Die Bedeutung von Wald und Natur
für die Entwicklung unserer Kinder
Kinder brauchen Bäume
Der Wald und die Sinne
Im Rhythmus des Waldes
Aufbau der Gesundheit
Der Wald und seine Begleiter
Natur als Lebensraum
Von der Erschaffung und von der Vertreibung aus dem Paradies
Anhang und Serviceteil
Tief verwurzelt in der Erde – wie ein mächtiger Baum – und zugleich hochragend dem Himmel zugewandt: Wer wünscht sich dieses Bild nicht für sein Kind. Wenn Kinder einen Baum zeichnen, so kann der geschulte Psychologe sofort sehen, wie das Kind in seiner Familie verwurzelt ist und wie es sich nach außen hin entwickeln kann. Wie kein anderes Pflanzenwesen ist der Baum ein Symbol für den Menschen und seine Entfaltung. Bäume zeigen, wie er in der Welt steht, ob er in der Realität verwurzelt ist und sich mit der Wirklichkeit gut verbinden, ob er sich entfalten und wachsen kann, wie es seiner Bestimmung entspricht. Nicht umsonst werden Bäume in der Kunst als Symbole für den Menschen gesehen und sprechen uns auch so tief an1, 2.
Für Kinder sind kräftige Bäume ein Symbol und ein Vorbild, das ihnen Stärke in ihrem Leben gibt. Sie schaffen Vertrauen und das Gefühl, beheimatet zu sein, wie ein in sich ruhender Großvater in der Landschaft, ein Wesen, an das man sich getrost lehnen kann, das Behaglichkeit und Stärke ausstrahlt. Gerade in der heutigen Zeit, in der Kinder im Schulhof auf Planquadraten stehen und im Unterricht Masken tragen müssen, ist es noch wichtiger geworden, wenigstens den Umgang mit der Natur zu erhalten und den Kindern das Selbstvertrauen zu geben, das sie für ein glückliches Leben benötigen.
Wenn Sie einmal erlebt haben, mit welcher Begeisterung Kinder einem selbst erzählten Märchen zuhören, oder sich vielleicht erinnern können an die Zeit, in der Ihnen als Kind Märchen von einem lieben Menschen erzählt wurden, so wissen Sie, was Kinder wirklich fasziniert: Es ist das Zauberhafte, das Ungewöhnliche, das Geheimnisvolle.
Genau das können Kinder erleben, wenn Sie mit ihnen bestimmte Wälder aufsuchen. Es sind Wälder, die nicht dem Prinzip der Geschäftsmaximierung und der Ordnungswut des Waldbesitzers zum Opfer gefallen sind. Es sind Wälder, in denen Flechten von den Bäumen hängen dürfen und Moos den Boden und den Fuß der Baumstämme bedeckt. Alte Mutterbäume, von denen man weiß, dass sie besonders wichtig für den Aufbau und die Erhaltung des Waldes sind, sind ebenso vorhanden wie junger Neuwuchs und Bäume in mittlerem Alter. Die Waldränder schwingen in der Landschaft und bilden Nischen, in denen die Kinder Verstecke und Waldbeeren finden. Pilze lugen zwischen Moospolstern oder unter dem Laub hervor. Die Landschaft ist vielgestaltig, und Wasserläufe, Bächlein, eine Quelle und kleine Teiche durchziehen den Wald. Der Artenreichtum ist besonders hoch, da verschiedene Biotope ineinander übergehen. In diesen Wäldern formieren sich verschiedenste Gestalten: Gesichter in alten Baumstümpfen und auch in verwachsenen Gesteinsformationen, Gnome mit Umhängen aus Moos und Bärten aus Flechten. Es sind die Wälder, von denen unsere Vorfahren gesagt haben, dass sie mit Naturwesen erfüllt sind, die wahrscheinlich die Vorbilder für manches Märchen und manche Sage waren. Genau diese zauberhafte Welt fasziniert Kinder besonders und ermöglicht ihnen, eine reiche und vielfältige Fantasie auszubilden, jenes Wunderland, jene Quelle unseres künstlerischen Schaffens, die Michael Ende in seinem Buch Die unendliche Geschichte so lebendig beschreibt3 und die heute besonders gefährdet ist, verloren zu gehen.
Sowohl ökologisch, aufgrund der Artenvielfalt, als auch vom Erholungswert her sind die Ränder des Waldes besonders wertvoll. Hier treffen sich zwei oder, wenn Wasserflächen im Spiel sind, sogar drei Biotope, die jeweils ihre Arten mitbringen. Für Vögel und Säugetiere sind die Waldränder Nahrungsquellen durch die dort vorhandenen Beeren und Insekten, Refugium durch das dichte Laubwerk und Nistplatz sowie Kinderstube, in der Jungvögel fliegen lernen können. Für Kinder sind sie beliebte Spielplätze am Rande von Lichtungen, mit Verstecken und interessanten Beobachtungsmöglichkeiten, aber auch Beerenfrüchten wie Himbeeren und Brombeeren.
Aus all diesen Gründen wäre auch die Erhaltung der artenreichen Waldränder so extrem wichtig. Leider fallen sie jedoch heute einer verrückten Förderungspolitik zum Opfer, da die Förderungen der EU für Wälder wesentlich geringer ausfallen als für Grünland. Waldbauern sind dadurch seit einigen Jahren gezwungen, die Waldränder regelmäßig zurückzuschneiden, da ihre Flächen über Satellitenbilder von der EU kontrolliert werden und Förderungen bei Ausbreitung der Wälder zurückgezahlt werden müssen. So werden die ökologisch wertvollsten Flächen systematisch zurückgestutzt und zerstört. Ein Musterbeispiel von unflexibler Bürokratie, die keine Rücksicht auf die ökologische Bedeutung von Flächen legt, sondern ausschließlich nach den Buchstaben der Gesetze vorgeht.
Leider sind vielfältige und märchenhafte Wälder heute schon sehr selten, und es wäre Aufgabe der Kommunen und des Staates, solche Waldbiotope auch in der Nähe von Städten und Dörfern aktiv zu erhalten oder neu anzulegen und für Menschen zugänglich zu machen. Vielleicht könnte es eine gezielte Förderung geben, die den Verlust an Grünflächenförderung kompensiert? Das wäre mindestens so wichtig wie die Eröffnung von sterilen Betonspielplätzen, auch wenn der Beton grün gefärbt oder mit Plastikrasen überzogen wird, auf denen Kinder auf genormtem, aber fantasielosem Spielzeug eintönig und notdürftig spielen können. Ein Aufruf an Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, Kindergärten und Schulen: Nutzen wir die Erkenntnisse von Biologen und Ökologen, die in den letzten Jahrzehnten großes Wissen über die Gestaltung von Naturwäldern und spannenden Ökotopen gesammelt haben und Hinweise geben können, wie man solche reichen und erlebnisreichen Naturlandschaften wieder schaffen kann.
Ein weiteres, vielleicht noch spannenderes Kapitel im Leben Ihrer Kinder werden Sie aufschlagen, wenn diese lernen, sich auf die Stimmung des Waldes einzustellen, die etwa durch Vogelstimmen erzeugt wird. Jede Waldlichtung hat einen charakteristischen Klangraum, der für den jeweiligen Zustand, die Tagesund Jahreszeit typisch ist4. Droht keine Gefahr, so hören Sie die beschriebenen Vogelsänger, die im Wesentlichen gleichmäßig von allen Seiten entspannt und harmonisch erklingen. Plötzlich ertönt das Gezänk eines Eichelhähers, des bunten Warners aus der Rabenfamilie, und mit einem Schlag merken Sie, dass der gesamte Klangraum sich verändert. In Richtung des Eichelhäherrufs verstummt der Vogelgesang, die Vögel ducken sich in ihre Verstecke, in allen anderen Richtungen wird er zaghafter. Eine Minute später taucht aus der Eichelhäherrichtung ein Jogger auf. Rehe wären bereits beim ersten Häherruf in die Gegenrichtung entschwunden. Das ist auch der Grund, weshalb der Wald dem normalen Spaziergänger so frei von größeren Tieren zu sein scheint. Die Vogelwelt hat schon lange gewarnt, bevor er eine Lichtung erreicht hat. Verschwindet der Jogger, löst sich auch die Anspannung wieder.
Je ruhiger und unauffälliger Sie sich verhalten, desto mehr Tiere zeigen sich Ihnen im Wald. Das ist übrigens ein wunderbares Mittel, um Kinder in die Ruhe zu bringen! Es lohnt sich, ruhig an einer versteckten Stelle sitzen zu bleiben und zu warten. Sie werden staunen, welche Vielfalt an Tieren sich nach einiger Zeit einstellt. Ein solches Erlebnis erhöht die Motivation der Kinder, ruhig zu bleiben, dann noch zusätzlich. Nicht umsonst haben auch Jäger zumeist tarnfärbiges Gewand. Wenn Sie den Wald in den Farben eines Papageis oder mit dem Getrampel eines Nilpferdes besuchen, wird die Tierwelt möglicherweise einen größeren Bogen um Sie machen.
Schon ein Lufthauch bringt die Blätter mancher Bäume zum Rascheln. Manche, wie die Espe, die auch Zitterpappel genannt wird, zittern – wie der Name schon sagt – dann ganz eindrucksvoll mit ihren Blättern, und zwar optisch und akustisch. Ein etwas kräftigerer Wind erzeugt mächtiges Rauschen in den Blättern hoher Bäume, deren Windschatten den Menschen auf dem Boden auch vor der größten Kraft des Windes schützt. Jeder Baum rauscht unterschiedlich. Das hat die Akustikforschung in den letzten Jahren herausgefunden, und das weiß auch jeder aufmerksame Naturbeobachter. Jede Baumart bietet eine verschieden gute Dämpfung von Geräuschen, die zum Beispiel von Straßenfahrzeugen kommen. Dicht benadelte, üppig wachsende Bäume und auch die sehr raue Rinde der Lärchenbäume sollen besten Schutz vor Lärm bieten, besseren als Laubbäume, wie die BBC berichtet.5 An den vielen Nadeln und der Lärchenrinde brechen sich die akustischen Wellen und werden zu Wärme umgewandelt, die man nicht mehr hören kann.
Bei einem noch stärkeren, richtigen Orkan ist der Wald kein sicherer Ort, da Äste abbrechen oder sogar Bäume umfallen können. In einem solchen Fall sollte er schleunigst verlassen werden.
Durch die Video-Displays von Smartphones, Tablets und Computern sind unsere Sinne heute sehr stark eingeschränkt auf die optische und vielleicht noch auf die akustische Wahrnehmung. Mit den hochdifferenzierten Tastwahrnehmungen, die im Wald erlebbar sind, können wir einen Ausgleich schaffen für die einseitig visuelle Einengung des heutigen Menschen. Damit werden Sinne trainiert, die sonst nicht beachtet werden und langfristig degenerieren.
Das Training von Sinnen führt zu einem Aufbau der Nervenzellen und Synapsen, die mit diesem Sinn verbunden sind. Dies findet vor allem in der frühen Jugend statt, zu einem Zeitpunkt, wenn das Nervensystem und das Gehirn besonders plastizierbar sind. Dieses Training gilt sowohl für den Sinnesbereich wie auch für die motorische Umsetzung von Bewegung und natürlich auch für das Zusammenspiel der beiden.
Da unser Körper Nerven- und Sinneszellen dauernd ernähren und intakt halten muss, baut er sie ab, wenn sie nicht benötigt werden, nach dem Motto »Was nicht benötigt wird, verkümmert«. Leider scheinen sich auch der Mangel an vielfältigen natürlichen Reizen und die Überflutung mit einförmigen Reizen der Medien auf die Intelligenz der Menschen auszuwirken: Während lange Zeit der mittlere Intelligenzquotient von Rekruten um 100 lag, sinkt er seit zwanzig Jahren alle zehn Jahre um zwei Punkte6. Zwar schieben die Forscher dies hauptsächlich auf künstliche Hormone aus Plastikbehältern, Kleidung, Klebstoffen und Medikamenten, doch ist die Mitbeteiligung von mangelnder Reizvielfalt eine genauso plausible Erklärung.
Der Hirnforscher Gerald Hüther weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass auch die spätere Demenz durch Selbstheilungskräfte des Organismus verhindert werden kann7. Dies benötigt jedoch eine gute Umgebung, die nicht durch zu starke und zu eintönige Reize geprägt ist. Eine hohe Intelligenz in der frühen Kindheit ist übrigens auch mit geringerer Demenz im Alter verbunden.
Was in der frühen Kindheit angelegt wird, ist auch später verfügbar und kann wieder aktiviert werden, wenn es vorübergehend stillgelegt wurde. Deshalb ist es besonders wichtig, schon in der Kindheit möglichst viele Sinne intakt zu halten und die Welt auf verschiedenste Weise zu erleben1, 8 – und zwar nicht nur als Videobild. Darauf weist unter anderem auch ein anderer bekannter Hirnforscher, Manfred Spitzer, hin, der in diesem Zusammenhang von »digitaler Demenz« spricht, die Menschen schon sehr früh befallen kann und zu einem Verlust nicht mehr trainierter Fähigkeiten des Menschen führt9.
Dem Tastsinn bietet der Wald ausgezeichnete Möglichkeiten der Betätigung. Das beginnt bei Waldwegen, die vor allem von Kindern sehr gerne aufgesucht werden. Weiches Moos polstert den Gang, Baumwurzeln mahnen zu achtsamem Gehen und bewegen die Fußwurzelknochen sowie die Muskeln des Fußes in differenzierter Weise. Dadurch wird sicheres Gehen trainiert und die Nervenbahnen und Synapsen im Gehirn werden ausgebildet, die eine vielfältige Bewegung des Fußes ermöglichen und damit einseitiger Abnutzung vorbeugen10. Das Gehen auf unebenen Flächen hat nachgewiesenermaßen positive Effekte auf die Stabilität des Ganges, der Gelenke und das Halten der Balance11, 12. All das sind Fähigkeiten, die später darüber bestimmen, ob man schwierige Situationen, die zu Stürzen führen könnten, durch Ausbalancieren meistert, oder eben nicht. Interessanterweise berichten Eltern auch, dass Kinder beim Spazierenfahren auf »ruckeligen« Wegen besser einschlafen als auf einer ebenen, asphaltierten Straße. Hier spielt wahrscheinlich das Schaukeln eine Rolle, das auf kleine Kinder meistens beruhigend wirkt. Dies könnte ein Erbe aus der nomadischen Vergangenheit unserer Vorfahren sein, als es hilfreich war, wenn kleine Kinder bei Wanderungen schliefen.
Kinder haben wesentlich mehr Tastrezeptoren an den Händen als an den Beinen. Besonders die Fingerspitzen gehören zu den empfindlichsten Organen, was den Tastsinn betrifft. Dieser Tastsinn kann an feinen Strukturen des Mooses, an Rinden und Blättern und auch am Holz der Bäume geübt werden. Kinder lernen so spielend, die Welt tastend wahrzunehmen, am besten mit geschlossenen Augen.
Man weiß von blinden Menschen, dass bei ihnen der Tastsinn hoch entwickelt ist und sie vieles unterscheiden können, wesentlich mehr als ein sehender Mensch. Deshalb lohnt es sich, Kinder mit geschlossenen Augen verschiedene Objekte des Waldes wie Moose, Baumfrüchte, Blätter, Fichtenzapfen, Ästchen und getrocknete Baumharze berühren und sie raten zu lassen, worum es sich handelt. Als Belohnung gibt es dann – bei geeigneter Jahreszeit – vielleicht Walderdbeeren oder Himbeeren, die auf einer Waldlichtung wachsen.
Bewegung im Wald dämpft bei Jugendlichen die Aktivität des sympathischen Nervensystems, das bei Überaktivierung eine Reihe von negativen Folgen hat. Japanische Studien haben gezeigt, dass diese Überaktivierung bei Jugendlichen durch Bewegung im Wald reduziert werden kann13.
Ohne das entsprechende Wissen würde man nicht glauben, was alles im Wald essbar und dabei sogar sehr gesund ist. Im Frühjahr beginnt es bei den Blättern der Laubbäume.
Gefahrlos kann man junge Lindenblätter, Rotbuchenblätter und Blätter vom Maulbeerbaum kosten, sie schmecken erstaunlich gut und sind voller Vitamine, Chlorophyll und Mineralstoffe. Auch Nadelbäume treiben im Frühjahr wohlschmeckende und hübsche Jungtriebe aus. Mit Ausnahme von Eiben und manchen exotischen Zypressen, die giftig sind, sind alle einheimischen Nadelbaumjungtriebe essbar.
Fichten, Tannen und Lärchen zeichnen sich durch einen aromatischen und säuerlichen Geschmack aus, wobei das Aroma von den ätherischen Ölen und der säuerliche Geschmack von der Menge an Vitamin C stammt, die in den Triebspitzen enthalten ist. Bei der Auswahl der Triebspitzen sollte man darauf achten, keineswegs Endtriebe oder gar Mitteltriebe an der Spitze eines Nadelbäumchens abzureißen, da das für Nadelbäume die Wachstumspole sind, die dann fehlen. Geeignet sind Triebe, die zum Beispiel in Richtung der Waldwege wachsen und ohnehin abgeschnitten werden, beziehungsweise Seitentriebe, die von den Bäumen leichter ersetzt werden können. Auch sollte man nur geringe Mengen an Trieben pro Baum ernten, um ihn keinesfalls zu schädigen.
In der Volksmedizin werden »Maiwipferl«, wie die jungen Triebe von Fichten und Tannen genannt werden, als Heilmittel bei Atemwegserkrankungen, insbesondere Husten, eingesetzt. Dazu werden sie im Frühjahr gleich nach dem Austrieb geerntet, mit Zucker oder Honig in Gläser gefüllt und gut verschlossen für drei Wochen an die Sonne gebracht. Der entstehende Sirup enthält die Vitamine und ätherischen Öle der jungen Nadelbaumtriebe und wird bei Bedarf löffelweise eingenommen. Aufgrund des hohen Vitamin-C-Gehaltes wurde Tee aus Fichtennadeln sogar gegen Skorbut, eine Vitamin-C-Mangelerkrankung, medizinisch eingesetzt14. Neuerdings haben mehrere Studien gezeigt, dass Suramin, eine Substanz, die ursprünglich in Kiefernnadeltee gefunden und erst später synthetisch hergestellt wurde, ein hohes Potenzial hat, Infektionen mit Covid-19 zu verhindern15 – 19. Eine Studie im Fachjournal Nature Structural Molecular Biology schreibt Suramin ein zumindest zwanzigmal größeres Potenzial zur Hemmung von Covid-19 im Vergleich zu dem derzeit gegen die Erkrankung zugelassenen Arzneimittel Remdesivir zu. Interessanterweise hat Suramin, ähnlich wie andere aus der Biologie kommende Heilmittel, ein breites Anwendungsspektrum, unter anderem auch gegen die Erreger der Schlafkrankheit, gegen das HI-Virus und sogar gegen Krebs.
Auch bei dem von Atemnot begleiteten Asthma hat man gute Erfahrungen mit den ätherischen Ölen der Holzpanele von koreanischen Kiefernarten (im Speziellen von der unserer alpinen Zirbe nahe verwandten Pinus koraiensis) und Lärchenarten (Larix kaempferii) gemacht20. Zytokine, von denen man weiß, dass sie bei Asthmaanfällen erhöhte Aktivität zeigen, waren im Tierversuch durch Aufenthalt in Räumen mit den Holzpanelen reduziert. Auch Immunzellen, sogenannte Granulozyten, die für die Asthmaanfälle mitverantwortlich gemacht werden, waren signifikant reduziert. Die schlimmen Nebenwirkungen von Covid-19 entstehen durch die Überreaktion des eigenen Immunsystems, also der Immunzellen, die durch ätherische Nadelbaumöle offensichtlich gezügelt werden können.
Viele Pflanzen und Heilkräuter des Waldes schmecken nicht so lieblich oder süß, wie die aus moderner Pflanzenzucht oder von der Industrie aufbereiteten Nahrungsmittel. Süßer Geschmack kommt in der Natur dort vor, wo Zucker vorhanden ist. Für unsere menschlichen Vorfahren war Zucker ein extrem wichtiger Stoff, den sie vorwiegend aus Früchten und selten aus Honig zu sich nehmen konnten – und meistens Mangelware. Durch die Züchtung von sehr süßem und zuckerhaltigem Zuckerrohr sowie später von Zuckerrüben wurde der darin enthaltene Zucker plötzlich in Mengen und jederzeit verfügbar, und zwar in einem Ausmaß, das vorher undenkbar war.
Zucker ist ein sehr energiereicher Stoff, für dessen Produktion die Pflanzen viele Stunden an Sonnenarbeit aufwenden müssen. Da sie den Zucker auch benötigen, um die Zellulose anderer Pflanzenteile und letztlich alle Stoffe des Pflanzenkörpers zu produzieren, gehen sie in den Früchten sparsam mit dem Zucker um, sowohl was die Größe als auch den Zuckergehalt betrifft. Erst die gärtnerische oder pomologische Züchtung hat die riesigen Äpfel und andere süße Früchte geformt, die in der Natur in kurzer Zeit wieder verschwunden wären und die nur unter menschlicher Obhut gedeihen.
Wird die Züchtung übertrieben, so müssen auch noch Gifte verwendet werden, um die ebenfalls hungrigen Mitbewerber des Menschen um Nahrung, wie Insekten und Schimmelpilze, von den allzu süßen Früchten zu vertreiben, oder schlimmer, zu vergiften. Aus diesem Grund schmecken die alten Obstsorten, die noch ohne diese Gifte auskommen, auch wesentlich weniger süß und durch die pflanzeneigenen Schutzstoffe, die zusätzlich in ihnen enthalten sind, meist auch etwas herb. Gerade diese pflanzeneigenen Schutzstoffe sind aber eine Quelle unserer Gesundheit, da sie meist antioxidative Eigenschaften haben und unsere Gene vor der Zerstörung durch radikalen Sauerstoff schützen. Dieser zellgiftige radikale Sauerstoff entsteht unter anderem durch ultraviolettes Licht (UV), das zum Beispiel im Sonnenlicht enthalten ist. Da das Sonnenlicht nur wenig in die Früchte eintritt, sind die Schutzfaktoren dort angesiedelt, wo am meisten UV auf die Pflanze einwirkt, und das ist an der Oberfläche, also an der Schale der Früchte. Deswegen sind Äpfel gleich unter der Oberfläche der Schale zum Beispiel rot, im Inneren jedoch meistens weiß, weil Antioxidantien Farbstoffe sind, meist rot, violett oder gelb.
Forschungen haben nun ergeben, dass viele Pflanzenstoffe, die bitter schmecken, besonders gesundheitsfördernde Eigenschaften haben, weil sie antioxidativ wirken, aber auch andere gesundheitsfördernde Wirkungen haben können: So fördert der Bitterstoff des Endivien- oder Chicoréesalats21 nicht nur die Magensäure- und Gallensaftproduktion, sondern regt auch die Speichelproduktion und die Darmtätigkeit an. In der Natur an Wegrändern, auch an Waldwegen, findet sich eine nahe Verwandte von Endivie und Chicorée, die eine noch viel höhere Konzentration an wertvollen Bitterstoffen aufweist als ihre domestizierten Verwandten: die blau blühende Wegwarte. Lässt man im Gemüsegarten eine der Endiviensalatpflanzen auswachsen, sodass sich Blüten bilden, erscheint tatsächlich nach einigen Wochen die blaue Blüte der Wegwarte – eine Erinnerung an ihre Herkunft. Gärtnergenerationen haben aus der sehr bitteren und von der Textur her eher zähen und behaarten Löwenzahn- und Wegwarteverwandten den knackigen Endiviensalat gezüchtet, der noch immer die Bitterstoffe seiner Vorfahren, wenn auch in viel geringerer Menge, trägt.
In vielen modernen Ernährungsbüchern wird dem bitteren Geschmack von Pflanzen, wahrscheinlich zu Recht, ein besonders hoher Wert für die Gesundheitsbildung zugeschrieben. Nicht umsonst nehmen wir ja zuweilen, besonders vor fettem Essen, einen Magenbitter zu uns, der Kräuterauszüge aus verschiedenen bitteren Pflanzen enthält. Die Bitterstoffe bereiten die Fettverdauung in allen Abschnitten des Verdauungstraktes vor und helfen unserem Körper, mit der schweren Nahrung fertig zu werden.