Lizzie Damilola Blackburn wurde in Peckham, London geboren. Yinka, wo bleibt dein Date? ist ihr erster Roman. Mit einer frühen Fassung gewann sie die Literary Consultancy Pen Factor Writing Competition. Sie lebt heute mit ihrem Mann in Milton Keynes.
Für Martin, meinen Mann.
Danke, dass du mich ermutigst,
meinen Träumen zu folgen.
Substantiv
Erwachsene Person männlichen Geschlechts: ein junger, gut aussehender, höflicher Mann
Ehemann; ein verheirateter Mann: Uche ist der Mann von Yinkas jüngerer Schwester Kemi
Ein nicht existierender Mann in einer nicht existierenden Ehe, nach dem britisch-nigerianische Singlefrauen andauernd gefragt werden, i.d.R. von nigerianischen Müttern und Aunties: »Yinka, wann findest du einen Mann? Ah, ah. Du bist jetzt einunddreißig!«
Samstag
Die Babyparty meiner Schwester ist schon seit zwei Stunden im Gange, und ich bin noch kein einziges Mal gefragt worden: »Und, Yinka, wann ist es bei dir so weit?« Oder der Klassiker: »Yinka, wann findest du einen Mann?«
Danke, lieber Gott!
Nachdem ich Nana ein halbes Dutzend Konfettibomben-Emojis geschickt und gefragt habe, wann sie kommt, stecke ich das Handy wieder in die Tasche. Hoffentlich habe ich mich nicht zu früh gefreut, das soll ja Unglück bringen.
Ich lasse mich in den Sessel zurücksinken und beobachte Kemi und ihre Freundinnen, die mitten im Wohnzimmer tanzen, alle mit ernster Miene beim Bump ’n’ Grind, als wäre das hier eine Afrobeats-Tanz-Competition.
Nur ein paar wenige sitzen noch: eine rothaarige Frau und eine andere mit einem Augenbrauenpiercing, die Kolleginnen von Kemi sein müssen, außerdem vier meiner Aunties. Sie kämpfen genau wie ich mit dem Berg Jollofreis auf ihren Tellern. Viel zu mild für unseren Geschmack. Ich weiß, nicht jeder verträgt scharfes Essen, aber wer auch immer das hier gekocht hat, stammt nicht aus Nigeria. Das war keiner von uns. Ich gebe mich geschlagen und schiebe den Teller unter meinen Stuhl. Als ich hochsehe, entdecke ich Mum, die sich durch das Gewühl der Tanzenden schiebt und dabei die breiten Hüften schwingt. Als sie es nach vorn geschafft hat, hackt sie mit den Fingern auf Kemis Handy herum, gibt schließlich auf und dreht sich um. Mum besitzt immer noch ein Nokia 4310, ein iPhone überfordert sie.
»Hallo-o! Hallo-o!«, ruft sie mit ihrem fetten nigerianischen Akzent. Diesen Akzent, den sie wohlgemerkt immer noch hat, obwohl sie schon seit den Achtzigern in Großbritannien lebt. »Dürfte ich mal um eure Aufmerksamkeit bitten?«
Aber gegen die laute Musik hat sie keine Chance. Kemi und ihre Freundinnen tanzen einfach weiter. Nur dass meine kleine Schwester es jetzt auf die Spitze treibt: Als hätte sie die riesige Kugel an ihrer Vorderseite vergessen, geht sie ein wenig in die Knie, beugt sich vor, und – o mein Gott! – jetzt twerkt sie.
Ich kichere in mich hinein. Ach, Mann. Echt schade, dass ich Kemi inzwischen nicht mehr so oft sehe. Früher haben wir eigentlich dauernd zusammen rumgehangen. Es hat sich vieles verändert, seit sie letztes Jahr geheiratet hat.
»Entschuldigung, bitte alle mal herhören!« Big Mamas Zwanzigtausend-Dezibel-Stimme schneidet durch die Musik. »Könnt ihr mal kurz Ruhe geben? Yinkas Mum will was sagen.«
Meine Auntie, Daddys Schwester, konnte sich immer schon gut durchsetzen. Binnen Sekunden verstummen die Gespräche, Handys werden weggelegt, und die Tanzenden zerstreuen sich im Wohnzimmer wie ein Haufen angespielter Billardkugeln. Eine Hand auf ihrem Bauch, watschelt Kemi etwas pinguinmäßig zur Anlage und macht die Musik aus.
»Danke«, sagt Mum und legt die Handflächen aneinander. »Und danke an euch alle, dass ihr gekommen seid, um mit meiner Tochter den Beginn eines wichtigen Lebensabschnitts zu feiern.« Sie dreht sich zu Kemi um und strahlt sie stolz an. »Kemi wird Mutter, und das ist ja, wie ihr wisst, ein seeehr wichtiges Kapitel im Leben einer Frau. Ich möchte diesen Moment also gern nutzen, um für Kemi, ihren Mann und das Baby zu beten. Also, steht doch bitte alle mal auf und haltet euch an den Händen.«
Es folgt allgemeines Füßescharren, die noch Sitzenden erheben sich und bilden zusammen mit den Tänzerinnen einen Kreis.
»Kein Grund zur Nervosität«, höre ich Mum zu Kemis Kolleginnen sagen, deren Gesichter inzwischen das Rot von Wassermelonen angenommen haben. »Wenn Sie nicht an Gott glauben, können Sie ja einfach als Zeichen des Respekts den Kopf senken.«
Mein Blick begegnet dem der Rothaarigen. Ich rieche ihre Angst bis hierher.
Links und rechts neben mir stehen Kemis Schulfreundinnen, ich greife nach ihren Händen und senke den Kopf.
Mum räuspert sich. »Lieber Vater im Himmel …«
Gefühlte zehn Minuten später …
»Ich danke dir, Herr, dass du mir meinen Herzenswunsch erfüllst und ich bald Oma werde – eine ìyá-ìyá. Ich bete, dass du meiner Tochter mit deiner Liebe, deinem Frieden und deiner Führung bei der Geburt beistehst. Möge es ihr gut gehen, im Namen Jesu. Möge es ihrem Mann gut gehen, im Namen Jesu. Und natürlich dem Baby, im Namen Jesu.«
»Amen«, brummeln wir alle wie Zombies.
»Danke, Herr, dass du Kemi und meinen Schwiegersohn Uche während des Studiums an der Uni zusammengeführt hast. Ich bete, dass …« Für einen Moment wird es still, und Mums Stimme zittert. »Ich bete, dass Uche genau wie mein verstorbener Mann Kunle ein wunderbarer Vater sein wird. Schenke ihm ein langes Leben und gute Gesundheit.«
»Amen«, sage ich leise.
Mum fährt fort und betet für Schutz, Sicherheit und Geborgenheit. Jede Waffe, die gegen Kemi gerichtet wird, soll versagen. Meine Beine beginnen zu schmerzen, und meine Knie werden wacklig. Nach einer gefühlten Ewigkeit spricht Mum die Worte, auf die alle gewartet haben:
»O Herr, erhöre unsere Gebete. Wir beten im süßen, heiligen und kostbaren Namen Jesu.«
Das letzte Amen klingt regelrecht frohlockend.
Ich schlage die Augen auf und sehe, wie sich eine Woge aus Frauen auf Stühle und Sofas sinken lässt, allesamt mit einem Seufzer der Erleichterung – außer Big Mama. Sie fläzt bereits in ihrem Sessel, die Schuhe weggekickt und die Beine weit ausgestreckt. Ihre Zehennägel sehen aus wie in rote Farbe getauchte frittierte Pork Scratchings. Ich lächle. Von meinen dreihundertsoundsovielen Aunties – in der nigerianischen Kultur ist nämlich jede afrikanische Frau, die mindestens zehn Jahre älter ist als du, automatisch deine Auntie, Blutsverwandtschaft hin oder her – ist Big Mama zwar sicher nicht die mit den besten Manieren, aber ich kann nicht anders, ich mag die Frau.
»Warte mal.« Sie wirft sich in ihrem Sessel nach vorn. »Tolu! Du hast gar nicht für deine älteste Tochter gebetet.«
Mum, die seit zwei Stunden ständig an der Weave auf ihrem Kopf herumklopft, als ob sie Flöhe hätte, dreht sich um und sieht mich mit weit aufgerissenen Augen an. »O ja!«, ruft sie und rafft mit einer Hand ihren Wrappa, während sie mit der anderen weiter ihre juckende Kopfhaut bearbeitet. »Wie konnte ich bloß Yinka vergessen? Die Investmentbankerin!«
Alle Köpfe schnellen in meine Richtung, und auch wenn ich den Blickkontakt mit meinen Aunties zu meiden versuche, weiß ich genau, dass sie mich aufmunternd anlächeln. Keine Ahnung, wie oft ich Mum schon erklärt habe, dass ich zwar in einer Investmentbank arbeite, aber nicht als Bankerin, sondern als Operations Managerin. Sie will es einfach nicht verstehen, und ich weiß nicht genau, ob aus Stolz oder um sich die lange Erklärung zu ersparen. Man muss fairerweise sagen, dass das die meisten Leute denken, wenn ich erzähle, dass ich bei Godfrey & Jackson arbeite. An das Operations-Team denkt nie jemand, die unbesungenen Helden, die im Backoffice arbeiten und sich um alles kümmern, was mit der Abwicklung der Trades zu tun hat. (Okay, Operations klingt vielleicht nicht sexy, aber es ist ein solider Job, und ich bin stolz darauf!) Aus irgendeinem Grund erwähnt Mum meine Karriere als »Investmentbankerin« sehr viel öfter als Kemis Stelle als Theaterpädagogin – wenn auch natürlich nicht ganz so oft, wie sie davon schwärmt, dass Kemi verheiratet ist oder ein Baby bekommt.
»Ja! Gott hat mich mit zwei Töchtern gesegnet. Ich sollte für sie beide beten.« Mum klatscht in die Hände. »Oya! Bitte alle noch mal aufstehen. Wir müssen für Yinka beten.«
Das allgemeine Aufstöhnen ist leise und doch laut genug, um den ganzen Raum auszufüllen.
»Ah, ah! Was ist denn das für ein Ge-murre?« Diese Bemerkung kommt natürlich von Big Mama. Die, während alle anderen widerwillig aufstehen, noch immer wie auf einem Thron dasitzt. »Wenn Yinkas Mum gesagt hätte, sie gibt jedem, der aufsteht, zwanzig Pfund, würdet ihr dann auch so murren? Abeg! Hoch mit euch, Mädels. Ihr wisst doch, Beten ist gut!« Missbilligend zieht sie Luft durch die Zähne. »Unsinn.«
Die Frau mit dem Augenbrauenring schnappt sich ihre Jacke von der Stuhllehne und stapft entschlossen in Richtung Tür. »Das kann ich mir nicht geben«, höre ich sie murmeln, als sie an mir vorbeimarschiert.
Auch die Rothaarige ist kurz davor zu gehen, aber nicht mutig genug. Ich werfe ihr ein gequältes Lächeln zu.
»Wie wär’s, wenn ich bete?«
Eine vertraute Stimme; ich ziehe die Augenbrauen hoch und drehe mich um. Das Herz rutscht mir in die Hose. In der Tür steht Auntie Debbie.
»Funke, was glaubst du wohl, wie spät es ist?«
Mum ist die Einzige, die ihre jüngere Schwester noch mit ihrem nigerianischen Namen anspricht.
»Stand auf der Einladung nicht zwei Uhr, ehn? Du übertreibst es mit der ›afrikanischen Zeit‹ wirklich ein bisschen.«
Auntie Debbie schnalzt genervt mit der Zunge und nimmt die riesige Chanel-Sonnenbrille von ihrer mit Make-up stark konturierten Nase.
»Tolu, Schwesterherz. Du weißt doch, dass ich draußen in Hampstead wohne.«
Eine kleine Welle aus unterdrücktem Kichern geht durch den Raum, und ich kann mich gerade noch beherrschen, nicht die Augen zu verdrehen. Ja, Auntie, wir alle wissen, dass ihr mit eurer Immobilienfirma ordentlich Schotter macht, du und dein Mann. Du brauchst uns nicht dauernd daran zu erinnern.
»Ich bin über eine Stunde gefahren«, sagt sie gedehnt, mit ihrem besten »britischen« Akzent, den sie überwirft und wieder ablegt wie einen Mantel. »Da fällt mir ein«, sie klappt ihre Brille zusammen und hängt sie in den V-Ausschnitt ihrer weißen Seidenbluse, »steht mein Porsche auch sicher da draußen?«
Mum klappt die Kinnlade runter. Big Mama zieht eine Augenbraue hoch.
»Debbie, es ist nicht mehr so wie früher hier in Peckham«, bemerkt Auntie Blessing, die älteste der drei Schwestern. Anders als Mum und Auntie Debbie hat Auntie Blessing das, was ich einen BBC-Moderatorinnen-Akzent nenne, den sie sich in über dreißig Jahren als Anwältin angeeignet hat. »Das Viertel ist inzwischen sogar ziemlich gentrifiziert.«
»Gentri-was?«
Mum wirkt verwirrt.
Bevor die beiden anfangen können zu streiten, mischt sich Kemi ein: »Mum, wolltest du nicht für Yinka beten?« Sie verschränkt die Arme über ihrem vorstehenden Bauch und mustert Auntie Debbie mit schräg gelegtem Kopf. »Keine Sorge. Dein Wagen ist draußen sicher. Uche und ich wohnen seit fast einem Jahr hier, und bisher hat niemand unseren Fiesta geklaut.«
»Na ja, wer würde denn auch … egal. Also, Tolu, lass mich mal beten«, sagt Auntie Debbie, und mir wird ganz flau im Magen. »Etwas Abwechslung kann doch nicht schaden, oder? Und außerdem habe ich mich verspätet.« Sie bringt ihre Perücke in Form. »Beten ist das Mindeste, was ich für meine Nichte tun kann.« Sie schickt ein breites Lächeln in meine Richtung. Ich gebe ein kleines unwilliges zurück.
Ich habe nicht vergessen, was du auf Kemis Hochzeit getan hast, denke ich und sehe sie finster an, während sie die Augen schließt.
»Lieber Gott … wir danken dir für das Leben von Tolus ältester Tochter, Yinka Beatrice Oladeji.«
Ein Ruck an meiner rechten Hand; die Frau neben mir zieht ihre weg.
»’tschuldigung«, flüstere ich. Offenbar habe ich ihr beinahe die Finger zerquetscht.
»Wir danken dir für den hervorragenden Job, mit dem du Yinka gesegnet hast, und das Haus, das sie vor ein paar Jahren gekauft hat. Sie ist eine beispielhafte Frau und hat Bemerkenswertes erreicht.«
Ich lasse die Schultern wieder ein wenig sinken. Okay. Halb so schlimm.
»O Herr«, fährt sie fort. »Das neue Jahr hat gerade angefangen –«
»Das neue Jahr«, sagt Mum wie ein Echo.
»Und in der Bibel steht, durch dich ist alles möglich –«
Mum klatscht in die Hände. »Gelobt sei der Herr!«
»Und daher bitte ich dich, o Herr: Lass dieses Jahr das Jahr sein, in dem Yinka endlich einen Mann findet!«
Was zum Teufel –
Ich funkele Auntie Debbie an, die einen kurzen Moment innehält, damit alle amen sagen können. Das von Mum und Big Mama ist eindeutig am lautesten zu hören, und sie heben die Arme zur Decke, als würde von dort jede Sekunde mein Wunderehemann herabsteigen.
Ich beiße die Zähne zusammen.
»O Herr«, spricht Auntie Debbie gleich darauf weiter, »Yinka ist jetzt zweiunddreißig …«
»Einunddreißig«, murmele ich leise.
»Und es gibt keinen Grund, warum eine Frau von ihrem Format mit zweiunddreißig noch Single sein sollte.«
»Gott bewahre!«, schiebt Mum dazwischen.
»So wie du Kemi einen Mann gebracht hast, o Herr, bring bitte auch Yinka einen Mann. Lass uns nicht länger auf deinen Segen warten. Schicke ihn ihr noch in diesem Jahr.«
Das lauteste Amen kommt von den beiden anderen Aunties, die vor dem Sofa stehen – die eine schüttelt lebhaft den Kopf, die andere formt mit den Lippen lautlos ihr eigenes Gebet. Einige von Kemis Freundinnen saugen die Lippen ein, um das Lachen zu unterdrücken, nur eine weniger taktvolle prustet los.
Ich atme dreimal tief durch, um ruhig zu bleiben.
»Sorry«, formt Kemi mit den Lippen und wirft mir einen mitleidigen Blick zu – wie so oft in letzter Zeit.
Du kannst ja nichts dafür, würde ich am liebsten zu ihr sagen. Ich meine, du hast ja nichts weiter getan, als dich in einen Typen zu verlieben, den du an der Uni kennengelernt hast, und ihn mit fünfundzwanzig zu heiraten. Und ja, ich stünde wesentlich weniger unter Druck, ebenfalls zu heiraten und eine Familie zu gründen, wenn du dich nicht direkt in den Flitterwochen in Costa Rica hättest schwängern lassen, sondern wenn ihr stattdessen, keine Ahnung, vielleicht noch ein oder zwei Jahre gewartet hättet. Aber gut, die Liebe kommt, wann sie will, und bei dir war es eben früher so weit als bei mir. Auch meine Zeit wird kommen. Das weiß ich.
Während ich Kemi all das telepathisch zu sagen versuche, beginnt Auntie Debbie von neuem mit ihrer Leier.
»Herr, bringe Yinka einen guten, guten Mann. Einen gottesfürchtigen, stattlichen und gebildeten Mann, einen –«
»Und so beten wir im Namen Jesu, amen.« Das war Auntie Blessing, und ich widerstehe dem Drang, freudig aufzujauchzen.
Aber Auntie Debbie, die noch nie einen Wink mit dem Zaunpfahl verstanden hat, hört einfach nicht auf. Stattdessen hebt sie schweigend das Kinn Richtung Decke, die Augen fest geschlossen. Ein paar von Kemis Freundinnen winden sich förmlich in der unbehaglichen Stille.
»O Herr«, ruft sie schließlich und fächelt sich mit der Hand Luft zu, so wie sie es in der All Welcome Church tut, wenn sie einen Hauch des Heiligen Geistes wittert. »Tu, was nur du tun kannst. Schreite ein, himmlischer Vater. Schreite ein! Und so beten wir im Namen Jesu, amen.«
Alle murmeln »Amen«, die Augen weit aufgerissen. Und wen starren sie alle an? Mich natürlich. Die Rothaarige sieht inzwischen aus, als würde sie jeden Moment in Tränen ausbrechen, und eine von Kemis Freundinnen sagt laut: »Ey, Alter!« Die zwei Aunties vor dem Sofa rufen immer wieder im Chor: »Àmín ní ọrúkọ Jèsú!« Was so viel heißt wie »Amen im Namen Jesu!«, dafür reichen selbst meine kaum vorhandenen Yoruba-Kenntnisse. Mum macht mit hoch erhobenen Armen immer noch einen auf Rafiki aus König der Löwen. Und Auntie Debbie … tja, die schwebt im siebten Himmel.
Ich würde am liebsten mit der Faust gegen die Wand schlagen. Ich muss hier raus, aber ich kann jetzt unmöglich gehen. Nicht wenn alle Blicke auf mich gerichtet sind. Zu meiner Erleichterung hat jemand die Musik wieder angemacht, und Auntie Blessing wirbelt in die Mitte des Zimmers.
»Das soll doch hier eine Party sein, oder nicht?« Sie wiegt den Kopf hin und her. »Jetzt kommt schon!«, ruft sie in unsere unbehaglichen Mienen. »Ihr könnt mich doch nicht allein tanzen lassen.« Sie zieht Kemi zu sich und wirbelt sie herum, bevor sie Gott weiß was mit ihren Hüften anstellt.
»Heeeey! Heeeey!« Sie imitiert Kemis Tanzmoves von vorhin, und als der Refrain beginnt, dauert es nicht lange, bis es auch Kemis Freundinnen wieder nach vorne zieht. Lauthals singen sie das Pidgin-Englisch mit, nur dass sie alles falsch aussprechen, aber zumindest wackeln ihre Hintern schön im Takt. Ich atme aus, gefühlt zum ersten Mal seit einer Stunde.
Jetzt, wo alle abgelenkt sind, haste ich aus dem Wohnzimmer und renne durch den Flur. Ich muss nur noch schnell meine Jacke aus Kemis Schlafzimmer holen, dann nichts wie weg.
»Oh.« An der Schlafzimmertür halte ich verblüfft inne. »Du bist ja auch da.«
Meine Cousine Ola kniet vor Daniel, ihrem Jüngsten.
»Hey«, sagt sie und konzentriert sich wieder auf die Pampers in ihrer Hand. »Ja, ich bin mit Mum angekommen, aber Daniel braucht eine frische Windel.«
Daniel strampelt mit seinen Speckbeinchen und quietscht vergnügt.
Einen Moment lang bin ich abgelenkt davon, wie süß er ist, dann wende ich mich dem Berg aus Jacken und Mänteln auf dem Bett zu. Ich habe keine Zeit zu verlieren und wühle mich durch das Chaos.
»Ist Rachel auch da? Und Nana?«, fragt Ola, und als ich kurz zu ihr hinuntersehe, fällt mir auf, dass sie eine neue Frisur hat. Mal wieder. Als wir nach Weihnachten mit Rachel und Nana shoppen waren, hatte sie sich gerade eine Weave machen und dafür lange schwarze Haare einnähen lassen. Das war vor, keine Ahnung, vielleicht zwei Wochen? Brasilianisches Haar, glaube ich. Oder war es peruanisches? Ich habe keine Ahnung von so was, ich trage schon mein Leben lang nur mein natürliches Haar. Jetzt ist ihr Haar lang und wellig, die Farbe wie goldener Sirup. Ihr Make-up hingegen sieht aus wie immer – jede Menge Foundation, dazu Rouge und falsche Wimpern. Es gibt keinen Tag, an dem Ola sich nicht ambitioniert stylt.
»Noch nicht«, antworte ich und grabe noch immer nach meiner Jacke. »Nana drückt sich heute. Aber ich hoffe, dass Rachel bald da ist. Ihre Mum ist gerade gekommen – na endlich!« Mit einem Ruck ziehe ich meine Jacke aus dem Haufen – zu spät.
»Ah! Aber du willst doch nicht etwa schon gehen, oder?«, sagt Mum, zieht ihren Wrappa hoch und marschiert ins Zimmer, gefolgt von Auntie Debbie. »Deine Auntie und ich müssen mit dir reden.« Sie packt mich am Handgelenk, und ehe ich mich’s versehe, sitze ich eingekeilt zwischen den beiden Schwestern auf dem Bett.
»Na, Yinka, wie geht’s dir denn so?« Auntie Debbie klimpert mit ihren falschen Wimpern, um einen auf unschuldiges Bambi zu machen. »Was macht das Leben? Was macht die Arbeit?« Sie verzieht den Mund zu einem Lächeln. Es ist, als hätte das Gebet des Jahrhunderts nie stattgefunden.
»Ach, bei der Arbeit läuft’s ganz gut.« Auf einmal habe ich einen Geistesblitz. »Kommenden Dienstag werde ich übrigens befördert.«
Okay, Moment mal. Was ich eigentlich sagen wollte: »Kommenden Dienstag erfahre ich, ob ich befördert werde.« Aber bevor ich mich korrigieren kann, sieht mich Auntie Debbie mit weit aufgerissenen Augen an.
»Befördert!« Sie schnappt nach Luft. »Yinka, das ist ja großartig!«
»Das hast du mir ja noch gar nicht erzählt«, sagt Mum. Auntie Debbies Augen funkeln vor Neugier.
»Na ja …«, beginne ich und fahre mir durch den Afro. Jetzt gibt es kein Zurück mehr. »Ich bin dann nicht mehr nur Managerin, sondern Vice President. Innerhalb des Operations-Teams.«
Mum schlägt die Hände über dem Kopf zusammen. »Vice President!«, schreit sie. »Yinka, um Himmels willen, warum willst du Chefin einer Bank werden? Das ist ein Männerjob, den sie dir da geben wollen, ist dir das klar? Das ist nichts für eine Frau, die Mann und Kinder will.«
»Mum!« Ich muss unwillkürlich lachen – was sie da gerade gesagt hat, ist einfach in jeder Hinsicht falsch. »Es geht doch nicht darum, dass ich Vice President der Bank werde.« Gott segne sie. »Diese neue Stelle ist gar nicht so viel anders als das, was ich im Moment mache, es ist einfach nur die nächsthöhere Position. Und außerdem gibt es bei Godfrey jede Menge Vice Presidents, die sind alle weit davon entfernt, Chef der Bank zu sein.«
»Also ich finde das großartig«, sagt Auntie Debbie und lächelt mich strahlend an. Sie dreht sich zu ihrer Tochter um. Zieht laut hörbar Luft ein. »Ola. Willst du deiner Cousine nicht gratulieren?«
Ich sehe zu, wie Ola ein benutztes Feuchttuch in eine Plastiktüte bugsiert, und bekomme plötzlich ein schlechtes Gewissen.
»Glückwunsch«, sagt sie, so als hätte ich sie bei der Wahl zur Prom Queen geschlagen.
»Siehst du, deshalb ist es so wichtig, dass man einen Abschluss hat.« Auntie Debbie redet schon weiter. »Der ist wie ein Reisepass. Bringt dich fast überall hin.«
Am liebsten würde ich mir in den Hintern beißen und die Zeit zurückspulen. Yinka, warum musstest du nur von dieser Beförderung anfangen, warum, warum, warum? Du weißt doch, dass Auntie Debbie Ola immer noch nicht verziehen hat, dass sie wegen ihrer ersten Schwangerschaft ihr Studium abgebrochen hat.
»Nana hat auch keinen Abschluss«, murmelt Ola, während sie Daniels Beinchen in die Hose steckt.
Auntie Debbie lacht theatralisch auf. »Nana!«, sagt sie spöttisch. »Dieselbe Nana, die immer noch als Barkeeperin arbeitet und Schichten bei H&M schiebt? Ich bitte dich, Ola.«
»Und sie ist Modedesignerin!«, eile ich meiner besten Freundin zur Verteidigung.
Auntie Debbie verdreht die Augen. »Möchtegern-Modedesignerin.«
Sie macht eine wegwerfende Handbewegung. »Wie auch immer, was hältst du davon, deine Mutter morgen zum Gottesdienst zu begleiten?«
»Ähm, und was ist mit meiner Kirche?«, frage ich, und Mum sieht mich spöttisch an. Mum war noch nie ein Fan von St. Mary’s. Sie hat nichts gegen die anglikanische Kirche an sich, auch wenn deren Ein-Stunden-Gottesdienste in ihren Augen nicht mit den mitreißenden Drei-Stunden-Marathons der All Welcome Church mithalten können, die zur Pfingstbewegung gehört. Nein, was meiner Mutter an meiner Kirche aufstößt, ist … sagen wir mal, die »demographische Zusammensetzung« der Gemeinde.
»Yinka, wie willst du dort einen Mann kennenlernen, hm?«, sagt sie immer und betont jedes Wort mit einem Händeklatschen. »In deiner Kirche, da sitzen doch nur oyibos, alte weiße Knacker!«
»Also, morgen«, fährt Auntie Debbie fort, »morgen kommst du mit in die Kirche deiner Mum. Es gibt da einen jungen Mann, mit dem ich dich bekannt machen möchte. Er heißt Alex. Einer meiner Mieter. Er ist neu in London, kommt ursprünglich aus Bristol. Groß. Gut aussehend. Du wirst ihn bestimmt mögen.«
Während Auntie Debbie weiterblubbert und von Alex’ Job erzählt – er ist Webdesigner und verdient gutes Geld –, reibt sich Mum vor Freude buchstäblich die Hände.
»Danke, dass du an mich denkst, Auntie«, sage ich. »Aber das ist wirklich nicht nötig. Ich habe es nicht eilig damit, jemanden kennenzulernen.« Dann füge ich schnell hinzu: »Ich vertraue auf Gottes Zeitplan, weißt du?«
Auntie Debbie will etwas erwidern, doch Mum kommt ihr zuvor.
»Yinka! Also wirklich. Glaubst du denn, dass ein Mann einfach so vom Himmel fällt, hm?« Sie funkelt mich an. Das ist keine rhetorische Frage. Sie droht mir mit dem Finger. »Du weinst doch wohl nicht immer noch Femi hinterher?«
»Nein, ich …«
»Schau dir deine Cousine an.« Sie zeigt auf Ola, die gerade ihre Wickeltasche fertig gepackt hat. »Verheiratet, drei Kinder.«
Ich ziehe die Augenbrauen hoch. Dass Ola und Jon mehr oder weniger dazu gezwungen gewesen waren zu heiraten, kümmert sie wenig.
»Und schau dir deine kleine Schwester an. Verheiratet und schwanger.«
War ja klar, dass sie früher oder später wieder damit anfangen würde.
»Und sieh dir deine Cousine an, Rachel –«
»Sie ist nicht verheiratet!«, entgegne ich.
»Noch nicht, aber bald. Yinka, was hast du denn? Warum bist du so stur? Du bist ja nun weiß Gott keine junge Frau mehr –«
»Willst du etwa enden wie Auntie Blessing?«, fragt Auntie Debbie.
»Kai! Gott bewahre.« Mum schwingt die Hand über dem Kopf, schnipst mit den Fingern und ruft: »Oh, lieber Gott, lass meine Tochter nicht wie Blessing enden. Kein Mann! Keine Kinder. Keine Enkelkinder.«
Ihr seid so unverschämt!, würde ich am liebsten rufen. Was würde ich nicht geben, um so kultiviert zu sein wie Auntie Blessing. Wer weiß, vielleicht hat sie ja nie geheiratet, weil sie die Männer eingeschüchtert hat? Eine Frau, die Karriere macht, war zu ihrer Zeit noch nicht so üblich wie heute.
»Gott, hätte ich doch nur ein Foto von Alex.« Auntie Debbie schlägt sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. »Ich werde ihn auf Facebook adden. Deine Mutter hat recht. Mit deinem Dickschädel schadest du dir nur selbst.«
»Ich danke dir für das Angebot, Auntie. Es ist bloß …«
»Herrgott noch mal, Yinka! Jetzt sei doch nicht so verdammt engstirnig.« Dieser Ausbruch kommt von Ola, die aufgestanden ist und Daniel auf die Hüfte hebt. »Kein Wunder, dass du immer noch Single bist.« Sie zischt wie eine verärgerte Pendlerin, die es nicht geschafft hat, sich noch in den übervollen Zug reinzuquetschen.
Ich habe einen dicken, fetten Kloß im Hals. Ola kann manchmal etwas schroff sein, aber es kommt selten vor, dass ihr der Kragen platzt.
Womit habe ich das verdient?
Während ich gegen die Tränen ankämpfe, dringt aus dem Wohnzimmer plötzlich freudiges Gejohle. Im Hintergrund läuft Fela Kutis »Water No Get Enemy«, aber der Jubel klingt nach mehr als bloßer Begeisterung über einen abgefahrenen Tanzmove.
Mühsam hieve ich mich hoch, meide Olas Blick und renne zur Tür raus.
Im Wohnzimmer ist alles in Aufruhr. Rachel ist da, und sie steht neben ihrer Mum, Big Mama. Die beiden wirken ziemlich aufgekratzt.
»Yinka! Du glaubst nicht, was gestern passiert ist!« Rachel streckt die Hand vor, und an ihrem Ringfinger prangt ein funkelnder Klunker. »Ich bin verlobt!«
Ich kicke das Bettzeug beiseite und starre an die Decke, alle viere von mir gestreckt. Draußen pfeift der Wind, und der Regen prasselt an mein Fenster.
Ich kann nicht schlafen. Ich wälze mich herum, fühle mich von den Ereignissen des Tages regelrecht verhöhnt. Kurz nachdem Rachel ihre Bombe platzen ließ, bin ich gegangen. Ich sagte, dass sie mir dann am Telefon alles erzählen müsse oder nächsten Freitag, wenn Gavesh und sie ihre Verlobungsparty feierten. Keine Ahnung, ob sie mich überhaupt gehört hat. Sie war viel zu sehr ins Gespräch mit ihrer BFF Ola vertieft. Kemi war zwar traurig, dass ich schon gehen wollte, aber sie konnte es verstehen. Wie üblich entschuldigte sie sich für Auntie Debbies Verhalten.
»Ich hab so ein schlechtes Gewissen, Yinka«, sagte sie, als sie mich zur Tür brachte. »Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich selbst das Gebet übernommen.«
»Ganz ehrlich, Kemi. Niemand hält Auntie Debbie auf, wenn sie einmal in Fahrt ist.« Ich rang mir ein kleines Lachen ab. »Du brauchst dich nicht schlecht zu fühlen. Es ist doch nicht deine Schuld.«
Und Nana, meiner angeblichen BFF, die eigentlich da sein und mir moralische Unterstützung leisten sollte, schrieb ich, dass ich mich vom Acker mache und sie nicht mehr zu kommen brauche. »Tut mir leid«, antwortete sie, »wir sehen uns morgen nach der Kirche.« Das heißt heute, in ein paar Minuten.
Ich werfe mich noch einmal auf die andere Seite und strecke mich nach der Nachttischlampe. Blinzelnd sehe ich im Halbdunkel mein Spiegelbild.
Ich kann einfach nicht glauben, was da passiert ist. Ich kann nicht glauben, dass Ola mich derart bloßgestellt hat. Und wie kann Mum es nur wagen, Femi zu erwähnen …
Femi. Ich umklammere meine Bettdecke.
Hättest du nicht diese dämliche Stelle in New York angenommen, wären wir jetzt verheiratet. Ich hätte alles für dich aufgegeben. Mein Zuhause. Meine Karriere. Meine Familie, meine Freundinnen. Aber nein. Du hast es dir anders überlegt. Du hast gesagt, der Umzug in den Big Apple hätte dir gezeigt, dass du noch nicht bereit bist, dich zu binden. Was ist passiert, Femi? Wir hatten übers Heiraten gesprochen, uns sogar schon Namen für die beiden Babys überlegt, die wir uns wünschten. Ich hätte mir keinen besseren Partner vorstellen können. Du warst lieb. Aufmerksam. Du hast mir das Gefühl gegeben, dass ich schön bin. Wie konntest du das alles einfach wegwerfen?
Ich balle die Hände zu Fäusten und drücke sie mir auf die Augen. Jetzt komm schon, Yinka. Das ist jetzt fast drei Jahre her. Ich bete zu Gott, dass er mich tröstet, und sage still für mich Bibelverse auf, bis ich mich ein wenig beruhigt habe. Plötzlich fällt mir etwas ein.
Ich klettere aus dem Bett, hole meinen Laptop und krieche wieder unter die Decke. Als ich gestern von Kemis Babyparty zurück war, brauchte ich etwas Ermunterung, also tippte ich folgende Frage bei Quora ein: Wie stehen die Chancen für eine Frau über dreißig, jemanden kennenzulernen und zu heiraten?
Und hey, wer sagt’s denn? Da ist schon eine Antwort. Ich hoffe, das gibt mir gleich ein besseres Gefühl …
Ich reibe mir die Augen. »Wow.« Und sie hat zweiundzwanzig Likes bekommen.
Natürlich müssen Frauen nicht heiraten, um glücklich zu werden oder sich selbst wertzuschätzen. Aber das ist ja zum Glück auch nicht der Grund, weshalb ich heiraten möchte. Mir gefiel schon immer die Vorstellung, den Rest meines Lebens mit jemandem zu verbringen, dem ich das Versprechen gegeben habe, mit ihm ein Zuhause und eine Familie zu gründen. Bin ich deswegen eine schlechte Feministin? Tja, Julia N. King und zweiundzwanzig andere Leute auf Quora würden das wohl so sehen. Zack, schlechte Feministin.
Ich gebe dieselbe Frage bei Google ein. Ganz oben in der Ergebnisliste erscheint eine Anzeige: Wie stehen deine Chancen für die große Liebe? Finde es jetzt heraus mit unserem Gratistest!
Neugierig klicke ich auf den Link. Ein Pop-up erscheint.
Du wartest darauf, dass jemand in dein Leben tritt? Die Zeit der Unsicherheit ist vorbei! Beantworte uns einfach nur ein paar Fragen, und wir verraten dir auf Basis deiner Persönlichkeit, wann du deinen nächsten Freund kennenlernen wirst. Also, worauf wartest du? Mach noch heute unseren kostenlosen Test!
Unter normalen Umständen könnte man mich mit so etwas jagen, aber nachdem vor versammelter Mannschaft für mich gebetet wurde, kann man wohl durchaus von ungewöhnlichen Umständen sprechen. Ich klicke auf den Start-Button. Der Test besteht aus Multiple-Choice-Fragen.
Wie viele Beziehungen hattest du bisher?
a) ○ Mehr, als ich zählen kann
b) ○ Zwei oder mehr
c) ○ Eine
d) ○ Keine
Ich klicke »c« an. Femi ist der Einzige. War der Einzige.
Wie gibst du dich in Gegenwart von Männern?
a) ○ Selbstbewusst und locker
b) ○ Etwas zögerlich
c) ○ Wahnsinnig schüchtern
d) ○ Ich unterhalte mich fast nie mit Männern
Ich trommele mit den Fingern auf dem Laptop. Ich habe eigentlich kaum männliche Freunde, jetzt wo ich darüber nachdenke. In der Mittel- und Oberstufe war ich auf einer reinen Mädchenschule, deshalb hatte ich bis zum Studium im Grunde wenig Kontakt zu Jungs in meinem Alter. Und auch an der Uni war ich hauptsächlich mit Frauen befreundet. Gut, es gab Jon, der in den meisten meiner Vorlesungen saß, später mit Ola zusammenkam und kurz darauf der Vater ihrer Tochter wurde. Aber der war eigentlich mehr Olas Freund als mein Kumpel. Dann ist wohl der einzige Anhaltspunkt, den ich habe, das Kennenlernen mit Femi.
Ich erinnere mich noch, als wäre es gestern gewesen. Rachel hatte eine kleine Geburtstagsfeier zu Gaveshs Fünfundzwanzigstem organisiert. Femi war mit Gaveshs älterem Bruder Sanjeev gekommen, die beiden sind beste Freunde. Im Laufe des Abends kamen Femi und ich ins Gespräch. Ich glaube nicht, dass er mich mit irgendeinem Hintergedanken ansprach; er sagte so was wie: »Gibst du mir mal bitte eine Serviette?« Wir konnten uns richtig gut unterhalten, und zwei Stunden später fühlte es sich an, als würden wir uns schon ewig kennen. Es ging so mühelos, dass mir gar nicht klar war, was da gerade passierte.
»Kann ich deine Nummer haben?«, fragte er, als ich mir den Mantel überstreifte, um zu gehen.
»Meine Nummer?«, fragte ich verblüfft. Erst da fiel mir auf, wie gut er aussah: Undercut, leichte Stoppeln und kupferbraune Haut.
Mit einem Mal wurde ich ganz nervös.
Femi lachte und gab mir sein Handy. Ich bekam es kaum auf die Reihe, meine Nummer einzutippen – ich konnte nicht glauben, dass so ein attraktiver Typ sich für jemanden wie mich interessierte.
Auch bei unseren ersten Dates blieb dieses nervöse, aufgekratzte Gefühl, und ich fragte mich andauernd, wo der Haken war. Kniff mich, weil ich es nicht glauben konnte.
»Also, in dem Fall wohl ›b‹, sage ich laut und klicke auf den Button. Ich glaube, in Gegenwart von Männern bin ich schon einigermaßen selbstbewusst, aber etwas zögerlich.
Ich klicke mich weiter durch den Test, beantworte ein paar Fragen zu meiner Person – aber wozu brauchen die mein Alter und meine ethnische Zugehörigkeit? – und gehe dann mit einem lauten Ausatmen auf den Button »Absenden«. Jetzt komm schon, Yinka. Du bewirbst dich nicht um einen Job. Ich drücke mir trotzdem die Daumen.
Es hilft nicht.
»5,5 Jahre!« Ich starre fassungslos auf mein Ergebnis. Das heißt, ich werde erst mit, puh, sechsunddreißig oder siebenunddreißig meine nächste Beziehung haben? Ich weiß, ich habe immer gesagt, ich verliebe mich, wenn es so weit ist, aber jetzt mal im Ernst, fünf Jahre?!
Mit dem Gesicht ganz nah am Bildschirm lese ich, wie diese Zahl zustande kommt.
Deine Antworten zeigen, dass dir Dating nicht so wichtig ist und du mehr Wert auf langfristige Beziehungen legst. Da du in keinem Datingportal aktiv bist und auch eher nicht vorhast, dich irgendwo anzumelden, gehen wir davon aus, dass dir momentan andere Dinge im Leben wichtiger sind, und wenn du fünfeinhalb Jahre warten musst, lautet dein Mantra: »Dann ist das eben so.« Wir bewundern deine Unabhängigkeit. Du brauchst keinen Mann, um glücklich zu sein.
Ich klappe energisch den Laptop zu. Das Internet ist nicht gerade hilfreich. Ich raufe mir den Afro.
Und wenn Ola doch recht hat? Was, wenn ich das Problem bin?
Na gut, vielleicht nicht das Problem. Aber es könnte schon ein Funken Wahrheit darin stecken, dass ich mir selbst dabei im Weg stehe, die Liebe zu finden. Und wenn ich mich nicht weiterhin öffentlich demütigen lassen will, muss ich zu Rachels Hochzeit mit einem Date aufkreuzen. Ich brauche einen Plan. Einen Plan mit klaren Vorgaben und Zielen, so wie wir sie uns bei der Arbeit setzen.
Ich hole mein Notizbuch, krame aus den Tiefen meiner Tasche einen Stift hervor und lege mich damit wieder ins Bett. Ich schlage eine leere Seite auf und schreibe: »Projekt Wedding-Date: Wie ich mir einen Begleiter für Rachels Hochzeit angele.« Ich atme tief durch und fühle mich direkt besser.
Als Nächstes zeichne ich eine Tabelle. Wenn wir bei Godfreys mit einem neuen Projekt beginnen, zeichnen wir immer Tabellen mit Spalten für »Ziele«, »To-dos«, »Deadline« und »KPIs«, die Indikatoren, anhand derer wir dann unseren Erfolg messen. Ein paar Minuten später hab ich’s.
Projekt Wedding-Date: Wie ich mir einen Begleiter für Rachels Hochzeit angele
ZIELE | TO-DOs | DEADLINE | KPIs |
---|---|---|---|
1. Einen Mann im echten Leben kennenlernen | Bei Rachels Verlobungsfeier mit Singlemännern ins Gespräch kommen | Nächster Freitag | Ich tausche mit jemandem Nummern aus |
2. Einen Mann online kennenlernen | Bei Datingseite anmelden, falls ich bei Rachels Verlobung niemanden kennenlerne | Ende Januar | Ich finde online ein Match
Wir tauschen Nummern aus, telefonieren und gehen auf ein Date |
Ich überfliege meinen Plan noch einmal und überlege, ob ich als weiteres Ziel noch »Auntie Debbies Angebot annehmen, mich mit Alex bekannt zu machen« hinzufügen soll – und entscheide mich gleich wieder dagegen. Nein. Falls ich Alex nicht mag, wird mich Auntie Debbie bis zum Tag meiner Verlobung daran erinnern, dass ich selbst schuld an meinem Singledasein bin. Lieber nicht. Außerdem muss es auf der Verlobungsparty von Rachel und Gavesh doch mindestens einen brauchbaren Singlemann geben. Femi habe ich schließlich auch vor Jahren auf einer Party kennengelernt. Also stehen die Chancen, dass nächsten Freitag jemand dabei ist, doch gar nicht so schlecht, oder?
Mit einem letzten Blick auf meinen Plan klappe ich das Notizbuch zu. Projekt Wedding-Date. Dann mal los!
Sonntag
Yinka:
Mum hat recht. In St. Mary’s finde ich garantiert keinen Mann lol
Nana:
Ach, was du nicht sagst! Kommst du vorbei? x
Yinka:
Ja. Bis später. Bin schon gespannt auf deine Entschuldigung! x
»Tja, das war dann wohl nichts mit dir und Kemis Babyparty gestern?«
Seit meiner WhatsApp ist eine Stunde vergangen, und ich wate durch unzählige Pailletten und lose Fadenreste, die auf Nanas Teppich in ihrer Wohnung in New Cross Gate verstreut liegen.
»Ich war schon auf dem Weg zu Kemi, als deine WhatsApp kam«, sagt sie, während sie ihre langen Locs zu einem Dutt auftürmt, der wegen des Gewichts sofort zur Seite kippt. Sie sitzt in einem weiten Dashiki auf dem Bett, die schlanken Beine ausgestreckt. »Aber du weißt ja, dass ich Menschenansammlungen lieber meide. Manchmal vermischen sich da einfach zu viele unterschiedliche Auren. Keine Ahnung. Irgendwie stört das meinen inneren Frieden.«
Ich verdrehe die Augen und pflanze mich zu ihr aufs Bett. »Du wolltest also erst kommen, wenn alle schon weg sind?«
Nana zuckt lachend mit den Schultern. Sie hat sich kein bisschen verändert in den fünfzehn Jahren, in denen wir jetzt schon beste Freundinnen sind. Wir haben uns in der Oberstufe kennengelernt, als sie eines Tages plötzlich vor mir stand und mir ein Klemmbrett in die Hand drückte.
»Das ist eine Petition gegen die Haardiskriminierung von Schwarzen Menschen«, sagte sie.
Von diesem Moment an wusste ich, dass wir uns blendend verstehen würden. Ich nahm sie sofort in unsere Clique auf, »Destiny’s Child«, wie meine Cousinen Rachel, Ola und ich uns seit der Sekundarstufe nannten, obwohl wir überhaupt nicht singen konnten. Natürlich nahm Ola für sich in Anspruch, Beyoncé zu sein, und Rachel übernahm die Rolle von Kelly, wobei ich damals mit dreizehn eigentlich fand, dass dieser Part eher mir zugestanden hätte, weil ich dunkler bin. Aber wir hatten ohnehin nicht die geringste Ähnlichkeit mit der Band. Rachel und Ola beteuerten immer, dass wir alle »beste Freundinnen« waren, doch tief im Innern wusste ich, dass es zwischen den beiden eine besondere Verbindung gab, bei der ich außen vor blieb. Und mir war auch klar, dass Ola und ich wahrscheinlich nur wegen Rachel befreundet waren.
»Was willst du denn damit sagen?«, rief Rachel, als ich ihr einmal anvertraute, wie ich darüber dachte; Ola war an dem Tag krank und nicht in der Schule. »Red doch keinen Quatsch, Yinka, du gehörst zur Familie! Ola liebt dich. Wenn sie mit jemandem ein Problem hat, dann mit ihrer Mutter, nicht mit dir.«
Da konnte ich kaum widersprechen. Auntie Debbie war sehr streng zu Ola und verglich uns andauernd miteinander, als wären wir zwei Küchengeräte, zwischen denen sie sich entscheiden musste: Wer war besser in der Schule, wer hatte die schöneren Haare, wer benahm sich besser, wer hatte weniger Pickel. Aber dafür konnte ich nichts. Außerdem hatte ich meine eigenen Probleme mit Mum, die mir ständig Druck machte.
Als ich Nana damals kennenlernte und wir uns auf Anhieb so gut verstanden, dachte ich: Endlich habe ich meine eigene beste Freundin. Ich hing an ihr wie an einer Schwester. Nanas entspannte Art und ihr unkonventioneller Stil haben etwas Erfrischendes und Bewundernswertes. Obwohl unsere Persönlichkeiten grundverschieden sind, hielt man uns früher oft für Schwestern. Wir haben den gleichen dunklen Hautton, sind beide schlank und haben beide einen J-förmigen Hintern.
Ich weiß nicht, warum ich so eine Faszination für Frauenpos habe – vielleicht, weil Gott mir keinen fülligen geschenkt hat –, aber ich habe mir angewöhnt, weibliche Po-Formen mit Buchstaben zu bezeichnen, etwa so, wie man Frauenkörper nach Obstsorten benennt. Und mir ist aufgefallen, dass sowohl Nana als auch ich einen J-förmigen Hintern haben: Es gibt keinen klar erkennbaren Punkt, an dem der Rücken aufhört, er geht fast gerade in den Po über, der dann wiederum in einem winzigen Fettpolster endet. Nana trägt trotzdem alles, worauf sie Lust hat; sie hat diesen afrikanisch angehauchten Grunge-Style (ich glaube, man nennt das Afropunk). Ich dagegen hasse jede Art von Kleidung, die meinen flachen Hintern betont. Ich trage das ganze Jahr über lange Cardigans.
»Rachel hat sich also verlobt«, sagt Nana und reibt sich die Schulter, auf der zwei schwarze Ankh-Tattoos zu sehen sind.
»Und wir sind die Brautjungfern.«
Nana grinst. »Und rate mal, wer die Kleider für die Brautjungfern näht.«
Ich stupse Nanas Fuß an. »Na, wenn das so ist, werden wir natürlich sensationell aussehen.« Mein Blick wandert zur gegenüberliegenden Wand, die mit Skizzen und Fotos ihrer kühnen Waxprint-Designs übersät ist, inspiriert von ihrer ghanaischen Herkunft. »Nana, im Ernst, du musst deinen Job aufgeben und das hier hauptberuflich machen. Ehrlich, du hast so viel Talent! Allein dieser Blazer!« Ich deute auf eine Schneiderpuppe, die einen blauen Blazer mit riesigen Schulterpolstern und einem Revers aus Kentestoff trägt. »Das könnten sie in Black Panther tragen.«
Nana lacht und zupft an ihrem Nasenring. »Ich weiß, ich weiß. Aber irgendwie muss ich ja meine Rechnungen bezahlen.« Sie klopft sich auf die Oberschenkel. »Wie war denn die Babyparty? Und warum bist du eigentlich so früh abgehauen?«
»Ach, ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll.« Ich lehne mich mit dem Rücken an die Wand, und dann erzähle ich ihr alles, mehr oder weniger in einem Atemzug. Ich lasse nur Auntie Debbies unfreundliche Bemerkungen über sie aus und Olas Behauptung, ich sei engstirnig.
»O Mann«, sagt Nana, als ich mit meinem Bericht fertig bin; meine Stimme ist schon ganz heiser. »Diesmal ist Auntie Debbie wirklich zu weit gegangen. Vor versammelter Mannschaft zu Gott beten, er möge dein Singledasein beenden – ich meine, geht’s noch?«
»Danke!«
»Und dieser Typ, den sie dir vorstellen will …«
»Alex«, sage ich, bereit für die nächste Tirade.
»Warum willst du den nicht kennenlernen?«
Ich starre Nana sprachlos an.
Sie starrt zurück. »Du bist Single. Wo ist das Problem?«
»Nana, hast du mir nicht zugehört? Auntie Debbie hat mich bloß-ge-stellt«, sage ich, einen nigerianischen Akzent nachahmend. »Nein, falsch, sie hat mich bloßgestellt und dann auch noch meine Mutter mit reingezogen«, schiebe ich nach, bevor sie mir ins Wort fallen kann. »Und stell dir mal vor, was passieren würde, wenn ich Alex kennenlerne und ihn nicht leiden kann. Auntie Debbie würde doch voll den Aufstand machen! Da kann ich echt drauf verzichten. Hast du etwa schon vergessen, was sie auf Kemis Hochzeit abgezogen hat?«
Nana schürzt die Lippen.
»Na also.«
Nachdem ich es damals nicht geschafft hatte, den Brautstrauß zu fangen, stürmte Auntie Debbie auf die Tanzfläche, schnappte sich das Mikrofon und pfiff die Gewinnerin mit der Begründung zurück, ihre Nichte bräuchte den Strauß dringender. Dann fragte sie die andere Frau nach ihrem Alter, und als sich herausstellte, dass wir gleichaltrig waren, riss sie ihr den Strauß aus der Hand, teilte ihn in zwei Hälften und verkündete: »Dann werdet ihr eben beide heiraten!« Woraufhin meine dreihundert Uncles und Aunties im Chor »Amen!« riefen.
Nana schüttelt den Kopf. »Ich verstehe, was du meinst. Es ist nur …« Sie beißt sich auf die Lippe.
Ich seufze. »Komm schon, spuck’s aus.«
»Ich weiß ja, dass du an die Liebe glaubst. Und es ist toll, dass du davon überzeugt bist, sie eines Tages zu finden. Aber wie willst du sie finden, wenn du nicht auch mal nach ihr suchst?«
Ich lache. »Kaum zu fassen, dass ausgerechnet du das sagst.« Nana hatte seit einer Ewigkeit keinen Freund mehr. Sie hat Glück, dass sie damit durchkommt, weil ihre Eltern insgesamt ziemlich tolerant und entspannt sind. Meine Mutter wäre mir sofort an die Gurgel gesprungen, wenn ich ihr eröffnet hätte, dass ich nicht vorhabe zu studieren.
»Hey, es geht hier nicht um mich«, sagt Nana. »Zwischen dir und mir gibt es einen entscheidenden Unterschied. Für mich ist es in Ordnung, wenn ich nie die Liebe finde und allein alt werde. Ich fühle mich nämlich mit mir selbst am wohlsten.« Sie deutet mit dem Finger auf mich. »Du dagegen bist eine unverbesserliche Romantikerin. Du glaubst an die Liebe und den ganzen Kram.«
»Und ich werde sie auch finden, aber bestimmt nicht mit Auntie Debbies Hilfe.«
»Wie denn sonst?« Nana greift sich ins Haar, der chaotische Dutt gerät noch mehr in Schieflage. »Wie willst du einen Mann finden, wenn du dich total in deiner Arbeit vergräbst?«
»Aber ich muss arbeiten gehen!«, protestiere ich. »Außerdem weißt du genau, warum ich in den letzten drei Jahren nicht auf Männersuche war. Aber so langsam …« Soll ich ihr von meinem Projekt Wedding-Date erzählen? Nee, zu peinlich. Trotzdem kann ich mir ein Grinsen nicht verkneifen. »So langsam wird es Zeit, dass die gute Yinka sich wieder aus ihrer Höhle wagt.«
Nana zieht die Augenbrauen hoch, beugt sich vor und legt mir die Hand auf die Stirn, als wollte sie prüfen, ob ich Fieber habe. Als ich ihre Hand wegschiebe, lacht sie.
»Nana, ich meine es ernst! Ich habe sogar schon einen Plan. Kommenden Freitag, auf Rachels Verlobungsparty, kann ich bestimmt mit ein paar Typen ins Gespräch kommen.«
Nana schnaubt. »Setz besser nicht deine ganze Hoffnung auf den kommenden Freitag.«
Ich runzele die Stirn.
»Laut Rachel wird das keine Party, bloß eine kleine Feier«, sagt Nana. »Willst du es nicht lieber mit Online-Dating versuchen?«
»Das wäre meine nächste Option, aber nach den ganzen Gruselstorys, die ich darüber gehört habe, bin ich nicht besonders scharf darauf. Außerdem bin ich eher oldschool, das weißt du doch.«
»Stimmt.« Nana lacht. »Jedenfalls bin ich froh, dass du endlich mal die Fühler ausstreckst. Ich hatte mir schon Sorgen gemacht, du würdest vielleicht noch immer an Femi hängen.«
Ich verschränke die Arme. »Ähm, entschuldige mal. Ich stalke den Kerl nicht mal auf Facebook.«
»Du bist die einzige Person, die ich kenne, die immer noch auf Facebook ist«, spottet Nana.
Wir lachen beide, dann wandern meine Gedanken wieder zu meinem Plan. Ich hoffe wirklich, dass ich auf Rachels und Gaveshs Verlobungsfeier – auch wenn es keine Riesenparty wird – ein paar Singlemännern begegne. Aber vielleicht sollte ich auf Nana hören und auch andere Möglichkeiten in Betracht ziehen.
»Du, Yinka?«
»Was denn?« Ich schaue auf. Nana fummelt an ihren zig Ohrpiercings. »Soll ich etwa schon wieder Schneiderpuppe spielen?«
»Nein, nein.« Sie streicht mit dem Finger über das Kleopatra-Tattoo auf ihrem linken Handgelenk. »Meine Vermieterin will mehr Geld für die Wohnung.«
»Im Ernst? Das ist doch Wahnsinn. Du bist doch erst vor sechs Monaten eingezogen.«
Nana seufzt. »Ja, ich weiß. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass New Cross so teuer werden würde.«
»Verdammt. So ein Mist.«
»Ja«, sagt sie finster. »Also dachte ich mir …« Sie schürzt die Lippen. »Du hast doch noch ein freies Zimmer …«
»O nein, bitte …«
»Es wäre ja nicht für immer! Bitte, Yinka«, fleht sie. »Sonst muss ich zu meiner Schwester und ihren drei Kindern ziehen. Wo soll ich da meinen ganzen Kram unterbringen?«
»Aber das würde unsere Freundschaft ruinieren«, jammere ich. »Außerdem würde meine Aura doch bestimmt deinen inneren Frieden stören.«
»Ach, jetzt auf einmal