1. Auflage 2021, 2. Auflage 2022
Dieses Buch basiert z.T. auf dem Buch „Pandemie“ (1. Auflage 2020, 2. aktualisierte Auflage 2021) des Autorenteams Dripke / Miksch.
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Printed in the Federal Republic of Germany.
Gestaltung und Satz: IMS International Media Services
Gedruckt auf säurefreiem Papier.
Print ISBN: 978-3-947818-59-4
E-Book ISBN: 978-3-947818-60-0
Inhalt
Ade lautet die volkstümliche Form des französischen Wortes „adieu“, genauer „à Dieu“ das von dem lateinischen „ad Deum“ kommt und „zu Gott“, also „Gott befohlen“, bedeutet.
Für das vorliegende Buch lässt sich das als „Unsere Freiheit liegt in Gottes Hand“ verstehen. Dabei ist kaum zu übersehen, dass sich manch ein Politiker wie Gott zu fühlen scheint, indem er, oder sie, nach eigenem Ermessen über unsere Freiheiten zu entscheiden versucht. Die Autoren dieses Werkes zeigen auf, warum wir unsere Freiheit nicht leichtfertig in die Hand der Politik legen sollten.
Als wir im Frühjahr 2020 unter dem Titel „Pandemie – Die Welt im Corona-Krieg“ das wohl erste Buch in deutscher Sprache über Corona im Verlag des Diplomatic Council publiziert haben, war es vor allem von einem getrieben: Eile. Es galt, so rasch wie möglich die damals unübersichtliche Lage zusammenzufassen und Orientierung zu vermitteln.
Das vorliegende Buch ist durch eine völlig andere Gemütslage geprägt: Sorge. Es ist die Sorge, dass wir alle nie mehr in unser „altes Leben“, wie wir es vor 2020 kannten, zurückkehren werden. Längst ist die zu Anfang der Pandemie geborene Idee, sobald es einen Impfstoff gibt, wird alles wieder wie vorher, Makulatur geworden. Zwar ist es bemerkenswert schnell gelungen, Impfstoffe zu entwickeln, doch ein Ende der Pandemie ist aus dem Blickwinkel des Jahres 2022 nicht zu erkennen.
Die seit Ende 2021 weltweit grassierende neue Coronavariante B.1.1.529, kurz Omikron genannt, wurde von der Weltgesundheitsorganisation WHO als „besorgniserregend“ eingestuft, weil sie ansteckender ist und zu schwereren Krankheitsverläufen führen kann als zuvor entdeckte Varianten sowie herkömmliche Impfungen weniger wirksam sind.
Es mag sein, dass es eines Tages gelingt, das Coronavirus bis zur Belanglosigkeit auszurotten. Doch es steht zu befürchten, dass sich unsere Gesellschaft bis dahin an die Einschränkungen unserer Freiheit, die wir in der Pandemie erleben mussten, gewöhnt hat.
Schon die ernsthafte Diskussion, ob die im Grundgesetz garantierten Freiheitsrechte für alle Menschen gelten sollen, oder nur für die Geimpften, hat den Weg frei gemacht für eine Spaltung unserer Gesellschaft in Menschen erster und zweiter Klasse. Heute mögen es die Geimpften sein, denen Vorteile gewährt werden, morgen oder übermorgen die Gechippten, die sich einen Identitätschip unter der Haut implantieren lassen. Wer diesen Gedanken für weit hergeholt hält, der sollte sich selbst fragen, ob er sich 2019 jemals derartige Einschränkungen unserer Freiheit, wie wir sie seit 2020 erfahren mussten, hätte vorstellen können.
Die Gewähr der Freiheit an Merkmale wie eine Impfung zu knüpfen, stellt den Einstieg in eine gespaltene Gesellschaft dar. Das Argument, jeder könne sich impfen lassen, lässt sich auf jedwede staatliche Anordnung übertragen (jeder kann sich chippen lassen) und öffnet damit staatlichem Dirigismus bis in unseren Körper hinein Tür und Tor.
Indes war der „indirekte Impfzwang“ nur eine von vielen durch die Pandemie ausgelösten Einschränkungen unserer Freiheit. Wir durften teilweise unser Haus nicht verlassen, unseren Beruf nicht ausüben, unsere Freunde und nicht einmal nächste Verwandte treffen. Man mag das für eine kurze Zeit, sozusagen in einer Notsituation, für gerechtfertigt halten. Aber seit 2021 zeichnet sich deutlich ab, dass die ein Jahr zuvor eingesetzten Freiheitsbeschränkungen weiter und weiter und weiter andauern könnten. Der Winter 2021/22 stand beispielhaft für das Szenario eines stufenweisen Lockdowns, eines sukzessiven Herunterfahrens des öffentlichen Lebens, einer schrittweisen Einschränkung unserer Freiheiten.
Als erstes europäisches Land kündigte Österreich ab Februar 2022 eine Impfpflicht für die gesamte Bevölkerung an. Es war der Einstieg in staatlich angeordnete Zwangsmaßnahmen mit einem körperlichen Eingriff für alle – natürlich, um uns zu schützen, so das Argument.
Es wird immer neue Gefahren geben, von neuen Mutationen und Varianten über andere ansteckende Krankheiten bis hin zur digitalen Pandemie, die als Argumente dafür dienen werden, unsere Freiheiten einzuschränken, um uns vor eben diesen Gefahren zu schützen.
Wie weit der Freiheitsentzug künftig gehen kann, bestätigte ein Urteil des deutschen Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe vom 30. November 2021. Demnach war die im April desselben Jahres beschlossene Bundesnotbremse mit nächtlichen Ausgangssperren und Kontaktbeschränkungen sowie Schulschließungen rechtens. Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen hätten „in der Gesamtheit dem Lebens- und Gesundheitsschutz“ sowie der Aufrechterhaltung des Gesundheitssystems gedient, erklärten die Karlsruher Richter. Diese Maßnahmen waren im April 2021 zur Eindämmung der Corona-Pandemie beschlossen worden und galten bis einschließlich Juni 2021.
Damit stellte das oberste deutsche Gericht dem Gesetzgeber und der Regierung im Grund einen „Freifahrtschein“ auch für künftige Lockdowns und sonstige Einschränkungen des öffentlichen Lebens und der persönlichen Freiheit aus. Sobald sich hinreichend Gefahr im Verzug darlegen lässt, kann der Staat beinahe alle Maßnahmen zur Gefahrenabwehr ergreifen, so die Überlegung.
Man mag das gut heißen: Wenn das Haus brennt, ist Löschen angesagt. Doch es steht zu befürchten, dass der Staat mit der Abwehr immer neuer Gefahren befasst ist, immer wieder neue Gründe findet, unsere Freiheit einzuschränken und uns mit Zwangsmaßnahmen zu belegen.
Wir schreiben diese Zeilen in der Hoffnung, dass wir uns irren – und haben größte Sorge, dass es kein Irrtum, sondern die bittere Wahrheit für unsere Zukunft ist.
Andreas Dripke, Markus Miksch, im Jahr 2022
Wir haben eine pandemische Lage, es besteht Gefahr für Leib und Leben. Daher sind wir angehalten, uns an bestimmte Regeln zu halten, um die weitere Ausbreitung des Virus einzudämmen und uns persönlich zu schützen. Die Rettung naht: Sobald Impfstoffe gegen das neuartige Coronavirus entwickelt sind, sollten wir uns alle impfen lassen, um danach wieder in unser normales Leben zurückzukehren.
Das war der Duktus der Politik seit dem Beginn der Pandemie im Frühjahr 2020. Seit Anfang 2021 stehen Impfstoffe zur Verfügung, zunächst nur in geringer Menge, seit Sommer 2021 zusehends mehr. Noch vor dem Herbst 2021 haben praktisch alle Menschen zumindest in Deutschland ein Impfangebot erhalten, hatten also die Gelegenheit, sich impfen zu lassen, sofern sie es wollten.
Wer in seiner persönlichen Risikoabwägung zwischen einer Ansteckung und einer Impfung zu dem Schluss gelangt, dass er auf den Piks verzichten will, weil Covid-19 nicht so gefährlich ist wie häufig behauptet, darf darüber frei entscheiden. Eine Impfpflicht besteht in Deutschland nicht.
Das war ein weiterer und für viele Menschen wesentlicher Teil im Duktus der deutschen Politik.
Doch spätestens seit Sommer 2021 zeichnet sich ab, was viele Skeptiker schon lange vorausgesagt haben:
Die Hoffnung, nach dem Ende der Pandemie sein Leben wieder wie vorher fortsetzen zu können, ist illusorisch. Erstens, weil ein Ende überhaupt nicht absehbar ist. Und zweitens, weil im Verlauf der Pandemiebekämpfung gesetzliche und faktische Maßnahmen ergriffen wurden, die uns mehr oder minder „auf ewig“ begleiten oder besser gesagt belasten werden.
Die im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland festgeschriebenen Freiheiten werden mit Einschränkungen versehen: Sie gelten nur für Geimpfte und nur insoweit sie nicht staatlichen Sicherheitsüberlegungen entgegenstehen. Man muss kein Coronaleugner oder Impfgegner sein, um diese Einschränkungen unserer Freiheit mit größter Sorge zu betrachten. Denn die zeitliche Begrenzung der Einschränkungen, die viele Vernünftige angesichts einer vermeintlich tödlichen Gefahr mehr oder minder klaglos hingenommen haben, droht zum Dauerzustand zu werden – oder jedenfalls zum „temporären Zustand auf unbestimmte Zeit“.
Zunächst galt es die Coronagefahr zu überwinden. Dann stellte sich heraus, dass es sich gar nicht um eine Gefahr handelt, sondern um mehrere aufeinander folgende und sich miteinander vermischende Gefahren, ausgelöst durch immer neue Mutationen und Varianten. Nachdem diese überhandgenommen hatten, wurden sie kurzerhand mit den Buchstaben des griechischen Alphabets benannt, um sie überhaupt noch unterscheiden zu können und den Überblick nicht zu verlieren.
Rasch machte sich die Auffassung breit, dass wir immer wieder neue Auffrischungsimpfungen benötigen; die dritte Impfung wurde als „Booster tituliert.
Doch allen Abstands- und sonstigen Hygieneregeln zum Trotz vollführen die von Wissenschaft und Politik eingeführten Messwerte, vor allem die Inzidenz, der R-Wert und die Hospitalisierung, immer häufiger Wellenbewegungen. Als im Sommer 2021 die sogenannte vierte Welle in Deutschland verkündet wurde, fragte sich manch einer, wann eigentlich die dritte Welle zu Ende gegangen war. Und noch während die vierte Welle Ende 2021 im Gange war, warnte das RKI bereits vor der fünften Welle für 2022 – bevor sich mit der neuen Variante Omikron der Abgrund einer Art „Superwelle“ für 2022 auftat.
Politik und Wissenschaft sind sich unisono einig, dass wir – die Bevölkerung – mehr oder minder selbst schuld sind an den Wellen. Sobald sich die Lage verbessert, verlangen wir nach Lockungen vom Lockdown, nach Freiheiten wie vor Beginn der Pandemie. Doch weil wir zu unvernünftig sind, damit umzugehen, weil wir unsere Freiheiten zu ungehemmt, zu sorglos und zu „frei“ wahrnehmen, tragen wir die Schuld, wenn sich die pandemische Lage wieder verschlechtert. Prompt müssen wieder härtere Maßnahmen ergriffen werden, um uns zu schützen, wie die Politik formuliert, man könnte aber auch sagen, um uns zu disziplinieren.
Ähnlich verhält es sich mit der Impfpflicht. Das zu Beginn der Pandemie ausgegebene politische Postulat, es werde keine Impfpflicht in Deutschland geben, hat der Staat längst einkassiert. Die Zwangsimpfung wird in Deutschland möglicherweise nicht so rasch eingeführt werden wie etwa im Nachbarland Österreich, wo seit Februar 2022 eine Impfplicht für die gesamte Bevölkerung besteht. Aber die Rechte der Ungeimpften werden auch in Deutschland immer weiter eingeschränkt nach dem Motto: „Die im Grundgesetz garantierten Freiheiten gelten nur für Geimpfte“. Ungeimpfte können bestimmte Berufe nicht mehr ausüben, zum Beispiel in Krankenhäusern oder Schulen, sie unterliegen immer stärkeren Reisebeschränkungen, ihnen wird der Zutritt zu Kulturveranstaltungen verwehrt… die Liste der Einschränkungen wird immer länger werden. Mag sein, dass es in Deutschland nicht so weit kommt wie in China, wo Ungeimpfte in Krankenhäusern überhaupt nicht mehr behandelt werden.
Aber die Tendenz, unsere Freiheit an Bedingungen zu knüpfen, ist auch in Deutschland längst unübersehbar. „Warum nicht einfach impfen lassen“, mag sich manch einer denken, der Impfungen als unproblematisch einstuft. Doch wenn unsere Freiheit heute an Impfungen gebunden ist, was wird morgen oder übermorgen nötig sein, um frei zu sein. Benötigen wir irgendwann alle einen Mikrochip unter der Haut, der unsere Identität und sonstige Daten übermittelt, um alles tun zu dürfen, was zur Freiheit gehört?
Wer heute die Einschränkungen unserer Freiheit klaglos akzeptiert, weil er sie aus Gründen der Sicherheit für geboten hält, der muss sich fragen: Wie lange soll das so weitergehen? Wird es überhaupt jemals enden? Wird es nicht immer neue Viren geben, möglicherweise Coronaviren, vielleicht aber auch völlig andere und sogar noch gefährlichere Viren, die einen immerwährenden Schutz nötig machen?
Und was ist mit neuen Gefahrenherden, vor denen wir ebenfalls geschützt werden müssen. Die massive Ausweitung der Cyberangriffe durch Computerhacker seit Anfang der 2020er-Jahre lässt die Gefahr einer großflächigen IT-Pandemie sehr real erscheinen: Unsere informationstechnischen Infrastrukturen machen unser immer angreifbarer.
Biologische Viren, Computerviren, Umweltkatastrophen – was kommt als nächstes Ereignis, vor dem uns der Staat durch Einschränkungen unserer Freiheit schützen will? Vermutlich wird uns dabei stets eine neue Karotte wie einem lahmen Gaul vor die Nase gehalten getreu dem Motto „Nur noch diese eine Gefahr; wenn die erst überwunden ist, geht es wieder freiheitlich zu“. Doch genau wie das Pferd niemals an die Karotte kommt, die im festen Abstand vor seinem Kopf befestigt ist, erreichen wir möglicherweise nie wieder unsere Freiheit zurück.
Zur Klarstellung: Es geht im vorliegenden Buch nicht darum, diese Gefahren zu leugnen oder zu negieren. Aber es geht sehr wohl darum, die Balance zwischen Sicherheit und Freiheit nicht ständig und nachhaltig in Richtung maximaler Sicherheit zu verschieben und dabei die Freiheit scheibchenweise zu Grabe zu tragen.
Ein Lichtblick stellt in diesem Szenario sicherlich die unabhängige Justiz dar. In den Pandemiejahren 2020/21/22 haben viele Richter immer wieder ein hohes Maß an Ausgewogenheit bewiesen, wie es sich für diese Berufsgruppe gehört. Immer und immer wieder hat die Justiz klargestellt, dass die Regierung nicht „einfach so“ pauschale Einschränkungen verordnen kann, sondern dabei mit Augenmaß vorzugehen hat. Gelegentlich galt es, die gesetzliche Grundlage für Regierungsmaßnahmen zu schaffen oder zu schärfen, sodass wenigstens das Parlament –also die demokratisch legitimierte Vertretung der Bevölkerung – mitzureden und mitzubestimmen hatte. Doch letztendlich sieht das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland ausdrücklich vor, dass der Staat nicht nur die Freiheit, sondern auch die Sicherheit aller Deutschen so weit wie möglich zu gewährleisten hat.
Daher besteht die reale Gefahr, dass wir einen Gutteil unserer Freiheit, wie wir sie noch bis Anfang 2020 genießen konnten, nie mehr zurückbekommen. Wir machen es uns zu einfach, wenn wir Skeptiker als „Coronaleugner“, „Verschwörungstheoretiker“ oder einfach nur „Spinner“ diffamieren. Zweifelsohne unterliegt manch ein selbsternannter Freiheitskämpfer dem Dunning-Kruger-Effekt, besitzt also nicht die Kompetenz, seine eigene Inkompetenz zu erkennen. Das darf aber nicht dazu verleiten, jeden Andersdenkenden, jeden Skeptiker und jeden Kritiker mundtot zu machen, auszugrenzen und geringzuschätzen.
Wie wir als Gesellschaft mit der Balance zwischen Freiheit und Sicherheit in Zukunft umgehen, hängt auch entscheidend von der Debattenkultur ab, mit der wir diese essenzielle Grundlage unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung diskutieren. Bei der dazu erforderlichen öffentlichen Meinungsbildung fällt den Medien eine Schlüsselrolle zu. Journalisten erheben gerne und häufig den Anspruch einer besonders wichtigen moralischen Instanz, die den Verantwortlichen auf die Finger sieht und Missstände zum Wohle aller aufdeckt. Wollen wir hoffen, dass die Medien dieser staatstragenden und für unsere Freiheit so wichtigen Aufgabe mit der nötigen Unabhängigkeit nachgehen, und nicht selbst zu Moralaposteln werden, die uns belehren wollen, statt die Wahrheit aufzudecken.
Parlamente, Justiz und Medien sind in ihren jeweiligen Rollen in einer hoffentlich funktionierenden Demokratie angehalten, dafür zu sorgen, dass die Regierung keine „ewige Pandemie“ ausrufen kann – weder eine biologische noch eine digitale und auch keine sonstige Bedrohungslage zum Anlass nimmt, unsere Freiheit immer mehr einzuschränken.
Wer Sprüche klopft wie „Wer sich heute nicht impfen lässt, darf sich morgen nicht beschweren, wenn er nicht zur Party eingeladen wird“1 (Gesundheitsminister Jens Spahn 2021) oder „Ohne Impfen keine Freiheit“2 (der Bayerische Ministerpräsident Markus Söder 2021), der darf sich nicht wundern, wenn er nicht nur geifernde Impfgegner gegen sich aufbringt, sondern auch den vernünftigen Teil der Bevölkerung, der dem Grundsatz frönt „Mein Körper gehört mir“. Wenn wir uns heute dem Dogma beugen, dass nur noch Geimpfte alle Freiheiten besitzen, machen wir den Weg frei für immer neue und immer mehr „Bedingungen für unsere Freiheit“ in der Zukunft. Heute die Impfung gegen Corona, morgen die Impfung gegen das nächste Virus, übermorgen die Überwachung unserer Vitalwerte durch einen Fitnesstracker am Handgelenk, danach der Mikrochip, der uns in die Haut zwischen Daumen und Zeigefinger implantiert wird, um unsere Identität jederzeit beweisen zu können und irgendwann in ferner Zukunft der Hirnschrittmacher. Natürlich wird all dies nicht von heute auf morgen geschehen, aber es besteht die Gefahr, dass Corona den Einstieg in diese Entwicklung markiert.
So war seit Anfang 2022, als die Notwendigkeit einer Impfpflicht in Deutschland wie beispielsweise schon in Österreich längst offensichtlich war, um einen Dauer-Lockdown zu verhindern, ein häufiges Argument der Politik: Man habe den Menschen versprochen, keine Impfpflicht einzuführen, also könne man es auch nicht tun. Das Versprechen war schon nicht sonderlich klug, denn es war von Anfang an klar, dass sich das Virus verändern und eine Impfpflicht nötig werden kann. Doch es dauerte lange, eine gefühlte Ewigkeit, bis sich die Politik von ihrem einstmals gegebenen Versprechen lossagte. Diese Politik der kleinen Schritte zum vermeintlich Unvermeidlichen werden wir wohl auch auf anderen Gebieten erleben.
Die mit der jeweiligen Maßnahme verbundenen Freiheiten und Rechte werden sicherlich sehr unterschiedlich sein und durchweg plausibel klingen. Wenn alle einen Fitnesstracker (oder eine Smartwatch mit entsprechenden Funktionen zur Überwachung der Vitalwerte wie Blutdruck und Herzfrequenz) am Handgelenk tragen und diese medizinischen Werte automatisch an die Krankenkasse übermittelt werden, ist es dann nicht fair, wenn diese Fitnesstrackerträger einen besseren Tarif erhalten als die Tracker-Verweigerer? Schließlich hilft die Gesundheitsüberwachung am Handgelenk dabei, Krankheiten früher zu erkennen und zu bekämpfen. Das erspart den Krankenkassen in vielen Fällen die höheren Kosten, die bei einer späteren Erkennung entstehen. Der Chip unter der Haut könnte künftig erforderlich sein, um uns bei allen Gelegenheiten zu identifizieren, bei denen wir heute schon unseren Personalausweis zücken, etwa wenn wir ein Flugzeug besteigen oder eine Landesgrenze überqueren.
In allen diesen Fällen mag man wie beim Impfen sagen, was ist schon dabei, wenn man einen kleinen Piks bekommt, einen Tracker am Handgelenk hat oder einen Chip im Körper trägt. Es ist schmerzlos, hilft einem selbst, macht das Leben einfacher und hilft der Gemeinschaft. Diejenigen Argumente, die heute für eine Zweiklassengesellschaft – Geimpfte und Ungeimpfte – sprechen, sind dieselben, die künftig für eine immer weitere Spaltung unserer Gesellschaft herhalten können. Zunächst genießen die Geimpften alle oder jedenfalls mehr Freiheiten als die anderen, später einmal nur die Geimpften und Gechippten. Es ist der Einstieg in eine Debatte, die in späteren Dekaden zu der Diskussion führen mag, ob Eltern das Recht besitzen, ihren Kindern den in der Zukunft üblichen Hirnchip vorzuenthalten. Schließlich haben alle anderen Kinder bis dahin längst einen Hirnschrittmacher und das gesamte Schulwesen ist auf diese dann schlaueren Kinder abgestimmt.
Zugegeben, es ist ein weiter Bogen von den Freiheiten, die exklusiv für geimpfte Menschen gelten, und dem Implantieren von Mikrochips in unseren Körper. Aber nur auf den ersten Blick. Bei genauerem Hinsehen wird die Parallele überdeutlich: Wer als Mensch erster Klasse gelten will, wird gezwungen, seinen Körper manipulieren zu lassen. Es ist die Abkehr von dem Menschenbild, dass jeder Mensch so, wie er geboren wird, als vollwertig zu gelten hat – ohne Impfung, ohne Chip, ohne was wird noch kommen. Die Argumente werden, genau wie heute bei der Impfdebatte, jeweils rational erscheinen, nachvollziehbar sein, geradezu zwingend dastehen.
Doch wenn sich unsere Gesellschaft in diese Richtung entwickelt, dann bedarf es dazu einer umfassenden gesellschaftlichen Debatte, einer politischen Auseinandersetzung, einer demokratischen Legitimierung weit über eine Art Notverordnung der jeweils amtierenden Regierung hinaus. Hinzu kommt ein weiterer, nicht minder wichtiger Aspekt: die Überwachung, ob sich die Bürger auch an alle angeordneten Maßnahmen halten. Kaum war die Corona-Impfung verfügbar, kam kein halbes Jahr später der digitale Impfausweis ins Smartphone. Was dabei beinahe unterging: Schon wenige Monate nach Beginn der Pandemie hatten Apple und Google gemeinsam mit zahlreichen Regierungen ein Kontaktverfolgungssystem in unsere Smart-phones integriert. Es ist absehbar, dass der digitale Personal-ausweis und das digitale Geld ebenfalls ins Smartphone abwandern – oder später einmal in einen Chip, den wir unter der Haut tragen.
Wer das als übertriebenes Horrorszenario der Zukunft von der Hand weist, der mag sich überlegen, ob er jemals damit gerechnet hat, dass der Staat Digitaltechnik einsetzt, um zu verfolgen, mit wem wir wann und wie lange Kontakt haben – oder ob wir uns einer Impfung unterzogen haben. Der durch Corona ausgelöste permanente Angst- und Notzustand hat die staatliche Überwachung mit Hilfe der Digitaltechnik in atemberaubendem Maße beschleunigt. Es ist nicht ernsthaft zu erwarten, dass der digitale Überwachungsstaat nach Corona zurückgefahren wird – und sei es nur, weil es gar keine Zeit „nach Corona“ mehr geben wird, weil die immerwährende Pandemie ewig anhält.
Das Wort Pandemie geht zurück auf das altgriechische Substantiv πανδηµία pandçmía, auf Deutsch „das ganze Volk“. Heute bezeichnet es eine ansteckende tödliche Krankheit, die die gesamte Weltbevölkerung bedroht. Es waren sicherlich das Wort „Pandemie“ und der Vergleich mit der Pest, die im Frühjahr 2020 entscheidend dafür sorgten, dass eine globale Panik auftrat, die bis heute wie die Wellenbewegungen der Mutationen auf- und abschwillt. Man mag sich erinnern, wie zum Herbst 2021 hin die Delta-Variante des Coronavirus alle Hoffnung auf ein schnelles Ende der Pandemie zunichte machte.
Die Pest, die in mehreren Wellen auftrat, war eine der verheerendsten Pandemien der Weltgeschichte. Allein die stärkste Welle, der Schwarze Tod, forderte zwischen 1346 und 1353 geschätzte 25 Millionen Tote, rund ein Drittel der damaligen Weltbevölkerung. 3 Zeitlich deutlich näher lag die Spanische Grippe, die zwischen 1918 – gegen Ende des Ersten Weltkriegs – und 1920 bei einer Weltbevölkerung von etwa 1,8 Milliarden Schätzungen zufolge bis zu 50 Millionen, Vermutungen reichen sogar bis zu 100 Millionen Menschen, das Leben kostete.4 Die Dimension der Spanischen Grippe wird deutlich, wenn man sich klarmacht, dass etwa ein Viertel der damaligen Weltbevölkerung damit infiziert war und mehr Menschen daran starben als im Ersten Weltkrieg (20 Millionen Tote).5
Die Pest und vor allem die Spanische Grippe mussten zwar in der Pandemie 2020/21 häufig als Vergleich herhalten, doch sie lagen so weit zurück, dass sie eher als historische Ereignisse denn als Maßstab des Handelns in den 2020er-Jahren zu Rate gezogen wurden. Doch als Angstfaktor und Panikmacher war die Pest 2020/21 „bestens“ geeignet.
Zumal die Pest bis heute nicht vollständig ausgerottet ist. Von 1978 bis 1992 zählte die Weltgesundheitsorganisation WHO 1.451 Todesfälle in 21 Ländern. Seitdem sind Pest-Tote in Indien (1994), Algerien (2003), Kongo (2005/2006), Uganda (2008), Tibet (2009), Madagaskar (seit 2010 bis heute), China (2014), USA (2018) und der Mongolei (2019) zu beklagen.6
Zudem sind in den letzten Jahrzehnten neue Epidemien mehr oder minder um die Welt gezogen: die Asiatische Grippe (weltweit, 1957/58) mit Hunderten Millionen Infizierten und mindestens einer Million Toten, Aids (weltweit seit den 1980ern) mit 75 Millionen Infizierten und 32 Millionen Toten, Sars (29 Länder, 2002/03) mit 8.000 Infizierten und rund 770 Toten, die Schweinegrippe (H1N1; weltweit, 2009/10) mit mehr als 440.000 Infizierten und mindestens 5.700 Toten), die Vogelgrippe (H5N1; 17 Länder, 2004/05) mit 860 Infizierten und 455 Toten sowie das Ebolafieber (Westafrika, 2013/2016) mit 28.600 Infizierten und 11.300 Toten. Allein die Zahl der Säugetier- und Vogelviren, die zumindest theoretisch auf den Menschen überspringen können, wird auf 700.000 geschätzt, etwa 260 haben diesen Sprung geschafft.7 Dazu gehörte 2019 das Coronavirus mit allen bekannten Folgen 2020/21/22 und möglicherweise bis in die Ewigkeit, wie in diesem Buch dargestellt.
Die Abwägung zwischen Freiheit auf der einen Seite und Sicherheit auf der anderen Seite gehört zu den Grundpfeilern des demokratischen Selbstverständnisses rechtsstaatlicher Länder wie der Bundesrepublik Deutschland. Die Pandemie hat gezeigt, dass die Regierung nicht nur in Deutschland häufig die Neigung hat, die Sicherheit der Bevölkerung an die erste Stelle zu setzen und die Freiheit eher herabzustufen, eben um die Sicherheit zu erhöhen.
Die Grundrechte, festgehalten in den Artikeln 1 bis 19 im Grundgesetz, werden im Zusammenhang mit Corona-Maßnahmen gerne und häufig zitiert – und zwar von beiden Seiten, den Befürwortern und den Gegnern der Maßnahmen. Je weiter vorne sie im Grundgesetz stehen, als desto schutzwürdiger sind sie zu verstehen. Artikel 1 schützt die Menschenwürde, Artikel 2 die Freiheit der Person. Der Staat soll ferngehalten werden vom individuellen Freiraum des Einzelnen. Doch der Staat hat sich nicht nur von diesen Grundrechten fernzuhalten, er muss sie darüberhinausgehend auch schützen. Genau darum geht es in der Pandemie. Er muss also eingreifen, um menschliches Leben zu schützen. Er hat die Pflicht zu handeln, um die Menschen vor Corona zu schützen. Die Option, Corona sozusagen zu ignorieren, sieht das Grundgesetz nicht vor. Bei der Abwägung zwischen dem Schutz der Grundrechte und den Maßnahmen zur Gefahrenabwehr gilt das Angemessenheitsprinzip. Die Maßnahmen müssen der Gefährdungslage angemessen sein.