It is my wish to accompany you very often.
And to find together what we are both looking for.
To be one.
Wim Roskam
11-12-‘01
To us... to We all
Von Akaija & Art, 2021
Erstausgabe auf Niederländisch, ‘Kiezen voor Vrije Keuze’, veröffentlicht von Verlag Uitgeverij Akasha, Niederlande in 2009.
Erstausgabe auf Englisch, ‘Lady of the Rings, Opting for Freedom of Choice’, bei BoD, 2017
Akaija & Art
Gijsbrechtgaarde 316
7329 CE Apeldoorn, Niederlande
Telefon: +31 55 5335747
E-mail: atelier@akaija.com
Internet: www.akaija.com
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© 2021 Wim Roskam / Akaija & Art, Apeldoorn, Niederlande
Umschlagentwurf: Sander Schaper
Illustrationen, Fotografien, Gemälden und Layout: Wim Roskam
Übersetzung: Rolf Bach und Karin Steiner
Herstellung und Verlag: BoD - Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN: 9783754367827
Liebe Leserin, lieber Leser,
Voller Dankbarkeit, Demut und Staunen durfte ich dieses Buch gemeinsam mit Wim und Marianne in die deutsche Sprache kleiden. Linda, Wims verstorbene Seelengefährtin, die einen ganz besonderen Anteil am Gelingen dieses Buches hat, ist in meinem Herzen. Das Ziel aller Anstrengungen dieser liebevollen Menschen ist, ein Stück des Himmels – was für Jeden etwas anderes sein kann – auf die Erde zu den Menschen zu bringen.
Hiermit möchte ich Dir dieses wunderbare Buch (voller Wunder im wahrsten Sinne des Wortes) auf Deinen Nachttisch legen. Hast Du den nächsten Tag frei?
Es könnte eine schlaflose Nacht werden.
Die Geschenke, die in diesem Buch verpackt sind - zahllos: eine wahre Lebens- und Liebesgeschichte, Tod und Leben, Tränen und Schmerz, Glaube an die Liebe, die alle Schranken überwindet, Hoffnung und Neubeginn und die Geburt eines „Heilenden Juwels aus der Geistigen Welt“…und in allem fließt die bedingungslose Liebe.
Der Dalai Lama sagt: „Noch unsere kleinste Handlung beeinflusst das gesamte Universum“.
Dieses Buch erzählt davon und es wird Dich und deinen Blick auf das Leben, auf dein Leben verändern.
Was ist die kleinste Handlung für Dich?
Ich wünsche Dir und mir, lass es zu, dass dieses Buch dein Herz berührt, wie sie meines berührt hat.
Kleve, im April 2021
Karin Steiner
You ask me, where did I fall?
I'll say I can't tell you when.
And if you ask me when,
I'll say it starts at the end.
‘Somehow I’ll find my way home’
John & Vangelis
Zu Beginn ein Spiegel... Gespräch.
Wie kannst du die Frau beschreiben, die du so herzlich liebst?
Was kannst du über sie sagen?
Sagst du ihren Namen?
Im Hier und Jetzt kann ich es dir gleich sagen, sie heißt Linda.
Welche Bedeutung hat dieser Name?
Würdest du ein Foto von ihr zeigen?
Aber was sagt dir das Foto?
Wie schön sie ist? Nur, sie hatte es schwer sich selbst zu lieben.
Kannst du jemanden beurteilen auf Grundlage eines Bildes?
Kannst du durch ein Bild hindurchsehen... zwischen den Zeilen, durch die Farben sehen? Wenn dem so ist, bist du medial begabt?
Also, was schreibst du denn?
Wie sie war?
Weißt du, sie lebt nicht mehr.
Nun weißt du dies auch.
Also wie kannst du sie beschreiben?
Kannst du beschreiben wie ihr zusammen gelebt habt, wie sehr ihr einander geliebt habt?
Aber endet Liebe mit dem Tod?
Zudem lebe ich heute mit einer anderen Frau zusammen.
Erklärt dir dieses meine Beziehung, die ich zu ihr hatte?
Ich hoffe, dass du ohne Vorurteile bist. Schließt du bereits Schlussfolgerungen?
Oder spricht es für diese Frau...? Marianne ist ihr Name.
Und ja... Ich liebe sie auch sehr. Kannst du verstehen wie diese möglich ist...?
Ich bin mir nicht ganz sicher, dass du es kannst.
Nun lass mich dir auch meinen Namen mitteilen: Wim.
Vielleicht weißt du nun genug um eventuell dieses Buch zur Seite zu legen.
Linda war eine Frau, die es ablehnte in der Vergangenheitsform über jemand Verstorbenen zu sprechen und ich muss zugeben, dass es mir auch so ging.
Aber nachdem, was ich gelernt habe, wage ich es jetzt zu tun. Bestimmte Eigenschaften verschwinden und machen den Weg frei für neue. Das Alte ist weg.
Du wächst und du veränderst dich. Deshalb bist du hier, weil die Erde eine Schule ist. Wenn du dich nicht verändern möchtest, warum bist du dann noch hier? Hast du bereits Perfektion erreicht... und bist damit sicherlich glücklich? Aber wie auch immer, Linda war und bleibt eine ganz besondere... Seele.
Sie wurde in Rotterdam, Niederlande, in 1954 geboren. Im Alter von 6 Jahren zog sie um nach Apeldoorn. Ich selbst wurde 1960 geboren und im gleiche Jahr zog ich auch nach Apeldoorn und lebte nur 200 Meter von ihrem Zuhause entfernt. Ein paar Jahre später saß ich im Kindersitz von Mutters Fahrrad auf dem Weg in die Stadt. Ich erinnere mich nicht sehr gut an alles in dieser Zeit, aber eine Erinnerung ist sehr klar geblieben, wenn wir an Lindas Zuhause vorbeiradelten. Es war ein weißes Haus mit einer niedrigen Dachschräge und einem ganz kleinen Vorgarten.
Neben der Haustüre saß eine erwachsene Frau. Vielleicht strickte sie oder schälte Kartoffeln. Vor ihr auf dem Boden spielte ein kleines dunkelhaariges Mädchen.
Was mir auffiel, war die angenehme, liebevolle Atmosphäre um das allein spielende Mädchen. Es war etwas, dass mich zu ihr hinzog, ohne dass ich es begriff und ich versprach mir ernsthaft, dass ich bald einmal von zu Hause weglaufen würde, und die kurze Strecke zu Fuß gehen, um an ihre Türe zu klopfen. Ich war mir sicher, dass dies eines Tages passieren würde. Für ein paar Augenblicke war ich kein kleiner Junge mehr.
Stell dir vor die Mutter eines kleinen Mädchens zu sein, die einen winzig kleinen Jungen vor ihrer Haustüre sieht, der sie mit einem unbeteiligten Gesicht um die Hand ihrer Tochter bittet... Nun, wie ich Lindas Mutter kenne, wusste ich, dass sie gar nicht so überrascht gewesen wäre. Abgesehen davon, dass sie amüsiert wäre, hätte sie diese Angelegenheit in einer Weise ernst genommen, wohl wissend, dass bei Kindern, die sich in solch einer Weise verhalten, sich ihre große, weise Seele zeigt.
Kurz danach verzog Linda nach Ulft, einem kleinen Ort in der Nähe der deutschen Grenze bei Emmerich, während ich weiterhin in Apeldoorn wohnte. Ich habe oft über meinen Plan nachgedacht, ihn aber niemals ausgeführt.
Als Linda älter wurde, lasen sie und ihre Mutter viele Bücher, eines nach dem anderen über Reinkarnation, UFOs, Wünschelruten, Atlantis, Ägypten, Geistererscheinungen, Kontakte zu unsichtbaren Wesen, kurz, über alles, worüber für Jahrhunderte nicht gesprochen wurde, außer in den Hinterzimmern und hinter verschlossenen Türen. Linda konnte mit ihrer Mutter ganze Abende über solche Dinge reden, die sie gemeinsam interessierten.
Zusätzlich interessierte sich Linda sehr fürs Tanzen. Sie besuchte Ballettunterricht und machte später noch eine Jazz-Tanzausbildung. Sie wäre darin bestimmt erfolgreich gewesen, wenn es eine Show- Musical Musikklasse gegeben hätte, doch damals gab es nichts dergleichen in den Niederlanden. Linda hatte den richtigen Körper dafür: schlank und wendig. Balletttänzer müssen auf ihr Aussehen achten.
Leichtes Übergewicht ist schädlich und strikte Diät muss sein. Um durchzuhalten ist Disziplin sehr wichtig und das konnte sie: sich an eine strenge Diät halten und jede gegessene Kalorie zählen. Zu mancher Zeit sah sie mehr nach Magersucht aus, aber eigentlich nicht wirklich, denn sie kannte diese Gefahr nur zu gut.
Leider wurde sie bei der Ballettakademie nicht angenommen wegen einer winzigen Unebenheit in ihrem Rücken. Stattdessen machte sie eine Ausbildung zur Lehrerin in ‘Kinderbetreuung & Erziehung’ in Verbindung mit ‘Gestaltender Kunst’.
Nach ihrem Abschluss ging sie nach Israel, um in einem Kibbuz zu arbeiten. Schon am ersten Tag nach ihrer Ankunft verliebte sie sich in einen schottischen Jungen italienischer Herkunft. Andere Menschen warnten sie vor ihm, aber wie es nun einmal so ist in Liebesdingen, hörte sie nicht zu.
„Sofort lief alles schief, schon am ersten Tag“, erzählte sie später. Und weiterhin lief alles schief; es hörte einfach nicht auf. Ihr ‘Freund’ missbrauchte sie. Sie verdiente etwas Geld im Kibbuz aber er gab es aus, stahl es sogar, wenn sie es ihm nicht freiwillig gab. Er brauchte es um andere zu beeindrucken, ihnen Geschenke zu kaufen und er wollte immer mehr. Aber sie war verliebt und deshalb war sie bereit, sein Verhalten zu erdulden.
Ungefähr ein halbes Jahr später zog sie um in eine kleine Wohnung in Tel Aviv, wo sie in einer Bar als Barfrau Arbeit fand. Natürlich blieb ihr Haupthobby das Tanzen und während ihrer Freizeit verbrachte sie viele Nächte auf dem Tanzboden.
Dies war die Blütezeit der Disco und an vielen freien Abenden und Nächten stand sie auf der Fläche, wie eine echte Disco-Queen. Oft gab es einen Wettkampf mit anderen, um herauszufinden, wer die meiste Aufmerksamkeit des Publikums erringt und so schnell und spannend tanzt, dass der andere aufgibt. Und dies konnte Linda für Stunden, wenn nötig.
Ihr Freund arbeitete auf einer Ölbohrinsel und blieb in Folge für Wochen weg. Sie fühlte sich dann einsam, aber es gesellte sich ein streunender Hund zu ihr, der ihre Hilfe suchte, weil er krank war. Sie kümmerte sich um das arme Tier, und das bedeutete, dass sie regelmäßig zu einem Tierarzt musste, doch das Geld dafür war manches Mal nicht mehr da.
Anscheinend war sie nicht die einzige, die von ihrem Freund bestohlen wurde, denn irgendwann wurde er verhaftet und landete in einem israelischen Gefängnis.
Linda fuhr fort ihn zu unterstützen, besuchte ihn im Gefängnis und nach seiner Haftentlassung nahm sie ihn wieder auf, abgemagert und vernarbt, er weigerte sich darüber zu sprechen.
Nach über einem Jahr musste sie zurück in die Niederlande, weil ihr Visum abgelaufen war. Sie wollte ihren Hund mitnehmen, doch die Behörden hatten sehr hohe Anforderungen für den Transport eines Hundes im Flugzeug. Dafür hätte sie eine besondere Hundetransportbox anschaffen müssen. Dann wären eine Quarantäne-zeit und Impfungen notwendig, viel Papierkram und natürlich Geld.
Sie arrangierte alles, doch kurz vor ihrer Abreise wurde ihr mitgeteilt, dass nóch etwas nicht stimme. Es gab keine Zeit, um die neuen Anforderungen zu erfüllen, so dass sie gezwungen war, ihren Hund zurückzulassen. Es war nicht ihre Schuld, aber seitdem hatte sie das Gefühl, ihren Hund in Stich gelassen zu haben. „Ich erinnere mich noch, wie er mich anschaute, als ich ihn dort, zurückließ“, sagte sie manchmal mit Tränen in den Augen. Schmerzen... die nie vergehen würden.
Zurück in den Niederlanden fand sie bald eine Anstellung als Lehrerin in einer Schule in Apeldoorn. Ihr Freund kam zwei Monate später nach und wollte sie sofort heiraten, denn dann hätte er die niederländische Staatsangehörigkeit. Aber sie ließ sich diesmal nicht täuschen, denn ihre Beziehung lief nicht mehr gut. In den Niederlanden verhielt er sich genau so wie in Israel, und oft verschwand Geld von ihrem Bankkonto oder es mussten Lösungen erdacht werden für die Schwierigkeiten, in die er sich selbst gebracht hatte. In der Regel bedeutete dies, dass Linda diese Dinge mit den Behörden regeln musste, wegen seines Benehmens und der unbezahlten Rechnungen.
Sie konnte sich nicht entscheiden, sich von ihm zu trennen und verteidigte ihn damit, dass er in seiner Jugend großen Schaden erlitten hatte. Eines Tages war er für einige Tage verschwunden. Durch mündliche Informationen fand sie seinen Verbleib heraus und fand ihn in einer Wohnung in Amsterdam, wo er zusammen mit einem Freund aus der Homo-Szene lebte. Er ließ sie herein und um ihn zu erfreuen reinigte sie die Wohnung und wusch alle Wäsche. Danach sagte er ihr trocken, dass sein Freund bald nach Hause kommen würde und sie dann nicht mehr da sein dürfte.
Zu Hause fragte ihre Mutter sie: „Möchtest du dies für den Rest deines Leben fortsetzen? Ist dies wirklich deine Vorstellung von einer Beziehung?“
Dies war genau die Frage, die sie brauchte um die Beziehung zu beenden.
Zusammen mit ihrer Mutter besuchte sie ein Medium, welches ihr vorhersagte, dass sie sich bald in einer anderen Beziehung befinden werde: einem Jungen mit Bart und wild gelocktem Haar über seiner Stirn.
Aber sie sei noch nicht bereit dazu, meinte sie. Sie wäre weit davon entfernt, sich von dem Scheitern ihrer ‘Ehe’, wie sie es nannte, zu erholen, die bis dahin fast sieben Jahre gedauert hatte.
In 1983 traf ich Linda bei einem Volkstanzabend an dem wir beide teilnahmen.
Nach kurzer Zeit begleitete ich sie zu ihrer Wohnung, und in weniger als zwei Monaten wurde aus diesen zufälligen Begleitungen eine dauerhafte Liebesgemeinschaft. Für mich als dem unsicheren jungen Mann, der auch noch sechs Jahre jünger war als sie, und nicht gewohnt alleine zu leben, war dies ein sehr mutiger Schritt. Dies sagt eine Menge aus über die Anziehung zwischen uns, die ich bereits als Kleinkind empfunden hatte.
Viele Jahre danach fragte mich Linda ganz offen: „Was hast du damals gemacht?
Wie hast du es geschafft, ich war nicht bereit für eine neue Beziehung! Du kamst einfach in mein Leben und bliebst.“
Für mich ist es tatsächlich so, unsere Seelen haben sich verabredet.
Jedoch stimmte mein Aussehen nicht mit der Vorhersage des Mediums überein.
Aber dem konnte abgeholfen werden und innerhalb von zwei Monaten hatte ich einen Bart und mit Hilfe von Haarwasser war es überhaupt kein Problem, mich mit lockigem Haar über der Stirn zur Verfügung zu stellen. Linda bemerkte mit fragendem Lächeln: „Nun, dies entspricht der Vorhersage und jetzt kann ich dich meinen Eltern vorstellen.“
Meine eigenen Eltern und meine Schwester waren überhaupt nicht einverstanden mit meiner plötzlichen Abreise und der vollständigen Verwandlung. Ich aber fühlte eine schnell wachsende Harmonie mit mir selbst. Übrigens... ich habe seitdem meine Frisur nie mehr verändert.
Linda und ich kamen sehr gut mit einander aus. In mir gab es ein Gefühl, dass ich niemals richtig loswerden würde. Ich hatte immer große Angst, sie einmal zu verlieren.
Was oder wen sieht sie eigentlich in mir? Was findet sie an mir? Ich fragte mich dies manchmal, denn sie war sehr selbstbewusst und ich war sehr unsicher und auch viel jünger.
Dies war ein unerklärliches Gefühl, dass ich nie verlor. Sie verursachte es nicht, denn sie tat alles für mich. Am meisten war ich von ihren Augen angetan. Ich sah eine Menge versteckte Trauer in ihren schönen Augen, und mein Herz sagte, ich werde sie niemals verlassen.
Sie war eine sehr gute Lehrerin, und die Schüler liebten sie. Sie konnte ‘ihre’ Kinder in einer Weise erziehen wie es sie nur selten gab. Sie war gerecht, mit einem guten Gedächtnis und scharfen Gehör, von niemandem leicht zu täuschen. Wenn ein häufig störender Schüler versuchte, sie an ihre Grenzen zu bringen, hat sie ihm oder sie öfter in Verlegenheit gebracht.
Nun, der Schüler wollte es ja so, und im Nachhinein musste er still zugeben, dass sie ganz recht hatte. So wurden ihre schlechtesten Schüler manchmal ihr größten Fans. „Endlich eine Lehrperson, die mit mir umgehen kann!“ Klassen, mit denen ihre Kollegen die größten Schwierigkeiten hatten, bekam sie gut im Griff und sie tat Dinge, die andere nicht für möglich hielten. Diese lockere Weise des Lehrens war ihre Spezialität.
Der Unterricht konnte in Gespräche und Gedankenaustausch führen, in ihrem Lehrauftrag war dies kein Problem. Kinderbetreuung und Erziehung bedeuten, dass Themen wie Drogenmissbrauch, Rauchen, Sexualität, ungewollte Schwangerschaften usw. diskutiert werden, was sehr sensible Themen für Mädchen im jugendlichen Alter sind. Wenn ein solcher Unterricht in falscher Weise angegangen wird, kann dieser Unterricht zu einem völligen Verweigern führen, sowie zu einer großen verpassten Gelegenheit, doch dies passierte niemals in Lindas Unterricht. Manches Mal glaubten die Schüler, dass sie nur über ihre eigenen Probleme redeten, über ihre Wünsche und Freunde, und über Sex, Kondome und die Pille. Aber schlau wie sie war, führte Linda sie genau dorthin, wohin sie ihre Kinder haben wollte, und am Ende der Stunde gab sie Ihnen eine Kopie mit einer detaillierten Zusammenfassung des Tagesthemas.
Die Schüler hoben sie auf ein Podest und es war keine Überraschung, dass sie ein Mal zur ‘Lehrerin des Jahres’ gekürt wurde, und das war von großer Bedeutung an einer Schule mit mehr als hundert Lehrern.
„Endlich Gerechtigkeit“, sagte sie zu Hause mit einem verschmitzten Lächeln im Gesicht.
Unsere Wohnung wurde bald zu klein für uns beide und wir zogen in ein Einfamilienhaus kurz neben einem Park. Sie ließ mich wissen, dass sie weder heiraten noch Kinder haben möchte. Ich hatte damit kein Problem, da ich der gleichen Ansicht war. Außerdem war es für uns nicht nötig, gemeinsame Ringe zu tragen. Wir liebten einander, ohne dies mit Metallringen nach außen zu beweisen?
Unsere Liebe für einander war tief verwurzelt, und doch... war diese tiefe Traurigkeit in ihr, über die sie nicht sprechen konnte. Manchmal tauchte dieses Leid während intimer Momente auf, wenn sie plötzlich anfing zu weinen; Tränen, die sie nur während glücklicher und sicherer Momente zum Ausdruck bringen konnte. Ich fühlte, dass etwas in ihrem Inneren blockiert war, aber ich konnte nie herausfinden, was sie sehr belastete, was ihr seelische Schmerzen bereitete.
Es hatte mit der Traurigkeit zu tun, die ich bereits in ihren Augen sah, als wir uns zum ersten Mal trafen. Ich wollte sie gerne auf allen Ebenen kennen lernen um sie von dieser Trauer befreien zu können, doch diese saß vielleicht so tief, dass auch Linda ihre Herkunft nicht ergründen konnte.
Ich lernte sie als eine energiegeladene Person kennen, die leicht die halbe Nacht durcharbeiten konnte, wenn sie das Gefühl hatte, dass etwas fertig werden musste; eine richtige Nachteule. Damit hatte ich auch kein Problem, aber ich musste mich erst an diese Art von Energie gewöhnen, die ich noch nie vorher gefühlt hatte. Sie war praktisch in der Lage alles zur gleichen Zeit zu tun und trotzdem ihre Aufmerksamkeit auf alle Details zu richten.
Aber ein paar Jahre später veränderte sich alles schlagartig. In 1986, während eines besonders heftigen Gewitters, fuhr sie von der Schule nach Hause. Es regnete so heftig, dass sie fast nichts sehen konnte, somit war sie gezwungen, ihr Seitenfenster zu öffnen, um zu sehen, wo sie sich befand. In diesem Augenblick schlug ein riesiger Blitz auf der Straße ein oder eher in ihr Auto. Es gab eine Feuersäule, wie sie es beschrieb, und einen ohrenbetäubenden Knall.
Es war ein ganz massiver Schlag, der die ganze Stadt erschreckte, sogar mich, der Meilen entfernt war. Ein Feuer brach bei dem Autohändler neben der Straße aus.
Lindas Auto wurde seitlich über die Straße geweht. In großen Teilen von Apeldoorn fiel der Strom aus und wochenlang waren alle Fernseher außer Betrieb.
Leute erzählten ihr, dass sie vollkommen sicher war aufgrund der Faradayscher Käfigs ihres Autos, der von elektromagnetischen Feldern nicht durchdrungen werden kann. Aber niemand konnte ihr erklären, warum sie Monate danach immer noch eine merkwürdige Taubheit in der linken Hälfte ihres Körpers fühlte.
„Das war der Moment“, erklärte sie später, „als meine Müdigkeit begann.“
Vor dieser Zeit war sie munter und lebendig, aber danach hatte sie die Lebensfreude verloren und sie war nie wieder die Gleiche, fühlte sich immer müde.
Wenn sie von der Arbeit nach Hause kam, legte sie sich immer öfter auf der Couch und schlief ein, während ich das Abendessen kochte. Sie schaffte es weiterhin, alle Hausaufgaben für die Schule vorzubereiten, aber das war es auch schon. Ihre Müdigkeit nahm so ernste Ausmaße an, dass sie sogar während eines Urlaubs ihren Körper nicht wieder regenerieren konnte. Sie akzeptierte niemals, dass unter diesen Umständen ihre Arbeit leiden würde. Ihre Schüler erhielten die beste Ausbildung und sie verlangte von sich selbst, dass diese Arbeit zu jeder Zeit getan wurde. Zum Glück konnte ich ihr mit Kopien und Diagrammen helfen. Obwohl sie sehr unter ihrer chronischen Müdigkeit litt, war ihr Anspruch an sich, ihre Arbeit bestens zu tun.
Es brauchte viele Jahre, bis wir herausfanden, was damals geschehen war; was es verursacht hatte, dass sie so müde war und warum es absolut keine Heilung dafür gab. Durch das extrem starke Feld dieses Blitzschlags hat sich etwas in ihrem Körper verändert. Heute nennen bestimmte Therapeuten das ‘Elektronen-Spin-Inversion’, eine Änderung auf der atomaren Ebene. Dadurch wird die Aura, die das Energiefeld des Körpers filtert oder alle äußeren Reize blockiert, verändert. Die Aura verringert, die Farben verblassen und sie lässt mehr Reize durch als verarbeitet werden können. Die Langzeitwirkung besteht meistens aus chronischer Müdigkeit und erhöhter Empfindsamkeit. Aber dessen waren wir uns damals nicht bewusst.
Wir erlebten nur die Folgen.
Mitte der neunziger Jahre erkrankte Lindas jüngerer Bruder Arjen an Krebs. Er durchlief das ganze Prozedere: Untersuchungen, Operation, Chemotherapie, mit all dem Schmerz, der dazu gehört. Schließlich wurde er nach einer endgültigen Operation für ‘krebsfrei’ erklärt, aber ein paar Tage später bekam er so starke Kopfschmerzen, dass er mit dem Kopf gegen die Wand schlug, weil er es nicht aushalten konnte. Er starb ungefähr eine Woche später.
Linda hatte große Schwierigkeiten, den Tod ihres Bruders zu verarbeiten. Sie fühlte darin bestätigt dem Gesundheitswesen und der Pharmaindustrie nicht mehr zu vertrauen. Sie mochte keine Ärzte, Pillen und weiße Kittel mehr. Linda nahm nur ‘die Pille’, die sie als eine sehr bequeme Erfindung für Frauen empfand, und in ganz seltenen Fällen nahm sie Paracetamol, ein leichtes schmerzstillendes Mittel, aber das war es dann schon.
Mit Arjens Krankheit begann eine Periode von gravierenden Schwierigkeiten in Lindas Familie. Ihre geliebte Großmutter und eine Tante verstarben kurz hinter einander; ihre Eltern waren mehrmals im Krankenhaus und benötigten viel Beistand; Hilfe, die Linda bereit war zu geben. Trotz ihrer anstrengenden Arbeit und ihrer ewigen Müdigkeit besuchten wir sie zweimal, manchmal dreimal in der Woche als Hilfe und Unterstützung. Linda strengte sich zwar weit über ihre Grenzen hinaus an, aber sie zwang sich trotzdem weiterzumachen. Ihre Kollegen rieten ihr weniger zu arbeiten, aber es brauchte eine lange Zeit, bevor sie aufgab.
Nach mehreren Gesprächen mit der medizinischen Abteilung der Schule bekam sie endlich die Gelegenheit, weniger zu arbeiten. Nun hatte sie einen freien Tag pro Woche, doch sie benutzte diesen Tag um ihre Eltern zu besuchen und sie zu unterstützen. Sie dachte, dass sie nun ihre Hilfe mehr denn je benötigten.
In den späten achtziger Jahren besaßen wir zwei Katzen. Zuerst eine ‘Birma Katze’, eine schöne königliche Katze namens Liselle Soraya des Quatres Montagnes, die mit solch einem Namen entsprechend behandelt werden wollte. Dazu kam ein Jahr später eine normale schwarze Katze mit weißen Schnurrhaaren: Charonna Nefertete, mit einem weniger königlichen typisch Niederländischem Namen: ‘van Dijk’. Die zwei Katzen kamen sehr gut miteinander aus und gaben uns viel Unterhaltung und Ablenkung. Sie waren unsere Kinder und wir verwöhnten sie sehr. Katzen haben natürlich damit kein Problem. Eines Tages, als sie fünf oder sechs Jahre alt waren, ging Liselle in den hinteren Garten, wo sie etwas in den Büschen nachschauen wollte. Plötzlich hörten wir einen ganz lauten Aufschrei und Liselle stürmte unter den Büschen heraus, wurde mit Charonna konfrontiert, die versehentlich in ihrem Weg stand. Liselle befand sich in einem Zustand blinden Überlebensinstinktes und scheinbar ohne jeden Grund waren beide Katzen in einen fürchterlichen Kampf voller Schreien und Brüllen verwickelt.
Nun, Katzen können wie Wahnsinnige kämpfen, aber Birma Katzen, einst die Tempelwächter in Birma, haben es in ihren Genen, dann total durchzudrehen. So war dies kein normaler Kampf und es sah so aus, als ob Charonna um ihr Leben kämpfen würde. Wir schrieen beide und versuchten sie auseinander zu bringen.
Woher Linda ihren Mut hatte, konnte ich nicht nachvollziehen, aber sie tat, was ich nicht wagte; sie sprang in die Mitte des Kampfes, versuchte Liselle verzweifelt mit ihrem eigenen Körper abzudecken und sie von Charonna zu trennen. Sofort waren Arme und Beine mit blutigen Kratzern bedeckt (die zukünftig eine wichtige Rolle spielen würden), aber das hielt sie nicht davon ab.
Doch Liselle entkam erneut und der Kampf wurde fortgesetzt. Ich warf also einen Schlafsack über die kämpfenden Katzen, und während Linda Charonna darunter niederhielt, konnte ich Liselle ins Haus zurückdrängen.
Nach diesem Kampf lehnte ich mich gegen einen Türpfosten und ich hatte dieses seltsame Gefühl, an einem Scheideweg zu sein. Meine Gedanken waren: „Dies wird wohl weitreichende Konsequenzen haben.“ Und das, weil das Vertrauen zwischen den Katzen dauerhaft beschädigt war. Wir konnten keine Entscheidung treffen, eine der Katzen abzugeben, eine Haltung, die ein Katzenliebhaber gut verstehen kann, denn welche von den geliebten Katzen sollte man weggeben? Aber das bedeutete, dass wir nicht mehr in Urlaub fahren konnten und in Lindas Fall hätte ihr ein Urlaub im Ausland den zusätzlichen Energieschub geben können, den sie so dringend benötigte.
Ihre Müdigkeit dauerte an. Sie arbeitete, schlief, aß, kümmerte sich um die Eltern.
Um zu entspannen gingen wir zum argentinischen Tango oder gelegentlich einen Nachmittag einkaufen in die nahe gelegene Stadt. Selbst in den langen Sommerferien schaffte Linda es nicht, sich zu erholen. Normalerweise dauerte es ein paar Wochen und danach war sie wieder sie selbst und bekam Mut etwas zu unternehmen. In den letzten Jahren war dies nicht gut möglich und was sie wirklich wollte, glücklich und zufrieden sein, traf nie ein.
„Mit dir bin ich glücklich“, versicherte sie mir „und mit unseren Katzen, obwohl sie nicht gut miteinander auskommen.“
Doch etwas lief falsch. Unsere Liebe für einander hätte genug sein müssen, um dieses Glück zu erreichen. Aber wie?
Im Dezember 1999 wurde Linda in das öffentliche Gesundheitspflege-Überprüfung-Programm für einen Abstrich eingeladen.
„Nichts Besonderes“, sagte sie. Ich gehe ganz einfach zum Arzt erledige den Abstrich und warte auf das Resultat. Es gab keinen Grund, sich darüber Sorgen zu machen. Zuvor folgte sie niemals diesen Einladungen, aber weil sie vor kurzem geringe Mengen Ausscheidungen hatte, dachte sie, dies wäre eine gute Gelegenheit, es überprüfen zu lassen.
Manchmal hat sie mich gefragt: „Liebe ich dich genügend?“ Dies war so süß, weil sie mir tatsächlich erzählte, dass sie mich sehr liebt, aber sie Sorge hat, in der Liebe zu versagen. Was hätte ich dazu sagen können? Ehrlich gesagt hatte ich immer Angst, dass unsere Beziehung irgendwann zum Ende geht, weil sie mich nicht mehr lieben würde. Oder könnte es so sein, dass ich mich nicht mehr gut genug für sie fühlte? Es war ein unerklärliches Gefühl des Verlierens, ein Gefühl, das ich nie wirklich verlor. Ich antwortete dann so etwas wie: „Ich weiß, dass du mich liebst, macht dir keine Sorgen.“ Ich wollte sie wissen lassen, dass alles in Ordnung war und dass sie sich nicht sorgen sollte.
Ein paar Tage nach der Untersuchung rief der Arzt an, um zu sagen, dass das Ergebnis der Untersuchung nicht gut war. Man hatte verdächtige Zellen gefunden.
Diese Nachricht schien Linda in keiner Weise zu stören. Sie war sogar überrascht, dass ich mir Sorgen darüber machte. Es war, als ob sie sich nicht vorstellen könnte, dass etwas ernsthaft Schlimmes mit ihrer Gesundheit sein könnte.
Natürlich stand als nächstes eine Nachfolgeuntersuchung auf der Agenda mit einem Besuch beim Gynäkologen im Krankenhaus. Ein paar Tage später suchten wir ihn auf.
Stell dir vor, im Wartebereich in einem großen Krankenhaus im ersten Stock auf harten Stühlen zu sitzen und zu warten. Die Menschen gehen an einem vorbei, manche schnell, andere langsam, einige reden und einige sind in sich selbst zurückgezogen. Einige sind Ärzte in weißen Kitteln, andere rollen in Rollstühlen vorbei. Du wartest, schaust dich um, starrst auf die Uhr, versuchst etwas zu lesen, aber kannst die Aufmerksamkeit nicht auf den Text lenken. Andere Frauen mit großen Bäuchen werden zuerst aufgerufen; schwangere Frauen, einige nervös neben ihren Partnern wartend. Sie sind zu einer Routineuntersuchung gekommen.
Du kannst die triumphierende Stimmung fühlen.
Nun, schließlich ist dies die Abteilung für Geburtshilfe, und sie beschäftigt sich mit werdenden Müttern und Schwangerschaften, aber diese Frauen anzuschauen lässt dich erkennen, dass du aus einem anderen Grund hier bist.
Eine der Frauen sagte etwas zu uns in der Erwartung, dass ein jung aussehendes Paar wie wir aus einem glücklicheren Grund hier sitzen würde. Ich wollte nicht, dass sie sich Sorgen machte und gab ihr eine ausweichende Antwort und lächelte dabei vage. Linda sagte gar nichts und schaute vor sich hin.
Um fünf Uhr waren wir endlich an der Reihe. Die schwierigsten Fälle wurden bis zum Schluss aufgehoben. Uns wurde gesagt was wir bereits wussten, verdächtige Zellen. Es gab eine Tabelle, in welchem Stadium sich der ‘Prozess’ – das klinische Wort, das offensichtlich bevorzugt wurde – in dem es heißt PapI bis PapV. PapV bedeutet Gebärmutterhalskrebs ohne jeden Zweifel. Bei Linda wurde PapIV diagnostiziert. Weitere Zahlen wurden uns genannt, aber heute fällt es schwer, sich an vieles von dem Gespräch zu erinnern.
Die Gynäkologin untersuchte Linda Gebärmutter. Es war nicht sehr positiv, was sie sah. Wir konnten deutlich ihre sorgenvolle Reaktion bemerken. Sie zog noch einen anderen Gynäkologen, einen großen schwarzen Mann, mit hinzu. Er war zwar ein freundlicher Mann, aber wohl nicht die richtige Person für Linda. Dies war nicht, weil er schwarz war, sondern weil er sich sehr autoritär und bedeutend verhielt, während Linda eine Person war, die Fragen stellt und die Dinge nicht als selbstverständlich ansieht. In einem Szenarium wie diesem kann dabei ein Gespräch mit wissenschaftlich ausgerichteten Gesinnten sehr schwierig werden.
Sie sprachen über verschiedene Arten von Zellen, benutzten fachliche Namen, aber woran ich mich am besten erinnere, war eine beiläufige Bemerkung, dass sie eine beidseitige Streuung im Gewebe beobachtet hätten. Das führte bei Linda und mir zu dem Glauben, das es deshalb sehr weit fortgeschritten sein müsste. Sie überprüften auch die Lymphknoten in Lindas Leistengegend, stellten aber fest, dass da offensichtlich alles in Ordnung war. Feste Lymphknoten sind Drüsen, die hart arbeiten, um Keime zu bekämpfen. Diese waren jedoch weich, so dass es wahrscheinlich nicht ganz so schlimm war. Da es nicht ganz eindeutig war, wurde mehr Nachforschung notwendig. Dies war kurz vor Weihnachten.
Zwischen Weihnachten und Neujahr ist es sehr schwer Termine zu bekommen, weil jedes Krankenhaus nicht mit voller Leistung arbeitet. Ein Geburtshelfer, der zugleich Onkologe im Krankenhaus dieser Gegend war übernahm dort ihre Behandlung. Er wollte so schnell wie möglich Termine mit den verschiedenen Abteilungen arrangieren.
Zunächst sollte Linda etwas Blut abgenommen werden, gefolgt von einer MRT-Untersuchung, ein Ultraschall, ein CT-Scan, eine Röntgenaufnahme des Thorax...
„Zumindest“, sagte er und schaute Linda an, „wenn du damit einverstanden bist.“
Es gab Gründe genug, diese Tests auszuführen, nur mit ausreichenden Daten kann ein Behandlungsplan erstellt werden.
Es war zu Weihnachten 1999, kurz vor der Jahrtausendwende. Solch eine Nachricht ist natürlich nie passend, aber es war tatsächlich ein sehr schlechter Zeitpunkt. Am Weihnachtstag hatte Lindas Bruder Rob Geburtstag ein sehr erfreulicher Tag, an dem ihre Familie fast vollständig anwesend war. Wie immer zuvor hatten wir uns darauf gefreut, aber nun fiel ein Schatten darauf. Linda wollte diese Nachricht zunächst bis nach dem Geburtstag geheim halten, jedoch wurde aus diesem Wunsch nichts, weil sie nach einer bestimmten Bemerkung zu weinen begann und irgendwann jedem erzählten musste, was mit ihr los war.
Die Tests begannen unmittelbar nach den Weihnachtsferien und Linda wurde mit allem scheinbar spielend fertig, aber nachdem sie sich zwei Wochen darauf auf die Waage gestellte hatte, hatte sie fünfzehn Pfund alleine durch den Stress verloren.
Normalerweise lag ihr Gewicht bei 115 Pfund, nun lag es bei ungefähr 100 Pfund.
Sie hatte noch nie Krankenhäuser gemocht, und obwohl es so schien, als ob sie nicht mit allem fertig werden konnte, zeigte sie es nicht und spielte sie die starke Frau.
An Silvester, der Jahrtausendwende, waren wir zu Hause und als die Uhr zwölf schlug, küssten wir uns und wünschten einander viele glückliche Jahre zusammen, allerdings mit einem tiefen Unterton von Verzweiflung. Wir hatten große Angst davor, was uns das neue Jahr bringen würde. Im Fernseher begann man Tanzmusik zu spielen und Linda durchbrach unsere Traurigkeit und zog mich hoch um mit mir zu tanzen. Natürlich machte sie zuerst ein paar ihrer spektakulären Tanzschritte, aber dann rief sie: „Das ist das letzte Mal, dass ich tanzen kann. Nach der Operation geht es nicht mehr.“
Schon während der Untersuchungen waren wir auf Suche nach alternativen Möglichkeiten, welche die regelmäßige Behandlung unterstützen könnten. Wir erhielten einige Tipps von Freunden und Familie und kamen so in Kontakt mit einer Reihe von alternativen Therapeuten, die sich wie erwartet gegenseitig gut ergänzten. Sich alleine auf das Fachwissen des Krankenhauses zu verlassen, war etwas, was wir weder konnten noch wollten.
So erfuhren wir von der Elektroakupunktur. Roberto, ein Naturheiler in Arnheim, nutzte diese Therapie unter anderem. Er wurde wegen seiner Erfahrung und Expertise sehr empfohlen. Er hatte noch kurzfristig Zeit für Linda auf seiner Agenda, und das erste, was er tat, war Irisdiagnose. In der Iris ist der ganze Körper richtig abgebildet, somit sieht man auch die Veränderungen. Damit konnte er innerhalb weniger Minuten ohne die Notwendigkeit für Bluttests und Röntgenaufnahmen eine Anamnese erstellen. Offensichtlich beherrschte er diese Technik sehr gut, denn zu unserer Überraschung führte er eine medizinische Tatsache nach der anderen auf, die perfekt mit Lindas Fall übereinstimmte.
Als nächstes begann er eine Messung mit Elektro-Akupunktur. Unter Verwendung eines Sensors maß er mehrere Meridian-punkte an Lindas Händen und Füßen.
Weil diese Punkte mit entsprechenden Organen verbunden sind, kann abgewogen werden, welche Teile des Körpers gut ausgeglichen sind und welche nicht.
Gleichzeitig ist es möglich, herauszufinden, welche Medikamente benötigt werden, um das Gleichgewicht wiederherzustellen, die Harmonie. Es schien eine sehr präzise Weise der Diagnose zu sein, die uns überraschte und uns wunderte, warum diese Technik nicht in der Allgemeinmedizin angewandt wird. Die Ergebnisse, zu denen Roberto kam, gaben eine enorme Vertiefung vom Wissen in Lindas Krankheit und wurden in kürzester Zeit mit kaum einem Aufwand erzielt. Die Messungen ergaben, dass mehrere von Lindas Organen der vollkommene Ausgleich fehlte und dass ihr Körper sehr darum kämpfte, wieder gesund zu werden. Sie erhielt dafür verschiedene Medikamente.
Wir trafen auch Vereinbarungen mit einem therapeutischen Zentrum in Eindhoven, im Süden der Niederlande wo ein Mann namens Jacob sein Haus in eine Praxis umgebaut hatte. Er arbeitete mit einer Vielzahl von elektromagnetischen Resonanzgeräten, die zur Zerstörung von pathogenen Faktoren, wie beispielsweise Bakterien und Viren in der Lage waren, während sie dabei zur gleichen Zeit das Immunsystem stärkten. Die meisten seiner Patienten hatten schlimme Krankheiten, besonders aber Krebs.
Innerhalb kurzer Zeit lernten wir viel über die neuesten Entwicklungen in der alternativen Gesundheitssorge, die meistens mit komplexen und harmonischen Frequenzen zu tun hatte, mit denen der Körper diagnostiziert und behandelt werden kann. Angesichts der komplizierten und sehr teuren Geräte war dies nicht ‘nur’ eine zusätzliche Therapie außerhalb des traditionellen Systems. Die hochempfindlichen und anspruchsvollen Geräte zeigten, dass große Unternehmen daran beteiligt waren und zuvor viel Forschung stattgefunden hatte.
Ein Mann, der uns sehr beeindruckte war ein Englisch sprechender tibetischer Heiler. Dieser Mann hatte überhaupt keine Ausrüstung, aber arbeitete mit seinem säkularen Hintergrund und verschrieb zusammengepresste Mischungen pflanzlicher Arzneimittel. Seine ganze Art des Denkens über den menschlichen Körper basierte aus alten Einsichten, die jeden Menschen als Ganzes von Körper und Seele betrachtet. Dieser Mann war nicht nur einer von vielen Heiler, denn sein Vater war der Leibarzt des Dalai Lama gewesen. In Bezug auf seine Erfahrung und Ausbildung stand er in nichts den am besten ausgebildeten regulären Spezialisten nach.
Er schaute sich Linda an, untersuchte den von ihr mitgebrachten Urin, rührte in ihm, roch daran, und dann studierte er mit drei Fingern gleichzeitig für lange Zeit an ihrem Handgelenk ihren Puls. Ein erfahrener Praktiker dieser Technik kann eine Fülle von Informationen daraus ablesen.
Er sprach wenig, stellte hin und wieder eine Frage, und setzte sich schließlich hin, auf seine Gedanken konzentriert, fast meditierend. Dann, immer noch ohne zu sprechen, nahm er Lindas Patientenkarte und begann mit dem Schreiben in einer Sprache, die wir nicht ausmachen konnten. Schließlich sah er zu uns auf und begann über seine Erkenntnisse zu berichten. Er sagte, dass er keinen Röntgenblick habe und keine teuren Instrumente, die er benutzen konnte, aber er stellte fest, dass Linda entzündete Wucherungen in ihrem Bauch hatte. Ob diese Wucherungen Tumore waren oder nicht sagte er nicht, und wir bekamen den Eindruck, dass dies in seinen Augen nicht einmal wichtig war. Es war nicht die Bezeichnung ‘Krebs’, die wichtig war, sondern was mit Linda als Ganzem nicht stimmte. Er verschrieb ihr verschiedene Kräuter und riet ihr, zu meditieren. Er fand auch, dass Ruhe für sie sehr wichtig sei. Stress sei nicht gut für sie. Er sah mich dabei an, als er dies sagte und machte mir zur Aufgabe, sicherzustellen dass sie genügend ausruhte. Er war sehr freundlich und wir beide mochten ihn sehr gerne.
Als nächstes schrieben wir eine Hellseherin im südamerikanischen Kolumbien an, die zweimal im Jahr in die Niederlande kam um Hunderte von Menschen zu behandeln. Während sie in einen Trancezustand fiel, übernahm ein bereits verstorbener Arzt durch ihren Körper die Behandlung von Patienten. Dieses Medium war uns nicht unbekannt. In den letzten Jahren hatten wir diese Frau oft konsultiert. Der Preis für eine Beratung war eine Geldspende für ein Waisenhaus in Kolumbien. Alles war in ihrem römisch-katholischen Glauben begründet. Wir hatten von verschiedenen Leuten über ihren guten Ruf gehört. Auch Lindas und meine Eltern hatten sie seit Jahren konsultiert, so dass wir dachten, dass sie authentisch, ehrlich und vertrauenswürdig sei.
Was wir uns fragten, war warum der verstorbene Arzt, ‘Dottore’ genannt, uns nicht schon früher sagte, dass Linda Gebärmutterhalskrebs hatte. Immerhin hatten wir ihn schon vor Monaten im Oktober besucht und Linda hatte ihm gegenüber die abnorme Sekretion erwähnt. Wir schoben es auf die Sprachbarriere, da die Hellseherin nur spanisch sprach und ihre Worte von einer Übersetzerin ins Niederländische weitergegeben wurde. Wir schrieben an die Übersetzerin, die in Curacao lebte und erklärten ihr Lindas Situation. Sie kontaktierte die Hellseherin in Kolumbien mit unserer Anfrage. Eine kurze Antwort erhielten wir ein paar Tage später: „Tun Sie, was die Ärzte sagen und ich werde dabei sein?“
Dies war nicht sehr hilfreich, denn welche Ärzte meinte ‘Dottore’, die traditionellen oder die alternativen? Wir hatten Kontakt zu beiden. Als wir später einmal persönlich fragten, sagte sie uns, dass sie die alternativen Ärzte gemeint habe. Wie auch immer, mussten wir uns auf unser eigenes Bauchgefühl verlassen und hoffen, dass wir die richtigen Entscheidungen treffen würden, aber das war nicht so einfach, wie es schien.
Zu Beginn des neuen Jahres erfuhren wir die medizinischen Ergebnisse. Wie erwartet wurde ein Tumor entdeckt, und wenn er auch nicht sehr groß war, war er doch leider an der falschen Stelle. Er saß gerade am Übergang zwischen dem zervikalen und vaginalen Gewebe. Der Onkologe schlug vor, dass Linda eine Strahlentherapie erhalten solle. Aber um gründlich zu sein, riet er, dass sich Linda eine zweite Meinung dazu in einem anderen Krankenhaus in Amsterdam erfragen sollte. Das bedeutete, dass wir persönlich alle Fotos und Berichte zu diesem Krankenhaus mitnehmen würden.
Der Spezialist im Amsterdam Medisch Centrum (AMC), den wir aufsuchten, akzeptierte zwar den Ordner mit den Daten, aber ohne ihn zu öffnen, bemerkte er, dass er ihn nicht benötige. Er sei ein Chirurg, sagte er, und seine Finger könnten ihm genau sagen, was er wissen wolle. Er würde eine innere Untersuchung durchführen und würde sich genau wie der tibetische Heiler auf seine sensiblen Finger verlassen, die ihm sagen würden, was er wissen musste. Er kam schnell zu dem gleichen Schluss: ein kleiner Tumor gerade am Rand des Gebärmutterhalses.
Er stellte uns einem Kollegen vor, der die interne Untersuchung wiederholte, und nach einem kurzen Austausch von Bemerkungen kamen sie zum dem Schluss, dass eine Operation nötig sei. Sie sagten, dass Bestrahlung allein nicht ausreichen würde.
Sie schlugen eine radikale Operation vor. Zur Klarstellung machte einer der Spezialisten eine Skizze. Abgesehen von der Gebärmutter und den Eierstöcken würden sie eine Menge des umgebenden Gewebes und so viele der umgebenden Lymphknoten wie möglich bis hoch in die Bauchhöhle wegnehmen. Während dieser Operation könnten die Nerven der Blase, des Darms und der sexuellen Funktion geschädigt werden. Sie sagten es zwar nicht, aber später erfuhr ich, dass tatsächlich Nervenbahnen durch das umgebende Gewebe führen, die sehr schwer zu finden sind und deshalb durchtrennt werden.
Deshalb gäbe es nach der Operation ein ‘kleines Risiko’ einer dauerhaften Behinderung und die große Wahrscheinlichkeit einer Beeinträchtigung der Blasenkontrolle und der Darmfunktion.
Doch in Japan, so lernte ich zu einem späteren Zeitpunkt, wo das Konzept dieser besonderen Operation (die Kobayashi Chirurgie) entwickelt worden war, waren die Ärzte besser qualifiziert und entschlossener genug, um die Nerven zu verschonen.
Der Krankenhausaufenthalt würde etwa sechs Wochen dauern und die Rehabilitationszeit circa ein Jahr. Darüber hinaus könnte, je nachdem was sie finden würden, vielleicht eine Bestrahlung zu einem späteren Zeitpunkt erforderlich sein. Und die Folge davon wäre ein „Bauch, der sich wie Beton anfühlen würde.“
Die Spezialisten sagten uns, dass wir sofort nach dieser Konsultation zum Empfang für die Terminvereinbarungen gehen sollten, um den Operationstermin festzulegen.
Zu diesem Zeitpunkt kam uns das alles etwas seltsam vor. Diese Nachforschung sollte doch nur eine Second Opinion einholen sein, oder nicht? Wir würden also nach dieser Überprüfung wieder nach Apeldoorn zurückkehren und dann von dem Gynäkologen dort hören, was denn die beste Option sein würde. Schließlich war die Diagnose genau das gleiche, nur die vorgeschlagene Behandlung war eine andere. Ich sagte dies den Fachärzten, aber sie sagten uns, dass die Behandlung nun in ihrer Verantwortung läge und dass es keinen Sinn machen würde, zunächst die Ergebnisse in Apeldoorn zu diskutieren. Dies überraschte uns und ich fragte, ob wir es zunächst einmal überdenken dürften. Die Antwort aber war: „Warum überdenken, während die einzige Option die Operation ist? Es ist eine große Operation und wir machen keine halben Sachen.“
Alles erschien uns als ziemlich seltsam, und wir sagten uns, dass es sicherlich nicht verrückt sein kann, wenn wir um eine Zeit zum Überlegen bitten.
Ich versuchte es noch einmal, aber sie waren nicht begeistert von dieser Idee und erlaubten uns nicht einmal eine Woche dafür. Es fühlte sich an, als ob wir eine Straftat begehen würden, es überhaupt nur vorzuschlagen. Hier war nun einer jener wichtigen Momente im Leben wo Entscheidungen getroffen werden müssen, die das ganze zukünftige Leben beeinflussen und es wurde von uns erwartet, bei so etwas Drastischem sofort zuzustimmen. Was würden ein paar Tage überhaupt bringen?
In solchen Situationen ist es normal, wenn man zunächst alle Optionen überprüft, bevor man eine Entscheidung trifft, aber hier wurde uns keine andere Wahl gelassen. Uns wurde aber sogar gesagt, dass es keine andere Wahl gäbe als die der Operation.
Aber Linda und ich waren im Einklang mit unseren Gedanken und gemeinsam widerstanden wir den Spezialisten. Schließlich erlaubten sie uns mit offensichtlichem Widerwillen eine kurze Pause im Wartezimmer zum Überdenken, nach dem wir dann zur Rezeption für den Planungstermin gehen sollten.
Fassungslos verließen wir den Raum. Ich sagte, dass uns gerade bewusst geworden sei, dass für die Ärzte diese Operation wie ein Nichts erscheine.
„Wir machen keine halben Sachen“, wiederholte Linda die Worte der Ärzte.
„Warum gibt man uns keine Woche zum Überlegen?“, fragte ich laut. „Macht denn eine Woche wirklich so viel aus?“
Wir reagierten rebellisch. Eigentlich waren wir auch nur wütend. Das ist nicht der richtige Weg, Patienten so zu behandeln. Warum hatten sie die Gutachten aus Apeldoorn nicht durchgeschaut? Man hatte dort nämlich eine Menge an Untersuchungen durchgeführt, dann aber nur von Bestrahlung gesprochen. In unseren Ohren klang dies schon wie ein gewaltiger Unterschied.
Diese Männer hatten noch nicht einmal die Ultraschallaufnahmen und Ergebnisse untersucht, und waren auf der Grundlage von nur einer Minute Anfühlen mit ihren Fingerspitzen zu dem Schluss gekommen, dass eine riesige Operation für einen winzigen Tumor benötigt wird, von dem nur die Lage sehr ungünstig war. Es schien, als ob sie vorher schon wussten, welches der nächste Schritt sein würde, und dass diese Vorprüfung, das Fühlen mit den Fingerspitzen, nichts weiter als eine Formsache war.
Wer war hier wirklich verantwortlich? Könnten nur diese Ärzte die Behandlung übernehmen? Spielten finanzielle Interessen dabei eine Rolle? Wir hatten auch daran gedacht. Warum ein so großes Aufhebens um so einem kleinen Tumor? Eine von Lindas Kolleginnen war mit fast der gleichen Situation konfrontiert und es war nur ihre Gebärmutter entfernt worden. Es war auch keine einfache Operation, aber von einer ganz anderen Art.
Was wir nicht an dieser Stelle wussten, dass es eine interne Fehlkommunikation war. Ich hatte den Umschlag, den man uns gegeben hatte, um ihn an die AMC weiterzugeben, geöffnet, die Daten kopiert und dabei die Korrespondenz gelesen.
Im Nachhinein wäre daraus zu schließen, dass der Spezialist in Apeldoorn vorschlug, die Behandlung an den AMC zu übergeben. Die Worte Second Opinion wurden überhaupt nicht erwähnt. Wir dachten, dass es uns vielleicht absichtlich nicht mitgeteilt wurde. Dieses ‘kleine’ Missverständnis würde schwerwiegende Konsequenzen nach sich ziehen.
Diese Ärzte verhielten sich nach den von der Klinik oder den Apotheken festgelegten Regeln und wer auch immer es war, der die Regeln und Protokolle geschrieben hatte, sie wurden eingehalten. Nach ihrer Sicht handelten sie im Interesse von Lindas Gesundheit und so war ihnen unsere Antwort nur unverständlich. Was sie aber nicht berücksichtigten, dass es Menschen gibt, die wirklich Verantwortung für ihr eigenes Leben zu tragen bereit sind; Menschen, die sich nicht von jemandem dazu zwingen lassen und die ihre eigenen Entscheidungen auf der Grundlage von verfügbaren Daten machen wollen. Das beinhaltet die Freiheit einer Wahl!
Durch die mit ihrem Bruder gemachten Erfahrungen in der Vergangenheit, war Linda bereits von Krankenhäusern sehr enttäuscht worden. Sie war in Bezug auf Krankenhäuser überhaupt nicht mehr belastungsfähig, ihr rapider Gewichtsverlust deutete es an.
Es war erst Jahre später, während ich dieses Buch schrieb, dass ich zu erkennen begann, dass dies ein wichtiger Faktor bei der Entscheidung unseres Weges war, als ob dieser vorherbestimmt gewesen sei.