „Das Feuer fiel vom Himmel herab und verbrannte Schafe und Hirtenknaben.“ Zudem sagt auch Johannes in dem 7. Kapitel seiner Offenbarung: „Danach sah ich die vier Engel stehen auf den vier Ecken der Erde, die hielten die vier Winde der Erde, daß kein Wind über die Erde bliese, noch über das Meer, noch über einen einzigen Baum. Und sah einen anderen Engel aufsteigen vom Sonnenaufgang, der hatte das Siegel des lebendigen Gottes und schrie mit großer Stimme zu den vier Engeln, welchen gegeben ist, die Erde und das Meer zu beschädigen, und er sprach: Beschädigt die Erde nicht, noch das Meer, noch die Bäume, bis daß wir besiegelt haben die Knechte unseres Gottes an ihren Stirnen.“
Sigismund: Doktor Ulrich, wer sind dieselbigen vier Engel, welchen erlaubt wurde, die Erde zu beschädigen?
Ulrich: Es sind die Teufel.
Sigismund: Wird denn der Teufel auch ein Engel genannt?
Ulrich: Freilich wird der Teufel an demselbigen Ort, und anderswo oft, ein Engel genannt, weil er von Gott ausgesandt wird, wie die Glossa ordinaria daselbst erklärt.
Sigismund: Vielleicht hat Johannes solches im Geist gesehen und uns ein Bild seiner Offenbarung vorgestellt?
Konrad: Es bedarf keines Bildes, wenn ein Ding augenscheinlich ist, wie Euer Fürstliche Gnaden von den Zauberern Pharaos und aus der Geschichte Hiobs gehört haben. Weil man denn findet, daß diese Dinge geschehen sind, so mögen sich ohne Zweifel noch heutigen Tages dergleichen Sachen zutragen.
Ulrich: Von dieser Frage wollen wir (im folgenden Dialog) zum Ende noch weitläufiger handeln.
Sigismund: Weil wir von Bewegung und Änderung der Elemente zu reden kommen, so ist es nicht ungelegen zu fragen, ob sie auch den Menschen, und besonders den jungen Kindern, Krankheiten antun und Schaden zufügen können?
Konrad: Ich habe oft von Weibern gehört, daß den jungen Kindern in der Wiege mancherlei Krankheiten verursacht worden seien: Dem einen ist die Nase gekrümmt, dem anderen ein Auge ausgeschlagen und verdorben worden. Es haben auch die verfluchten Weiber oftmals in der Gefangenschaft und peinlichen Frage bekannt, daß sie aus gefaßtem Haß und Neid gegen die Eltern, mit des Teufels Beistand, den Kindern solchen Schaden zugefügt haben.
Sigismund: Du hast vorhin im vorhergehenden, ersten Dialog gehört, daß ich mich an erzwungenem Bekenntnis nicht will sättigen lassen, deswegen magst du wohl andere Beweise und Zeugnisse auf die Bahn bringen.
Konrad: Oben ist aus Hiob, Kapitel 1 berichtet worden, daß der Teufel einen Wind über Hiobs Kinder erweckt, sie damit überfallen und getötet habe. Euer Fürstliche Gnaden wollen auch unbeschwert sein, die Worte des heiligen Augustinus in dem 28. Kapitel des 21. Buches De civitate dei anzuhören, wo er Folgendes sagt: „Es steht einmal geschrieben: Es ist ein elendes, jämmerliches Ding um aller Menschen Leben von der Mütter Leib an, bis sie wieder in die Erde begraben werden, die unser aller Mutter ist. Das muß auch so erfüllt werden. Daher müssen denn auch die jungen Kinder, welche durch die heilige Taufe von der Erbsünde, mit der sie behaftet waren, gereinigt wurden, viel leiden und des bösen Geistes Ansturm ausstehen.“ Da hören ja Euer Fürstliche Gnaden, daß der heilige Augustinus der Meinung ist, daß die Kinder von den Teufeln angegriffen werden. Dergleichen sagt auch der heilige Lehrer Hieronymus in seinem Brief an Paulus De dormitione blesille: „Was ist doch die Ursache, daß oft zweijährige und dreijährige, ja auch saugende Kinder, von dem Teufel geschädigt werden?“ etc. Also ist nun sowohl aus der Heiligen Schrift als auch aus der heiligen Väter Zeugnisse bewiesen, daß der Teufel bisweilen junge Leute und unmündige Kinder schädigen und verderben könne.
Sigismund: Bisher haben wir von den jungen Kindern gesprochen, wie steht es aber um die alten und betagten Leute?
Konrad: Ich habe viele hinkende und lahme Leute gesehen, welche gesagt haben, der Schaden sei ihnen von den verfluchten Weibern angetan worden.
Sigismund: Wie redet aber die Schrift davon?
Konrad: Man liest in Sankt Simons und Judas’ Legende, daß die Zauberer Zaroch und Arphachsad vor dem König von Babel gestanden und seine Redner und Legaten zuerst stumm, lahm und blind und danach wieder redend, gerade und sehend gemacht haben. Das ist ja ein ausdrückliches Zeugnis, daß die Zauberer auch die alten Leute schädigen, lahm und blind machen und wieder zurecht bringen können.
Sigismund: Die Legaten und Redner, welche bezaubert wurden, sind ungläubige Leute und Heiden gewesen, die an Christus nicht geglaubt haben und mit dem Kreuz nicht bezeichnet worden sind.
Ulrich: Euer Fürstliche Durchlaucht reden recht davon, denn in derselbigen Legende steht auch, daß genannte Zauberer des Königs Legaten und Rednern weiter nichts mehr anhaben konnten, nachdem jene durch die heiligen Apostel bekehrt und mit dem Kreuz bezeichnet worden sind, unangesehen, daß die Zauberer dazu angereizt wurden und willens gewesen sind, ihnen Schaden zuzufügen.
Konrad: Lieber, wie hat denn der Teufel Hiob schädigen, mit bösen Blattern schlagen und dermaßen entstellen können, daß er auf dem Mist gelegen hatte und kaum den Atem zu holen vermochte, wie seine Geschichte zeigt. So er doch nach dem Zeugnis der Heiligen Schrift ein frommer Mann gewesen ist und nach Gottes Willen gewandelt hat. Gleichfalls liest man auch in Sankt Antonius’ Legende, daß ihn der Teufel hart geschlagen habe, wiewohl er ein gottesfürchtiger und Gott angenehmer Mann gewesen ist. Daraus erscheint, daß die Teufel auch über die heiligen Leute Gewalt haben und ihnen Schaden zufügen können. Da sie denn nun fromme Leute dermaßen antasten dürfen, wie sollten sie nicht vielmehr andere Menschen, deren Frommheit uns unbewußt ist, zu schädigen vermögen?
Sigismund: Ich verstehe je länger, je minder in dieser Sache und möchte wohl wissen, was hiervon zu halten wäre.
Ulrich: Euer Fürstliche Gnaden wollen’s jetzt hierbei beruhen lassen, hernach (im 9. Dialog) am Ende, wollen wir unsere Meinung von diesem und anderem weitläufiger darlegen.
Konrad: Ich habe viele schöne und gerade junge Gesellen gekannt, die bei Weibern gar nichts oder bei ihnen gar wenig vermocht haben, ja, die sich mit ihren eigenen Weibern nicht haben begehen können und darum bekannt haben, daß ihnen solches durch Zauberei zugefügt worden sei.
Sigismund: Die Leute reden mancherlei, woran nichts ist.
Ulrich: Hier stimmen wahrlich auch die geistlichen Rechte mit überein und bezeugen, daß ein Mensch, der sonst von Natur nicht kalt ist, dennoch durch Zauberei zu ehelichen Werken untüchtig gemacht werden könne. Wir haben auch in den päpstlichen Bescheiden einen besonderen Titel von den kalten und verzauberten Personen. Daher auch der Papst Hismarus in Cap. Si per sortiarias 33. questione 1 sagt: „Wenn der Beischlaf aus Gottes heimlichem, doch allwegen gerechtem Urteil und des Teufels Anstiftung nicht erfolgt, sollen die Verzauberten mit bußfertigem Herzen und demütigem Geist alle ihre Sünden Gott und dem Priester vollkommen beichten und bekennen.“ etc. Da sagt ja der Text, daß durch des Teufels Anstiftung die ehelichen Werke verhindert werden. Und wiewohl dieser Canon zur Erörterung gegenwärtiger Sachen genügen würde (denn die Canones sollen von jedermann gebilligt und angenommen werden, wie auch in Cap. 1, de constitutione steht), so handeln und bekennen doch eben solches auch die alten Lehrer. Denn der heilige Thomas sagt in 4. Supersententias dist. 34: „Die Zauberei bringe zuwege, daß einer ein Weib nicht beschlafen, des anderen aber wohl mächtig werden möge.“ Daher hat auch Hostiensis in Summa lib. 4 rubrica 17. De frigidis & maleficiatis, das ist von den Kalten und Verzauberten, gesagt: „Bisweilen werden die Männer durch Zauberei so untüchtig gemacht, daß sie sich mit einem Weib fleischlich vermischen können und sonst mit keiner anderen. Bisweilen aber wird ihnen die Mannheit so genommen, daß sie sich mit allen anderen Weibern begehen, einer aber allein nicht mächtig werden können.“
Sigismund: Das sind wunderliche Dinge und machen mir seltsame Gedanken, denn es muß ja ein seltsamer und wunderlicher Handel sein, da wir von Natur aus zu ehelichen Werken erschaffen sind, daß doch der Teufel uns dieselbige natürliche Kraft und Männlichkeit nehmen soll, ehe wir’s gewahr werden.
Ulrich: Ich bin selbst auch nun auf achtzehn Jahre, wie noch heutigen Tages, vor einem ehrsamen Rat zu Konstanz ein Advokat und Fürsprecher gewesen und mir sind viele solcher Sachen zu Händen gekommen, da die Weiber ihre Männer vor den Richtern verklagt haben, daß sie zu ehelichen Werken untüchtig und unmännlich wären.
Sigismund: Was ist aber in solchen Fällen für ein Urteil ergangen?
Ulrich: Es ist zu Recht erkannt worden, daß man dieselbigen verzauberten Männer den geschworenen Ärzten zu besichtigen befehlen sollte.
Sigismund: Wie ging es aber danach weiter?
Ulrich: Ich habe nachmals erfahren, daß die geschworenen Ärzte, nachdem sie die Beklagten besichtigt hatten, gesagt haben, sie seien nicht von Natur so kalt, sondern erst durch Zauberei ihrer Mannheit beraubt worden.
Sigismund: Was ist aber nach geschehener Besichtigung weiter für ein Urteil erfolgt?
Ulrich: Die Richter haben erkannt, daß die Parteien einander noch drei Jahre beiwohnen, die ehelichen Werke weiter versuchen, mittlerweile sich mit Fasten und reichlichen Almosen üben sollen, damit sie Gott, der den Ehestand eingesetzt hat, von dieser Zauberei ledig mache. Derweil ich aber am Ende dieses Traktats meine Meinung von dieser und anderen vorigen Fragen zu eröffnen gedenke, mögen Euer Fürstliche Gnaden nunmehr eine andere Frage auf die Bahn bringen.
Ulrich: Was halten Euer Fürstliche Gnaden hiervon?
Sigismund: Wir halten nichts davon.
Ulrich: Was aber verursacht und bewegt Euer Fürstliche Gnaden zu dieser Meinung?
Sigismund: Im Decret cap. Episcopi 26 q. 5 lautet der Text wie folgt: „Welcher glaubt, daß irgendeine Kreatur in eine bessere oder bösere Gestalt und Art verändert und verwandelt werden könne als allein vom Schöpfer, der alles erschaffen hat und durch welchen alles erschaffen worden ist, der ist ungläubig und ärger denn ein Heide.“
Konrad: Ich darf dem Canon wohl nicht widersprechen: Doch will ich aus den Geschichtsschreibern heranziehen, was ich vor Jahren gelesen habe. Denn was will man auf den Vergil antworten? Welcher in Bucolica Ekloge 8 erzählt: „Als Odysseus samt seinen Gesellen in der Irre umhergezogen ist und sie bei der Zauberin Circe Herberge gesucht haben, hat sie Circe aufgenommen und ihnen das Trinken verzaubert. Nachdem aber die Gäste den vergifteten Trank eingenommen hatten, sind sie in unvernünftige Tiere verwandelt, und einer zum Wolf, der andere zur Sau, der dritte zum Löwen geworden.“
Sigismund: Du kommst mit Fabeln daher, welche die Poeten erdichtet haben, denen nicht zu glauben ist.
Konrad: Die Poeten sind wahrlich nicht zu verwerfen. Denn Cælius Lactantius sagt, die Poeten haben Historien geschrieben, aber dieselbigen unter einem geschickten Gedicht verdeckt und verborgen. Zudem erzählt auch der christliche Lehrer Boëthius diese Geschichte im 4. Buch De Consolatione. Und seine lateinischen Verse lauten in Deutsch so:
Der Wind auf dem Meer ungestüm
Trieb Odysseus’ Schiff weit herum,
Und warf sie endlich in ein Land
Das weit und breit ist wohl bekannt,
Darin saß die Göttin Circe
Der Sonnen Tochter, ohne Ehe.
Die richtet zu am selben End
Durch Zauberei nicht unbehend
Den neuen Gästen einen Trank,
Davon sie nicht gar über lang
Verwandelt wurden allgemein,