Schlank für Faule

Dr. med. Carsten Lekutat

Schlank für Faule

Das Leben ist zu kurz, um sich mit nutzlosen Diäten zu quälen

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Inhaltsübersicht

Über Carsten Lekutat

Dr. med. Carsten Lekutat ist Facharzt für Allgemeinmedizin, Sportarzt, Buchautor und TV-Arzt. Er ist Leiter des Berliner ›HIT Hausarztzentrum in Tegel‹. Als Fernseharzt moderierte Lekutat von 2006 bis 2007 die wöchentliche Kolumne ›Der Gesundmacher‹ im ›Sat.1 am Mittag‹-Magazin. 2011 bis 2014 moderierte er im WDR Fernsehen die wöchentliche Prime-Time-Sendung ›Der Gesundmacher‹ und ›Raus aus dem Stress‹. Bereits 2012 übernahm Lekutat die Moderation der wöchentlichen Gesundheitssendung ›Fit und gesund‹. Zusätzlich führt er seit Sepztember 2015 wöchentlich durch die Sendung ›Hauptsache Gesund‹ im MDR Fernsehen. Dr. Carsten Lekutat ist Autor mehrerer Bücher sowie als Kabarettist mit eigener Bühnenshow deutschlandweit unterwegs. Außerdem betreibt er den erfolgreichen Gesundheits-Podcast »Gute Fette, schlechte Fette«. Dr. Lekutat lebt in Berlin. Mit »Gesundheit für Faule« landete er einen Bestseller.

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Es war ein Montagabend, die frische Januarluft schaffte nicht den Weg in die hinterste Ecke des Cafés, in der ich saß und auf den großen Fernsehbildschirm an der Wand schaute. Gleich würde ich als Fernseharzt meinen großen Auftritt bekommen, das erste Mal im Westdeutschen Rundfunk als »GESUNDMACHER« zu sehen sein. Nachdem ich über viele Jahre im Deutschen Privatfernsehen eher ein Schattendasein gefristet hatte und eher die lustige medizinische Randfigur im Frühstücksfernsehen von Sat.1 war, könnte das mein großer Durchbruch werden. Hatten Harald Schmidt und Eckart von Hirschhausen nicht auch so angefangen? Ich lehnte mich selbstgefällig zurück und zuppelte an meinem Hemd.

Langsam füllte sich das Café mit meinen Freunden, Kollegen und Geschäftspartnern, die ich eigens für die Fernsehpremiere eingeladen hatte. Wir wollten ein »Public Viewing« veranstalten, noch ehe das Wort »Public Viewing« in Deutschland überhaupt bekannt war. Wir begrüßten uns weltmännisch mit Küsschen links und Küsschen rechts, wie man das im Fernsehen so macht, und starrten bei Limonade, Wein und Bier auf den Fernseher.

Um 20:15 Uhr ging es los. Primetime! DER GESUNDMACHER. Ein sympathischer Arzt (ich) sollte gesundes Verhalten (das, was ich so über das Leben denke) nach Deutschland (also eigentlich Nordrhein-Westfalen) bringen, indem er (also ich) durch die Städte und Dörfer geht, in Kühlschränke schaut (»Da ist aber zu wenig Brokkoli drin«) oder in die Schlafzimmer der Nation (»Die Matratze ist zu weich, davon bekommen Sie Rückenschmerzen«).

Um 20:15 Uhr startete die Titelmusik der Sendung. Bilder von gesunden Menschen, gepflegten Häusern, zauberhaften Landschaften und mir, dem GESUNDMACHER, der sich lächelnd in die Kamera dreht und Zuversicht, Fitness und – ja – Gesundheit verkörpern soll.

Es war mir wirklich vorher nicht aufgefallen, aber scheinbar hatte ich über die Jahre hinweg einige Kilos zugelegt. Ich schaute mich vorsichtig um, was meine Gäste zu dem dicken GESUNDMACHER sagen würden. Aber alle schauten nur voller Stolz auf den Fernseher und verfolgten den dicklichen Fernseharzt auf seiner Runde durch NRW.

Wie konnte das sein? Waren die anderen alle blind? Oder besoffen? Oder wussten es alle anderen schon vor der Ausstrahlung der Sendung, hatten es mir aber nie gesagt? Okay, ich gehe ja auch nicht durch die Welt und sage zu dicken Mitmenschen: »Hallo, du bist aber ganz schön moppelig.« Das macht man nicht, auch wenn man sich das im Geheimen denkt. Aber das waren meine Freunde, meine Kollegen.

Ich sah mich im Café um. Einige meiner Freunde hatten auch das ein oder andere Kilo zu viel auf der Hüfte, und auch ihnen hatte ich das nie gesagt. Es störte mich auch nicht, es passte zu ihrer Persönlichkeit.

Als Kind der 80er – so sehe ich mich zumindest, auch wenn ich 1971 geboren bin – bin ich quasi groß geworden mit den Daytime-Talkshows der 1990er-Jahre. Es war eine Zeit, in der zum ersten Mal Menschen, die keine Stars waren, im Fernsehen Gehör fanden, wenn sie nur schrill und laut genug waren. Jeder, der eine »Message« hatte, konnte auf die Bühne. Und eine der wiederkehrenden Meinungen war: »Ich bin dick. Das ist aber egal, Hauptsache, ich finde mich großartig dabei.«

Am Anfang glaubte ich das den Menschen bei Türck und Ilona Christen auch. Adipöse in illustrer Runde tanzten regelmäßig im Nachmittagsprogramm über die Bühnen der Flimmerkisten, in entweder zu enger Kleidung oder in weite Tücher gehüllt, und riefen: »Ich fühle mich wohl, also lasst mich so sein, wie

Vielleicht hatten mich das Fernsehen der 1990er und mein tiefer Wunsch, ein toleranter Gutmensch zu sein, so geprägt, dass ich es nicht einmal meinen Freunden sagen konnte, wenn sie langsam an Gewicht zunahmen. Und auch meine Freunde konnten oder wollten es mir anscheinend nicht sagen. Sie wollten mich so sein lassen, wie ich war, in der Annahme, dass ich es gut fand, so zu sein. Dass ich aber nicht einmal bemerkt hatte, wie es um meine Fettpölsterchen stand, konnten sie sich wahrscheinlich nicht vorstellen. Wie auch? Ich wusste es ja selbst nicht einmal.

Gut, im Nachhinein erinnerte ich mich schon daran, dass ich eines Morgens unter der Dusche stand, zu meinen Füßen herunterblickte und meine Zehen nicht mehr sehen konnte. Sie waren weg, verdeckt von meinem Bauch. Aber dieses Problem war einfach zu lösen: Ich beugte mich ein wenig ins Hohlkreuz und zog meinen Bauch ein, und da waren sie wieder, meine Füße in ihrer gesamten Länge. Wie ein spanischer Torero stand ich unter der Dusche, den Bauch eingezogen, die Brust herausgestreckt, und ignorierte stolz die einfache Information, die mir dieser Morgen eigentlich so eindeutig präsentierte: Du bist fett!

Als sich mein Gürtel eines Tages etwas enger anfühlte als früher, suchte ich nicht etwa das nächste Loch, um ihn weiter zu stellen. Nein! Für uns Männer gibt es eine verblüffend einfache Lösung des Gürtelproblems: Man zieht ihn einfach etwas herunter, bis er sich unterhalb des Bauch-Äquators befindet. Und schon passt er wieder wie angegossen. Das hält über Jahre, denn unterhalb des Bauches nehmen nur Frauen zu, dachte ich mir, nicht wir Männer. Und wenn der Gürtel noch passt, dann kann ich doch nicht dick sein!

In einer Zeitschrift las ich einmal von dem sogenannten Schwabbeltest. Man sollte vor einem Spiegel nackt in die Luft springen und sich selbst nach der Landung beobachten. Was nach einigen Sekunden noch schwabbelt und nicht ein

All diese kleinen Dinge hätten mir schon früher die Augen öffnen sollen, wie es um meine Fettdepots und meinen ehemaligen Adoniskörper bestellt war. Er war nicht mehr da, der Adonis.

Das müssen Sie wissen

Die Wahrnehmung unseres eigenen Körpers ist keinesfalls immer so einfach, wie wir glauben. Gerade was unser Körpergewicht angeht, verschätzen wir uns häufig. Wir Ärzte nennen dieses Phänomen »Körperschemastörung«. Diese tritt bei Patienten mit Essstörungen sehr häufig auf, nicht nur bei Menschen mit Übergewicht, sondern auch bei Magersucht oder Bulimie.

Aber meine Augen wurden mir erst an diesem Montagabend im Café geöffnet, als ich mich selbst schonungslos im 16:9-HD-Format im Fernsehen sah. HD ist was für Tierfilme! Wenn man Backenhörnchen sehen möchte. Und selbst Nilpferde sehen in HD super aus. Aber nicht der GESUNDMACHER! Doch der Blick von außen hatte auch etwas Erhellendes. Ich musste etwas tun. In dieser Form würde ich die erste Staffel des GESUNDMACHERS nicht überstehen. Peter Zwegat ist auch nicht hoch verschuldet und Martin Rütter läuft auch nicht laut rufend »Platz! Platz! Manno! Platz, sag ich!« durch die Straßen hinter seinem Hund her. Mir war klar: Der GESUNDMACHER durfte nicht kränker aussehen als seine Patienten.

An diesem Abend im Januar traf ich also eine Entscheidung: Das Fett muss weg – ich will wieder schlank sein!

Aber wenn das bloß so einfach wäre.

Mein neues Mindset

Am Anfang steht immer eins: die Entscheidung. Es muss nicht unbedingt die Entscheidung sein, schlank sein zu wollen. Die Entscheidung, etwas im Leben ändern zu wollen, ist völlig ausreichend. Das bedeutet aber auch, dass es ab jetzt etwas unbequem werden kann. Wir werden jetzt gemeinsam unsere Komfortzone verlassen. Und wir werden viel Spaß dabei haben.

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Das müssen Sie wissen

Wenn man nicht weiß, wo man hinmöchte, muss man sich nicht wundern, wenn man nicht ankommt.

Und wenn man nicht weiß, wo man ist, muss man sich nicht wundern, wenn man nicht weiß, wo man hinmöchte.

Und im Falle der Gewichtsregulation: Um zu wissen, wo man ist, braucht man eine Waage.

Als Kind der 80er wollte ich aber nicht irgendeine Waage aus einem Kurzwarengeschäft (ja, dieses Wort verwenden wir Kinder der 80er noch). Es sollte etwas Modernes sein, am besten irgendwas mit Internet. Und in der Tat fand ich eine Waage, die mein Gewicht auf eine persönliche Seite ins Internet stellte, im Jahre 2012 noch etwas Revolutionäres. Per WLAN verband sich das formschöne Stück Technik aus meinem Badezimmer direkt mit der weiten Welt des World Wide Web und präsentierte mir dann eine weniger formschöne Kurve meines damaligen Gewichtsverlaufs. Es sah nicht gut aus für mich. Wenn meine Gewichtskurve den Aktienwert eines innovativen Unternehmens widergespiegelt hätte, wäre meine Rente gesichert.

89,5 Kilogramm bei 1,71 m, das entspricht einem Body-Mass-Index von 31. Das war nicht mehr dick, pummelig, gut im Futter, gepolstert, gut genährt, korpulent, kugelig, drall, vollschlank, vollleibig – das war wirklich richtig fett! Mein Gewicht war kein Kavaliersdelikt mehr, es war schon eine Krankheit. Und die Krankheit hatte einen Namen: Adipositas Grad 1.

Das müssen Sie wissen

Zur Erinnerung: So berechnen Sie Ihren BMI

Körpergewicht: Körpergröße in Metern × Körpergröße in Metern

Beispiel:

Größe: 1,71 m; Gewicht: 89,kg

1,71 m × 1,71 m = 2,92  m2

89,kg : 2,92  m2 = 30,65 kg/m2

BMI = 31

 

So berechnen Sie Ihr Zielgewicht anhand des BMI:

gewünschter BMI (zum Beispiel 24)

Körpergröße in Metern × Körpergröße in Metern × Wunsch-BMI

1,71 × 1,71 × 24 = 70,2

Wir Mediziner wissen, dass Fettgewebe keine passive Struktur an unserem Körper ist, was da »einfach nur rumhängt«. Das Fett in und an unserem Körper ist alles andere als passiv: Es nimmt nämlich rege am Stoffwechsel teil und schüttet Unmengen an Substanzen aus, die uns auf lange Sicht gesehen richtig krank machen. Wir Ärzte beginnen gerade erst zu verstehen, dass Übergewicht nicht nur Auswirkungen auf unseren Cholesterinspiegel hat und dadurch das Risiko erhöht, unsere Gefäße zu verkalken. Fettgewebe führt auch zu Entzündungen und Immunreaktionen, die kaskadenartig verschiedene Stoffwechselprozesse unseres Körpers beeinflussen und uns am Ende krank werden lassen und – wenn wir richtig Pech haben – uns sogar umbringen.

In meiner Sprechstunde werde ich von meinen Patienten häufig gefragt, welche Ernährungsform die gesündeste ist. Und wir schreiben nicht das Jahr 1980, als Vegetarier noch verrückte Außenseiter mit Salatblättern zwischen den Zähnen waren. Allein die Gruppe der Vegetarier unterteilt sich heutzutage in Lacto-Vegetarier, Ovo-Lakto-Vegetarier, Flexitarier, Pescetarier, Frutarier, Veganer und – mein absoluter Liebling der Wortschöpfung – in Puddingvegetarier. Demgegenüber, auf der anderen Seite des Ernährungsformen-Spielfeldes, steht säuberlich aufgereiht die Paleo-Fraktion der Carnivoren, die sich dem Paleo-Lifestyle immerhin als strikte oder moderate Anhänger zuschreiben.

Aber ich möchte der Paleo-Diät nicht zynisch gegenübertreten. Immerhin hatten die Vegetarier einige Jahre linguistischen Vorsprung, um ihre Ernährungsform in Worte zu fassen und ihre Kostform zu klassifizieren, auch wenn die Paleo-Anhänger anführen, ihre

Bei der Frage, welche Ernährungsform nun die gesündeste für uns Menschen ist, sollten wir aber religiös anmutende Verteilungskämpfe der einzelnen Lager außen vor lassen und nüchtern – welch schönes Wortspiel – die Fakten betrachten. Ernährungswissenschaftliche Studien haben nämlich in den letzten Jahren zeigen können, dass eine unumstößliche Tatsache existiert, an der kein ernst zu nehmender Wissenschaftler mehr zweifelt. Es besteht ein weltweit breiter Konsens an der universellen wissenschaftlichen Erkenntnis: Übergewicht ist Mist! Egal für welche Ernährungsform Sie sich entscheiden, achten Sie bitte auf Ihre schlanke Silhouette, Ihren grazilen Gang, Ihre ranke und zarte Art, den Alltag zu meistern. Entscheiden Sie sich für die Gazelle und nicht für das Nilpferd – beim Essen und beim Blick in den Spiegel.

Leichter gesagt als getan, werden Sie nun sagen, denn sonst würden Sie nicht dieses Buch lesen. Und auch ich empfand mich damals nicht als Gazelle, wenn ich auch die Bezeichnung »Nilpferd« für mich energisch abgelehnt hätte. Aber die Erkenntnis, dass ich an einer Krankheit litt und nicht nur an einer ausgeprägten Fettwärmedämmung, war ein Wendepunkt in meinem Leben. Denn diese Erkenntnis hatte weitreichende Folgen für mich und für meine übergewichtigen Patienten.

Mein neues Mindset

Sie behandeln keinen Schönheitsfehler. Sie behandeln eine Krankheit.