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Über dieses E-Book

Danny ist ohne Eltern aufgewachsen und muss sich schon ihr ganzes Leben lang mit Gelegenheitsdiebstählen durchschlagen. Als sie bei einem ihrer Raubzüge den attraktiven und reichen Jeremy Malory kennenlernt und er sie zwingt, bei einem Diebstahl zu helfen, wird Danny von ihrer Bande verstoßen.

Jeremy kommt es gerade recht, dass die schöne Diebin Danny wieder vor seiner Tür steht und von ihm fordert, ihr einen Job zu verschaffen. Als er sie als Dienstmädchen anstellt, hat er nichts anderes im Sinn, als sie zu verführen. Er hat jedoch nicht damit gerechnet, dass Danny sich unter seiner Hand in eine Lady verwandeln würde – und wie gefährlich die dunklen Geheimnisse ihrer Vergangenheit sind … 

Impressum

dp Verlag

Erstausgabe 2004
Überarbeitete Neuausgabe März 2021

Copyright © 2022 dp Verlag, ein Imprint der dp DIGITAL PUBLISHERS GmbH
Made in Stuttgart with ♥
Alle Rechte vorbehalten

E-Book-ISBN: 978-3-96817-115-9

Copyright © 2004 by Johanna Lindsey
Titel des englischen Originals: A Loving Scoundrel

Copyright © 2005, Katrin Marburger

Dies ist eine überarbeitete Neuausgabe des bereits 2005 bei Heyne erschienenen Titels Zärtlicher Räuber (ISBN: 978-3-45349-013-0).

Copyright © 2005, Heyne
Dies ist eine überarbeitete Neuausgabe des bereits 2005 bei Heyne erschienenen Titels Zärtlicher Räuber (ISBN: 978-3-45349-013-0).

Übersetzt von: Katrin Marburger
Covergestaltung: Rose & Chili Design
unter Verwendung von Motiven von
shutterstock.com: © IMG Stock Studio, © Anastasiia Malinich
periodimages.com: © VJ Dunraven Productions
Korrektorat: Katrin Gönnewig

Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Sämtliche Personen und Ereignisse dieses Werks sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit real existierenden Personen, ob lebend oder tot, wären rein zufällig.

Abhängig vom verwendeten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.

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dp Verlag

Prolog

Der Regen spülte weder den Gestank noch die Hitze fort, vielmehr schien er beides noch schlimmer zu machen. In der engen Gasse türmte sich der Müll auf – Schachteln, verdorbene Lebensmittel, Kisten, zerbrochenes Geschirr, eben alles, was weggeworfen wurde, weil niemand es noch haben wollte. Die Frau und das Mädchen waren in eine der größeren Kisten am Rand des Haufens gekrochen, um sich zu verstecken. Das Mädchen wusste nicht, warum sie sich verstecken mussten, doch es spürte die Angst der Frau.

Diese Angst war immer da gewesen, im Gesichtsausdruck der Frau, in ihrer Stimme, in der zitternden Hand, mit der sie die des Mädchens nahm und es von einer Gasse in die andere zerrte, stets in der Nacht, niemals am Tage, wenn sie anderen Leuten begegnen konnten.

„Miss Jane“ solle das Mädchen sie nennen, hatte die Frau gesagt. Die Kleine dachte, sie hätte den Namen der Frau eigentlich wissen müssen, aber das tat sie nicht. Sie wusste auch nicht, wie sie selbst hieß. Die Frau nannte sie „Danny-Schätzchen“, also war das wohl ihr Name.

Miss Jane war nicht ihre Mutter. Danny hatte gefragt und zur Antwort bekommen: „Ich bin deine Amme.“ Sie hatte nie daran gedacht zu fragen, was eine Amme war, denn aus dem Tonfall der Frau hatte sie entnommen, dass sie es wissen musste. Miss Jane war von Anfang an bei ihr gewesen, das heißt, solange sie zurückdenken konnte – das waren allerdings nur ein paar Tage. Als sie aufgewacht war, hatte sie neben der Frau in einer ähnlichen Gasse wie dieser gelegen, und sie waren beide blutbesudelt gewesen. Seitdem waren sie ständig durch immer neue Gassen gerannt und hatten sich wieder und wieder versteckt.

Das meiste Blut war von Miss Jane gewesen. In ihrer Brust hatte ein Messer gesteckt, und sie hatte noch verschiedene andere Wunden gehabt, da mehr als einmal auf sie eingestochen worden war. Es war ihr gelungen, das Messer selbst herauszuziehen, nachdem sie aufgewacht war. Aber sie hatte ihre Wunden nicht gepflegt. Ihre einzige Sorge war gewesen, wie es dem Mädchen ging und wie sie das Blut am Hinterkopf der Kleinen stillen sollte – und dass sie schleunigst von dem Platz verschwanden, an dem sie aufgewacht waren.

„Warum verstecken wir uns?“, hatte Danny einmal gefragt, als offensichtlich war, was sie taten.

„Damit er dich nicht findet.“

„Wer?“

„Ich weiß es nicht, Kind. Ich dachte, er wäre ein Dieb, der bei dem Einbruch wahllos alle Anwesenden umgebracht hat, um keine Zeugen zu hinterlassen. Inzwischen bin ich mir allerdings nicht mehr so sicher. Er war zu entschlossen und zu sehr darauf aus, dich zu finden. Aber ich habe dich in Sicherheit gebracht und passe auch weiter auf dich auf. Er wird dir nichts mehr tun, das verspreche ich dir.“

„Ich weiß gar nichts mehr davon, dass er mir wehgetan hat.“

„Deine Erinnerungen werden wiederkommen, Danny-Schätzchen, da mach dir mal keine Sorgen. Aber hoffentlich nicht allzu bald. Es ist wirklich ein Segen, dass du erst einmal von nichts mehr weißt.“

Danny störte sich nicht daran, dass sie nicht mehr wusste, was vor dem Blut geschehen war. Sie war auch noch zu klein, um sich Sorgen zu machen, wie es nun weitergehen sollte. Ihre Bedürfnisse waren unmittelbarer: Sie hatte Hunger, es war ungemütlich, und Miss Jane war noch immer nicht aus dem Schlaf erwacht.

Ihre Amme hatte anscheinend gedacht, sie würden in den Bergen von Müll um sie herum etwas Nützliches finden, aber bisher war sie zu schwach gewesen, um nachzusehen. Mitten in der Nacht waren sie in die Kiste gekrabbelt, und Miss Jane hatte den ganzen Tag durchgeschlafen.

Jetzt war wieder Nacht, und sie schlief immer noch. Danny hatte sie geschüttelt, aber Miss Jane hatte sich nicht gerührt. Sie war ganz kalt und steif. Danny wusste nicht, was das bedeutete, nämlich, dass sie tot war und dass es daher auch so fürchterlich stank.

Schließlich kroch Danny aus der Kiste, damit der Regen etwas von dem getrockneten Blut abwusch. Sie fand es nicht schön, schmutzig zu sein, und schloss daraus, dass sie nicht daran gewöhnt war. Es war komisch, so einfache Dinge zu wissen, aber keine Erinnerungen zu haben, um das Wissen zu untermauern.

Danny beschloss, dass sie ebenso gut den Müll durchsuchen konnte, wie Miss Jane es vorgehabt hatte, auch wenn sie nicht genau wusste, wonach sie Ausschau halten sollte und was man „nützlich“ nennen sollte. Am Ende hatte sie ein paar Sachen aufgelesen, die sie interessant fand – eine dreckige Flickenpuppe, der ein Arm fehlte, einen Männerhut, der ihre Augen vor dem Regen schützen würde, einen angestoßenen Teller, von dem sie essen konnten, und den fehlenden Arm der Puppe.

Miss Jane hatte einen Ring, den sie gestern getragen hatte, gegen etwas zu essen eingetauscht. Es war das einzige Mal gewesen, dass sie sich bei Tage hinausgewagt hatte, eingehüllt in ihr Umhängetuch, um die schlimmsten Blutflecken zu verbergen.

Danny wusste nicht genau, ob Miss Jane noch mehr Ringe hatte, die man versetzen konnte; sie hatte nicht daran gedacht nachzusehen. Sie hatte bei dieser Gelegenheit zum letzten Mal etwas gegessen. In dem Müll lagen auch verdorbene Lebensmittel, aber obwohl Danny hungrig war, ließ sie die Finger davon. Nicht, weil sie gewusst hätte, dass sie nicht gut waren, sondern weil sie keine Vorstellung davon hatte, was es hieß, verzweifelt zu sein, und dieses Zeug roch widerlich.

Wahrscheinlich wäre sie irgendwann verhungert, während sie in der Kiste neben der toten Miss Jane kauerte und geduldig darauf wartete, dass die Amme aufwachte. Doch in der Nacht hörte sie, wie noch jemand draußen im Müll herumwühlte, und stieß auf eine junge Frau. Eigentlich war es ein Mädchen von höchstens zwölf Jahren, aber da es so viel größer war als sie, ordnete Danny es zunächst den Erwachsenen zu.

Entsprechend respektvoll und ein wenig zögernd sprach sie es an: „Guten Abend, Madam.“

Sie hatte das Mädchen erschreckt. „Was machst’n du bei dem Regen hier draußen, Schätzchen?“

„Woher wissen Sie, wie ich heiße?“

„Hä?“

„So heiße ich. Danny-Schätzchen.“

Gekicher. „Ziemlich sicher nur die Hälfte davon, Kleine. Wohnst du hier in der Gegend?“

„Nein, ich glaube nicht.“

„Wo ist deine Mama?“

„Ich glaube, ich habe keine mehr“, musste Danny eingestehen.

„Und deine Leute? Deine Familie? So eine hübsche Kleine lassen die doch nicht allein draußen rumlaufen. Wer ist bei dir?“

„Miss Jane.“

„Na siehst du“, sagte das Mädchen strahlend. „Und wo ist die hingegangen?“

Als Danny auf die Kiste hinter sich zeigte, runzelte das Mädchen skeptisch die Stirn. Trotzdem schaute sie nach, kroch dann in die Kiste hinein, um genauer hinzusehen. Danny wollte lieber nicht noch einmal in die Kiste krabbeln und blieb draußen. Bei dem Müll roch es viel besser.

Als das Mädchen zurückkam, atmete es tief durch und schauderte. Dann beugte es sich zu Danny hinunter und lächelte sie schwach an. „Armes Ding, du. Hattest du außer ihr keinen?“

„Sie war bei mir, als ich aufgewacht bin. Wir waren beide verletzt. Sie sagte, der Schmerz in meinem Kopf hat meine Erinnerungen weggenommen, aber sie werden eines Tages wiederkommen. Seitdem haben wir uns immer versteckt, damit der Mann, der uns verletzt hat, nicht findet.“

„Oje, was für ein Jammer. Ich kann dich mit nach Hause nehmen, schätze ich. Aber ein richtiges Zuhause ist das nicht; nur ein paar Kinder wie du, die keinen mehr haben, der sich um sie kümmert. Wir schlagen uns halt durch, so gut wir können. Alle schaffen ihr Geld zum Leben ran, sogar die Kleinsten, die so sind wie du. Die Jungs als Taschendiebe, die Mädels auch, bis sie alt genug sind, ihr Geld auf’m Rücken zu verdienen. Mach ich auch bald, wenn’s nach dem verdammten Dagger geht.“

Die letzten Worte hatte sie so angewidert hervorgespien, dass Danny nachfragte: „Ist das eine schlimme Arbeit?“

„Die Allerschlimmste, Kleine. Kriegst die Pocken davon und musst jung sterben, aber was kümmert das Dagger, solange die Kohle reinkommt.“

„Dann möchte ich diese Arbeit nicht machen. Ich bleibe hier, vielen Dank.“

„Aber du kannst nicht …“, begann das Mädchen, verbesserte sich jedoch: „Hör mal, ich hab eine Idee. Wünschte, ich hätte das auch machen können, aber da kannte ich das noch nicht, was ich jetzt mache. Für mich ist es zu spät, aber für dich nicht – nicht, wenn sie denken, du bist ein Junge.“

„Aber ich bin ein Mädchen.“

„Klar, Schätzchen, aber wir können dir ein Paar Hosen beschaffen, dir die Haare kurz schneiden, und …“ Das Mädchen kicherte. „Wir brauchen ihnen nicht mal sagen, was du bist. Wenn sie dich in Hosen sehen, denken sie gleich, du bist ein Junge. Ist wie ein Spiel, wir tun so als ob. Macht bestimmt Spaß, wirst schon sehen. Und dann kannst du selbst entscheiden, was für eine Arbeit du machen willst, wenn du größer bist, anstatt gesagt zu kriegen, es gibt nur eine Arbeit für dich, weil du ein Mädchen bist. Na, wie hört sich das an? Willst du’s versuchen?“

„Ich glaube nicht, dass ich schon mal ‚wir tun so als ob’ gespielt habe, aber ich will es gern lernen, Madam.“

Das Mädchen verdrehte die Augen. „Du redest viel zu vornehm, Danny. Kannst du nicht anders?“

Danny wollte gerade erneut „Ich glaube nicht“ sagen, schüttelte aber stattdessen verlegen den Kopf.

„Dann sag überhaupt nichts, bis du so reden kannst wie ich, klar? Damit du nicht durch deine Sprache auffällst. Keine Angst, ich bring dir das schon bei.“

„Kann Miss Jane mit uns kommen, wenn es ihr besser geht?“

Das Mädchen seufzte. „Sie ist tot. Zu schwer verletzt, so wie’s aussieht. Ist wohl verblutet. Ich hab sie mit dem großen Tuch zugedeckt – nicht weinen. Hast doch jetzt mich; ich kümmer mich um dich.“

1

Jeremy Malory war schon früher in zwielichtigen Spelunken gewesen, aber diese war vermutlich die schlimmste von allen. Kein Wunder, sie lag ja auch am Rand des wohl übelsten Armenviertels von London, das fest in der Hand von Dieben, Halsabschneidern, Freudenmädchen und wilden Horden von Waisenkindern war, die auf der Straße lebten und zweifellos zu Londons nächster Verbrechergeneration heranwuchsen.

Jeremy wagte sich nicht weiter in diesen Stadtteil hinein, da ihn seine Familie sonst vermutlich nicht wiedersehen würde. Doch die Schänke stand absichtlich ganz am Rand jener Mördergrube, damit nichts ahnende Gäste dort ein paar Gläser tranken und sich die Taschen ausrauben ließen oder, wenn sie töricht genug waren, ein Zimmer für die Nacht mieteten, wo ihnen dann alles gestohlen wurde, sogar die Kleider.

Jeremy hatte für ein Zimmer bezahlt. Und nicht nur das, er war auch sehr großzügig mit seinem Geld umgegangen, hatte den wenigen Gästen in der Schänke eine Runde ausgegeben und überzeugend den Betrunkenen gespielt. Auf diese Weise hatte er absichtlich den Boden dafür bereitet, dass jemand ausgeraubt wurde – nämlich er selbst. Doch genau aus diesem Grunde waren er und sein Freund Percy auch hier – um einen Dieb zu schnappen.

Zu Jeremys Erstaunen hielt Percy Adlen ausnahmsweise einmal den Mund. Normalerweise redete er wie ein Buch und war noch dazu ziemlich zerstreut. Dass er auf diesem ungewöhnlichen Ausflug meist schwieg, zeigte, wie nervös er war. Verständlicherweise. Jeremy mochte sich ja in dieser Umgebung wie zu Hause fühlen – immerhin war er in einer Schänke geboren und aufgewachsen, bis sein Vater ihn als Sechzehnjährigen zufällig aufgelesen hatte. Percy dagegen gehörte zur gehobenen Gesellschaft.

Jeremy hatte Percy mehr oder weniger geerbt, als die beiden besten Freunde Percys - Nicholas Eden und Jeremys Cousin Derek Malory – zahm geworden waren und sich unter das Ehejoch gebeugt hatten. Derek hatte Jeremy unter seine Fittiche genommen, als Jeremy und sein Vater James nach dem Ende der langen Entfremdung zwischen James und seiner Familie nach London zurückgekehrt waren. Daher war es nur natürlich, dass Percy nun in Jeremy den engsten Verbündeten für Unternehmungen der weniger zahmen Art sah.

Jeremy hatte nichts dagegen. Nachdem sie acht Jahre lang gemeinsam durch dick und dünn gegangen waren, mochte er Percy mittlerweile richtig gern. Wenn dem nicht so gewesen wäre, hätte er sich gewiss nicht freiwillig bereit erklärt, ihn aus seiner jüngsten Verlegenheit zu retten. Am vergangenen Wochenende hatte Percy sich nämlich auf einer mehrtägigen Gesellschaft im Hause von Lord Crandle beim Glücksspiel gehörig schröpfen lassen, und zwar von einem Zockerfreund des Hausherrn. Er hatte dreitausend Pfund verloren, dazu seine Kutsche und nicht nur ein Familienerbstück, sondern gleich zwei. Er war so sturzbetrunken gewesen, dass er sich nicht einmal mehr daran erinnern konnte, bis sich am nächsten Tag einer der anderen Gäste seiner erbarmte und ihm alles erzählte.

Percy war am Boden zerstört gewesen, und das aus gutem Grund. Das Geld und die Kutsche zu verlieren geschah ihm nur recht; warum ließ er sich auch so leicht übertölpeln? Mit den beiden Ringen war es jedoch etwas ganz anderes. Der eine war so alt, dass er seiner Familie als Siegelring diente, und der andere, wegen seiner Edelsteine sehr wertvoll, befand sich schon in der fünften Generation im Besitz von Percys Familie. Percy hätte im Traum nicht daran gedacht, die Stücke beim Spiel als Einsatz zu verwenden. Er musste gezwungen, angestachelt oder auf andere Weise dazu verleitet worden sein, sie in den Topf zu werfen.

Das Ganze gehörte nun Lord John Heddings, und Percy war außer sich gewesen, als Heddings sich weigerte, ihm die Ringe wieder zu verkaufen. Geld brauchte der Lord nicht, die Kutsche ebenso wenig. Die Ringe mussten jedoch wahre Trophäen für ihn gewesen sein, ein Zeugnis seines Geschicks beim Glücksspiel. Oder vielmehr seines Geschicks beim Betrügen, doch das konnte Jeremy kaum beweisen; er war ja nicht dabei gewesen.

Hätte Heddings auch nur einen Funken Anstand im Leib gehabt, so hätte er Percy ins Bett geschickt, anstatt ihn weiter zum Trinken aufzufordern und zuzulassen, dass er die Ringe einsetzte. Zumindest hätte er Percy die Ringe später zurückkaufen lassen. Percy war sogar bereit gewesen, mehr als ihren eigentlichen Wert zu bezahlen; arm war er schließlich nicht, da er nach dem Tod seines Vaters bereits sein Erbe erhalten hatte.

Doch Heddings scherte sich nicht um Anstand. Vielmehr war er über Percys Beharrlichkeit verärgert gewesen und zuletzt wirklich unangenehm geworden – wenn Percy ihn nicht bald in Ruhe lasse, werde er körperlichen Schaden nehmen. Das hatte Jeremy so aufgebracht, dass er diese Alternative vorgeschlagen hatte. Immerhin war Percy überzeugt davon, dass seine Mutter ihn enterben würde, wenn sie von der Sache erfuhr, und so hatte er es seit jenem Vorfall vermieden, ihr zu begegnen, damit sie nicht merkte, dass die beiden Ringe an seinen Fingern fehlten.

Seit sie sich vor zwei Stunden in ihr Zimmer über der Schänke zurückgezogen hatten, waren bereits drei Schurken erschienen, die versucht hatten, sie auszurauben. Alle waren jedoch Stümper gewesen, und nach dem Letzten der drei wollte Percy schon die Hoffnung aufgeben, dass sie einen Dieb für ihren Plan finden würden. Jeremy war zuversichtlicher. Drei Versuche in so kurzer Zeit bedeuteten, dass im Laufe der Nacht noch weitere folgen würden.

Erneut öffnete sich die Tür. Im Zimmer brannte kein Licht, ebenso wenig wie draußen im Korridor. Wenn dieser neue Dieb irgendetwas taugte, würde er auch keines brauchen, denn er hätte lange genug gewartet, um seine Augen an die Dunkelheit zu gewöhnen. Schritte, ein wenig zu laut. Ein Streichholz flammte auf.

Jeremy seufzte und erhob sich behände von dem Stuhl neben der Tür, wo er Wache hielt. Dabei machte er weniger Geräusche als der Dieb beim Betreten des Raumes. Plötzlich tauchte er vor der Nase des Gauners auf, ein Hüne von einem Mann, nun ja, zumindest im Vergleich zu dem kleinen Halunken. Aber auf jeden Fall war er groß genug, um dem Gassenjungen einen Heidenschreck einzujagen, sodass er Hals über Kopf auf dem gleichen Weg verschwand, auf dem er gekommen war.

Jeremy knallte die Tür hinter dem Jungen zu. Er gab nicht auf; schließlich war die Nacht noch jung, und die Diebe waren noch nicht verzweifelt. Wenn es sein musste, würde er einfach einen von ihnen festhalten, bis sie ihm ihren besten Mann brachten.

Percy dagegen kapitulierte. Er saß auf dem Bett und lehnte sich mit dem Rücken an die Wand – beim bloßen Gedanken daran, unter diese Decken zu kriechen, hatte er sich geschüttelt. Jeremy hatte jedoch darauf bestanden, dass er sich hinlegte, um zumindest den Eindruck zu erwecken, er schliefe. „Es muss doch einen einfacheren Weg geben, einen Dieb anzuheuern“, beklagte er sich. „Gibt es kein Büro, das welche vermittelt?“

Jeremy musste sich das Lachen verbeißen. „Geduld, alter Junge. Ich habe dich gewarnt, es würde die ganze Nacht dauern.“

„Ich hätte es doch deinem Vater stecken sollen“, brummelte Percy.

„Was hast du gesagt?“

„Nichts, mein Lieber, gar nichts.“

Jeremy schüttelte den Kopf, sagte aber nichts mehr. Man konnte es Percy nicht verübeln, dass er sich fragte, ob Jeremy tatsächlich allein mit diesem Schlamassel fertig werden konnte. Immerhin war er neun Jahre jünger als Percy, und da dieser so ein Wirrkopf war und kein Geheimnis für sich behalten konnte, hatte ihm niemand erzählt, wie Jeremy in Wirklichkeit aufgewachsen war.

Der Tatsache, dass er während der ersten sechzehn Jahre seines Lebens in einer Schänke gelebt und gearbeitet hatte, verdankte Jeremy einige überraschende Fähigkeiten. Er konnte solche Mengen von Hochprozentigem vertragen, dass er seine Freunde unter den Tisch trank, bis sie vollkommen hinüber waren, während er selbst vergleichsweise nüchtern blieb. Bei Prügeleien konnte er, wenn es sein musste, ziemlich heimtückisch werden. Und er hatte einen scharfen Blick dafür, ob eine Drohung ernst gemeint oder bloß heiße Luft war.

Seine unkonventionelle Erziehung war freilich nicht damit beendet gewesen, dass sein Vater von seiner Existenz erfuhr und ihn bei sich aufnahm. Nein, damals war James Malory noch immer von seiner großen Familie entfremdet und führte in der Karibik das sorglose Leben eines Piraten oder eines „Gentleman-Piraten“, wie er sich lieber nannte. James’ bunt zusammengewürfelte Mannschaft hatte sich Jeremys angenommen und ihm weitere Dinge beigebracht, von denen ein Junge in seinem Alter eigentlich nichts wissen sollte.

Von alledem hatte Percy keine Ahnung. Er hatte stets nur das Oberflächliche zu Gesicht bekommen, den charmanten Lausbuben, der heute, mit fünfundzwanzig, nicht mehr so lausbübisch, aber immer noch charmant war und so gut aussah, dass er keinen Raum betreten konnte, ohne dass sämtliche anwesenden Damen sich ein kleines bisschen in ihn verliebten. Abgesehen von den Frauen in seiner eigenen Familie, die ihn lediglich vergötterten.

Jeremy sah seinem Onkel Anthony ähnlich, und jeder, der ihm zum ersten Mal begegnete und beide kannte, hätte geschworen, dass er eher Tonys als James’ Sohn war. Wie sein Onkel war Jeremy groß und breitschultrig und hatte eine schlanke Taille, schmale Hüften und lange Beine. Beiden gemeinsam waren zudem ein breiter Mund und ein ausgeprägtes, arrogantes Kinn sowie eine stolze Hakennase, ein dunkler Teint und dichtes pechschwarzes Haar.

Das Eindrucksvollste an Jeremy war jedoch ein Augenpaar, wie es nur wenige Malorys hatten: strahlend blau unter schweren Lidern, leicht schräg gestellt, was ihm einen Hauch von Exotik verlieh, eingerahmt von schwarzen Wimpern und markanten Brauen. Zigeuneraugen, wurde immer wieder gemunkelt, geerbt von seiner Urgroßmutter Anastasia Stephanoff, in deren Adern, wie die Familie erst im vergangenen Jahr herausgefunden hatte, tatsächlich zur Hälfte Zigeunerblut geflossen war. Christopher Malory, der Erste Marquis von Haverston, war so hingerissen von ihr gewesen, dass er sie bereits am zweiten Tag ihrer Bekanntschaft geheiratet hatte. Außer der Familie würde jedoch niemals jemand von dieser Sache erfahren.

Es war verständlich, warum Percy lieber Jeremys Vater eingeweiht hätte. War nicht sein bester Freund Derek stets schnurstracks zu James marschiert, wenn er Probleme der pikanteren Sorte hatte? Percy ahnte zwar nichts von James’ Zeit als Pirat, doch wer hätte nicht gewusst, dass James Malory zu den berüchtigtsten Wüstlingen Londons gezählt hatte, bevor er zur See gefahren war, und dass damals wie heute kaum einer es wagte, ihm die Stirn zu bieten, ob im Boxring oder auf dem Duellplatz?

Percy war wieder aufs Bett gesunken, um den Schlafenden zu mimen. Nachdem er sich brummelnd eine Weile hin- und hergeworfen hatte, verhielt er sich größtenteils ruhig, während sie auf den nächsten Eindringling warteten.

Jeremy überlegte, ob er Percy sagen sollte, dass diese Angelegenheit so bald nicht geregelt würde, wenn er seinen Vater hinzuzöge. James Malory war nämlich nur einen Tag, nachdem er Jeremy ein neues Stadthaus geschenkt hatte, eilends zu seinem Bruder Jason nach Haverston gereist. Jeremy war sich ziemlich sicher, dass sein Vater sich nur deshalb für ein, zwei Wochen aufs Land begeben hatte, weil er fürchtete, dass Jeremy ihn sonst zum Möbelkaufen mitschleifen würde.

Beinahe wäre Jeremy entgangen, dass sich ein Schatten durch den Raum zum Bett hinüberstahl. Diesmal hatte er weder das Öffnen noch das Schließen der Tür bemerkt; keinen Mucks hatte er gehört. Wenn die Bewohner dieses Zimmers tatsächlich geschlafen hätten, wie ja anzunehmen war, wären sie durch diesen Eindringling sicherlich nicht aufgewacht.

Jeremy lächelte in sich hinein, bevor er ein Streichholz anzündete und damit über die Kerze auf dem Tisch strich, den er neben seinen Stuhl gestellt hatte. Augenblicklich starrte der Dieb ihn an. Jeremy hatte sich ansonsten nicht gerührt und saß ganz entspannt an seinem Platz. Der Dieb hatte ja keine Ahnung, wie schnell er sich im Notfall bewegen konnte, um ein Entkommen des Halunken zu verhindern. Dieser machte jedoch keinerlei Anstalten zu fliehen; er war so überrascht, weil man ihn erwischt hatte, dass er wie angewurzelt stehen blieb.

„Na so was.“ Percy hob den Kopf. „Haben wir endlich Glück?“

„Ich würde sagen, Ja“, erwiderte Jeremy. „Habe ihn überhaupt nicht gehört. Das ist unser Mann oder unser Junge, je nachdem.“

Allmählich erholte sich der Dieb von seinem Erstaunen, und was er hörte, schien ihm nicht sonderlich zu gefallen, wenn man danach ging, wie misstrauisch Jeremy plötzlich die Augen zusammenkniff. Dieser ging jedoch nicht weiter darauf ein, sondern hielt zunächst danach Ausschau, ob der Dieb eine Waffe trug. Er konnte keine entdecken. Seine eigenen Waffen hatte Jeremy natürlich in den Jackentaschen verborgen, auf jeder Seite eine Pistole; dass er bei dem Dieb keine sah, bedeutete also nicht, dass er wirklich keine hatte.

Der Bursche war viel größer als die anderen Schurken, die versucht hatten, sie auszurauben. Er war ein richtiger Schlaks, aber seinen glatten Wangen nach zu urteilen nicht älter als fünfzehn oder sechzehn. Aschblondes Haar, so hell, dass es mehr weiß als blond schimmerte, mit kurz geschnittenen Naturlocken. Ein verbeulter Hut, der seit ein paar Jahrhunderten aus der Mode war. Der dunkelgrüne Samtrock eines Gentlemans war zweifellos gestohlen und sah so schmuddelig aus, als hätte der Junge oft darin geschlafen. Darunter lugten ein ehemals weißes Hemd mit Rüschen am Hals und schwarze Hosen mit langen Beinen hervor. Schuhe trug der Bursche keine. Ganz schön gewieft – kein Wunder, dass er bislang kein Geräusch verursacht hatte.

Für einen Dieb war er ziemlich auffällig, doch das lag vermutlich daran, dass er ein so gut aussehender Junge war. Und er hatte sich eindeutig von seiner Überraschung erholt. Jeremy wusste auf die Sekunde genau, wann er losstürzen würde, sodass er vor dem Burschen an der Tür war und sich mit verschränkten Armen dagegen lehnte.

Lässig lächelte er den Jungen an. „Du willst doch nicht etwa schon gehen, mein Lieber? Du hast unseren Vorschlag noch nicht gehört.“

Dem Dieb blieb erneut der Mund offen stehen. Das mochte an Jeremys Lächeln liegen, wahrscheinlicher aber daran, wie schnell dieser als Erster an der Tür gewesen war. Diesmal fiel das sogar Percy auf, der sich beklagte: „Verflucht, er gafft dich an wie sonst die Weiber. Wir brauchen einen Mann und kein Kind!“

„Das Alter spielt keine Rolle, mein Bester“, entgegnete Jeremy. „Auf Geschicklichkeit kommt es an; in welcher Verpackung diese steckt, ist kaum von Belang.“

Nun errötete der Junge, der offenbar beleidigt war, und mit einem finsteren Blick zu Percy hinüber sprach er zum ersten Mal. „Hab noch nie so einen hübschen Lackaffen gesehen, das ist alles.“

Beim Wort „hübsch“ musste Percy lachen; Jeremy dagegen fand das gar nicht komisch. Der Letzte, der ihn hübsch genannt hatte, war dafür ein paar Zähne losgeworden.

„Das musst du gerade sagen; du siehst doch aus wie ein Mädchen“, konterte er.

„Ja, das tut er wirklich“, pflichtete Percy ihm bei. „Du solltest dir ein paar Haare auf den Wangen wachsen lassen, zumindest bis deine Stimme ein, zwei Oktaven tiefer wird.“

Wieder wurde der Junge rot und brummelte undeutlich: „Da kommt halt nichts – noch nicht. Bin erst fünfzehn, glaub ich jedenfalls. Nur groß für mein Alter.“

Jeremy hätte vielleicht Mitleid für den Jungen empfunden, denn sein „glaub ich jedenfalls“ deutete darauf hin, dass er nicht wusste, in welchem Jahr er geboren war. Das war in der Regel bei Waisenkindern der Fall. Doch noch zwei andere Dinge waren ihm gleichzeitig aufgefallen. Die Stimme des Jungen hatte zunächst hell geklungen und war dann in eine tiefere Tonlage gekippt, als steckte er gerade in der peinlichen Phase des Stimmbruchs. Jeremy glaubte allerdings nicht, dass die Stimme von allein nach unten gerutscht war; dazu hatte der Wechsel zu künstlich geklungen.

Das Zweite, das ihm bei näherem Hinsehen auffiel, war, dass der Bursche nicht nur gut aussah, sondern eine echte Schönheit war. Das Gleiche hätte man nun auch über Jeremy sagen können, als er in diesem Alter gewesen war, nur dass er dabei männlich gewirkt hatte, dieser Junge dagegen eindeutig mädchenhafte Züge trug. Die zarten Wangen, die üppigen Lippen, das kecke Näschen – und noch einiges mehr. Das Kinn war zu schwach ausgeprägt, der Hals zu schlank, sogar die Körperhaltung war allzu verräterisch, zumindest für einen Mann, der die Frauen so gut kannte wie Jeremy.

Dennoch hätte Jeremy womöglich nicht seine Schlüsse daraus gezogen, zumindest nicht sofort, wenn sich nicht seine Stiefmutter ebenso verkleidet hätte, als sie seinem Vater zum ersten Mal begegnet war. Sie hatte unbedingt nach Amerika zurückkehren wollen, und die einzige Möglichkeit dazu schien damals zu sein, sich als James’ Kabinenjunge zu verdingen. Natürlich hatte James von Anfang an gewusst, dass sie kein Junge war, und so wie er es erzählte, hatte er einen Heidenspaß daran gehabt, zum Schein auf ihr Spiel einzugehen.

In diesem Fall konnte Jeremy sich jedoch auch täuschen; das war zumindest nicht völlig auszuschließen. Andererseits irrte er sich selten, wenn es um Frauen ging.

Nun, es bestand keine Veranlassung, die Kleine bloßzustellen. Welchen Grund sie auch immer hatte, ihr Geschlecht zu verbergen, es ging nur sie etwas an. Jeremy war zwar neugierig, doch hatte er schon vor langer Zeit gelernt, dass Geduld sich in solchen Fällen am meisten auszahlte. Abgesehen davon wollten sie nur eines von der Kleinen – ihre Geschicklichkeit.

„Wie heißt du denn, Junge?“, fragte Jeremy.

„Geht Sie einen feuchten Dreck an.“

„Ich glaube, ihm ist noch nicht ganz klar, dass wir ihm einen Gefallen tun wollen“, bemerkte Percy.

„Pah, eine Falle …“

„Nein, nein. Betrachte es eher als Gelegenheit zu arbeiten“, korrigierte Percy.

„Quatsch, eine Falle“, beharrte ihr Dieb. „Und auf Ihr Angebot pfeif ich, egal was es ist.“

Jeremy zog eine schwarze Augenbraue hoch. „Bist du nicht wenigstens ein klein wenig neugierig?“

„Nä“, entgegnete der Dieb dickköpfig.

„Wie schade. Das Schöne an Fallen ist ja, dass man nicht aus ihnen herauskommt, es sei denn, man wird befreit. Sehen wir so aus, als wollten wir dich hieraus befreien?“

„Sie sind nicht bei Trost, so sehen Sie aus. Sie glauben doch wohl nicht, dass ich allein bin? Die anderen kommen mich holen, wenn ich nicht zurück bin wie verabredet.“

„Die anderen?“

Die Frage brachte Jeremy erneut einen finsteren Blick ein, doch er zuckte nur unbeeindruckt die Achseln. Er bezweifelte nicht, dass die Kleine mit einer ganzen Diebesbande unterwegs war, die einen nach dem anderen zu ihm und Percy hineingeschickt hatte, um die ahnungslosen Adligen auszurauben, die sich in ihr Revier verirrt hatten. Dass die anderen das Mädchen suchen würden, glaubte er jedoch nicht. Bestimmt waren sie viel eher an dem dicken Geldbeutel interessiert, den sie erwarteten, als an irgendeiner Befreiungsaktion. Wenn überhaupt, würden sie annehmen, der Versuch des Mädchens wäre gescheitert, es wäre festgenommen, zusammengeschlagen oder umgebracht worden. Bald würden sie den nächsten Dieb losschicken.

Daher sollten sie auch ihre Zelte abbrechen und sich auf den Weg machen, nun, da sie ihr Opfer in der Hand hatten. Also sagte Jeremy liebenswürdig: „Setz dich, Junge; dann erkläre ich dir, wofür du deine Dienste angeboten hast.“

„Ich hab keine Dienste ange…“

„O doch. Als du durch diese Tür gekommen bist, hast du eindeutig deine Dienste angeboten.“

„Falsches Zimmer“, versuchte der Dieb ihnen weiszumachen. „Sind Sie noch nie aus Versehen ins falsche Zimmer gelatscht?“

„Natürlich, aber für gewöhnlich hatte ich dabei Schuhe an“, erwiderte Jeremy trocken.

Das Mädchen errötete erneut und fluchte wie ein Müllkutscher.

Jeremy gähnte. So sehr er auch das Katz-und-Maus-Spiel genossen hatte, er wollte nicht, dass es die ganze Nacht dauerte. Und bis zu Heddings Haus auf dem Land hatten sie noch ein gutes Stück Wegs vor sich.

Daher war sein Ton ein wenig strenger, als er das Mädchen aufforderte: „Jetzt setz dich, oder ich drücke dich persönlich in diesen Sessel …“

Er brauchte nicht zu Ende zu sprechen. Die Kleine stürzte zu dem Sessel und hechtete förmlich hinein. Sie wollte eindeutig nicht riskieren, dass er sie anfasste. Erneut unterdrückte Jeremy ein Lächeln, als er von der Tür wegtrat und sich vor das Mädchen stellte.

Nun machte Percy ausnahmsweise einmal einen vernünftigen Vorschlag: „Hör zu, das können wir doch alles unterwegs erklären, oder? Wir haben unseren Mann. Gibt es also einen Grund, noch einen Augenblick länger in diesem hundsmiserablen Quartier zu verweilen?“

„Recht hast du. Such mir mal was zum Binden.“

„Wie?“

„Um ihn zu fesseln. Oder ist es dir entgangen, dass unser Dieb kein bisschen kooperativ ist – noch nicht?“

In diesem Augenblick stürzte ihr Dieb mit dem Mut der Verzweiflung zur Tür.