Die besten Pater-Brown-Geschichten

Über dieses Buch

Der kleine, rundliche und kurzsichtige Pater Brown entspricht nicht gerade der Idealvorstellung eines Meisterdetektivs, aber der Schein trügt: mit Humor, List und Scharfsinn bringt er sämtliche Übeltäter zur Strecke. Der Band bringt die allerbesten der zwischen 1911 und 1935 entstandenen Pater-Brown-Geschichten, die den streitbaren Schriftsteller und Publizisten Gilbert Keith Chesterton unsterblich machten. – Mit einer kompakten Biographie des Autors.

Hinweise zur E-Book-Ausgabe

Die E-Books des Reclam Verlags verwenden entsprechend der jeweiligen Buchausgabe Sperrungen zur Hervorhebung von Textpassagen. Diese Textauszeichnung wird nicht von allen Readern unterstützt.

Enthält das E-Book in eckigen Klammern beigefügte Seitenzählungen, so verweisen diese auf die Printausgabe des Werkes.

Fußnoten

  1. G. K. Chesterton, »The Absence of Mr. Glass«, in: G. K. Ch., The Wisdom of Father Brown, Harmondsworth 1974, S. 10; dt.: »Die Tür tat sich nach innen auf, und herein ins Zimmer schlurfte eine unförmige kleine Gestalt, die mit ihrem eigenen Hut und Regenschirm so wenig fertig zu werden schien wie mit einem Haufen Gepäck. Der Schirm war ein schwarzes, unansehnliches Bündel und längst nicht mehr zu reparieren; der Hut war der breitkrempige schwarze Hut eines Kirchenmannes, aber in England nicht üblich; der Mann war der Inbegriff alles Unscheinbaren und Hilflosen.«

  2. Gilbert Keith Chesterton, Autobiography, London 1937, S. 137; dt.: »Falstaffsche Figur mit Schlapphut und Umhang«.

  3. Zit. nach: Dudley Barker, G. K. Chesterton, London 1973, S. 128; dt.: »Ich zitiere aus dem Gedächtnis, und zwar weil mir das liegt und aus Prinzip. Dafür ist die Literatur da; sie sollte Teil eines Menschen sein.«

  4. Chesterton, Autobiography, S. 99; dt.: »Ich will nicht behaupten, ein Buch über Browning geschrieben zu haben; sondern ich schrieb ein Buch über Liebe, Freiheit, Poesie, meine eigenen (noch äußerst schwach entwickelten) Ansichten über Gott und Religion und verschiedene Theorien über Optimismus und Pessimismus und die Hoffnung der Welt; ein Buch, in dem von Zeit zu Zeit auch der Name Browning vorkommt.«

  5. Ebd., S. 289; dt.: »Ich konnte kein Romanschriftsteller sein; denn mir ist es ehrlich lieber, wenn Ideen und Vorstellungen sich gewissermaßen nackt entwickeln und nicht als Männer und Frauen verkleidet daherkommen.«

  6. G. K. Chesterton, »Verteidigung von Kriminalromanen«, in: Der Detektiverzählung auf der Spur, hrsg. von Paul G. Buchloh und Jens Peter Becker, Darmstadt 1977, S. 34 f.

  7. Erik Routley, The Puritan Pleasures of the Detective Story, London 1972, S. 92; dt.: »Er machte es sich zur Aufgabe, einer Leserschaft den Katholizismus als vernünftig, alltäglich, fröhlich, farbenfreudig und vor allem englisch zu schildern, die ihn zum größten Teil noch immer für düster, verzerrt, abschreckend, freudlos und vor allem fremd hielt.«

  8. Chesterton, Autobiography, S. 327; dt: »Und da kam mir plötzlich der Gedanke, dieses komische und doch tragische Mißverständnis künstlerisch zu verarbeiten und eine Komödie zu verfassen, in der ein Priester anscheinend nichts, in Wahrheit jedoch mehr über das Verbrechen weiß als die Verbrecher.«

  9. Ulrich Suerbaum, Krimi. Eine Analyse der Gattung, Stuttgart 1984, S. 50.

  10. Hier S. 30.

  11. G. K. Chesterton, »The Three Tools of Death«, in: G. K. Ch., The Innocence of Father Brown, Harmondsworth 1987, S. 248; dt.: »›Der Leichenbeschauer ist da. Die Untersuchung wird gleich beginnen.‹ ›Ich muß zurück in die Taubstummenschule‹, erwiderte Pater Brown. ›Ich kann mich leider nicht länger aufhalten.‹«

  12. G. K. Chesterton, »The Duel of Dr Hirsch«, in: Chesterton, The Wisdom of Father Brown, Harmondsworth 1974, S. 50; dt.: »Ich beurteile einen Menschen nach seinen Augen und seiner Stimme, wissen Sie, danach, ob seine Familie glücklich ist und nach den Dingen, mit denen er sich befaßt – oder die er meidet.«

  13. G. K. Chesterton, »The Secret of Father Brown«, in: G. K. Ch., The Secret of Father Brown, Harmondsworth 1988, S. 11; dt.: »Ich selbst habe all diese Menschen umgebracht. […] Ich habe jedes einzelne Verbrechen sorgfältig geplant. […] Ich habe genau überlegt, wie man so eine Tat ausführen könnte und in welcher Gemütsverfassung ein Mensch sein müßte, um diese Tat wirklich begehen zu können. Und wenn ich ganz sicher war, genau so wie der Mörder zu empfinden, wußte ich natürlich, wer er war.«

  14. Hier S. 168.

  15. Hier S. 5.

  16. Vgl. hier S. 30.

  17. Hier S. 82 f.

  18. Hier S. 165 f.

  19. Hier S. 84.

  20. Hier S. 125.

  21. Chesterton, Autobiography, S. 321; dt.: »Ich habe eine gewisse Berühmtheit erlangt als Verfasser dieser mörderischen Kurzgeschichten, gemeinhin Detektivgeschichten genannt; einige Verleger von Büchern und Zeitschriften rechnen inzwischen damit, regelmäßig von mir mit diesen Belanglosigkeiten versorgt zu werden.«

Zwischen dem silbernen Band des Morgens und dem grünen, glitzernden Band des Meeres legte der Dampfer in Harwich an und entließ einen Menschenschwarm wie Fliegen, in dem der Mann, dem wir folgen müssen, keineswegs auffiel – was er auch gar nicht wollte. Er hatte nichts Bemerkenswertes an sich außer einem leichten Gegensatz zwischen seiner legeren Ferienkleidung und seiner würdevollen Amtsmiene. Seine Kleidung bestand aus einem leichten blassgrauen Jackett, einer weißen Weste und einem silbernen Strohhut mit graublauem Band. Sein hageres Gesicht dagegen war dunkel und endete in einem kurzen, schwarzen Bart, der spanisch aussah und zu einer elisabethanischen Halskrause gepasst hätte. Mit dem Ernst eines Müßiggängers rauchte er eine Zigarette. Nichts an ihm deutete darauf hin, dass das graue Jackett einen geladenen Revolver, die weiße Weste eine Polizeimarke und der Strohhut einen der genialsten Köpfe Europas verbargen. Denn es war Valentin höchstpersönlich, der Chef der Pariser Polizei und der berühmteste Detektiv der Welt, und er kam aus Brüssel nach London, um den größten Fang des Jahrhunderts zu machen.

Flambeau war in England. Der Polizei dreier Länder war es schließlich gelungen, die Spur des berühmten Verbrechers von Gent nach Brüssel und von Brüssel nach Hoek van Holland zu verfolgen; und man vermutete, dass er sich das Gedränge und Durcheinander des Eucharistischen Kongresses zunutze machen würde, der gerade in London stattfand. Wahrscheinlich würde er als kleiner Kirchenbeamter oder Sekretär getarnt reisen; aber natürlich konnte Valentin nicht ganz sicher sein. Kein Mensch konnte bei Flambeau sicher sein.

Es ist jetzt viele Jahre her, dass dieser Goliath des Verbrechens plötzlich damit aufhörte, die Welt in Aufruhr zu versetzen; und als er damit aufhörte, herrschte – so wie es nach dem Tod Rolands hieß – eine große Stille auf Erden. Aber zu seiner

Aber wie konnte er ihn finden? Dieses Problem wälzte der große Valentin unaufhörlich in seinen Gedanken.

Etwas allerdings gab es, was Flambeau auch mit all seiner Verkleidungskunst nicht verbergen konnte: und das war seine außergewöhnliche Körpergröße. Hätten Valentins scharfe Augen eine große Obstfrau, einen großen Grenadier oder auch nur eine leidlich große Herzogin erspäht, er hätte sie vielleicht auf der Stelle verhaftet. Aber im ganzen Zug befand sich niemand, der ein verkleideter Flambeau hätte sein können, wie eben eine Katze auch keine verkleidete Giraffe sein kann. Über die Leute auf dem Dampfer hatte er sich bereits ein Bild gemacht; nicht mehr als sechs Leute, so viel stand fest, waren in Harwich oder später zugestiegen: als Erstes ein kleiner Bahnbeamter, der bis zur Endstation fuhr; nach zwei Stationen drei ziemlich kleine Gemüsegärtner; in einer kleinen Stadt in Essex eine sehr kleine Dame in Witwenkleidung, in einem kleinen Dorf in Essex schließlich ein sehr kleiner römisch-katholischer Priester. Als sein Blick auf diesen fiel, gab Valentin auf und wäre fast in Lachen ausgebrochen. Der kleine Priester war geradezu der Inbegriff des Einfaltspinsels aus dem Osten: Sein Gesicht war so rund und glatt wie ein Norfolk-Knödel, und seine Augen blickten naiv in die Welt. Er trug mehrere in braunes Papier gewickelte Pakete, die er vergeblich beieinander zu halten versuchte. Zweifellos hatte der Eucharistische Kongress viele solcher Geschöpfe aus ihrer ländlichen Abgeschiedenheit hervorgelockt, blind und hilflos wie plötzlich ans Tageslicht geratene Maulwürfe. Valentin war ein Skeptiker der strengen französischen

Als er jedoch in Liverpool Street ausstieg, war er absolut sicher, dass ihm der Verbrecher bis jetzt nicht entkommen war. Er suchte Scotland Yard auf, um seine Machtbefugnisse zu klären und die eventuell nötige Hilfe anzufordern, zündete sich daraufhin erneut eine Zigarette an und begab sich auf einen langen Spaziergang durch die Straßen von London. Als er die Straßen und Plätze jenseits von Victoria Station durchstreifte, blieb er plötzlich stehen. Er stand vor einem altmodischen, friedlichen, für London sehr typischen Platz, über dem eine wundersame Stille lag. Die hohen Wohnhäuser ringsum sahen wohlhabend und unbewohnt zugleich aus; das mit Büschen bestandene Viereck in der Mitte wirkte so verlassen wie ein grünes Inselchen im Pazifik. Eine der vier Seiten lag wie eine Art Podium sehr viel höher als die drei anderen, und die Harmonie dieser Zeile wurde

Das Unglaublichste an Wundern ist, dass sie geschehen. Ein paar Wolken am Himmel verschmelzen miteinander zu der Gestalt eines menschlichen Auges. Auf einer Reise ins Ungewisse sieht man mitten in der Landschaft einen Baum emporragen, der genau die Gestalt eines Fragezeichens hat. Ich selbst habe während der letzten Tage beides gesehen. Nelson stirbt im Augenblick des Sieges, und ein Mann namens Williams ermordet rein zufällig einen Mann mit dem Namen Williamson; es klingt wie Kindesmord. Kurzum, es gibt ein Element märchenhaften Zufalls im Leben, das die Menschen, die nur an Alltägliches glauben, fortwährend übersehen. Wie es Poes Paradox so schön formuliert: Wahre Weisheit rechnet stets auch mit dem Unvorhergesehenen.

Aristide Valentin war durch und durch französisch; und der französische Verstand ist eine besondere Spielart des Verstandes: ist Verstand ausschließlich und total. Valentin war keine »Denkmaschine«, denn das ist eine geistlose Wortschöpfung des modernen Fatalismus und Materialismus. Eine Maschine ist schließlich nur eine Maschine, weil sie nicht denken kann. Aber er war ein denkender Mensch, und ein einfacher Mensch dazu. All seine wunderbaren Erfolge, die wie Zauberei erschienen, hatte er durch zähe Logik, durch klares, schnörkelloses französisches Denken errungen. Die Franzosen versetzen die Welt nicht in Aufregung, indem sie eine paradoxe Theorie aufstellen,

In solchen Fällen verließ er sich auf das Unvorhergesehene. In solchen Fällen, in denen er nicht der Spur des Vernünftigen folgen konnte, folgte er kühl und bedacht der Spur des Unvernünftigen. Anstelle der richtigen Orte, wie Banken, Polizeistationen, beliebte Treffpunkte, suchte er bewusst die falschen auf; er klopfte an jedes leerstehende Haus, lief jede Sackgasse hinunter, jede mit Abfall verstopfte Gasse hinauf, bog in jede Straße ein, die ihn mit Sicherheit ins Abseits führte. Er rechtfertigte diese verrückte Methode ganz logisch. Seiner Ansicht nach war es am schlechtesten, wenn man einen Anhaltspunkt hatte; am besten, man hatte überhaupt keinen Anhaltspunkt, denn möglicherweise bestand die Chance, dass irgendetwas Merkwürdiges, das dem Verfolger auffiel, auch dem Verfolgten aufgefallen war. Irgendwo musste man anfangen, und vielleicht am besten gerade dort, wo ein anderer aufhören würde. Irgendetwas am Verlauf der Treppe, die in das Gebäude führte, irgendetwas an der Stille und dem altmodischen Aussehen des Restaurants erregte das Quäntchen romantischer Phantasie, über das der Detektiv immerhin verfügte, und hieß ihn, aufs Geratewohl einen Versuch zu machen. Er eilte die Treppe

Es war bereits später Vormittag, und er hatte noch nicht gefrühstückt. Auf dem Tisch waren die Spuren eines vorausgegangenen Frühstücks zu erkennen, was ihm seinen Hunger zum Bewusstsein brachte; er bestellte noch ein pochiertes Ei und schüttete gedankenverloren etwas weißen Zucker in seinen Kaffee. Die ganze Zeit dachte er an Flambeau. Er rief sich ins Gedächtnis, auf welch unterschiedliche Weise Flambeau bisher schon entkommen war: einmal zum Beispiel aufgrund einer Nagelschere und einmal wegen eines brennenden Hauses; einmal, weil er für einen unfrankierten Brief bezahlen musste, und einmal, indem er die Leute durch ein Teleskop einen Kometen betrachten ließ, der vielleicht die Welt zerstören würde. Er hielt seinen Detektivverstand für ebenso fähig wie den des Verbrechers, was der Wahrheit entsprach. Aber er war sich des eigenen Nachteils deutlich bewusst. »Der Verbrecher ist der schaffende Künstler, der Detektiv dagegen nur der Kritiker«, sagte er mit einem bitteren Lächeln und führte seine Kaffeetasse langsam zum Mund, setzte sie jedoch sehr schnell wieder ab. Er hatte Salz hineingestreut.

Valentin besah sich das Gefäß, das den silbrigen Puder enthalten hatte; es war zweifellos eine Zuckerdose und so eindeutig für Zucker bestimmt wie eine Champagnerflasche für Champagner. Er fragte sich, warum man wohl Salz darin aufbewahrte. Er sah sich suchend um, ob es auch Gefäße von der üblichen Sorte gab. Ja, da standen zwei bis oben gefüllte Salzstreuer. Vielleicht hatte auch der Inhalt der Salzstreuer eine besondere Würze. Er kostete; es war Zucker. Daraufhin blickte er mit dem Ausdruck neu erwachten Interesses in dem Restaurant umher, ob vielleicht noch weitere Spuren jener einzigartigen, künstlerischen Eigenart auszumachen waren, die Zucker in Salzstreuer und Salz in Zuckerdosen füllt. Doch bis auf einen merkwürdigen Spritzer, den irgendeine dunkle Flüssigkeit an einer der

Als dieser dienstbare Geist, mit wirren Haaren und – ob der frühen Stunde – noch leicht verschlafenen Augen herbeieilte, bat ihn der Detektiv, der für die schlichten Formen des Humors durchaus etwas übrig hatte, den Zucker zu kosten und zu prüfen, ob er dem guten Ruf des Hotels gerecht werde. Die Folge davon war, dass der Kellner plötzlich gähnte und von einer Sekunde zur anderen aufwachte.

»Spielen Sie Ihren Gästen jeden Morgen diesen reizenden Streich?«, fragte Valentin. »Verliert es niemals seinen Reiz für Sie, Salz und Zucker zu vertauschen?«

Als ihm die Ironie der Frage aufgegangen war, versicherte ihm der Kellner stammelnd, dass nichts dergleichen in der Absicht der Hotelleitung liege, es müsse sich um ein höchst merkwürdiges Versehen handeln. Er hob die Zuckerdose hoch und betrachtete sie; er hob den Salzstreuer hoch und betrachtete diesen, wobei der Ausdruck seines Gesichts immer verwirrter wurde. Schließlich entschuldigte er sich abrupt, eilte hinaus und kehrte nach ein paar Sekunden mit dem Besitzer zurück. Auch der Besitzer betrachtete eingehend Zuckerdose und Salzstreuer; auch der Besitzer blickte verwirrt drein.

Plötzlich stieß der Kellner einen Schwall unartikulierter Worte hervor.

»Ich glaub«, sagte er heftig stotternd, »ich glaub, die zwei Priester warn’s.«

»Welche zwei Priester?«

»Die zwei Priester«, sagte der Kellner, »die die Suppe an die Wand geschmissen ha’m.«

»Suppe an die Wand geschmissen?«, wiederholte Valentin, überzeugt, dass es sich hierbei um einen metaphorischen Ausdruck aus dem Italienischen handeln müsse.

»Ja, ja«, sagte der Kellner aufgeregt und zeigte auf den

Valentin sah den Besitzer fragend an, der ihm mit einem etwas ausführlicheren Bericht zu Hilfe kam.

»Ja, Sir«, sagte er, »das stimmt schon, obwohl ich nicht glaube, dass es etwas mit der Zucker-und-Salz-Geschichte zu tun hat. Zwei Geistliche betraten sehr früh, kurz nachdem wir geöffnet hatten, das Restaurant und tranken Suppe. Beide waren ruhige, ehrenwerte Herren; der eine von ihnen bezahlte die Rechnung und ging hinaus; der andere, alles in allem anscheinend ein bisschen tranfunzelig, brauchte ein paar Minuten länger, bis er seine Siebensachen beisammen hatte. Aber schließlich ging er. Nur, unmittelbar bevor er auf die Straße trat, hob er absichtlich seine Tasse, die er nur zur Hälfte ausgetrunken hatte, und kippte die Suppe ganz plötzlich an die Wand. Ich hielt mich im Hinterzimmer auf, genauso wie der Kellner; ich stürzte gleich herbei, sah aber nur noch, dass die Wand bespritzt und der Raum leer war. Nicht, dass es besonders großen Schaden angerichtet hätte, aber es war einfach unverschämt; und ich versuchte, die Männer auf der Straße einzuholen. Aber sie waren schon zu weit; ich sah nur noch, wie sie in die Carstairs Street einbogen.«

Schon war der Detektiv auf den Beinen, den Hut auf dem Kopf, den Spazierstock in der Hand. Er hatte ja bereits entschieden, in seinem Zustand des totalen Nichtwissens, dem ersten seltsamen Fingerzeig zu folgen; und dieser Fingerzeig war seltsam genug. Er bezahlte seine Rechnung, schlug die Glastüren klirrend hinter sich zu und bog gleich darauf um die nächste Ecke.

Zum Glück bewahrte er selbst in solch erregenden Momenten seinen kühlen, flinken Blick. Und irgendetwas vor einem Geschäft fesselte für den Bruchteil einer Sekunde diesen Blick. Valentin kehrte um, um der Sache auf den Grund zu gehen.

Es war ein preiswerter Obst- und Gemüseladen, der einen Teil seiner Ware, mit simplen Namens- und Preisschildern

Der rotgesichtige Ladenbesitzer sah ihn mit drohendem Blick an, doch Valentin fuhr, seinen Spazierstock schwingend, munter fort. »Was«, so fragte er, »was haben zwei in einem Obstladen falsch aufgestellte Preisschilder mit einem Schaufelhut, der in London Urlaub macht, gemeinsam? Oder, falls ich mich nicht klar genug ausdrücke, worin besteht die geheimnisvolle Gedankenverbindung zwischen Nüssen, die man als Orangen bezeichnet, und zwei Geistlichen, von denen einer groß, der andere klein ist?«

Dem Gemüsehändler traten, wie einer Schnecke, die Augen aus dem Kopf; einen Moment lang sah es tatsächlich so aus, als würde er sich auf den Fremden stürzen. Schließlich stieß er zornig die Worte hervor: »Ich weiß ja nicht, was Sie damit zu tun haben, aber wenn Sie einer von ihren Freunden sind, dann können Sie ihnen bestellen, dass sie einen von mir auf den Dez

»Wirklich?«, fragte der Detektiv mitfühlend. »Haben sie Ihre Äpfel durcheinandergebracht?«

»Ja, der eine von ihnen«, sagte der erboste Obsthändler, »er hat sie über die ganze Straße verstreut. Ich hätte den Dummkopf ja erwischt, aber ich musste doch die Äpfel auflesen.«

»In welche Richtung sind die zwei Pfarrer gegangen?«, fragte Valentin.

»Die zweite Straße links und dann quer über den Platz«, entgegnete der andere eilfertig.

»Danke«, sagte Valentin und verschwand wie durch einen Zauber. Jenseits des zweiten Platzes stieß er auf einen Polizisten und sagte: »Dies ist eine dringende Sache, Konstabler, haben Sie zwei Geistliche mit Schaufelhüten gesehen?«

Der Polizist brach in ein glucksendes Lachen aus. »Das habe ich, Sir; und wenn Sie mich fragen, war der eine von ihnen betrunken. Er stand derart hilflos mitten auf der Straße, dass –«

»In welche Richtung sind sie gegangen?«, blaffte Valentin.

»Sie haben einen von diesen gelben Bussen da drüben genommen«, antwortete der Mann, »die nach Hampstead fahren.«

Valentin zeigte seinen Ausweis und sagte hastig: »Rufen Sie zwei Ihrer Leute; sie sollen mich bei der Verfolgung unterstützen.« Er überquerte die Straße mit solch ansteckender Energie, dass der schwerfällige Polizist seinem Befehl geradezu wieselflink gehorchte. Eineinhalb Minuten später stießen auf der anderen Straßenseite ein Inspektor und ein Beamter in Zivil zu dem französischen Detektiv.

»Nun, Sir«, begann der Inspektor mit wichtigem Lächeln, »was ist eigentlich –?«

Mit einer Einhalt gebietenden Geste seines Stockes fiel ihm Valentin ins Wort. »Ich erkläre Ihnen alles, wenn wir erst da oben in dem Bus sitzen«, sagte er und schlängelte und wand sich geschickt durch das Verkehrsgewirr. Als alle drei keuchend im

»Wohl wahr«, antwortete ihr Anführer gelassen, »wenn wir nur die leiseste Ahnung hätten, wohin wir fahren.«

»Nun, und wohin fahren wir?«, fragte der andere und starrte ihn an.

Valentin zog ein paar Sekunden stirnrunzelnd an seiner Zigarette; dann nahm er sie aus dem Mund und sagte: »Wenn Sie wissen, was ein Mensch vorhat, überholen Sie ihn; wenn Sie aber herausfinden wollen, was er vorhat, bleiben Sie hinter ihm. Gehen Sie, wenn er geht; bleiben Sie stehen, wenn er stehen bleibt; bewegen Sie sich so langsam vorwärts wie er. Dann sehen Sie vielleicht, was er gesehen hat, und können dasselbe tun wie er. Alles, was wir tun können, ist, aufmerksam nach einer merkwürdigen Sache Ausschau zu halten.«

»Was für eine merkwürdige Sache meinen Sie«, fragte der Inspektor.

»Jede merkwürdige Sache«, antwortete Valentin und verfiel wieder in hartnäckiges Schweigen.

Scheinbar endlos quälte sich der Omnibus über die Straßen nach Norden; der große Detektiv gab keine weiteren Erklärungen ab, und vielleicht verspürten seine Helfer insgeheim zunehmend Zweifel an dem ganzen Unternehmen. Vielleicht verspürten sie insgeheim auch zunehmend den Wunsch, etwas zu essen, denn die Zeit des Mittagessens verstrich, und die endlosen Straßen in den nördlichen Vororten zogen sich wie ein teuflisches Teleskop scheinbar immer wieder in die Länge. Es war eine jener Fahrten, auf denen man unaufhörlich denkt, nun müsse man wirklich am Ende der Welt angekommen sein, um dann festzustellen, dass man sich erst am Anfang des Tufnell Park befindet. London verlor sich in schmutzigen Kneipen und trostlosen Ecken, um dann auf unerklärliche Weise in hell erleuchteten Geschäftsstraßen und protzigen Hotels neu zu erstehen. Es war, als würde man durch dreizehn einzelne, hässliche

Sie stolperten die Treppe hinunter auf die Straße, ohne zu begreifen, warum man sie aufgestört hatte; als sie aufklärungheischend um sich blickten, sahen sie, wie Valentin triumphierend mit dem Finger auf ein Fenster auf der linken Straßenseite deutete. Es war ein großes Fenster in der Vorderfront eines luxuriösen, palastartigen Gasthauses; es gehörte zu dem Teil, der für vornehmes Dinieren reserviert war, und trug die Aufschrift »Restaurant«. Wie alle übrigen Fenster der Hotelfassade bestand auch dieses aus verziertem Mattglas, nur befand sich genau in seiner Mitte, wie ein Stern im Eis, ein großer schwarzer Sprung.

»Da haben wir ja unseren Hinweis«, rief Valentin und schwang seinen Stock, »das zerbrochene Fenster.«

»Welches Fenster? Welchen Hinweis?«, fragte sein erster Assistent. »Wo, bitte, ist denn der Beweis, dass das hier etwas mit den beiden zu tun hat?«

Valentin zerbrach vor Wut fast seinen Bambusstock.

»Beweis!«, schrie er. »Du lieber Gott! Der Mann verlangt einen Beweis! Nun, allerdings, die Chancen stehen zwanzig zu eins, dass es nichts mit ihnen zu tun hat. Aber was können wir denn sonst tun? Begreifen Sie nicht? Entweder wir folgen der kleinsten wahnwitzigen Möglichkeit, oder wir können uns zu Hause in unser Bett legen.« Türenschlagend stürmte er, gefolgt von seinen Begleitern, in das Restaurant, und schon bald nahmen sie an einem kleinen Tisch eine späte Mahlzeit ein, wobei

»Ihre Fensterscheibe ist zerbrochen, wie ich sehe«, sagte Valentin zu dem Kellner, als er seine Rechnung beglich.

»Ja, Sir«, gab dieser zur Antwort, während er sich intensiv mit dem Wechselgeld beschäftigte, das Valentin stillschweigend um ein enormes Trinkgeld erhöhte. Sichtlich belebt, richtete der Kellner sich auf.

»Ach ja, Sir«, sagte er bereitwillig. »Ganz komische Sache das, Sir.«

»Wirklich? Erzählen Sie uns doch davon«, sagte der Detektiv mit beiläufiger Neugier.

»Also, es kamen zwei Männer in Schwarz herein«, berichtete der Kellner, »zwei von diesen ausländischen Geistlichen, die zurzeit hier herumrennen. Sie verzehrten ein billiges, bescheidenes Mittagessen, und der eine von ihnen bezahlte und ging hinaus. Der andere war gerade im Begriff, ihm zu folgen, als ich noch mal mein Wechselgeld überprüfte und feststellte, dass er mir mehr als das Dreifache bezahlt hatte. ›Hier‹, sage ich zu dem Burschen, der schon fast aus der Tür war, ›Sie haben zu viel bezahlt.‹ ›Oh‹, sagt er kühl, ›ist das wahr?‹ ›Ja‹, sage ich und will ihm die Rechnung zeigen. Na, das war vielleicht ein Schlag.«

»Was meinen Sie?«, fragte sein Gesprächspartner.

»Na, ich hätte auf sieben Bibeln geschworen, dass ich vier Shilling auf die Rechnung geschrieben habe. Aber nun seh ich, dass ich klar und deutlich vierzehn Shilling aufgeschrieben habe.«

»Ja«, rief Valentin und bewegte sich langsam, aber mit gespanntem Blick, »und weiter?«

»Da sagt der Pfarrer an der Tür ganz ruhig: ›Tut mir leid, wenn ich Ihre Buchführung durcheinanderbringe, aber das reicht wohl für das Fenster.‹

›Welches Fenster?‹, frage ich. ›Für das Fenster, das ich jetzt kaputtschlage‹, sagt er und zertrümmert die verdammte Scheibe mit seinem Schirm.«

»Eine Sekunde lang war ich wie vor den Kopf geschlagen und konnte überhaupt nichts tun. Der Mann marschierte aus dem Raum und folgte seinem Freund um die nächste Ecke. Dann liefen sie so schnell die Bullock Street hinauf, dass ich sie nicht mehr einholen konnte, obwohl ich extra durch die Schankstube gerannt bin.«

»Bullock Street«, sagte der Detektiv und schoss die Straße ebenso schnell hinauf wie das seltsame Paar, das er verfolgte.

Ihr Weg führte sie nun an kahlen Backsteinmauern vorbei, die wie Tunnels aussahen; durch Straßen, in denen es kaum Licht und nur wenige Fenster gab; Straßen, die aus allem erbaut zu sein schienen, was irgendwie und irgendwo an Abfall liegengeblieben war. Die Dunkelheit nahm zu, und selbst für die Londoner Polizisten war es nicht leicht, genau zu sagen, in welche Richtung sie sich bewegten. Der Inspektor war jedoch ganz sicher, dass sie zu guter Letzt im Bereich der Heide von Hampstead landen würden. Plötzlich durchbrach der Schein eines gewölbten, vom Gaslicht erhellten Fensters wie eine Blendlaterne die blaue Dämmerung, und Valentin blieb einen Augenblick vor dem kleinen, kunterbunten Süßwarenladen stehen. Nach kurzem Zögern trat er ein; vollkommen ernst stand er inmitten der lustigen Farben der Konditorei und wählte mit einer gewissen Sorgfalt dreizehn Schokoladenzigarren aus. Er suchte sichtlich nach einer Einleitung, aber das war nicht nötig.

Die eckige, ältlich wirkende, aber junge Verkäuferin hatte seine elegante Erscheinung nur mit einem mechanischen, flüchtigen Blick wahrgenommen; als sie jedoch die Ladentür durch die blaue Uniform des Inspektors versperrt sah, schien ihr Blick zu erwachen.

»Päckchen?«, wiederholte Valentin und sah sie nun seinerseits fragend an.

»Ich meine das Päckchen, das der Herr hiergelassen hat – der geistliche Herr.«

»Um Himmels willen«, sagte Valentin, indem er sich vorbeugte und zum ersten Mal sein gespanntes Interesse wirklich erkennen ließ, »erzählen Sie uns um Himmels willen genau, was passiert ist.«

»Also«, begann die Frau etwas unsicher, »die zwei Pfarrer kamen vor etwa einer halben Stunde herein, kauften ein paar Pfefferminzbonbons, schwatzten ein bisschen über dies und das und gingen dann in Richtung Heide davon. Aber schon nach einer Sekunde kommt einer der beiden zurück in den Laden und fragt: ›Habe ich hier ein Päckchen liegengelassen?‹ Nun, ich habe überall nachgesehen, konnte aber nichts entdecken. Daraufhin sagt er: ›Macht nichts. Aber wenn es noch auftaucht, schicken Sie es bitte an diese Anschrift‹, und er gab mir die Adresse und einen Shilling für meine Bemühungen. Und tatsächlich, obwohl ich dachte, ich hätte überall nachgesehen, fand ich doch ein braun eingewickeltes Päckchen und schickte es an die angegebene Adresse. Sie fällt mir jetzt nicht mehr ein, es war irgendwo in Westminster. Aber weil die Sache anscheinend so wichtig war, dachte ich, die Polizei wäre vielleicht deshalb gekommen.«

»Das ist sie auch«, sagte Valentin knapp. »Ist die Hampsteader Heide hier in der Nähe?«

»Eine Viertelstunde geradeaus«, sagte die Frau, »und Sie sind mittendrin.« Valentin sprang aus dem Laden und begann zu laufen. Die anderen Polizeibeamten trabten widerwillig hinter ihm drein.

Die Straße, durch die sie hindurcheilten, war eng und schattig, und als sie unvermittelt auf die kahle Ebene unter dem endlosen Himmel hinaustraten, stellten sie überrascht fest, wie hell

Unter den schwarzen, sich in der Ferne auflösenden Gruppen war eine ganz besonders schwarze, die sich nicht auflöste – eine Gruppe von zwei Gestalten im geistlichen Gewand. Obwohl sie so klein wie Insekten schienen, konnte Valentin erkennen, dass einer der beiden viel kleiner war als der andere. Obwohl der andere die Haltung eines über seine Arbeit gebeugten Studenten hatte und sich unauffällig benahm, konnte Valentin erkennen, dass der Mann mehr als sechs Fuß maß. Er biss die Zähne zusammen und marschierte vorwärts, wobei er ungeduldig seinen Stock schwang. Als sich der Abstand deutlich verringert hatte und die zwei schwarzen Gestalten wie unter einem riesigen Mikroskop immer größer wurden, entdeckte er noch etwas anderes; etwas, das ihn erschreckte, das er jedoch irgendwie erwartet hatte. Wer auch immer der hochgewachsene Pfarrer sein mochte, an der Identität des kleinen konnte keinerlei Zweifel bestehen. Es war sein Freund aus dem Zug von Harwich, der stämmige kleine curé aus Essex, den er wegen seiner braunen Pakete zur Vorsicht gemahnt hatte.

Der größere Priester nickte mit gesenktem Kopf und sagte:

»Nein«, sagte der andere Priester. »Vernunft ist immer vernünftig, selbst in der letzten Vorhölle, im verlorenen Grenzland der Dinge. Ich weiß, dass viele Leute der Kirche vorwerfen, sie schränke die Vernunft ein; aber genau das Gegenteil ist der Fall. Einzig und allein die Kirche räumt der Vernunft den höchsten Rang ein. Einzig und allein die Kirche bestätigt, dass selbst Gott an die Vernunft gebunden ist.«

»Doch wer weiß, ob in jenem unendlichen Universum –?«

»Vernunft und Gerechtigkeit erfassen auch den entferntesten, einsamsten Stern. Betrachten Sie diese Sterne. Sehen sie nicht aus, als wäre jeder einzelne ein Diamant oder Saphir? Sicher, Sie können sich eine verrückte Botanik oder Geologie nach Ihrem Geschmack vorstellen. Denken Sie zum Beispiel an Diamantenwälder mit Blättern aus Brillanten. Stellen Sie sich den Mond als blauen Mond vor, als einen einzigartigen, riesenhaften Saphir. Aber glauben Sie nicht, dass diese ganze durcheinandergeratene Astronomie auch nur das Geringste an der Vernunft und Gerechtigkeit menschlichen Handelns ändern würde. Selbst auf Ebenen aus Opal und unter Perlenklippen würden Sie noch eine Anschlagtafel finden mit der Aufschrift: ›Du sollst nicht stehlen.‹«

»Nun, ich glaube noch immer, dass andere Welten vielleicht unsere Vernunft übersteigen. Das Geheimnis des Himmels ist unergründlich, und vor dieser Wahrheit kann ich mich nur verneigen.«

Dann, das Gesicht noch immer gesenkt und ohne auch nur im Geringsten Haltung und Stimme zu verändern, setzte er hinzu:

Die völlig unveränderte Stimme und Haltung verlieh der schrecklichen Wendung des Gesprächs etwas seltsam Gewalttätiges. Aber der Hüter der Reliquie schien lediglich um einen winzigen Bruchteil den Kopf zu drehen. Offenbar hielt er noch immer sein treuherziges Gesicht den Sternen zugewandt. Vielleicht hatte er nicht richtig verstanden. Oder vielleicht hatte er sehr wohl verstanden und saß nur starr vor Schrecken da.

Dann, nach einer Pause, setzte er hinzu:

»Nein«, antwortete der andere, und die Silbe hatte einen merkwürdigen Klang.

»Nein«, rief er, »Sie werden es mir nicht geben, Sie stolzer Prälat. Sie werden es mir nicht geben, Sie kleiner, weltfremder Simpel. Und soll ich Ihnen sagen, warum nicht? Weil ich es bereits in meiner Brusttasche habe.«

»Sind – sind Sie sicher?«

»Wahrhaftig, Sie sind eine echte Zirkusnummer«, rief er. »Ja, Sie Trottel, ich bin ganz sicher. Ich war so schlau, ein Duplikat des richtigen Päckchens anzufertigen, und jetzt, mein Freund,

Der Goliath des Verbrechens beugte sich mit plötzlich erwachtem Interesse zu dem kleinen Priester vom Lande hinüber.

Sie Sie

»Anfingen, mich zu verdächtigen«, wiederholte der Verbrecher mit wachsender Spannung. »Hatten Sie wirklich so viel Grips, mich nur zu verdächtigen, weil ich Sie bis in diesen abgelegenen Teil der Heide gelockt habe?«

»Wie, beim Tartarus«, schrie Flambeau, »haben Sie von diesem Stachelarmband erfahren?«

»Tja, genauso war es«, sagte der kleine Priester in dem gleichen ungerührten Ton wie zuvor. »Ich kehrte zurück in diesen Süßwarenladen und fragte, ob ich ein Päckchen vergessen hätte; für den Fall, dass es noch auftauchen würde, hinterließ ich eine private Adresse. Ich hatte natürlich nichts liegengelassen, aber als ich diesmal den Laden verließ, tat ich es. Und so rannte niemand hinter mir her mit dem wertvollen Päckchen, sondern es wurde per Eilpost an einen Freund von mir in Westminster geschickt.« Dann fügte er leicht betrübt hinzu: »Das habe ich auch von so einem armen Kerl in Hartlepool gelernt. Er machte es so mit Handtaschen, die er auf Bahnhöfen mitgehen ließ, aber jetzt ist er in einem Kloster. Ach ja, man erfährt manches, wissen Sie«, ergänzte er und strich sich wieder mit der gleichen entschuldigenden Geste traurig über das Haar. »Das lässt sich nicht vermeiden, wenn man Priester ist. Die Leute erzählen uns nun einmal solche Sachen.«

»Ich glaube Ihnen nicht. Ich glaube nicht, dass ein Tölpel wie Sie das alles deichseln kann. Ich glaube, dass Sie das Ding immer noch bei sich haben, und wenn Sie es nicht sofort hergeben – dann, wir sind schließlich ganz allein hier, dann nehme ich es mir mit Gewalt!«

Sie Sie

»Nun«, fuhr Pater Brown mit plumper Deutlichkeit fort, »da Sie keinerlei Spuren für die Polizei hinterlassen würden, musste dies jemand anders tun. Also sorgte ich an jedem Ort, an den wir kamen, für irgendetwas, das für den Rest des Tages Gesprächsstoff liefern würde. Ich richtete keinen großen Schaden an – eine bespritzte Wand, verstreute Äpfel, eine zerbrochene Fensterscheibe; aber ich rettete das Kreuz, wie das Kreuz immer gerettet werden wird. Jetzt ist es bereits in Westminster. Es wundert mich, dass Sie mich nicht mit der ›Eselspfeife‹ aufgehalten haben.«

»Ich bin froh, dass Sie nie davon gehört haben«, sagte der

»Oh, ich dachte, Sie kennen den Drehsprung«, sagte Pater Brown angenehm überrascht. »Sie können also doch noch nicht so weit vom rechten Weg abgekommen sein!«

Der Schatten eines Lächelns überzog das runde, einfältige Gesicht seines geistlichen Widerparts.

»Welcher?«, fragte der Dieb fast atemlos.

Und in ebendem Augenblick, als er sich umwandte, um seine Sachen zusammenzusuchen, traten die drei Polizeibeamten aus dem Dunkel der Bäume. Flambeau war Künstler und Sportsmann. Er trat zurück und machte vor Valentin eine tiefe Verbeugung.

mon ami