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Annekatrin Puhle

Zwerge

Begegnungen und Erlebnisse mit dem Kleinen Volk

Annekatrin Puhle

Zwerge

Begegnungen und Erlebnisse
mit dem Kleinen Volk

Vom Anfang der Zeit bis heute

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Der Verlag konnte trotz eingehender Bemühungen leider nicht in jedem Fall den Inhaber der Rechte an den Abbildungen in diesem Buch ausfindig machen; sollte sich jemand mit Ansprüchen, die sich auf die Urheber- und Nutzungsrechte der abgedruckten Abbildungen beziehen und sich als berechtigt erweisen, an den Verlag wenden, dann ist der Verlag gerne bereit, diese im branchenüblichen Umfang zu honorieren.

Deutsche Originalausgabe

1. Auflage 2010

© Aquamarin Verlag GmbH

Voglherd 1

85567 Grafing

www.aquamarin-verlag.de

Umschlaggestaltung: Annette Wagner

Druck: Bercker • Kevelaer

ISBN 9783968612607

Inhalt

Geleitwort: Zwerge damals und heute

Dank

Vorwort

Einleitung

I. Kleines Volk, stilles Volk, schönes Volk

I.1 Zwerge, Elben, Wichte – ach wie gut, dass wir wissen, wie sie heißen

I.2 Däumling, Dickkopf und Zwergnase – mit Spitzhut, Bart und Zaubergürtel

I.3 Ein Blick nach Norden: Troll und Tomte

I.4 Puck, Goblin, Leprechaun und was es sonst noch auf den Britischen Inseln gibt

I.5 Wer Zwerg sagt, muss auch Riese sagen

II. Am Anfang waren sie halbe Götter

II.1 Götter, Halbgötter und Dämonen

II.2 Naturgeister und Elementarwesen

II.3 Die Seelen der Verstorbenen

II.4 Licht aus dem Dunkel der Erde: Zwerge als Sterne und Lichtwesen

II.5 Kleine Menschen – unterdrückte Völker

II.6 Wer sind sie wirklich? – Die sieben Zwergen-Deutungen

II.7 Steinalt oder unsterblich?

III. Ein Königreich für Zwerge

III.1 Im unterirdischen Reich

III.2 Zwergenbäume

III.3 Zwergenlöcher und Königreiche

III.4 Ein Rosengarten für den König

III.5 Steinreich: Die Schätze der Zwerge

IV. Geschickte Handwerker und kleine Künstler

IV.1 Was klopft und pocht da im Berg?

IV.2 Schmiedekünstler und Zimmermann

IV.3 Mit Leib und Seele beim Backen

IV.4 Fröhliche Bierbrauer

V. Ein Völkchen für sich – allerlei Eigenheiten der Zwerge

V.1 Lebensfreude und Übermut

V.2 Zwergenwitz und Riesenspaß

V.3 Ambivalenz und Grenzen des Zwergengemütes

V.4 Zwergenwünsche, Zwergennöte

VI. An den Grenzen von Zeit und Raum

VI.1 Zwerg Allwissend oder der alte Weise

VI.2 Die magischen Kräfte des Kleinen Volkes

VI.3 Zwischen Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit

VI.4 Der Totengeleiter

VI.5 Der Zwerg als Seelenführer

VII. Orte der Begegnung mit dem Kleinen Volk

VII.1 Zwerge im Grünen

VII.2 Gute Geister in Haus und Hof: Glücksmännchen und Gütchen

VII.3 Mühlenzwerge

VII.4 Am Abend kommt das Sandmännchen

VII. St. Nikolaus und der Weihnachtszwerg

VIII. Verteufelte Geisterwelt: Vom Gütel zum Plagegeist

VIII.1 Entführungen

VIII.2 Wechselbälge

VIII.3 Rumpelgeist, Giftzwerg und Bösewicht

VIII.4 Schutz vor dunklen Kräften

IX. Was sagen uns die Zwerge? Die Suche nach dem wahren Kern

IX.1 Schöne Märchen – Ein Blick in die Seele

IX.2 Ein Blick in die Natur

IX.3 Mit dem Herzen sehen

IX.4 Aus dem Dunkel ins Licht

IX.5 Was können wir den Zwergen sagen?

X: Von guten Geistern umgeben. Das Kleine Volk in unserer Zeit

X.1 Rückzug der Zwerge?

X.2 Träume als Brücke in weitere Welten

X.3 Zwischen Bewusstem und Unbewusstem

X.4 Die Gegenwart der Zwerge

X.5 Vom bewussten Umgang mit der Natur und ihren geistigen Kräften

Schluss

Nachwort

Literaturverzeichnis

Bildverzeichnis

Für

Lia, Marios, Julia, Zoe

in liebevoller Verbundenheit

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Geleitwort: Zwerge damals und heute

In jenen alten Zeiten, als das Wünschen noch geholfen hat, achteten und fürchteten die Menschen die Gegenwart des „Kleinen Volkes“, zu dem auch die Zwerge zählen, als Nachbarn und Besucher aus einer anderen, wilderen Welt.

Wer aber heute an Zwerge denkt, dem fallen vielleicht zunächst die kleinen Hobbits aus der überaus erfolgreichen Romanverfilmung von Tolkiens Herr der Ringe ein, oder die zipfelbemützten Gestalten deutscher Schrebergarten-Idyllen, ausgerüstet mit Spaten und Gießkanne, um als Echo der alten Fruchtbarkeitsmächte im Garten für Ordnung zu sorgen. „Zwerge ab 20 ... M“, so wirbt noch immer das leicht lädierte riesige Schild eines Gartenzwergfabrikanten an einer Landstraße in Deutschland und bringt uns zum Schmunzeln. Fast könnte man meinen, der Schabernack eines Zwerges hat damals zu Zeiten der D-Mark das D vor dem M stibitzt.

Doch vielleicht erinnern sich einige auch an ihre Kindertage in stillen Wäldern jenseits aller begrenzenden Gartenzäune, wo knorrige Baumgestalten der Phantasie den Spielraum schenkten, darin weise alte oder pfiffig verschmitzte Gesichterchen zu erkennen.

Ob Kindheitssehnsucht, Gartenzier oder Kino-Abenteuer, den Zwergen haftet heute oft ein Hauch von Nostalgie und Romantik an. Doch bedenken wir, dass die Epoche der Romantik, an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert, als geistige Bewegung von Künstlern und Philosophen entstand, um dem starren Rationalismus ihrer Zeit ein Gegengewicht zu setzen. Nicht von ungefähr erwuchsen daraus die Märchen- und Sagensammlungen der Gebrüder Grimm und vieler anderer Gelehrter, die die wertvollen mündlichen Überlieferungen vor dem Vergessen bewahrten.

Bedenken wir auch, dass „wirklich ist, was wirkt“, um mit C.G. Jung, dem Begründer der Tiefenpsychologie, zu sprechen. Was heute oft als lang überkommener Aberglaube in Bausch und Bogen abgetan wird, entfaltet dennoch weiterhin seine Wirkung auf Seele und Welt, wie wir in diesem Buch erleben können.

Annekatrin Puhle schöpft aus dem Wissen unserer Vorfahren und den Quellen der Gelehrten und webt daraus, mit viel Liebe zum Detail, einem emsigen Zwergenweiblein nicht unähnlich, ein vielfältig funkelndes Porträt der Zwergen-Welten – damals wie heute. Sie lässt es zudem nicht fehlen an poetischen Bildern und Glanzlichtern aus volkstümlichen Segenswünschen und Aussprüchen von Dichtern und Denkern, die uns dazu anregen, über das Wesen der Zwerge nicht nur nachzudenken, sondern ihm in aller Stille nachzuspüren.

Orkney, im Dezember 2009
Marita Lück
(Kulturwissenschaftlerin und Märchenerzählerin)

O Kind, wenn die Menschen wüssten,

wie niedrig ein Mensch bleibt,

der nichts im Kopf hat als Begreifliches!

JEREMIAS GOTTHELF (DER SONNTAG DES GROSSVATERS)

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1: Jill Barklem, England: Illustration zu: The Secret Staircase. 1983.

DANK

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Mögest du gesegnet sein …

mit den Strahlen des Mondes …

IRISCHER SEGENSWUNSCH1

Mein herzlicher Dank gilt allen, die das Buch auf unterschiedliche Weise bereichert und inspiriert haben: Marianne und Lia Samarellis, Zoe Marie Schnepel, Elke und Jasmine Mercier, Irmgard Trinkerl, Angelika Brugger, Maj Fagerberg (Schweden), Conny Åquist (Schweden), Jürgen Trott-Tschepe, Ulrich Röhrich, Jan Fjellander (Schweden), Sverker Davidsson (Schweden), Prof. Dr. Adrian Parker (Schweden) und vor allem meinem Vater Johannes Puhle, der mit seinen eigenen Märchendichtungen meine Liebe zu den Wiesen und Wäldern und der in ihnen verborgenen Zwergenwelt früh geweckt hat. Aufrichtigen Dank richte ich auch an die Malerinnen und Maler, die ihre Bilder großzügig zur Verfügung gestellt und dazu beigetragen haben, das Buch so lebendig wie möglich zu gestalten. Besonderer Dank gebührt Dr. Peter Michel und dem Aquamarin-Verlag, die das umfangreiche Zwei-Jahres-Projekt verwirklicht und dieses Buch ins Leben gerufen haben.

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1 Ausgewählt von Hermann Multhaupt (2003) für den 19. Juni.

Vorwort

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Die Geisterwelt ist uns in der Tat schon aufgeschlossen

– sie ist immer offenbar –

würden wir plötzlich so elastisch als es nötig wäre,

so sähen wir uns mitten unter ihr.

NOVALIS

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2: Paul Gustave Doré, Frankreich: Illustration für Hop o’ my Thumb.

Mit dem Einblick in das Zwergenreich, den wir von vielen verschiedenen Blickwinkeln aus nehmen, nähern wir uns dem Wesen der Natur und gleichzeitig den geheimnisvollen in ihr wirksamen Wesen und Kräften. Wir begegnen den Naturgeistern, die alleweil auch als Hausgeister erfahren werden. Das Kleine Volk, wie die Zwerge oft genannt werden, steht uns von allen Natur- und Hausgeistern am nächsten, gehört es doch dem Element an, auf dem sich unser Leben abspielt – der Erde. So eröffnen die Erdgeister den Reigen der vier großen Gruppen von Elementargeistern, zu denen noch die Geister der Luft, des Wassers und von Feuer und Licht gehören. Die antiken Philosophen kannten als fünftes Element den Äther, einen höheren himmlischen Bereich, dessen Geister den Luft- und Lichtgeistern nahestehen. Unsere Zwerge bilden einen winzigen Ausschnitt aus dem weiten Bereich von Geistererscheinungen, denen ich seit fast fünfzehn Jahren auf der Spur bin. Während die Geistererscheinungen von Menschen heute von Wissenschaftlern erforscht werden, widmet sich kaum einer den Naturgeistern – sie passen nicht mehr so recht in unsere Zeit, in der alles logisch zugehen muss. Doch aller Vernunft zum Trotz, gibt es auch heute noch genügend Menschen, die von eigenen Erlebnissen mit Naturwesen berichten können. Die alte Frage, ob es neben den sichtbaren Lebewesen noch unsichtbare oder nur manchmal sichtbare Wesen gibt, ist weiterhin berechtigt. Wenn auch die Zwerge schon vor Jahrhunderten in den deutschen Sagen ihren Rückzug angekündigt haben, so hat sich ihre Drohung nicht ganz bewahrheitet: Begegnungen mit dem Kleinen Volk finden auch heute noch statt, wie ein letzter freundlicher Wink der Natur, weiter nach ihren Geheimnissen, ihren geistigen Kräften und den in ihr wirkenden Geistern zu suchen. Hören wir uns nun um, was von den alten Geschichten heute noch lebendig ist und schlagen im großen Buch der Kulturgeschichte nach, was dort von den Zwergen geschrieben steht. Unser Weg wird vorwiegend durch Deutschland führen, weiter nach Skandinavien, Großbritannien und Irland und bis zurück in das alte Griechenland und Rom. Auch in neuen Büchern aus Wissenschaft und Forschung werden wir blättern, um zu sehen, was sie uns sagen können. Wir sind den Zwergen auf der Spur, gehen Mythen, Sagen, Märchen, Geschichten und Berichten auf den Grund, folgen den Kleinen in die tiefsten Erdengründe und dürfen gespannt sein, wie viel Licht aus dem Dunkel des geheimen Zwergenreiches zum Vorschein kommen wird.

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3: Ein Zwergengruß. Karl Hauff (gefallen 1943), Stuttgart: Glockenblumensitz.

EINLEITUNG

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… Möge das Licht dich führen

und seinen Glanz nie trüben. …

IRISCHER SEGENSWUNSCH2

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4: Richard Doyle (1824-1883), England: The Fairy Tree.

Es war einmal ein alter, dunkler Wald, und wer tief genug hineinging, kam zu einem mächtigen knorrigen Baum, in dessen Wurzelwerk sich eine kleine Öffnung auftat: Hier lag der Eingang zur Zwergenwelt, und wer glaubt, dies sei ein Märchen, wird bald einsehen müssen, dass wohl ein Fünkchen Wahrheit darin liegt.

Viele Deutsche sehnen sich nach Kontakten mit Naturgeistern. So wünscht sich etwa die Hälfte der Bevölkerung einen Zwerg, Kobold oder ähnlichen Naturgeist ins Haus. Viele sind auch felsenfest davon überzeugt, dass dieses Wesen ihnen helfen könnte (Der Tagesspiegel, 23.11.2001). Die Deutschen sind keine Ausnahme. Auch in Skandinavien bin ich immer wieder diesem Glauben begegnet, der nicht mehr so recht in unser Weltbild zu passen scheint, obwohl er einst auf der ganzen Welt verbreitet war und es in weiten Teilen bis heute noch ist, wie in Island, Afrika, Südamerika, Australien, Indien und der Mongolei. Dort wissen die Menschen noch von Zwergen, Riesen, Elfen, Wassergeistern, Feuerleuten und Lichtwesen, die sich in der Erde, in Bergen und Felsen, in Wäldern und Wiesen, in Gewässern, in den Lüften und im Himmel aufhalten. Es sind machtvolle Geister, die das Leben der Menschen beeinflussen, und immer erwiesen die Menschen diesen Wesen gebührenden Respekt.

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5: Illustration von Elsa Beskow, Schweden.

Zwerge sind die kleinsten unter den Naturgeistern. Sie sind wie Kinder: Süß und verspielt, haben nichts als Flausen im Kopf und machen ständig Dummheiten, sagen unverblümt die Wahrheit, kriechen in hohle Bäume, verstecken sich in allen Winkeln des Hauses und klettern in Ruinen herum. Zwerge leben auch wie Kinder in einer magischen Welt, in der alles möglich ist. Sie sind kleine, aber mächtige Zauberer und haben die Fähigkeit, sich unsichtbar zu machen. Zwerge sind im Besitz von Gold und Silber und haben den Schlüssel zur menschlichen Seele. So behüten sie Schneewittchen während ihres Todesschlafes im gläsernen Sarg bis zu ihrer Erlösung. Viele Märchen und Sagen erzählen uns von Zwergen und rufen angenehme Kindheitserinnerungen wach, und manch einer wird insgeheim vielleicht sogar seine eigenen Erfahrungen mit diesen Wesen gesammelt haben. Man muss sie einfach lieben, die niedlichen Kerlchen mit den merkwürdigen alten Gesichtern, die ebenso gewitzt und pfiffig wie hilfreich und freundlich sein können.

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6: Ein Zwerg bewacht Schneewittchen. Illustration zu Schneewittchen aus: Grimms Kinder-und Hausmärchen 1819.

Allein im deutschsprachigen Raum finden wir Tausende und Abertausende von Sagen und Berichten aus der Zwergenwelt, die Amüsantes, Lehrreiches und Gutes neben allerlei Scheußlichkeiten berichten. In allen europäischen Ländern gibt es Überlieferungen von Zwergen, in Spanien vom Duende, in Italien vom Nano, Elfo und Folletto, in Irland von den Fairies und Little People, in Schottland vom Brownie, in Dänemark vom Ellefolk und in Schweden und Norwegen von Troll und Tomtar. In Schweden hat fast jeder ein Familienmitglied, das eine wahre Geschichte von Zwergen zu erzählen weiß, wenn er nicht selbst etwas in dieser Hinsicht erlebt hat. Unser schwedischer Freund Jan Fjellander, Forscher auf dem Gebiet der Grenzerfahrungen und Journalist, erinnert sich an seine Kindertage: „Ich muss vier oder fünf Jahre alt gewesen sein, das war 1946 oder 1947. Wir lebten damals in einer Villa in Lidingö, einer Vorstadt von Stockholm. Es war ein zweistöckiges Haus, und mein Zimmer lag im zweiten Stock. Eines Abends lief ich die Treppe hinauf, und von dieser Treppe aus kann man direkt in das Zimmer sehen, kommt man geradewegs hinein in das Zimmer, in dem in der Mitte ein Klavier steht, und da sah ich einen kleinen Zwerg (tomte) am Klavier sitzen. Er war 30 bis 40 cm groß, sah grau oder gräulich aus und trug altmodische Kleidung aus dem 19. Jahrhundert. Irgendein gestricktes Hütchen oder Mützchen hatte er auf dem Kopf. Er spielte ganz offensichtlich Klavier, doch ich konnte nichts hören. Das ist natürlich völlig subjektiv. Ich habe absolut keine Ahnung, ob das nur eine Phantasie war. Ich habe lediglich diese visuelle Erinnerung.“ (Bericht von Jan Fjellander an A. Puhle, 12. März 2005, Stockholm; übersetzt von A. Puhle)

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7: Karl Hauff, Stuttgart: Zwerge lieben die Musik (siehe II.5).

Für Kinder ist die Welt noch heil. Alles gehört zusammen und wird genommen, wie es ist. Das gilt auch für Zwerge und andere geisterhafte Wesen. Kinder erzählen mitunter ihren verwunderten Eltern von ihren Begegnungen mit solchen geheimen Wesen. Ist das ihre blühende Phantasie? Nicht immer; denn es gibt Fälle, in denen Kinder etwas Geheimnisvolles sehen, das ein Erwachsener ebenso wahrnimmt. Doch wenn die Vernunft das Regiment übernimmt und das, was sie nicht erklären kann, verleugnet, werden diese Erfahrungen vergessen oder als Phantasie, sprich Unsinn, gedeutet. So geht uns ein Teil der Welt verloren.

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8: Zwerge sind typische Bewohner der Märchenwelt. Illustration von John B. Gruelle (John Barton; 1880-1938), Illinois, zu Schneeweißchen und Rosenrot in Grimm’s Fairy Tales, 1914.

Doch die Erfahrungen mit der Geisterwelt können für unser Leben Bedeutung gewinnen. In der Welt der Zwerge, der Märchenwelt par excellence, liegt Wahrheit, nur müssen wir den wahren Kern aus seinen Schalen erst herausschälen. Dann werden wir auf der Reise in das unterirdische Reich der Zwerge auch die verborgenen Winkel unseres eigenen Seelenlebens und Bewusstseins entdecken. Mögen sich die Zwerge auch, laut eigener Verkündung, von der Menschenwelt zurückgezogen haben, die Türen zu ihrem geheimen Königreich haben sie nicht hinter sich geschlossen.

Zwerge sind ursprünglich Naturgeister und leben in Bergen und unter der Erde. Im Laufe der Zeit haben sie sich näher an die Hütten und Siedlungen der Menschen herangewagt und sich teilweise als Hausgeister bei ihnen eingenistet. Schon eine magische Schrift der Chaldäer, die unter König Assurbanipal (884-860) auf rund zweihundert Tontafeln geschrieben wurde (von ihr gibt es im British Museum eine zweisprachige Abschrift in Assyrisch und in dem noch älteren Akkadisch), berichtet von Gnomen und Kobolden, die sich im Umfeld der Menschen aufhalten. Zwerge haben die Zeiten überdauert, und noch im 19. Jahrhundert waren sie in Deutschland als Hausgeister so bekannt und verbreitet, dass Ernst Moritz Arndt ihrer wohlwollend gedenkt. Er schildert den deutschen „Alten vom Hause”: „Der Glaube an solchen Hausgeist ist in manchen deutschen Landschaften hin und wieder noch gewöhnlich genug. Ich könnte aus der Erfahrung eines überlangen Lebens darüber genug Geschichten erzählen, wovon ich einige mit meinen Augen gesehen und mit meinen Händen betastet habe, freilich nicht jede in mir selbst erlebt noch an mir selbst verübt, sondern unter meinen Augen und Händen in und an andern gläubigen Seelen geschehen, wie ja der unsichtbaren Geister Wirkungen nur können.”

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9: Ein Wurzelmännchen hat sich häuslich in den Baumwurzeln eingerichtet. Illustration von Ida Bohatta-Morpurgo, 1940.

Noch im vorigen Jahrhundert stoßen wir auf die Überzeugung, Zwerge könnten real sein. So widmet Heinrich Rühmann in seiner Doktorarbeit Opfersagen des Hausgeist- und Zwergenkultes (1938) ein ganzes Kapitel dem „Wirklichkeitsgehalt der Sage”. Mit seiner Ansicht steht er in der romantischen Tradition der Zeit der Gebrüder Grimm, zu der auch Persönlichkeiten wie J.J. Bachofen, Ludwig Klages und Walter F. Otto gehören. Auch Goethes Gedanken auf diesem Gebiet – viele sind im Faust festgehalten – kehren in Rudolf Steiners Anthroposophie und bei ihren Anhängern wieder. Am Ende kommen einige Forscher zu dem Schluss: Es gibt sie wirklich, die Zwerge. Doch wenn wir ihren geheimen Spuren folgen, führt uns der Weg nicht in das finstere Reich der Erde hinab, sondern direkt hinauf in das Licht.

Lassen wir uns von geheimnisvollen Begegnungen mit der Zwergenwelt inspirieren, wie sie noch heute in Schweden erzählt werden, wie etwa der Geschichte des siebenjährigen Bertil Lindström, der in einem Kinderheim, rund 50 km von Göteborg entfernt, lebte und sich heute noch an die eiskalte Weihnachtsnacht im Jahr 1940 erinnert: Er holte Milch vom Nachbarhaus, das etwa 600 Meter weit entfernt lag, doch als er sich auf den Heimweg machte, konnte er den Weg nicht mehr finden, da es stockdunkel war und sein Photogen-Lämpchen nicht hell genug leuchtete. Dann verschüttete er zu allem Unglück auch noch die kostbare Milch. Nun brach er in Tränen aus, und auf einmal stand ein kleiner alter Mann vor ihm, etwa einen Meter groß, offenbar ein Weihnachtsmann (juleman), mit einer Fackel in der Hand. Der Zwerg fragte ihn, warum er denn weine, doch als er sein Photogen-Lämpchen auf ihn richtete, verschwand der kleine Alte. Das Merkwürdigste aber war das Aussehen des Zwerges, besonders seine grünen Augen, die nichts Weißes außen hatten und wie Smaragde funkelten (Faktum, Dezember 2009).

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10: Das Männchen weiß und weist den Weg. Illustration von Rien Poortvliet, Holland.

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2 Ausgewählt von Hermann Multhaupt (2003) für den 6. Januar.

I

Kleines Volk, stilles Volk, schönes Volk

Die größten Wunder gehen in der Stille vor sich.

WILHELM RAABE

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11: Illustration von Ida Bohatta-Morpurgo zu Schneckenpost, 1951.

Zwerge sind klein, klein wie die mittelalterlichen Engelchen oder noch winziger. Sie treten oft in größerer Zahl in Erscheinung, leben in Völkern, haben Könige und Königinnen und heißen auch Das Kleine Volk. Manche Zwerge stehen den Engeln an Schönheit nicht nach, sagt man doch von einigen Zwergenfrauen, sie seien bildschön, was ihnen auch den Namen das schöne Volk eingebracht hat und was die Westfalen mit Sgönaunken meinen. Unangenehm hässliche Exemplare finden sich auch in der ellenlangen Reihe der Zwergen-Verwandten, allen voran der Alb und der Wechselbalg. Da Zwerge die Zurückgezogenheit und den Frieden lieben, sind sie weiter das stille Volk, die friedlichen Nachbarn und die guten Leute und guten Nachbarn, kurzum, ein Volk, wie man es sich erträumt. Doch die schönmalenden Worte sind nicht immer für bare Münze zu nehmen, sondern dahinter kann sich die Angst vor den furchterregenden Seiten der Zwerge verbergen, sie sind Euphemismen. Man will sich vor ihnen schützen, so wie die Griechen die Erinnyen, gefährliche Rachegöttinnen aus der Unterwelt, den römischen Furien entsprechend, lieber die Wohlmeinenden, Eumeniden, nannten.

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SW12: The Fairy School. Illustration aus Keightley 1878.

Das auf Niederdeutsch überlieferte und von den Brüdern Grimm festgehaltene Märchen Dat Erdmänneken aus der Gegend um Paderborn weiß von einem reichen König zu erzählen, der ein großer Baumliebhaber war. Seine Liebe zu einem Apfelbaum war so groß, dass er jeden, der einen Apfel davon pflückte, hundert Klafter, also fast zweihundert Meter, unter die Erde verwünschte. Nun hatte der König drei schöne Töchter, die täglich einen Spaziergang durch den Schlosspark unternahmen und jedesmal darauf hofften, der Wind möge doch einen Apfel vom Lieblingsbaum ihres Vaters herunterwehen. Doch sie warteten vergeblich darauf. Als der Baum einmal voller Früchte war und seine schweren Zweige bis auf die Erde herabhingen, war die Versuchung zu groß: Da pflückte eine der Schwestern einen Apfel und alle kosteten davon. Da versanken die drei tief unter die Erde, und kein Hahn krähte mehr nach ihnen. Das Geheimnis, was mit den Mädchen passiert war, wusste nur ein Zwerg, und das „klein klein Männeken” plauderte es aus, nachdem es von den drei Jägerburschen, die den Mädchen auf der Spur waren, ordentlich verprügelt worden war. In dem unterirdischen Schloss, in dem die Männer nach ihrer achttägigen Reise angekommen waren, befanden sich drei Zimmer, in dem die drei Königskinder jeweils von einem Drachen, der viele Köpfe hatte, bewacht wurden. Erst wenn alle Köpfe der Drachen abgeschlagen waren, würden die Töchter wieder frei. Das wissende Männchen nun stellte sich als Erdmänneken vor und eröffnete den jungen Männern, dass es mehr als Tausend von ihrer Sorte gäbe. Nach der Kölner Variante des Märchens vom Erdmännchen, das auch in Schweden in Umlauf ist, „kommen aus allen Ecken viele tausend Erdmännchen herbeigelaufen”. Doch wer sind diese Leutchen? Klein, still und schön ist das unterirdische Volk, alles gute und friedfertige Leutchen. Welche Namen tragen sie noch? Wie sehen sie aus? Wer sind ihre Nachbarn und was hat es mit ihren riesigen Gegenspielern auf sich?

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13: Ein Männeken (manikin) aus den Geschichten um Rupert Bear von Mary Tourtel (1874-1948), England. Aus: Rupert, the Manikin and the Black Knight, 1935.

I.1 Zwerge, Elben, Wichte – ach wie gut, dass wir wissen, wie sie heißen

Segne mein Auge, o Gott,

dass es sieht, was du ihm zu sehen erlaubst. …

IRISCHER SEGENSWUNSCH3

Zur Zeit der Gebrüder Grimm konnte sich jeder etwas unter Wichten und Elben vorstellen. Inzwischen haben die Zwerge ihnen den Rang abgelaufen und sind die Stars unter den kleinen Geistern. Alle drei Geisterarten haben gemeinsame Wurzeln in der nordischen Mythologie, und überall auf der Welt treffen wir ihre Verwandten an. Je nach Zeit und Ort haben sie unterschiedliche Namen, einige auch Eigennamen. Die griechischen Dämonen (daimónes) und die römischen Genien (genii) gehören zu ihren ältesten Verwandten, haben aber umfassendere Aufgaben. Weitere griechische Zwergengeister sind die Panitae, während in romanischen, slawischen und deutschen Handschriften des Mittelalters ähnliche Wesen, die Pilosi (zu lat. pilosus), erwähnt werden (in den Glossatoren, etwa bei Isidorus im 7.Jhdt.), haarige Menschen oder Waldteufel, wie Luther sie nennt. Bei den Römern kursierten weiter Geschichten von Geistern, die Incubi und Succubi hießen und an Hausgeister wie Kobolde und Zwerge erinnern. Auch die gallischen Dusii, die Augustinus erwähnt (Augustinus, De civitate Dei, c.23), gehören in die Reihe der kleinen Wald- und Hausgeister, weiter ein Wassergeist oder Nix (aquaticus), ein Alp (genius) und eine Elfe oder ein Lichtgeist (geniscus). Sie alle sind Dämonen (wie bei Jesaja 13,12 in der Vulgata-Übersetzung) und einstige Waldgeister, die eine hütende und schützende Funktion für das Haus übernehmen können.

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14: The Knight and the Gnomes (Der Ritter und die Gnomen). Aus Keightley 1878.

Was besagt der Name Zwerg? Die Lehre von der wahren Bedeutung der Wörter, die Etymologie, gibt einige Hinweise: Das Wort Zwerg könnte von einer indogermanischen Wurzel dhṷer kommen, (zu dieser Wurzel gehören alt- und mittelhochdeutsch twerg (m.) und getwerg (n.), altenglisch dweorg, altnordisch dvergr, schwedisch dvärg, Pl. dvärgar bzw. dvärgfolk für Zwergenvolk), die so viel bedeutet wie jemanden durch Täuschung oder Hinterlist zu Fall bringen, schädigen. Zu dieser Wurzel gehört auch unser Slangwort Frust sowie eine indische Bezeichnung für eine Dämonin, dhvarás. Oder das Wort stammt von einer verwandten Wurzel ab, von indogermanisch dhreṷgh, zu der Traum und Trug gehören und von der sich allerlei Namen für koboldartige Wesen herleiten, wie ein altindischer Name für eine Unholdin bzw. einen Unhold (drúh) und ein altnordischer (draugr) und ein mittelirischer (aurddrach) Name für ein Gespenst. In beiden Fällen ist der Name des Zwerges mit unangenehmen Eigenschaften belastet. Möglicherweise geht das Wort Zwerg auch auf eine eigene Wurzel, indogerm. dhṷergh, zurück und meint „zwerghaft, verkrüppelt”. Die Namen der Zwerge weisen außerdem auf göttliche Wesen, auf Naturgeister und auf die Seelen der Verstorbenen hin (siehe II.1-3). Im Laufe der Jahrhunderte tauchen Zwerge zunächst vereinzelt und unter verschiedenen Bezeichnungen auf, zunächst als getwerg (in althochdeutschen Glossen des 9.Jhdt.s; gemeint sind pygmaei) oder als nanus (lateinische Bezeichnung in einem Fragment des 11. Jhdt.), und werden im 12.,13. und 14.Jhdt. zunehmend häufiger erwähnt – männliche wie weibliche. In der mittelhochdeutschen Literatur werden sie oft in einem Atemzug mit Rittern genannt, denen sie helfen und die sie bei ihren Abenteuern begleiten, wie es von den altfranzösischen, etwas hässlicheren nains bekannt ist.

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15: Ellen Siebs: Fênesmännel und Fênesweibel. 1906.

In der deutschsprachigen Tradition werden die Zwerge oder Zwergle, wie sie in Mitteldeutschland heißen, von Region zu Region mit anderen Namen bedacht, so heißen sie Zwargl in Bayern und Österreisch, Zwergle in Schwaben, Zwergli in der Schweiz, Querxe oder Quarxe in der Oberlausitz, in Schlesien und im Sudentenland. Weiter gibt es Querxe, Querje und Quärge im Harz, Quergel in Ostmitteldeutschland und am Mittelrhein, Hojemännl, Hehmann, Schratt, Schrazel, Razen, Strazeln und Fankerln noch anderswo, weiter die Hermännlein und Spörwel, dann die Schanhollen, Schonhollen, Scharhollen oder Schahollen in Norddeutschland und besonders in der alten Grafschaft Mark, die Dutten im Mindener Wald, die Hollen im Sauerland und im Waldeckschen Gebirgsland, die woanders auch als Holderchen, de guden Holden und Huldafolk auftauchen, und jede Menge wilde Gesellen überall in Westfalen. In der Gegend um Altena und in der Mark unterscheiden die Sagen zwischen Schanhollen und Twiärskes, in den Bergwerken des Erzgebirges haben sich die Gütel einen Namen gemacht, in Schlesien die Fênesmannel, Fênesweibel (Fênstweiber), Fähnskedinger, Fingsmännel und Fingsweiblein, in der Altvatergegend sind es speziell die Fenixmänneln oder Fenskemänneln (siehe VIII.2), kleine Männlein, von denen man sich erzählte, dass sie in großen Familien lebten, genau wie Menschen.

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16: Arthur Rackham, England: Fairies, 1906.

Die Elben oder Alben sind die ältesten unter den kleinen Geistern, von denen die germanischen Mythen wissen, die Vorfahren der deutschen Zwerge. Die Elben (mhd. elbe) sind nicht das Gleiche wie die heute bekannten und beliebten Elfen (ags. elfen). Darauf weist Jacob Grimm in der Vorrede zu seinem Werk Deutsche Mythologie (1835) hin. Am Anfang waren Elfen und Elben eins; doch im frühen Mittelalter trennten sich ihre Wege: Westgermanische Vorstellungen schieden sich von skandinavischen, und im angelsächsischen Raum bildete sich unter keltischem Einfluss eine eigene Entwicklungslinie heraus. In alten englischen Texten (9. und 10. Jhdt.). wimmelt es geradezu von Bezeichnungen für Elfen. Im späten Mittelalter und in der Neuzeit gehen die skandinavischen alfar dann mit den Zwergen im Huldrenvolk (huldufólk) auf. Elben spielen in dieser Zeit keine große Rolle in Deutschland, doch in England lebt die Tradition, und von dort werden im 18. Jhdt. durch Bodmer, Herder und Wieland diese Wesen zu uns herübergeholt – ein Grund dafür, dass sich in Deutschland das Wort Elfen mehr verbreitet hat als Elben oder Alben. Die Elfenwesen bilden heute eine eigenständige Gruppe, auch wenn ihre Wurzeln mit denen der Elben zusammenführen und sie sich in vielen Punkten mit ihnen noch später berühren. Auch die deutschen Zwergenberichte des 19. Jhdt. ähneln den Geschichten von Feen und Fairies, die in keltischen und britischen Gefilden ihr Wesen und Unwesen als little people und fairyfolk treiben.

In der Edda, deren älterer Teil zwischen dem 9. und 12. Jhdt. entstanden ist und deren jüngeren Teil, die Snorra Edda, wir hauptsächlich dem isländischen Gelehrten Snorri Sturluson (1179-1241) verdanken, werden die Elben oder Alben in drei oder auch vier Gruppen unterteilt: Die Lichtalben (ljós-álfar), die leuchtender und noch schöner als die Sonne sind und in einer anderen Quelle Weißalben (hvîtâlfar) genannt werden, wenn sie nicht eine eigene Gruppe darstellen, dann die Dunkelalben (dökkálfar), die schwärzer als Pech sind (vgl. das Pechmannel), und schließlich die Schwarzalben (svartálfa), die Snorri offenbar den Zwergen gleichsetzt, da sie in Schwartzalbenheim, Svartálfheimr, leben (Gylfaginning 17 u. 34, Skâldskaparmâl 39). Eine Dreiteilung kennen auch die Pommerschen Sagen, wenn sie von weißen, braunen und schwarzen Unterirdischen erzählen, während andere Überlieferungen nur weiße und schwarze Zwerge unterscheiden. Die Geschichte des Namens der Alben verweist allerdings auf die helle, lichte Seite dieser götternahen Wesen, da sie uns auf das lateinische Wort für weiß, albus, zu führen scheint, das von einer alten Wurzel (indogermanisch albh) für glänzen, weiß sein, abstammt. Wir dürfen uns die ersten Alben als hell leuchtende, positive Geister vorstellen. Die bösartigen, hämischen Züge sind wohl erst später den Schwarzalben eigen. In der Edda werden die Alben oft in einem Atemzug mit Göttern, den Asen, genannt (æsir ok alfar; Völuspâ 52, Grímnismâl 4, Hâvamâl 160, Skîrnisför 7). An den Namen Alben reihen sich schließlich wichtige Geisternamen, wie altenglisch ælf für einen Alb und mittelhochdeutsch elbinne für eine Albin (auch altnordisch álfr, althochdeutsch alb, altenglisch ælfen).

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17: Rackham Old Elf. Arthur Rackham (1867-1939), England: Old Elf Hiding among the Tulips (Alter Elf sich in den Tulpen versteckend).

Die nordischen Mythen kennen neben dem männlichen Geist ælf/ ylf und den weiblichen ælfen oder elfen noch Bergelfen (bergælfen, dunælfen und muntælfen), Landelfen (landælfen), Waldelfen (wuduælfen), Wasserelfen (wæterælfen) und See-Elfen (sææulfen). Die durch den römischen Historiker Tacitus für alle Zeiten berühmt gewordene germanische Seherin Albruna (Tacitus, Germania 8) verdankt einen Teil ihres Namens den Alben. Sie ist eine raunende Albin oder Elfin. Auch mit den guten Holden sind Elben gemeint, und ihnen schließen sich begrifflich die Manen (lat. manes) an, gute römische Hausgötter, deren negatives Pendant der Unhold (lat. immanis) ist. Während jedoch die Zwerge in die Nähe der Götter und schmiedenden Helden rücken, so stehen die Elben den Feen und weisen, guten Frauen näher. Doch die ältesten germanischen kleinen Geister, die Elben und Alben, sind heute aus unserem Wortschatz verschwunden, der Duden verzeichnet sie nicht mehr.

Im Kreis der Zwerge und Elben finden wir einen dritten großen Zweig der kleinen Geister, die Wichte oder Wichtlichen, wie der Reformator und Luther-Schüler Johannes Agricola weiß. Unser Wort Wicht (ahd. wiht, gotisch vaíhts, schwedisch wikt) meinte ursprünglich eine Sache, ein Ding. Man wählte diesen neutralen Ausdruck, um die Gefahr zu umgehen, den Zwerg beim Namen zu nennen. Die Verniedlichungsformen Wichtel, Wichtlein und Wichtelmännchen weisen auf ein kleines Wesen hin, obwohl ein Wicht durchaus riesige Ausmaße annehmen konnte. Ein Wicht konnte nicht nur ein Geist sein, sondern auch ein Mensch, eine Kreatur. Wir können das noch daran erkennen, dass aus dem Wicht in späterer Zeit (im Neuhochdeutschen) ein Bösewicht, eine elende Kreatur wurde.

Der schwedische Vätte ist ein Mini-Zwerg, ein Gnom, und seinem Namen nach, wie schwedisch wikt, ein Wesen, Ding, Wicht oder Geist, verwandt mit dem isländischen Wort vættr für Wesen. Es gibt mehrere Arten von Vättar (so die Mehrzahl): Die Landvättar in Wäldern und Hügeln, die Sjövättar in Gewässern, die Bergvättar in den Bergen und die Tomtevättar, zu denen auch der Tomtegubbe oder Nisse gehört, im Haus. Der Tomtevätte versteckt sich am liebsten in den Zimmerecken. Nachts schleicht er um sein Haus herum und sieht nach dem Rechten. Manche Vättar sind holde, gute Wesen, andere dagegen böse und schädliche. Der Vätte kann auch als Tier erscheinen, als Bock, Schlange, Frosch usw. Noch bis heute lebt er im Bewusstsein der Bevölkerung weiter, wenn er auch nicht ganz so populär ist wie sein größerer Geister-Bruder, der Tomte. Vor allem in Kunst und Kunsthandwerk spielen Tomte und Vätte noch eine Rolle und erfreuen auf schwedischen Weihnachtsmärkten ( julmarknadar) die Besucher. In meinen elf Jahren in Schweden habe ich nur einmal einen Vätte – Männchen und Weibchen – im Angebot gesehen, und das war in Tjolöholm, einem Schloss an der Westküste, rund fünfzig Kilometer südlich von Göteborg.

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18: Vätte. Handarbeit von Gunnel Stengren, Schweden, 2004. Foto: A. Puhle

Ganz Deutschland war einst bevölkert mit Zwergen, Elben und Wichten, und in der Zeit der Gebrüder Grimm geisterten in Deutschland noch viele Verwandte herum: Erdmännchen, Unterirdische, Bergmännchen, Heinzelmännchen, Kobolde, Elfen, Feen, Kleines Volk, Feenvolk, Zwergenvolk und wohl Hunderte andere. Es war ein heilloses Durcheinander. Dazu kommen die Wald- und die Wiesenzwerge: Moosleutchen, Moosfräulein, Moosmännchen, Holzleute, Holzweibchen, Holzmännchen, Waldleute, Waldschrat, Waldfrau, Schrettel, Schrezelein usw. – alles wilde Leute. Auch der Getreidefelder zerschneidende Bilwis, allein oder in Gesellschaft, gehört zu den Wald- und Flurwesen, und so sieht er auch aus, geht er doch nie zum Friseur und trägt sein Haar völlig verfilzt.

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19: Waldwesen – Panfigur in einer Nische des Wassertheaters in der Villa Aldobrandini in der Umgebung Roms. 17. Jhdt.

In Thüringen und im Frankenwald ziehen die Butze, Pötze, Pütze, Pöpel oder Popanze im Gefolge des gespenstischen Nachtjägers durch die Wälder bei Butzenreut und im Zeitelmoos. Jedes Kind kennt heute den lustig tanzenden Bi-Ba-Butzemann. Auch Naturerscheinungen werden den Butzen nachgesagt: Dichte Wolken türmen sich geisterhaft zu einem Butzen auf, im Winter gibt es den Schneebutzen, der als Schneewolke oder -flocke herunterfällt, und im Frühjahr braust der Aprilenbutzen, ein kurzer, heftiger Sturm, vorbei. Wir entdecken eine lange Kette von Wind-, Baum-, Wald-, Korn-, Berg- und Feldgeistern, Kobolden, Zwergen und Mahrten und fühlen uns in die Wälder und Lichtungen des alten Griechenland und Italien versetzt, wo Naturdämonen, wie Satyre, Pane, Dryaden, Nymphen, Nereiden, Kentauren und Seilene, umgehen – alles Verwandte der germanischen Elben.

Die Naturgeister waren einst göttliche bis halbgöttliche Wesen. Paracelsus (1493-1541), die Anthroposophen und viele andere ordnen die Geister den Elementen zu und unterscheiden Geister in Erde, Luft, Wasser und Feuer. Paracelsus sprach von erdgebundenen Gnomen, luftigen Sylphen, Undinen im Wasser und Feuer-Salamandern. Doch Zwerge gehören nicht nur zu den Erdgeistern, denn neben den Erdzwergen gibt es noch Wasserzwerge, feurige Zwerge und selbst zu den luftigen Feen besteht eine Verbindung, wenn wir an die Fairies und das Kleine Volk (little people) in Großbritannien denken.

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20: Moritz von Schwind, Wien und München: Gnomenbericht. 1848-1850.

In dem Geister-Klassiker Anthropodemus Plutonicus, verfasst von dem Gelehrten Hans Schultze (1630-1680) und veröffentlicht im Jahr 1666 unter seinem lateinischen Namen Johannes Praetorius, werden allerlei kleine Geister vorgestellt und abgehandelt: Alpmännergen, Schröteln, Nachtmähren (Praetorius 1666, Kap.1), Bergmännerlein, Wichtelin, Unter-Irdische, Elben, Haußmänner, Kobolde, Gütgen, Kielkröpfe, Wechselbälge und schließlich Zwerge und Dymeken. Gut zweihundert Jahre später versucht der Meininger Bibliothekar, Archivar und Historiker Ludwig Bechstein, bekannt durch seine Märchen, der Geisterfülle seiner Thüringer Heimat Herr zu werden, indem er sie in fünf Gruppen zusammenfasst, von denen für uns die ersten zwei interessant sind. Die erste bilden Zwerge und Riesen, darunter Erdzwerge, Bergzwerge und hilfreiche, aber neckische Hausgeister, Hütchen und Kobolde; und die zweite der wilde Jäger und die wilde Bertha. In manchen Sagen leben die beiden Wilden in wilder Ehe, ein andermal sind sie verheiratet oder leben als Singles. Beide haben eine Schar kleiner Geister um sich herum, die bei ihren nächtlichen Streifzügen durch die Wälder mitziehen. Der wilde Jäger und sein Heer stellen den Holz- und Moosleutchen nach, während Bertha oder Berchta von harmlosen Geistern umgeben ist, elbischen Heimchen, die sie beschirmt und beschützt.

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21: Ludwig Bechstein (1801-1860).

In der Gegend um Warstein kursieren Geschichten von dem Kleinen Volk der Eppen, und aus der Lüneburger Heide weiß der Dichter Hermann Löns von den Luttchen, die unter demselben Namen auch im Spreewald umgehen, schöne Geschichten zu erzählen. Anderswo entdecken wir die kleinen Lötharlen, Killewittchen, Mopperle, Nörggelen und Orgen (zu ital. orco, Unterwelt) und sind damit J.R.R. Tolkiens (siehe II.1.) Orks auf den Fersen.

In manchen Gegenden werden die Zwerge nach ihrem Alter und Ansehen benannt: Sie sind die Alten, die Älteren und je nach Mundart Üllerkens (Niederdeutschland, Pommern), Ölken, Aulken, Alken, Ôlkers (alle in Ostfriesland, Oldenburg, Hannover; Aulken kennt man auch im Osnabrückischen und Tecklenburgischen, einer alten westfälischen Grafschaft, und am Hümmling; Òlkers (Ôlkers) gibt es in Zwischenahn und im niedersächsischen Saterland; Òlken am Hümmling, Schönaunken, Sgönaunken, Sgönunken (im Osnabrückischen und Tecklenburgischen), und Sgönhaunken (siehe auch unten II.3).

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22: Sibylle von Olfers: Titelbild zu: Etwas von den Wurzelkindern. 1906.

Viele Märchen, Sagen und Berichte nennen vor allem in Norddeutschland die Kleinen Unterirdische und Erdmännchen (in Westfalen sind es die Unnerârtschken, Unnerêrdschken, Unnererskes, Erdmännkes, speziell in der Gegend um Nettelstedt bei Lübbecke die Unnererdschen; im Oldenburgischen nannte sie ein Mann Êrdmänkes oder Èrdske (Êrdske) Wichter. Auch mit Namen wie Erdbiberli, Erdwichtel, Erdmännel oder Erdweibel werden sie bedacht, und ihre Geschicklichkeit im Schmieden hat sie zu Erdschmiedlein gemacht. Weil nun die Erdleutchen so gerne in das Wurzelwerk ausgesuchter Bäume ziehen, sind sie außerdem Wurzelmänner.

In den schwedischen Bolvättar, Geisterwinzlingen, erkennt der Sprachwissenschaftler Adalbert Kuhn unsere Erdwichter und hinter dem litauischem Kãukas verbirgt sich ebenfalls ein Erdmännchen, während der Kaukãrius ein Berggott ist.

Eine schier endlose Liste an Namen hat den Zwergen auch ihre Nähe zu den Bergen eingehandelt.

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23: Wurzelmänner. – Holzschnitt nach einer Zeichnung Moritz von Schwinds zu dem Gedicht: Im Schwarzwald nach dem Regen. 1848-1850.

Sie wohnen für ihr Leben gern in Bergen und Hügeln, sind Bergmännchen, Bergarbeiter, Schatzhüter und Schmiede. Die Bergmännchen, Bergleute, Bergzwerge oder Bargmänkes (der letzte ist ein norddeutscher Name) sind weiter als Venediger und Venedigermännlein bekannt, wohl deswegen, weil im 17. und 18. Jhdt. kleinwüchsige Menschen aus dem Norden Italiens als Gastarbeiter nach Deutschland kamen und großes Wissen über den Bergbau aus ihrer Heimat mitbrachten. Auch heimlich sollen die Venediger in den Bergen geschürft haben, so etwa im Schneeberg und Ochsenkopf im Harz.

Tief im Inneren der Berge, in den Bergwerken, stoßen wir auf die Kobolde, fröhliche, schalkhafte Kerlchen. Mit ihrem geisterhaften Klopfen und Hämmern haben sie früher manchen Bergarbeiter in Verwunderung versetzt oder auf die Palme gebracht. Der Kobold war in den Bergwerken so zu Hause, dass man in Fachkreisen spekulierte, der Kobold habe seinen Namen von dem Metall Kobalt erhalten, während der Duden heute behauptet, Kobalt sei nach Kobold gebildet. Noch andere Namen für den neckischen Kobold weisen auf Metalle hin, nämlich Erzmännchen und Nickel. Neuere Sprachforscher sehen den Kobold vielmehr als Hauswalter und -verwalter an (zu mhd. kobe, „Verschlag, Gemach” und zu anord. bald, „(Ver-) Walter, Herrscher”. Das deutsche Wort Kobold (engl. goblin oder auch hobgoblin, franz. gobelin) lässt sich ähnlich weit wie das Wort Zwerg zurückverfolgen und wird schon vor dem 13. Jhdt. schriftlich erwähnt (Im Jahr 946 taucht ein Koboltesdorp auf, in einem Text von 1185 ein Kobolt (Chobolt) und 1221 ein Coboldus. Der Kobold wird gerne umschrieben als grüner Junge (in der Altmark), Gutgesell, gutes Kind, Tückbold – wie an einigen Orten auch ein Irrlicht genannt wird –, Hopfenhütel, Eisenhütel oder schlicht als Hütel, und in Siebenbürgen heißt er Bärlefaks, zu berlen, brüllen. Mitunter wird er mit der Alraune, der wichtigsten europäischen Zauberpflanze, gleichgesetzt, deren Wurzel wie ein kleines Männchen aussieht. Zu den Kobolden gehört der Bilwis oder Bilwiz (billwiz, pilwiz). Er geht vielerorts um und treibt seine zweifelhaften Aktivitäten im Feld, benimmt sich wie ein Unhold, während sein weibliches Pendant, die Roggenmuhme, ein guter Kornengel ist.

Neben den „echten” Geistern hat die menschliche Phantasie jede Menge Zwergenwesen ins Leben gerufen, wie die Stars im ZDF, die schlauen Mainzelmännchen, und die blauen Schlümpfe, die bereits Einzug in den Duden genommen haben. Heinzelmännchen & Co sind noch im Rennen. Heinzelmännchen? Der Theologe Erasmus Alberus nennt sie 1543 als Erster beim Namen, während sie in poetisch verklärter Form als Die Heinzelmännchen von Köln etwa dreihundert Jahre später durch August Kopisch zu Berühmtheiten werden. In seinen Heinzelmännchen steckt ein wahrer Kern, denn sie führen sich auf, wie es der Sage gebührt, die Ernst Weyden überliefert. In Köln hat man den liebenswerten Männchen einen Brunnen zum Gedenken erbaut. Doch in Köln geistern noch viele andere Geistermännchen und -weibchen herum, etwa Meister Gerhard von Köln, den Annette von Droste-Hülshoff in einem Gedicht eingefangen hat. Schließlich haben zahllose Maler und Malerinnen unvergessliche Zwergenwesen geschaffen, die, wie die hauchzarten Wesen von Ida Bohatta-Morpurgo (15.4.1900 - 14.11.1992), nicht nur Kinderseelen beflügeln.

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24: Ida Bohatta-Morpurgo, Wien: Illustration aus Schneckenpost. 1951.

Dämonische Wesen im Kleinformat mischen nach alter Weisheit kräftig im Menschenleben mit, sei es zum Wohl oder zum Schaden. Die elbischen Geister kommen in den unterschiedlichsten Gestalten in die Häuser, als Würmer, Fliegen, Hühnchen oder kleine Drachen. Aus Naturgeistern werden Hausgeister, Hauszwerge und Hauskobolde, die nicht nur für das Wohl ihrer auserwählten Familie sorgen, sondern auch für Unordnung (siehe VI.2 und VIII.3). Es sind richtige kleine Persönlichkeiten, die einen Namen haben. Schon in der alten nordeuropäischen Liedersammlung Edda (Völuspâ, 10-16) und in den altisländischen Skjaldenliedern Thulur sind über hundert Zwergennamen aufgelistet, die Wesen und Aussehen der Kleinen verraten, darunter die Zwerge, deren Namen die Himmelsrichtungen (siehe II.1) und Mondphasen bedeuten, wie Nŷr, Niði und Nŷrâðr. In der Völuspâ ist von vierundsiebzig Zwergen die Rede, darunter Durin, Nordri, Sudri, Austri, Westri, Gandalfr, Thorin und Regin (Völuspà, 10-16). In der jüngeren Snorra-Edda, die nach dem Gelehrten Snorri benannt ist, erinnert das Lied von der Verblendung des weisen, zauberkundigen und goldreichen Schwedenkönigs Gylfi an diese Zwerge und nennt ihre Namen in leicht abgewandelter Form (Biwör, Bawör, Bömbör, Ori, Onar, Oin, Modwitnir, Wigr, Wali, Nyr, Nyradr, Reckr, Radswidr, Dolgthwari, Hör, Hugstari, Hlediolfr, Gloin, Dori, Ori, Dufr, Andwari, Hepti, Siar, Skirfir, Wirfir, Ingi, Eikinskialdi, Falr und Fidr (Gylfaginning 14). Die deutschen Sagen und Märchen kennen ebenfalls Eigennamen mancher Zwerge und Kobolde, wobei einige Namen den Gattungsnamen entsprechen, wie Heinz den Heinzelmännchen oder Klopferle den Klopfern. Nun sind Zwerge wie Kobolde höchst empfindsame Persönlichkeiten und können es auf den Tod nicht ausstehen, wenn sie beim Namen genannt werden. Wir kennen das von dem hessischen Hausmärlein Rumpelstilzchen, in dem der Rumpelgeist auf seine Anonymität bedacht ist und sich insgeheim freut:

Heute back ich, morgen brau ich,

übermorgen hol ich der Königin ihr Kind;

ach, wie gut, dass niemand weiß,

dass ich Rumpelstilzchen heiß!

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25: Henry Justice Ford, England: Illustration zu Rumpelstilzchen, 1889.

Als ihm sein Name abgelauscht wird, platzt ihm der Kragen und er stampft wütend auf die Erde, bis er bis zum Bauch in ihr versinkt und sich vor Wut mitten entzweireißt. In anderen Überlieferungen heißt der Geist Rümpentrumper, Rumpenstinzchen, Hopfenhütel und Purzinigele, während er in der dänischen Variante ein Trold (Troll) ist, der seinen Namen nicht preisgeben will. Ein Gedicht nimmt Bezug auf das Märchen vom kleinen Rumpelgeist und schildert es in einem neuen Licht:

O wie gut,

dass niemand weiß,

dass ich Rumpelstilzchen heiß.

Ich helfe Dir,

all dein Stroh zu vergolden,

bleibe dabei ganz unbescholten,

tanze ums Feurige,

das Ungeheurige –

darfst mich nur nicht nennen,

mit keiner Gewalt mich drängen,

wirst selbst erkennen,

wie deine Triebe verbrennen,

willst Macht und Liebe vermengen.

Wonne will in Wärme wachsen,

und, trotz mancher Kinderfaxen,

streb im tiefen Innern ich

zur Sonne,

zur Reife in Muße,

ganz sehnsüchtig.

JÜRGEN TROTT-TSCHEPE: DUFTPOESIE ÜBER DEN THYMIAN LINANOL, THYMUS VULGARIS LINALOL

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26: Märchen-Illustration von Anne Anderson (1874-1940), Schottland.

Auch die Moosleutchen und die Buschgroßmutter lieben die Geheimnistuerei um ihren Namen: Welches Geheimnis tragen denn die kleinen Wesen mit sich herum, dass sie sich so ungerne beim Namen nennen lassen? Ist es die Botschaft, die sie uns bringen und doch nicht bringen wollen? Wir alle wissen, wie schnell der Zauber eines schönen Erlebnisses oder Traumes verblasst, wenn wir ihn an die große Glocke hängen, und wenn uns etwas Neues bewusst wird, suchen wir nach einem Namen – das ist ganz normal. Jedes Kind muss einen Namen bekommen. Doch was will nun mit den Zwergen ans Licht kommen und von uns erkannt und benannt werden? „Es” will, dass wir es sehen, nur nicht so richtig. Mit dem Wissen des Namens gewinnt der Mensch Macht über den Geist und kann ihn mit dem Nennen des Namens herbeizitieren. Da es nicht sicher ist, um was für einen Geist es sich handelt – es könnte ein schädlicher, krankheitsbringender sein –, ist es sicherer, zu einem Euphemismus zu greifen und den Dämon einfach „Ding” zu nennen. Mutige sprechen aus, was es ist, und nennen den Elb oder Zwerg „böses Ding”. Es könnte aber auch der positive Fall eintreten, wie in Schweden der „Nisse gut ding” oder „gut Jung”.

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27: Ein kleines grünes Männchen aus dem Märchen Frauenschuh von Ursula Lange. Nach einem Aquarell von Kurt Stordel, 1944.

Die meisten Eigennamen der Zwerge muten uns seltsam an, wie Meizelîn, Äschenzelt, Hans Donnerstag, Rohrinda, Muggastutz, Stutzamutza und Grossrinda. Dazu kommen die Namen für Helden und Zwergenkönige wie Elberich bzw. Alberich (im Otnit), Alban (im Orendel), Eugel, Goldmar, Heiling, Laurin, Sinnels von Palakers, bekannt aus dem Wartburgkrieg, und Walberan oder Walberand. Von den Elben sind keine Personennamen überliefert, nur der in der Edda erwähnte Dain (Hâvamâl 144), der gleichzeitig ein Zwergenname ist (Völuspâ 11, Hrafnagaldr Ôdhins 3, Hyndluliodh 7, Gylfaginning 14). – Wir haben nun einige Namen der kleinen Leute ausgesprochen, in der Hoffnung, dass sich die Angesprochenen nicht vor lauter Zorn zerreißen und uns noch recht lange erhalten bleiben!

I.2 Däumling, Dickkopf und Zwergnase – mit Spitzhut, Bart und Zaubergürtel

Aber schließlich seid ihr doch nur

ein kleines Pünktchen in einer sehr großen Welt.

J.R.R. TOLKIEN

(DER KLEINE HOBBIT. GANDALF ZU MISTER BEUTLIN.)