In den Fängen
der GROSSEN ALTEN
von
Arndt
Ellmer
In den Fängen der
GROSSEN ALTEN
Arndt Ellmer
© 2020 Verlag Torsten Low
Rössle-Ring 22
86405 Meitingen/Erlingen
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Alle Rechte vorbehalten.
Cover:
Detlef Klewer
Lektorat und Korrektorat:
T. Low
eBook-Produktion:
Cumedio Verlagsservice – www.cumedio.de
ISBN (Buch):978-3-96629-010-4
ISBN (mobi):978-3-96629-305-1
ISBN (ePub):978-3-96629-304-4
v1/ b11
Inhalt
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Die Saat der GROSSEN ALTEN
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Das flammende Ungeheuer
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Der Plan der GROSSEN ALTEN
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Über den Autor
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Das ist nicht tot, was ewig liegt …
Die Saat
der
GROSSEN
ALTEN
Es war der erste Nebelmorgen im beginnenden Herbst. Der Kalender zeigte den vierundzwanzigsten September, und draußen huschten statt der üblichen Passanten bizarre Schatten durch die Straßen und verschwanden, kaum dass sie aufgetaucht waren. Die Geräusche der Pferdehufe und der Kutschenräder klangen anders als den Sommer über, so völlig anders. Dumpf hallten sie zu den Fenstern empor, als befände sich nicht mehr das Straßenpflaster unter ihnen, sondern eine teigige, zähe Masse, die sie am Vorwärtskommen hinderte. Wer jetzt nicht hinaus musste, dankte dem Schicksal und war froh. So manche Kindernase drückte sich am Fenster platt, um draußen wenigstens etwas zu erkennen.
Aber da war nur das Leichentuch, das sich über die Stadt gelegt hatte und alles an den Boden drückte, was nicht aus Fels bestand.
Jeremy Stafford schrak aus seinem Grübeln auf, als drunten im Hauseingang schwere Schritte erklangen. Das Zittern der Dielen war bis herauf zu hören, und wenige Atemzüge später polterten Stiefel die Holztreppe empor auf das Büro zu. Hickton Barclays Keuchen klang auf, der dicke Kanzleibote schnaufte in der Art einer Lokomotive und stürmte auf die Tür seines Arbeitgebers zu. Er riss sie auf und fiel beinahe in das Zimmer.
»Sir!«, ächzte er. Er stapfte auf den Schreibtisch los. Die Tür hinter sich ließ er offen stehen, eine nicht auszutreibende Unart von ihm. Gewöhnlich wies der Advokat ihn sofort darauf hin, diesmal unterließ er es. Stafford betrachtete mit gerunzelter Stirn die Schweißperlen im Gesichts seines Angestellten.
»Was in aller Welt ist los?«, fragte er.
»Sir!«, brach es erneut aus dem Mann hervor. Er hielt ein Papier in der Hand, an das er sich wie ein Ertrinkender an einen Rettungsring klammerte. »Mister Carter ist spurlos verschwunden!«
Stafford sprang auf. Er wunderte sich selbst ein wenig über die Behändigkeit, mit der er es tat. Eine unsichtbare Kraft zog ihn einfach aus dem Sessel empor. Er taumelte gegen die Schreibtischkante und stützte sich hastig ab.
»Carter!«, murmelte er dumpf. »Es kann nicht sein!«
»Fragen Sie Parks, Sir!«, rief Barclay. Er zog ein großes weißes Tuch aus der Rocktasche und wischte sich den Schweiß vom Gesicht. »Der alte Butler ist völlig außer sich. Er weiß nicht, was er tun soll.«
»Her damit!« Stafford riss dem Angestellten das Papier aus der Hand und hielt es hoch, damit das Licht der Deckenlampe auf die Zeilen fiel.
»Hochverehrter Mister Stafford!«, las er. »Lieber Freund! Wenn Sie diese Notiz in Händen halten, dann wird es mich nicht mehr geben. Ich werde vom Angesicht dieser Welt getilgt sein, als habe ich nie auf ihr gelebt. Bitte zweifeln Sie nicht. Ich werde keine Spur hinterlassen, so als habe ich mich in Luft aufgelöst. Die Nachwelt wird meinen Tod nie aufklären, und die Menschen werden die Warnung vergessen, die ich ihnen in meinen vielen Büchern zu übermitteln versuchte. Nur Sie kennen einen Teil der Hintergründe und damit der Wahrheit, verehrter Bridge-Partner, aber man wird Ihnen nicht glauben. Versuchen Sie erst gar nicht, mit Ihrem Wissen an die Öffentlichkeit zu treten. Man würde Sie nur auslachen!
Und denken Sie nicht, dass noch etwas zu ändern wäre. Das Verderben kommt und nähert sich meinem Haus. Ich spüre es fast schon körperlich, wie es herankriecht und schmatzt und zischt. Es will mich in die Dunkelheit ziehen, dorthin, wo Wesen wie wir keine Überlebenschance haben, oder wenn, dann in einer anderen fürchterlichen Existenzform, die ich keinem von uns wünsche. Wenn es jemals geschähe, dass ich zu einem solchen Monstrum würde, dann wünsche ich der Menschheit, dass ich niemals zurückkehren möge.
Mehr habe ich Ihnen nicht zu sagen, hochverehrter Freund. Sie kennen einen Teil meines Wissens, haben viele Einzelheiten zu einem furchtbaren Geheimnis erfahren. Sie werden verstehen, dass sich jetzt in dieser Stunde meine schlimmsten Albträume bewahrheiten. Sie haben mich gefunden und werden mich zu ihrem Werkzeug machen.
Tun Sie nichts, was Ihnen ein ähnliches Schicksal bescheren könnte, teurer Jeremy. Bezähmen Sie Ihre Neugier, ich beschwöre Sie bei allem, was mir heilig ist. Lassen Sie ruhen, was ruhen soll. Gehen Sie nicht den Weg, auf dem es keine Rückkehr gibt. Ihr sehr ergebener Randolph Carter.«
Der Anwalt ließ das Papier sinken. Aus seinem edelmütig geschnittenen Gesicht war alles Blut gewichen. Er starrte seinen Gehilfen an und stützte sich schwer auf die Tischplatte.
»Was haben Sie Parks geraten, Barclay?«
»Er soll warten. Nicht die Polizei verständigen. Es ist nicht das erste Mal, dass Mr. Carter für eine Weile verschwindet. Genau das habe ich dem Butler gesagt!«
»Es ist gut, das ist sehr gut. Sie haben umsichtig gehandelt, Hickton!«
Der Bote warf seinem Brotherrn einen überraschten Blick zu. Mr. Stafford war ein Herr von äußerst guten Manieren und hoher Bildung. Er wahrte in jeder Lebenslage die Etikette. Wenn er ihn jetzt bei seinem Vornamen nannte, dann verstand der Angestellte es als das, was es sein sollte: als Lob.
»Hat Parks Ihnen den Zettel gegeben?«, forschte Stafford weiter. Barclay schüttelte den Kopf.
»Ich fand ihn in der Bibliothek unter der Schreibtischauflage. Parks hatte keine Ahnung, dass der Brief existierte. Verzeihen Sie, Mister Stafford, natürlich hätte ich mir eine solche Einmischung in die Angelegenheiten von Mister Carter nie erlaubt, wenn ich nicht ab und zu Zeuge der Gespräche gewesen wäre, die Sie an vielen Bridgeabenden mit Mister Carter führten. Ich ahnte Schlimmes und begann mich sofort nach einem Hinweis umzusehen. Parks war übrigens nicht in der Lage, auf mein Klopfen zu öffnen. Vermutlich ist er auf sein Alter halb taub geworden. Ich betrat das Haus durch die halb offene Hintertür!«
Stafford senkte das Kinn auf die Brust. Er hatte Barclay mit einer Einladung zum Tee losgeschickt, die dieser nicht mehr hatte an den Mann bringen können. Wie es aussah, war es auch für lange Zeit die letzte mögliche Einladung an Randolph Carter gewesen.
»Sir! Mister Stafford!«
Der Anwalt hob ruckartig den Kopf.
»Ja, ja«, sagte er. »Ich überlege gerade, wie wir am besten …«
»Auf dem Holzboden in der Halle fand ich merkwürdige Spuren von eingetrocknetem Schleim, ziemlich dick«, platzte Barclay heraus. »So, als sei dort eine riesige Schnecke entlanggekrochen!«
»Es muss schlimmer sein, viel schlimmer«, murmelte Stafford und blickte durch den Dicken hindurch. Das Papier löste sich wie ein eigenständiges Wesen aus seinen Fingern, trieb in der von der Lampe erzeugten Warmluft auf und ab und sank schließlich unter den Schreibtisch. Er bückte sich, nahm es auf und starrte aus geweiteten Augen auf das leere Blatt. Die Buchstaben hatten sich aufgelöst, das Papier sah aus, als sei es noch nie benutzt worden. Jetzt entdeckte der Anwalt auch die winzigen Kritzel auf der Rückseite. Es handelte sich ebenfalls um Randolph Carters Handschrift, aber kleiner und krakeliger, ein Zeichen der Hektik und der Angst, in der der Schreiber sich zu diesem Zeitpunkt befunden hatte.
»GEHEN SIE NICHT ZU DEN FELSEN AUF DER ANDEREN SEITE DER BUCHT. BLEIBEN SIE AUF DIESEM UFER, DAS SIE KENNEN!«, lautete der Text. Er entlockte Stafford ein leises Stöhnen.
»Dort also!«, murmelte er. »Langsam begreife ich!«
»Soll ich jetzt die Polizei benachrichtigen?«, erkundigte sich Barclay.
»Nein. Sie weiß ebenso wie wir, dass Carter manchmal über Nacht verschwand und erst nach Monaten wieder von seinen Auslandsreisen zurückkehrte. Und womit sollen wir unseren Verdacht begründen?« Er hielt dem Angestellten die leere Vorderseite des Blattes vor die Augen. »Nein. Wir gehen anders vor.« Er ließ sich langsam in den schweren Sessel zurücksinken. Seine Lippen bewegten sich lautlos, und Barclay beseitigte derweil den Schweiß, der noch immer aus allen Poren in sein Gesicht drängte. Dabei beobachtete er seinen Chef aufmerksam.
»Rufen Sie eine Kutsche, Barclay!«, verkündete Jeremy Stafford. »Wir machen gemeinsam einen Besuch bei Mister Carter!«
***
Wenig später fuhr eine Kutsche zum Norton Square und die Washington Avenue hinab, bog einmal nach links, dann nach rechts und wieder nach links ein und folgte der von Blauzedern gesäumten Chaussee in Richtung Norden. Schließlich verschwand sie in einer schmalen Seitenstraße und hielt vor einem Haus, das sich hinter mächtige Haselnussbüsche duckte, als müsse es sich verstecken. Stafford entlohnte den Kutscher und schickte ihn in die Stadt zurück. Er folgte Barclay, der vorausgegangen war und ihn durch den Garten hinter das Haus und durch die noch immer offene Tür in das Innere des Gebäudes führte. Diesen Weg war Stafford noch nie gegangen, er kam ihm merkwürdig fremd vor. Auch das Betreten des Hauses von der falschen Seite löste ein ganz seltsames Gefühl in ihm aus. Der Anwalt schnupperte. Ein seltsamer Geruch lag in den Räumen, er erinnerte ein wenig an einen verwesenden Kadaver. Parks tauchte unter der Tür zum Salon auf und breitete hilflos die Arme aus.
»Guten Morgen, Mister Stafford!«, sagte er. »Es ist mir unerklärlich. Ich habe nichts gehört, kein Geräusch, rein gar nichts. Ich weiß nicht, was ich denken soll. Es wird doch besser sein, wenn ich die Polizei …«
»Das werde ich für Sie übernehmen«, nickte der Anwalt. »Auf dem Rückweg in die Stadt werde ich alles Nötige veranlassen. Doch jetzt wollen wir erst einmal sehen, was wir finden!«
Ein wenig wunderte er sich über seine Worte. Er glaubte nicht, etwas zu finden außer dem, was Barclay ihm bereits berichtet hatte.
Sie durchsuchten die beiden Stockwerke und danach den Dachboden und den Keller. Der fürchterliche Gestank beschränkte sich auf das Erdgeschoß und auf das Obergeschoß. In den anderen Etagen roch es frisch und ein wenig feucht, denn der Nebel drängte durch jede Ritze und setzte sich in jede Fuge.
Stafford nahm einen Küchenhandschuh und einen nassen Lappen und untersuchte die Schleimspuren am Fußboden. Sie bestätigten seine geheimen Befürchtungen, die er sofort gehabt hatte, als Barclay in das Büro geplatzt war. Es handelte sich nicht um Schneckenschleim, sondern um etwas anderes, Furchtbares.
»Kommen Sie, Hickton«, murmelte er. Sie kehrten zur Bibliothek zurück, und Stafford blieb auf der Schwelle des Raumes stehen.
»Kein Wort«, hauchte er. »Da ist etwas!«
Er vermochte es nicht in Worte zu fassen, was er spürte. Langsam und tastend streckte er einen Arm aus, so als erwarte er ein unsichtbares Hindernis. Dann, als seine Fingerspitzen keinen Widerstand spürten, machte er vorsichtig einen Schritt in den Raum hinein. Hatte Barclay nichts bemerkt, als er hiergewesen war und den Zettel gefunden hatte?
In dem Augenblick, in dem er die Schwelle übertrat, legte sich ein fürchterlicher Druck auf sein Gemüt und seinen Geist. Die Augen begannen ihn zu schmerzen, und er musste sich zusammennehmen, um nicht schnellstens kehrt zu machen. Der Gestank, der die unteren Räume des Hauses durchzog, nahm unversehens an Intensität zu.
Der angesehene Bostoner Anwalt blieb stehen und rührte sich nicht vom Fleck. Nur seine Augen bewegten sich, und sie nahmen alles in sich auf, was sich in dem Zimmer befand. Nicht die kleinste Kleinigkeit entging ihnen, und Jeremy Stafford prägte sich selbst die Stellung einzelner Bücher in den Bücherregalen ein, merkte sich Farbe und Aufschrift jener, die ein wenig vorstanden oder kleiner waren und zwischen den mächtigen Folianten kaum zu sehen waren.
Der Druck auf das Innere seines Kopfes schien ein wenig nachzulassen, oder es war einfach so, dass er sich daran gewöhnte. Einen Fuß vor den anderen setzend durchmaß er den Raum, umschritt den Büchertisch und ließ seine Hände über die Tischfläche gleiten. Hastig zog er sie zurück. Die Tischfläche war heiß, als handle es sich um eine Ofenplatte.
Stafford durchschritt die Bibliothek bis zu den Fenstern. Vorsichtshalber nahm er das Taschentuch hervor, wickelte es um den Fenstergriff und drehte ihn. Mit einem Ruck zog er den Fensterflügel auf, und ein gewaltiger Luftstoß jagte hinaus ins Freie und riss den Gestank mit. Hätte er einen Hut getragen, hätte der Luftzug ihn sicherlich mitgerissen.
Der Druck in seinem Kopf ließ nach, und er holte ein paarmal tief Luft, ehe er in den Raum zurückkehrte und vor dem Schreibtisch stehen blieb.
»Kommen Sie herein!«, sagte er. »Die Luft ist jetzt buchstäblich rein!«
Parks und Barclay kamen herbei, und Stafford ließ sich von seinem Angestellten genau beschreiben, wie er den Zettel gefunden hatte, von dem Parks erst jetzt erfuhr.
»Ihre Befürchtungen haben sich als außerordentlich berechtigt erwiesen, Parks«, sagte der Anwalt. »Einen solchen Brief hätte Carter nicht geschrieben, wenn er nicht mit dem Schlimmsten gerechnet hätte. Ich weiß leider nicht genug über ihn, seine Reisen und Erkenntnisse, um es genau beurteilen zu können. Und vor allem bin ich kein Mensch mit Erfahrungen in den Bereichen des Übersinnlichen!«
Er berührte die Lehne des Sessels und die Fläche des Schreibtisches. Sie waren kalt, und Stafford kehrte zum Büchertisch zurück. Die Oberfläche besaß nichts von der Hitze mehr, die er bei der ersten Berührung gespürt hatte. Brandspuren waren keine zu erkennen, und Staffords Gesicht wirkte ausgesprochen hart, als er sagte: »Ich weiß, unter welchen Gesichtspunkten Randolph Carter seine vielen Forschungsreisen betrieben hat. Aber dass es Magie wirklich gibt, dass unheimliche Kräfte wirken können, die alle uns bekannten physikalischen Gegebenheiten auf den Kopf stellen, das ist mir erst jetzt klar, seit ich dieses Zimmer betreten habe. Haben Sie beiden nichts gespürt, als Sie unter die Tür traten?«
Barclay und Parks schüttelten den Kopf, der Anwaltsgehilfe mit einer energischen Bewegung, die einen Wulst an seinem Hals bildete, der Butler langsam und matt.
»Ich weiß nichts, gar nichts, Sir«, beteuerte Parks. »Mister Carter hat es sich Ihnen gegenüber sicherlich nicht anmerken lassen, aber er war in den letzten Wochen sehr nachdenklich und gedrückt, so als rechne er damit, dass bald etwas Schlimmes geschehen könnte.«
»Womit er vermutlich Recht behalten hat«, nickte Stafford. Er setzte sich an den Tisch und musterte die Briefe und Notizen, die säuberlich geordnet in mehreren Stapeln auf der Unterlage ruhten. Er hob sie empor und blickte darunter, entdeckte aber nichts, was zusätzlichen Aufschluss zu dem Zettel gegeben hätte.
Wer bist du, Randolph Carter?, fragte er sich. Was ist deine Bestimmung hier auf Erden? Stafford wusste einiges über seinen Bridge-Partner, aber das war in einer solchen Situation viel zu wenig.
Randolph Carter nannte sich einen Mystiker, einen unruhigen Geist, einen Suchenden nach der Wahrheit und nach dem Bösen. Sein ganzes Leben lang trachtete er schon danach, hinter die Langeweile und die Beschränkungen der vordergründigen Realität zu blicken und die Dinge zu sehen, die sich dahinter befanden. Er selbst hatte immer in Boston gelebt, aber seine Vorfahren stammten aus den wilden und heimgesuchten Bergen hinter dem altersgrauen und hexenverfluchten Arkham. In jenen Regionen, von denen Carter oftmals als von den kryptisch brütenden Felsbastionen gesprochen hatte, sollte es seit vielen Jahrhunderten zu allen möglichen schrecklichen Ereignissen gekommen sein.
Zumindest eines davon hatte sich in diesem Jahrhundert abgespielt, und es war nur wenige Jahre her und stand in engem Zusammenhang mit dem Namen Harley Warren. Stafford hatte an langen Kaminabenden erfahren, was aus jenem Mystiker aus South Carolina geworden war, der in einer nebelwahnsinnigen, fürchterlichen Nacht auf einem alten Friedhof in eine salpetrige Gruft hinabgestiegen war, um nicht wieder heraufzukommen. Carter hatte nach ihm gerufen, bis er den klobigen, stinkenden Schatten wahrnahm, der den kalten modrig-feuchten Fels heraufkroch und ihm zuschrie, dass Warren tot war. Hier hatten Carters Nerven versagt, und er hatte die Flucht ergriffen.
Stafford stützte den Kopf in die Hände und schloss die Augen. Die beiden Männer im Hintergrund gaben keinen Laut von sich, und der Anwalt presste die Lippen aufeinander und formulierte lautlos seine Frage.
Du hast dein Leben lang nach der Erkenntnis der Welt hinter der Welt geforscht, Randolph Carter. Hast du sie jetzt endgültig gefunden? Bist du ein Teil von ihr geworden? Hast du das mit deinen Zeilen gemeint?
Als er sich erhob, leuchteten seine Augen in einem ganz merkwürdigen Glanz, und seine Wangen hatten sich gerötet. Sein ganzes Gesicht glühte wie im Fieber, und er eilte mit raschen Schritten zur Tür, blieb er plötzlich stehen und fuhr herum. Er starrte einen der Bücherschränke an, in dem alte und uralte Folianten standen. Seine Blicke schienen die Bücher durchbohren zu wollen, und seine Hände fuhren nach vorn, als zögen die Bücher sie magnetisch an. Dann jedoch riss er sich innerlich los und stürmte hinaus zur Treppe.
»Kommen Sie, kommen Sie!«, rief er. »Wir dürfen jetzt wirklich keine Zeit mehr verlieren!«
Unter der Haustür traf Stafford mit dem Butler hastig ein paar Absprachen, dann eilten die beiden Männer die Straße hinauf zur Avenue, wo ihnen das Glück in Form einer leeren Kutsche entgegenkam. Eine gute Viertelstunde später erreichten sie die Hauptwache, und Jeremy Stafford erstattete Bericht und informierte die Beamten vom Verschwinden Mister Randolph Carters.
Danach kehrten sie zur Kanzlei zurück, und der Anwalt machte seinem Angestellten Dampf.
»Bitte erledigen Sie alle noch anstehenden Botengänge. Und sagen Sie mein Diner im Juristenclub ab. Sehen Sie zu, dass Sie bis zum Nachmittag mit allem fertig sind.«
»Ja, Mister Stafford, wird sofort erledigt«, murmelte Barclay verwirrt. Er ahnte, dass sein Chef sich zu einer ganz ungewöhnlichen Entscheidung durchgerungen hatte.
»Und malen Sie ein Schild«, fügte Stafford hinzu. »Die Kanzlei bleibt die nächsten sechs Wochen geschlossen.«
»Sir!« Der dicke Mann atmete übertrieben heftig. »Sie werden doch nicht etwa allein die Spur …«
»Natürlich. Was haben Sie sich gedacht? Bezeichnen Sie es, wie Sie es wollen. Etwas wie Abenteuerlust hat mich gepackt, der Drang, ebenfalls hinter die Dinge zu sehen wie Randolph Carter.«
»Tut mir leid, Sir, aber in einem solchen Fall kann ich Sie unmöglich allein gehen lassen!«
Stafford fuhr herum und verlor beinahe sein Gleichgewicht.
»Was ist? Habe ich mich verhört?
»Nein, Sir. Ich habe genau wie Sie keine Frau und keine Kinder. Was also wundert es Sie, dass ich Sie begleiten werde?«
»Ich kann es nicht verantworten, Hickton!« Der Anwalt legte seinem Angestellten die Hand auf die Schulter. »Ich kann es vor meinem Gewissen nicht verantworten, andere Menschen in eine Angelegenheit mit hineinzuziehen, die ja nicht einmal mich etwas angeht, wenn man den Worten Carters Glauben schenkt.«
»Dennoch werde ich mitgehen. Ich habe mich entschieden. Nehmen Sie mich mit, Mister Stafford!«
Jeremy Stafford gab keine Antwort, aber in seinem Gesicht war abzulesen, dass er dem Drängen von Hickton Barclay nachgeben würde.
***
Barclay trug seinen unvermeidlichen schwarzen Sonntagshut und den Rucksack, in dem sie Frischproviant einschließlich Wasser sowie Konserven verstaut hatten. Stafford führte seinen Stockdegen mit sich, den Trommelrevolver, ein Fläschchen mit Weihwasser und den silbernen Dolch, den Carter ihm Weihnachten vor vier Jahren geschenkt hatte. In der linken Rocktasche steckte zusätzlich eine Batterielampe. Nebeneinander schritten die beiden Männer den staubigen Weg zwischen den Feldern entlang, der sich nach einer Weile nach unten senkte und zur Bucht hinabführte. Sie erreichten das Meer oberhalb der Fähre und hatten Glück. Das flache Wasserfahrzeug lag am Ufer, und sie bezahlten die Passage und ließen sich von dem mürrischen Schiffer hinüber auf die andere Seite bringen, wo die steilen Felswände aufragten und die Natur einen krassen Kontrast zur blühenden Natur auf dieser Seite der Bucht geschaffen hatte. Nichts wuchs dort, höchstens ab und zu ein Farn oder ein Krüppelgewächs, dessen Samen der Wind in einen der Schründe getragen hatte.
Oberhalb der Anlegestelle blieb Jeremy Stafford stehen. Seine dunklen Augen blickten ernst und wehmütig zugleich hinüber zu den Zinnen und den Kirchtürmen, deren Geläut über die Bucht herüber bis an ihre Ohren drang. Es war Abend geworden, die Sonne stand tief über dem Horizont und schickte sich an, ins Meer zu versinken. Die vergangenen Stunden waren dem Anwalt wie eine Ewigkeit vorgekommen. Eine innere Stimme trieb und drängte ihn und erfüllte ihn bis in die Haarspitzen mit Unrast und dem Bedürfnis nach Eile. Jetzt, am Fuß der Felsen und mit der Feuchtigkeit im Nacken, lief ein Zittern durch seinen Körper.
»Barclay!«, flüsterte er heiser. »Die Fähre ist noch in Hörweite. Sie haben jetzt Gelegenheit umzukehren. Ich hindere Sie nicht, wenn Sie es tun wollen. Ich lege es Ihnen sogar nahe. Ich werde allein weitergehen, in den aufkommenden Nebel und die Nacht hinein!«
»Sir, ich habe mich doch längst entschieden. Ich bin niemandem Rechenschaft über mein Tun schuldig außer dem Höchsten!« Er deutete mit den Augen zum Himmel hinauf. »Ich werde unser Land auch in der Fremde würdig vertreten.«
Stafford stieß ein heiseres, fremdartiges Lachen aus.
»Dort, wo wir hingehen, werden sich die Bewohner einen Dreck um unsere Herkunft scheren«, gab er zur Antwort und setzte sich in Bewegung. Unweit des Ufers mit seiner einschläfernden Brandung stiegen die Felsen steil empor, bildeten in der Höhe terrassenförmige Überhänge und bucklige Wölbungen. Dazwischen zogen sich schmale Rinnen entlang, der Aufstieg in dieses Massiv erschien unmöglich. Bei näherem Hinsehen jedoch erkannten sie die Pfade und Stufen, die hinauf zu den Terrassen führten und weiter hinein in die Klüfte, immer höher hinauf und weiter fort, wo sie sich dem menschlichen Auge entzogen. Stafford steuerte auf eine der natürlichen Treppen zu, die die Erosion geschaffen hatte. Am Ufer hinter ihrem Rücken bildete sich mit enormer Geschwindigkeit der erste Nebel und legte sich über das Wasser. Es wurde merklich kühler, und die Fähre verschwand hinter dem milchigen Vorhang.
Aber auch von den Felsen kroch die sich kondensierende Feuchtigkeit zu ihnen herab, und als der Anwalt den Fuß auf die erste Stufe der Naturtreppe setzte, da schlug der undurchdringliche Wall über ihm zusammen und verschluckte ihn. Er hatte Mühe, Barclays massige Gestalt hinter sich zu erkennen.
»Ich will mich wiederholen, Hickton«, sagte er. »Noch können Sie umkehren und die Fähre zurückrufen!«
»Der Fährmann würde es überhören. Der Nebel lässt keinen Ruf mehr durch. Ich glaube auch kaum, dass der Fährmann jetzt noch umkehren würde. Er ist froh, wenn er in den Hafen zurückgelangt, ohne in einer der gefährlichen Untiefen zu stranden.«
Schweigend setzten sie ihren Weg fort, stiegen beharrlich Stufe für Stufe empor und folgten dem gewundenen Pfad, der immer wieder seine Richtung änderte, als läge es in seiner Absicht, sie die Orientierung verlieren zu lassen. Der Nebel tat ein Übriges, und bald vermochten sie nicht mehr zu sagen, wo sich die Himmelsrichtungen befanden. Sie unterschieden allein noch zwischen dem Abgrund hinter sich und der Steilwand vor sich und hatten selbst da ihre Schwierigkeiten.
Gleichzeitig mit ihrem Aufstieg brach die Nacht herein. Der Nebel verschluckte den Zeitraum der Dämmerung, die Dunkelheit kam innerhalb weniger Minuten und verwehrte ihnen die Sicht.
Stafford tastete nach der Taschenlampe, die er in seiner Rocktasche trug, entschied sich dann aber gegen sie. Er ließ sich einen Kienspan aus dem Rucksack geben, eines dieser schmalen, pechgetränkten Hölzer, das lange brannte. Er entzündete ihn, und die Flamme schoss grell empor und fiel dann in sich zusammen, um mit verminderter Leuchtstärke weiterzubrennen. Der Nebel loderte in diesem flackernden Licht und tat alles, um es zu ersticken.
In der Felsbastion verging die Zeit rasend schnell. Bald zeigte die Uhr des Anwalts eine Stunde seit dem Beginn des Aufstiegs an, ohne dass sie das Ende der gewundenen Treppe erreicht hätten. Barclay kämpfte sich tapfer bergauf und schwitzte garantiert den letzten Tropfen Wasser aus, den sein Körper besaß. Doch beide Männer legten keinen Wert auf eine Rast, beharrlich folgten sie dem Pfad im Fels. Das Knirschen unter ihren Schuhsohlen hatte aufgehört, nach über zwölfhundert Stufen erfolgte der Schnitt. Die Treppe bestand hier oben aus künstlich in das Gestein gehauenen Vertiefungen, ohne eine Spur von Erosion oder Geröll. Blank lagen sie unter ihnen, als habe jemand gerade den Samstagsputz hinter sich gebracht. Der von der Bucht aus natürlich anzusehende Fels schimmerte hier oben nunmehr wie künstlicher, schwarzer Basalt, an dem ein Bildhauer sich ausgetobt hatte. Schatten ragten wie Gesichter auf die beiden Männer herab und regten ihre Phantasie an.
»Zweitausend!«, sagte Jeremy Stafford irgendwann. »Und noch immer ist kein Ende abzusehen. Gehen wir nicht schon die halbe Nacht?«
Die Uhr an seinem Handgelenk belehrte ihn, dass sie erst zwei Stunden in der Wand waren.
»Vielleicht bewegen wir uns im Kreis!«, schnaufte Barclay. »Langsam gehen meine Kräfte zu Ende. Ich werde wochenlangen Muskelkater in den Beinen davontragen und kaum laufen können!«
Über das Gesicht des Anwalts glitt ein Grinsen.
»Ich kann Sie trösten, Hickton. Das Gegenteil wird eintreten. Sie werden nichts von den Anstrengungen spüren!«
»Mir ist nicht nach Scherzen zumute!«
»Ich scherze nicht!«
Stafford hielt an und lehnte sich gegen das feuchte Gestein.
»Carter hat mir viel erzählt. Er berichtete von magischen Riten und magischen Wirkungen. Er schilderte, wie er persönlich das Vorhandensein solcher übersinnlichen Kräfte empfand und welche Schlüsse er daraus ableitete. Er berichtete, dass es möglich war, einen Menschen mit magischer Energie vollzupumpen und ihm im anderen Fall jede Energie aus der Psyche und aus dem Körper zu saugen wie mit einer Pumpe und mit dem Ergebnis, dass dieser Mensch tot umfiel, ohne dass ersichtlich war, woran er gestorben war. Carter nannte Beispiele von Vorgängen, deren Zeuge er gewesen war. Er ging in unseren abendlichen Kamingesprächen nie ins Detail, und manchmal gewann ich den Eindruck, als hielte er sich bedeckt, weil zu viel Wissen mich belasten musste. Oder weil er fürchtete, dass ich als Mitwisser einer Gefahr ausgesetzt wäre, die er für sich selbst sah. Er erzählte mir von steinernen Fragmente aus früher Urzeit, Überlieferungen eines Wissens, mit dem ein einziger Mensch sich die Erde untertan machen könnte um den Preis der Vernichtung jeden anderen Lebens. Er hat mir nie gesagt, wie er es anstellte, dass die Bewohner der Wüste ihn in jene tiefen Felshöhlen führten und ihm die Inschriften zeigten, die vor vielen Jahrhunderten von einem arabischen Dichter gefunden, übersetzt und in einem Bucht aufgeschrieben worden waren, das Al Azif genannt wurde. An einem Sonntagnachmittag, als wir gemeinsam an der Bucht entlangspazierten, zeigte er auf die Felsen und fragte mich, ob ich mir vorstellen könne, dass sie magische Energie ausstrahlen. Ich verneinte, und er lachte wie ein Schuljunge. Sie laden jeden Menschenkörper auf, der in ihre Nähe kommt, fuhr er fort. Sie gleichen den körperlichen Energieverbrauch sofort aus, dafür nehmen die Felsen ein wenig von der psychischen Substanz des Menschen in sich auf.
Das ist es, was mir Sorgen macht. Kommen Sie, Hickton, beeilen wir uns!«
Sie hasteten aufwärts, und irgendwann erlosch der pechgetränkte Kienspan. Zuvor warf Stafford noch einen Blick auf seine Taschenuhr, und er erstarrte. Wortlos zeigte er Barclay das Zifferblatt. Während er das von Carter erhaltene Wissen weitergegeben hatte, waren drei Stunden vergangen.
Drei Stunden für ein paar Worte.
»Wir haben Grund anzunehmen, dass Randolph Carter die Wahrheit gesagt hat«, erklärte der Anwalt mit sarkastischer Stimme und tastete sich im Dunkeln voran. Jetzt erst spürte er die Kälte der Nacht, die gegen die Felswand prallte und in seine Glieder kroch. Das Steigen strengte ihn übergangslos an, ein Zeichen, dass die magische Ausstrahlung der Felsbastion hier zu Ende war.
Die Felswand wich unter ihren tastenden Händen zurück, und Stafford entdeckte ein winziges Licht, das in der Finsternis glomm. Es flackerte im Wind, und er versuchte, die Entfernung zu schätzen. Es gelang ihm nicht, aber der fahle Schein reichte aus, die beiden Wanderer den Weg erkennen zu lassen. Die Treppe endete, ein schmaler Pfad führte in einen Felseinschnitt und auf eine Hochfläche hinauf. Je näher sie kamen, desto deutlicher wuchsen die Konturen dessen vor ihnen auf, was sie erwartete.
»Ein Haus!«, zischte der Anwalt. »Bei Gott! Carter hat ein solches Haus mit den lanzengleichen Zinnen und der schwarzen Kugel in der Mitte des Daches erwähnt, aber nie auch nur Andeutungen gemacht, wo es sich befinden könnte. Ich bin sicher, das ist dieses Haus, von dem er gesprochen hat!«
Auf der Anhöhe, keine zwanzig Yards von dem Gebäude entfernt, blieben sie stehen. Sie sahen hinaus über die Bucht zum gegenüberliegenden Ufer. Von der Stadt mit ihren vielen Lichtern war nichts zu sehen. In der Welt, in der sich die beiden Männer befanden, gab es sie nicht. Sie hatte vermutlich dort aufgehört zu existieren, wo die künstlich behauenen Stufen begannen.
Leise näherten sie sich dem Gebäude aus dunklen, algenüberzogenen Quadern, deren Kantenlänge ungefähr mit der Armeslänge eines Erwachsenen übereinstimmte. Unter der flackernden Laterne blieben sie stehen und musterten die mit rostigen Eisenblechen beschlagene Tür. Der Türklopfer, den Stafford anfasste, war glitschig, und seine Hand rutschte ab. Er warf einen Seitenblick auf die helle Einkerbung im steinernen Türrahmen, die ihm beim ersten Hinsehen nicht aufgefallen war. Sie enthielt ein Namensschildchen aus Messing, und er las die geschwungene Schrift und ließ langsam den Arm sinken.
Randolph Carter stand darauf zu lesen, und Barclay, der ebenfalls aufmerksam wurde, stieß einen unterdrückten Ruf aus.
»Er wohnt hier!«, flüsterte er. »Er hat uns genarrt! Er ist gar nicht verschwunden!«
Stafford schüttelte energisch den Kopf und griff erneut zum Türklopfer. Dumpf hallten die beiden Schläge durch das Haus. Es hörte sich an, als sei das Gebäude innen vollkommen hohl.
»Vielleicht steht auf dem Schild immer der Name dessen, der als letzter durch die Tür ging«, prophezeite er düster.
Die Funzel über ihren Köpfen wurde ein wenig heller, und nach kurzer Zeit klapperte irgendwo ein Fenster. Schlurfende Schritte näherten sich, ein Schlüssel kreischte im Schloss. Es knirschte, als jemand mehrere Riegel beiseiteschob und die Tür aufzog.
Die beiden Männer blickten in ein bleiches, ausgemergeltes Gesicht. Der Greis, der ihnen öffnete, musste weit über hundert Jahre alt sein. Sein Gang wirkte schleppend, sein Gesicht besaß eine wächserne Blässe. In seinem Körper schien sich kein einziger Blutstropfen zu befinden.
»Guten Tag!«, krähte er. »Sie wollen auch an der Expedition teilnehmen? Ach, wie spät ist es eigentlich? Nach meiner Uhr haben wir Tag, aber das hat nichts zu bedeuten. Hier ist es immer Tag. Kommen Sie nur herein. Was kann ich für Sie tun?«
»Wir möchten zu Mister Carter!« Mehr fiel Stafford beim Anblick des verhutzelten Männchens nicht ein.
»Die Zeit!«, kreischte der Alte aus seinem zahnlosen Mund. »Wieviel Zeit ist es?«
Jeremy Stafford erkannte den fordernden und warnenden Unterton in der Stimme. Seine Gedanken jagten sich. Es fiel ihm nur ein einziger Bezugspunkt ein, um die Frage zu beantworten.
»Es ist Reisezeit«, erwiderte er. »Wir möchten die Expedition begleiten, von der Sie gesprochen haben!«
Der Alte machte den Weg frei.
»Herein, immer nur herein. Es ist gemütlich bei uns, ja, ja!«
Sie traten ein, und die Tür fiel mit einem genüsslichen Schmatzen hinter ihnen ins Schloss. Durch die Fenster, die sie vor Augenblicken noch von draußen gesehen hatten, fiel Tageslicht herein und erhellte das Haus.
»Wenn Sie einen Augenblick warten wollen!«, knarrte das Hutzelmännchen und riss einen Bückling, der grotesk anmutete. Dann eilte es durch eine der dicken Holzbohlentüren davon.
Stafford fuhr herum. Er vermochte nicht genau zu sagen, wieso er es tat. Er fasste die Türklinke der Haustür und zog daran. Die Tür klemmte ein wenig, aber dann gab sie mit einem hässlichen Ratschen den Blick hinaus in die Dunkelheit frei. Stafford beugte sich zur Seite und warf einen Blick auf das Messingschild.
Es war, wie er es sich gedacht hatte.
Auf dem Schild stand der Name dessen, der das Haus zuletzt betreten hatte.
Hickton Barclay.
Der Anwalt ließ sich nicht anmerken, welche Gedanken ihn in diesem Augenblick beschäftigten. Er richtete sich auf, trat in das Haus zurück und schob die Tür wieder zu. Er gesellte sich zu seinem Angestellten, der die Halle durchquerte und die geschnitzten Verzierungen über verschiedenen Türen betrachtete. Es handelte sich um Symbolzeichen und um Fratzen und Körper von Wesen, fürchterlichen Wesen, wie sie sich die menschliche Phantasie nicht ausmalen konnte. Jeremy Stafford rann ein Schauder über den Rücken, als er dem ausgestreckten Arm Barclays folgte und das Gemälde sah, dass in einer Nische am hinteren Ende der Halle hing, eingerahmt von einer Rosette aus Gips.
Das Bild glänzte in einer Orgie aus roten, blauen und schwarzen Farbtönen, und die Linien verschwammen und veränderten sich, wenn der Betrachter sich auch nur ein wenig bewegte. Monstren kämpften gegen Monstren, alle Ausgeburten der Hölle hatten sich auf diesen zwei Quadratmetern Leinwand oder Mauerwerk versammelt. Die wenigen Menschen, die sich zwischen ihnen wanden, wirkten hilflos in ihrer Winzigkeit, und sie trugen Köpfe von Stieren oder Unterkörper von Fischen. Sie besaßen keine Möglichkeiten, den Klauen und Tentakeln der Monster zu entkommen, und Stafford beobachtete schaudernd, wie eines dieser Wesen seine messerscharfen Krallen in den schmächtigen Körper schlug, unter dessen Haut sich die Rippen abzeichneten. Ein stechender Schmerz durchfuhr ihn, und er stolperte mit einem Aufschrei zurück.
»Das Bild besitzt einen magischen Bann«, rief er aus. »Es wirkt hypnotisch!«
»Man könnte bei dem Anblick in der Tat Angst bekommen«, bestätigte Barclay arglos. »Was ist mit Ihnen, Sir?«
Stafford schwankte. Er fasste sich mit der Hand an die Stirn, mit der anderen wehrte er den hilfsbereiten Hickton ab. Übergangslos war er sich der Tatsache bewusst, dass sein Begleiter nichts von dem magischen Einfluss des Bildes spürte, während es auf ihn selbst mit ungeheurer Macht wirkte. Er begann sich Fragen zu stellen, auf die er auch nach langer Zeit noch keine Antwort fand. Er steuerte auf die Sitzecke unter einem der Fenster neben dem Eingang zu und ließ sich in den nächstbesten Sessel fallen.
»Kommen Sie, Hickton!«, flüsterte er rau. »Wer weiß, wie lange der Alte uns warten lässt!«
Eine innere Stimme sagte ihm, dass sich Carter nicht mehr hier befand. Es stand jedoch fest, dass der Mystiker in diesem Haus gewesen war. Der Alte hatte ihrem Wunsch, zu Mister Carter zu wollen, nicht widersprochen.
Nach einer Stunde des Wartens wurde es Jeremy Stafford aber doch zu bunt. Er fuhr auf und steuerte auf die erste der Türen zur linken Seite zu. Er öffnete sie und warf einen Blick in den dahinter liegenden Raum. Es handelte sich um eine Küche, in der vermutlich noch nie Essen zubereitet worden war. Die Töpfe und Pfannen hingen neu und unbenutzt an der Wand, und das Geschirr stand im Schrank, deutlich sichtbar von Staub und Spinnweben überzogen.
Hinter der nächsten Tür fand Jeremy Stafford eine Toilette, daneben ein Bad, und anschließend folgte der Salon. Dann kam der Winkel mit dem fürchterlichen Bild, rechts daneben die Tür, durch die der Alte verschwunden war.
Hickton Barclay tat es seinem Brötchengeber nach und begutachtete die Zimmer auf der rechten Seite. Es handelte sich um mehrere Gästezimmer mit Baldachinbetten und einem zweiten Bad.
»Keine Gäste da«, stellte er fest. »Ich habe kein einziges benutztes Bett gesehen. Wir sind die einzigen!«
Jeremy Stafford klopfte leise an der Tür, durch die der Alte verschwunden war. Er hörte keine Antwort, nickte seinem Begleiter zu und trat ein. Er hatte ein weitläufiges Wohnzimmer vor sich, das die gesamte Ostseite des Hauses in Anspruch nahm. Dicker Teppichboden dämpfte die Schritte der beiden Männer und ließ sie unhörbar werden. Stafford hatte den Eindruck, als schaukele der Teppichboden unter seinen Füßen.
Ein merkwürdiger Geruch drang in seine Nase, und der Anwalt verharrte und rieb sich mit dem Zeigefinger über die Nasenlöcher.
»Der Gestank!«, murmelte er. »Es ist genau derselbe Gestank wie in Carters Haus.«
»Ich rieche ihn auch. Sie haben recht, Sir!«, stellte Barclay fest.
Nebeneinander traten sie an die Fensterfront und warfen einen Blick hinaus auf die Welt. Sie sahen das Meer und die Schiffe, die entlang der Küste fuhren. Noch immer war es draußen taghell, und die Schiffe fuhren mit unvorstellbar hoher Geschwindigkeit. Auf der rechten Seite verschwanden sie im Nichts hinter der Krümmung des Horizonts, um gleichzeitig auf der linken Seite zurückzukehren und ihre Fahrt von neuem zu beginnen. Sie kamen sich vor wie im Bilderkino, in dem immer ein und dasselbe Bild gezeigt wurde.
Stafford wandte sich abrupt zur Tür.
»Wir sollten so schnell wie möglich aus diesem Haus verschwinden«, sagte er. »Selbst wenn wir eine Spur Carters finden, was können wir mit ihr anfangen?«
»Ich kann es auch nicht sagen. Ich bleibe an Ihrer Seite, Sir!«, gab der Dicke zur Antwort. »Egal, was kommt!«
Stafford sah sich noch einmal um und entdeckte die schmale Treppe neben dem Kamin. Sie führte hinauf in das obere Stockwerk. Er ließ von der Tür ab und steuerte darauf zu. Die Treppe bestand aus dem schwarzen Basalt, den sie bereits kannten. Noch immer hing der Geruch nach Aas in der Luft, der ihnen ein starkes Gefühl der Beklemmung bescherte.
»Alter Mann, wo sind Sie?«, rief der Advokat hinauf. Er fasste den Stockdegen fester und fixierte das obere Ende der Treppe. Sie mündete in einen Korridor mit einer einzigen Tür. Sie befand sich ihnen gegenüber am anderen Ende.
Jeremy Stafford wollte in diesem Augenblick erneut umkehren. Langsam schien er sich bewusst zu werden, auf welches irrwitzige Abenteuer er sich da eingelassen hatte.
Er tat es nicht und scheuchte seine inneren Bedenken zur Seite. Etwas hatte von seinem Bewusstsein Besitz ergriffen, etwas, das ein Feuer in ihm entfachte und nicht mehr erlöschen ließ. Die Faszination von Carters Erzählungen, sein Geschick, die Phantasie des Zuhörers mit Andeutungen wachzuhalten und zu beschäftigen, jetzt zahlten sie sich auf diese Weise aus.
Der Gedanke, dass es sich um ein Spiel mit dem Schicksal und dem Tod handelte, kam Stafford in diesem Augenblick nicht.
Seiner Armbanduhr nach graute draußen in der wirklichen Welt der Morgen, und er durcheilte den Korridor, drückte die Klinke nieder und stieß die Tür auf.
Der Alte saß in einem Schaukelstuhl, einen Teppich über den Beinen und döste vor sich hin. Zumindest tat er so, als schliefe er. Seine Stimme klang jedoch völlig klar, als er sagte:
»Kommen Sie nur herein! Es ist zwar die falsche Tür, aber Sie machen nur einen kleinen Umweg. Also, kommen Sie schon!«
Draußen vor dem Fenster lag ein Garten mit hohen Bäumen und Büschen. Stafford und Barclay sahen Blumenwiesen, und durch den offenen Fensterflügel drang der würzige Geschmack der Natur zu ihnen herein.
»Ein Abschiedsgruß«, krächzte der Alte. Er schnellte sich aus dem Schaukelstuhl empor und verschränkte die Arme.
Fenster und Tür schlugen gleichzeitig zu. Barclay fuhr herum, Stafford aber zuckte lediglich mit den Augenlidern. Er hatte in diesen Sekunden etwas erwartet, das ihrem Hiersein eine Bedeutung geben würde. Es war soweit.
»Sie lassen wohl alle Türen offen stehen!«, bellte das Hutzelmännchen Barclay an. »Schöne Grüße von Mister Carter! Die Tür, die Sie suchen, befindet sich hier im Schrank!«
Die Augen des Alten lachten, aber sein Mund blieb ernst. Die Nase bildete ein paar Runzeln, die dem Gesicht das Aussehen eines Clowns verliehen.
»Sie wollten doch zu Mister Carter, oder habe ich das falsch verstanden?«
»Wir suchen ihn. Ich wusste, dass wir ihn nicht in diesem Haus finden würden. Er kam vor uns und ist weitergereist!«
Dicht gefolgt von Barclay trat er auf den Schrank zu und öffnete die Tür. Das Innere war leer, die Rückwand fehlte. An ihrer Stelle blickten die beiden Männer in eine weite Halle unter einem kuppelförmigen Dach, und mitten in der Halle stand eine Gestalt und winkte zu ihnen herüber.
»Er wird sich freuen!«, grunzte der Alte hinter ihrem Rücken. »Tun Sie ihm den Gefallen!«
Stafford warf einen Blick über die Schulter zurück. Etwas an dem Alten irritierte ihn, und er benötigte Sekunden, um festzustellen, dass es die Augen waren. Er war sicher, dass er diese Augen kannte und dem Mann schon einmal begegnet war. Doch so sehr er auch grübelte, er kam nicht darauf, wann und wo es gewesen sein konnte.
Er starrte erneut nach vorn, wo die Gestalt winkte. Ja, es war zweifellos Carter, und sein Winken war hektisch und unkontrolliert. Carter war allein, aber das konnte auch eine Täuschung sein.
Stafford fasste den Stockdegen fester. Dann trat er nach vorn, machte den entscheidenden Schritt durch den Schrank und verlor den Boden unter den Füßen. Ein Sog erfasste ihn und Barclay und riss sie davon. Der Schrank hinter ihnen wurde zu einem schwarzen Oval, an dessen Rand grünes Feuer glühte.
Dann erlosch das Feuer, und Dunkelheit hüllte sie ein.
***
Die schier unerträgliche Hitze peinigte ihn. Er wälzte sich herum, versuchte, mit den Augen irgendetwas zu erkennen. Es gelang ihm nicht. Auf seiner Haut brannten die Tentakel des Monsters, das ihn aus seinem Haus geholt hatte. Er hatte sich nicht gewehrt, es wäre zwecklos gewesen.
Er spürte das Wanken und Schwanken des Shoggoten, der ihn von allen Seiten umklammert hielt und seinen Körper zudeckte. Das Wesen bewegte sich holprig fort, es hatte sichtlich Mühe, sich auf dem festen Land zu orientieren.
Dann jedoch drang ein Plätschern an Randolph Carters Ohren. Eine Luftblase baute sich um ihn herum auf, die Bewegungen des Monsters wurden fließend und gingen in ein beständiges Gleiten über. Es wurde kühler, der bestialische Gestank nahm ein wenig ab.
Carter atmete flach. Er wusste, dass sein Leben davon abhing, dass er mit der Atemluft in der Blase sparsam umging. Mit keinem Gedanken vermochte er abzuschätzen, wie lange die Reise durch das Wasser dauern würde, wie tief sie hinabführen würde. Wie ein Geschoß schwamm das Monster durch den Ozean – ja, Carter hegte keinen Zweifel, dass er in das Meer entführt worden war.
Eine dieser Dienerkreaturen hatte ihn endlich gefunden, ihn, den sie seit Jahren und Jahrzehnten jagten, von dessen Neugier sie wussten.
War es die Bestimmung seines Schicksals, in einer Weise zu enden, wie er sie sich nie gewünscht hätte?
Sein Verschwinden würde entdeckt, und irgendwann würde auch der Zettel gefunden, den er Jeremy Stafford hinterlassen hatte.
Carter hoffte insgeheim darauf, dass der Zettel bald zur Kenntnis des Anwalts gelangen würde. Aber er verbarg diese seine Gedanken tief in seinem Innern, denn er traute ihnen nicht und hatte keine Ahnung, ob das Monster nicht etwa in seinen Gedanken las oder diese zumindest aufbewahrte für jene, die sie zu ergründen in der Lage waren.
Nach langer Zeit, in der er mehrmals geschlafen hatte, wurde es wärmer. Das einlullende Gleiten wich dem bekannten holprigen Gang, und dann entließ der Shoggote ihn aus der Luftblase, die er mit seinen Hautfalten gebildet hatte. Wieder betäubte der fürchterliche Gestank des Monsters ihn fast, und er raffte sich mühsam auf und wich hastig zu der Wand zurück, die er im Dämmerlicht ausgemacht hatte. Ein Sog erfasste ihn und zog ihn durch eine Öffnung, riss ihn in einer Kammer hinein, in der grelles Licht auf ihn herabflutete und bewirkte, dass ihm sofort am ganzen Körper der Schweiß ausbrach.
Knechte empfingen ihn und rissen ihn mit sich. Sie besaßen menschenähnliche Gestalt mit schuppiger Haut und Kiemen am Halsansatz. Sie murmelten unverständliche Worte vor sich hin, und ihre einzige Aufgabe schien es, ihn so rücksichtlos wie möglich an einen anderen Ort zu bringen. Er verlor einen Fingernagel, weil sich seine Hand in der Kleidung eines des Wesen verfing.
Sklaven von Yith! durchzuckte ihn ein Gedanke. Sie leben noch, und vermutlich vegetieren sie irgendwo unter dem Meeresgrund dahin.
Sie stießen ihn durch eine Tür und zogen sich hastig zurück. Ihre einzige Aufgabe schien es gewesen, ihn von dem Shoggoten in Empfang zu nehmen. Für alles andere waren sie nicht zu gebrauchen oder hatten nichts damit zu tun.
Was er jetzt in diesem blankgeleckten, nach einem sterilen Operationssaal aussehenden Raum zu Gesicht bekam, übertraf all das, was er sich in seinen schlimmsten Alpträumen ausgemalt hatte.
Riesige Kröten streckten gierig ihre Klauen mit den Knopfenden nach ihm aus. Sie zerrten an seinen Beinen und Armen, als wollten sie ihn in Stücke reißen. Dann warfen sie ihn achtlos in eine Ecke, wo er benommen liegen blieb und froh war, dass er sich beim Aufprall nicht den Hals gebrochen hatte.
»Wasser!«, ächzte er. »Ich brauche Wasser!«
Sie reagierten nicht. Einer von ihnen fuhr eine dünne, lange Zunge aus. Sie schnellte über die Distanz von gut drei Yards auf ihn zu und hinterließ eine blutrote Spur an seinem Hals. Von da an zog er es vor, zu schweigen und die Ecke nicht zu verlassen.
Er zählte nicht die Stunden, die vergingen. Seine Taschenuhr lief zuverlässig, aber sie sagte nichts darüber aus, wieviel Zeit in dieser Welt verstrich, in die sie ihn verschleppt hatten.
Stafford, war er schon unterwegs? Klappte der Plan? Ging das psychologisch haarfein erstellte Kalkül auf, oder machten ihm äußere Umstände einen Strich durch die Rechnung? Und vor allem, was erwartete ihn, wenn er nicht in dieser Ecke verhungern und verdursten wollte?
Randolph Carter wurde klar, dass er ein Wagnis einging, wie es noch nie vor ihm ein Mensch getan hatte. Er setzte nicht nur sein Leben aufs Spiel. Er riskierte die Existenz der gesamten Menschenwelt, und er wusste das. Er hatte seit Jahren diesen Zeitpunkt herannahen gesehen, und jetzt gab es kein Zurück mehr.
Was war der Preis? Sein eigenes Leben? Wieviel konnte er bewirken, ohne den Planeten zu zerstören? Und welche überraschenden tektonischen Vorgänge konnten es schaffen, seinen Plan zunichte zu machen?
Während er in der Ecke kauerte, stinkende Brühe trank und halb verschimmelte Backwaren aß, erkannte er, dass er den Zeitpunkt nur hinauszögerte, nicht aber verhinderte, dass die GROSSEN ALTEN ihre Tentakel erneut nach diesem Planeten ausstreckten, unter dessen Felsenkruste sie einst von den ÄLTEREN GÖTTERN gebannt worden waren, ein Gefängnis auf ewig für jene, die nicht sterben konnten.
Carter hätte die Macht und die Mittel gesucht, Sternkonstellationen zu verändern, wenn es ihm dadurch gelungen wäre, diese Entwicklung aufzuhalten. Er tat es nicht, ein kleiner schwacher Mensch lebte diesen Sieg in seinen Gedanken aus und musste den grünlichen Speichel über sich ergehen lassen, mit dem die Kröten ihn bespuckten.
Zehn Mahlzeiten vergingen, zwanzig und dreißig, und er hielt es in seinem eigenen Kot nicht mehr aus. Als sie ihn allein ließen, da nutzte er die Gelegenheit und badete in dem großen Becken, aus dem sie gewöhnlich tranken. Er ließ ihnen den ganzen Schmutz darin und wusch sogar seine Leibwäsche, die in der Hitze rasch trocknete, die die Wände abstrahlten.
Lange Hungertage später kehrten sie zurück. Sie trugen Lanzen in den Klauen, und Randolph Carter wusste, dass jetzt die Zeit gekommen war. Gehorsam ließ er sich von den Ra ’Sssythech abführen.
Es gab nur einen einzigen Grund, warum sie ihn bewacht transportierten. Der Befehl kam aus einer Region, der sie absoluten Gehorsam schuldig waren. Dass der Shoggote ihn hierher gebracht hatte, konnte nur eines bedeuten.
Dies war eine Stadt unter dem Ozean. Eine der alten Festungen, die mehr Gefängnissen denn einer Wohnstatt glichen.
Nur einen einzigen Weg gab es für gewöhnlich hinaus.
Ein Tor.
Und jener, der dieses Tor im direkten Sinne verkörperte, trug einen Namen.
Randolph Carter schrie diesen Namen mehrmals, während sie ihn durch das Gebäude führten, ihn zur Hinrichtung brachten.
YOG-SOTHOTH!
***