Cover

WARRIOR CATS

Staffel I

In die Wildnis (Bd. 1)

Feuer und Eis (Bd. 2)

Geheimnis des Waldes (Bd. 3)

Vor dem Sturm (Bd. 4)

Gefährliche Spuren (Bd. 5)

Stunde der Finsternis (Bd. 6)

Staffel II – Die neue Prophezeiung

Mitternacht (Bd. 1)

Mondschein (Bd. 2)

Morgenröte (Bd. 3)

Sternenglanz (Bd. 4)

Dämmerung (Bd. 5)

Sonnenuntergang (Bd. 6)

Staffel III – Die Macht der drei

Der geheime Blick (Bd. 1)

Fluss der Finsternis (Bd. 2)

Verbannt (Bd. 3)

Zeit der Dunkelheit (Bd. 4)

Lange Schatten (Bd. 5)

Sonnenaufgang (Bd. 6)

Staffel IV – Zeichen der Sterne

Der vierte Schüler (Bd. 1)

Fernes Echo (Bd. 2)

Stimmen der Nacht (Bd. 3)

Spur des Mondes (Bd. 4)

Der verschollene Krieger (Bd. 5)

Die letzte Hoffnung (Bd. 6)

Staffel V – Der Ursprung der Clans

Der Sonnenpfad (Bd. 1)

Donnerschlag (Bd. 2)

Der erste Kampf (Bd. 3)

Der Leuchtende Stern (Bd. 4)

Der geteilte Wald (Bd. 5)

Der Sternenpfad (Bd. 6)

Staffel VI – Vision von Schatten

Die Mission des Schülers (Bd. 1)

Donner und Schatten (Bd. 2)

Zerrissene Wolken (Bd. 3)

Dunkelste Nacht (Bd. 4)

Fluss aus Feuer (Bd. 5)

Wütender Sturm (Bd. 6)

Staffel VII – Das gebrochene Gesetz

Verlorene Sterne (Bd. 1)

Eisiges Schweigen (Bd. 2)

Schleier aus Schatten (Bd. 3)

Finsternis im Inneren (Bd. 4)

Ort ohne Sterne (Bd. 5)

Special Adventure

Feuersterns Mission

Das Schicksal des WolkenClans

Blausterns Prophezeiung

Streifensterns Bestimmung

Gelbzahns Geheimnis

Riesensterns Rache
Brombeersterns Aufstieg

Mottenflugs Vision

Habichtschwinges Reise

Tigerherz’ Schatten

Krähenfeders Prüfung

Eichhornschweifs Hoffnung

Graustreifs Versprechen

Short Adventure

Wolkensterns Reise

Distelblatts Geschichte

Nebelsterns Omen

Taubenflugs Schicksal

Ahornschattens Vergeltung

Tigerkralles Zorn

Blattsees Wunsch

Die unerzählten Geschichten

Tüpfelblatts Herz

Rabenpfotes Abschied

Wege zum SchattenClan

Mystische Spuren

Die Welt der Clans

Das Gesetz der Krieger

Die letzten Geheimnisse

Von Helden und Verrätern

Legendäre Kämpfe

Deine Welt der Clans

Alle Abenteuer auch als E-Books bei Beltz & Gelberg

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Erin Hunter ist ein Autorinnenteam und inspiriert von der Liebe zu Katzen und der Faszination von der Wildnis. Immer mit dem größten Respekt gegenüber der Natur in all ihren Formen, findet Erin Hunter mystische Erklärungen für das Verhalten der Tiere und erschafft magische Welten.

Das Team ist ebenfalls Autor_in von Bravelands und den Survivor Dogs.

KIESELGLANZ’ JUNGE

DANKSAGUNG

Besonderen Dank an Cherith Baldry

DIE HIERARCHIE DER KATZEN

WOLKENCLAN

KARTE 1

KARTE 2

1. KAPITEL

Dornen kratzten über Kieselglanz’ Rücken, als sie sich durch das Gebüsch schob, doch der stechende Schmerz in ihrem Bauch trieb sie weiter, bis sie auf der anderen Seite herauskam. Der WolkenClan hatte sein Zuhause bei der Schlucht vor fast zwei Monden verlassen und alle Krieger waren hungrig und müde. Kieselglanz spürte das noch deutlicher als die anderen, da sie Junge erwartete. Sie wusste, dass ihre Clan-Gefährten auf der anderen Seite des Gebüschs fast so weit waren, dass sie die Jagd aufgeben wollten. Sie spähte nach unten, wurde vor Schreck ganz starr und grub ihre Krallen in die Erde.

Direkt vor ihr lag ein breites Stück Land, das mit demselben harten schwarzen Belag wie der Donnerpfad versehen war. Dort kauerten mehrere Zweibeinermonster und hinter ihnen erhoben sich die grauen Wände eines Zweibeinerbaus. Durch ein Loch in der Wand führte ein schmaler Donnerpfad weiter in die Ferne.

Kieselglanz zog sich langsam wieder in den Schutz der Büsche zurück. All ihre Instinkte drängten sie dazu, sich außer Sichtweite zu bringen, bevor die Monster sie erspähten. Doch noch ehe sie sich mehrere Pfotenschritte entfernt hatte, zog ihr ein köstlicher Duft zwischen die Kiefer. Sie blieb stehen, schmeckte die Luft, um herauszufinden, wo der Geruch herkam. Als ihr bewusst wurde, dass er von einem der Zweibeinermonster herrührte, weiteten sich ihre Augen überrascht.

Das ist ja Beute! Auf diesem Monster ist Beute gefangen. Wenn wir die nur zu unseren Clan-Gefährten bringen könnten!

Kieselglanz sah, dass sich keine der riesigen Kreaturen bewegte. Vielleicht schliefen sie ja alle. Ihr Herz pochte mit einem Mal ganz schnell, während sie über die Risiken nachdachte, die sie und ihre Clan-Gefährten eingehen müssten, um direkt aus den Fängen eines Monsters Beute zu entwenden. Dann knurrte ihr Bauch wieder und erinnerte sie daran, wie hungrig sie war. Wie lange war es her, dass sie und die anderen Katzen des WolkenClans sich satt gefressen hatten?

»Wir müssen das Risiko eingehen!«, murmelte sie vor sich hin.

Kieselglanz ließ Wespenbart, den Zweiten Anführer des WolkenClans, vorangehen, als sie sich aufs offene Feld begaben, um das nach Beute duftende Monster zu erkunden. Ihr Gefährte, Habichtschwinge, tapste neben ihr her, während Lockenpfote und Blütenherz, die beiden anderen Mitglieder ihrer Patrouille, das Schlusslicht bildeten.

Sobald sie und ihre Clan-Gefährten näher kamen, hörte Kieselglanz, dass vom hinteren Bereich des Monsters gackernde Geräusche aus glänzenden Kisten ertönten, die eigenartigen Nestern ähnelten.

»Da sind ja Vögel drin!«, rief Habichtschwinge.

»Und sie sind gefangen«, fügte Kieselglanz hinzu. »Sie müssen eine Art Zweibeinerbeute sein.«

Wespenbart nickte. »Genau das sind sie auch. Man nennt sie Hühner. Ein paar Zweibeiner in der Nähe der Schlucht haben solche gehalten.«

Kieselglanz starrte zu den glänzenden Nestern, war ihnen nahe genug, um die vielen Federn zu sehen, die sich an die Seiten pressten, dazu ein paar Köpfe, die mit ihren spitzen Schnäbeln und Knopfaugen herausschauten. Der verführerische Duft war hier noch stärker und ein Hungergefühl durchzog ihren Bauch wie die Klauen eines Dachses.

Ungeduldig zuckte Kieselglanz mit den Ohren, während Habichtschwinge und Wespenbart darüber diskutierten, ob es sich tatsächlich lohnte, dieses Risiko einzugehen. »Wisst ihr«, maunzte Kieselglanz und blickte sich wachsam um, »das Monster schläft und es sind keine Zweibeiner hier. Warum machen wir nicht einfach …« Sie blickte zum Zweiten Anführer, flehte stumm darum, dass er die Situation so einschätzte wie sie. Wir können das schaffen. Ich weiß, dass wir das schaffen können!

Endlich nickte Wespenbart. »Lasst uns das machen. Habichtschwinge, du und Lockenpfote, ihr haltet Wache. Die anderen kommen mit mir.«

»Ich kann auch klettern«, maunzte Habichtschwinge.

»Nein, dir tut das Bein weh, das sehe ich doch«, antwortete Wespenbart. »Hier unten bist du uns nützlicher.«

Mitfühlend sah Kieselglanz zu ihrem Gefährten. Sie wusste, wie frustriert er über die anhaltenden Nachwirkungen seiner Beinverletzung war, die er sich beim Sturz von einem Baum einen Monat zuvor zugezogen hatte, als er einem Eichhörnchen nachjagte. Demonstrativ blickte Habichtschwinge auf Kieselglanz’ gewölbten Bauch. »Dann sollte Kieselglanz auch hierbleiben«, meinte er.

»Stimmt, Kieselglanz, du musst vorsichtig sein«, stimmte Blütenherz ihm zu. Wespenbart nickte.

Zunehmend genervt starrte Kieselglanz zu ihren Clan-Gefährten. Sie wusste, dass sie sich Sorgen um sie machten, weil sie Habichtschwinges Junge trug, aber sie mussten sie ja nicht gleich so behandeln, als wäre sie krank. »Ich bin noch nicht so dick, dass es einen Unterschied machen würde«, warf sie ein und ließ ihre Schwanzspitze nervös hin und her zucken. »Ich kann noch immer genauso schnell laufen wie ihr alle. Außerdem war es meine Idee.«

Wespenbart sah sie mit zusammengekniffenen Augen an, dann entspannte er sich mit einem Seufzen. »Na gut. Lasst es uns machen, bevor wir alle noch verhungern.«

Ehe sie sich dem Monster näherten, fing Kieselglanz Habichtschwinges besorgten Blick auf, blieb kurz stehen und fuhr ihm mit dem Schweif über die Flanke. Dann kletterte sie zusammen mit Wespenbart und Blütenherz von hinten auf das Monster, war überrascht von dem ungewohnten Gefühl, als ihre Klauen über dessen harten Pelz kratzten.

Sie erreichten einen kleinen Absatz, der sich hinten am Monster befand, von wo sie die unzähligen kleinen, mit Vögeln gefüllten Baue weiter unten sahen. Alle drei Katzen sprangen vom Rücken des Monsters, verharrten kurz und sahen sich mit großen Augen um. Das sind so viele von diesen eigenartigen Nestern!, dachte Kieselglanz. Und in jedem davon ist ein Huhn. Aufgeregt rief sie das Habichtschwinge und Lockenpfote zu, damit sie auch wussten, was sie hier vor sich hatten.

Während Wespenbart und Blütenherz voranschritten, wurde das Gackern der Hühner immer panischer. Kieselglanz’ Jagdinstinkte setzten ein, und sie folgte ihren Clan-Gefährten, die sich bereits anschlichen. Kieselglanz streckte eine Pfote durch eines der Löcher zwischen den glänzenden Gittern hindurch und versuchte, ein Huhn mit ihren Krallen zu erhaschen. Doch der Vogel flatterte wie wild mit den Flügeln und sie bekam ihn einfach nicht zu fassen. Auch Wespenbart und Blütenherz hatten Schwierigkeiten: Blütenherz zog ihre Pfote mit einem frustrierten Fauchen zurück, als das Huhn mit seinem spitzen Schnabel nach ihr pickte, wohingegen es Wespenbart nur gelang, ein paar Federn zu ergattern.

Kieselglanz lief das Wasser im Mund zusammen, während sich der köstliche Beuteduft um sie herum ausbreitete. Es war zum Verrücktwerden, sie waren der Beute, die sie so verzweifelt brauchten, so nahe, bekamen aber nichts zu fassen.

Denn selbst wenn es uns gelingen sollte, eine dieser dämlichen Kreaturen zu fangen, wäre es doch unmöglich, sie durch diese winzigen Löcher herauszuziehen, wurde Kieselglanz bewusst. Zweifel erfassten sie, während sie sich fragte, ob es falsch gewesen war, der Patrouille dieses Unterfangen überhaupt vorgeschlagen zu haben. Fest entschlossen verdrängte sie den Gedanken dann aber. Irgendwie müssen wir diese Nester doch aufbekommen.

Sie trat eine Schweiflänge zurück und betrachtete die ineinander verwebten Ranken, aus denen die Nester bestanden. Um ihre Baue herzustellen, verwebten sie und ihre Clan-Gefährten ständig Zweige und Ranken miteinander, aber diese Ranken hier waren glänzend, hart und in regelmäßigen Abständen angebracht, außerdem gaben sie auf Pfotendruck nicht nach. Sie versuchte hineinzubeißen, doch davon taten ihr nur die Zähne weh. Was kann ich denn dann machen?, fragte sie sich. Es muss doch einen Weg geben, wie die Zweibeiner diese Nester aufbekommen. Ein paar Herzschläge lang war sie völlig verwirrt. Dann entdeckte sie eine Art glänzenden Zweig, der in einem gewundenen Wedel des Nests steckte.

Sie schlug mit der Pfote darauf und bewegte ihn leicht. Dann schob sie ihn vorsichtig von einer Seite zur anderen, immer mehr, und unvermittelt verstand Kieselglanz, wie das System zu funktionieren schien. Wenn es mir gelingt, das Ende hier nach unten zu drücken, dann sollte das andere Ende sich nach oben bewegen, dachte sie. Und damit müsste dann die ganze Seite aufgehen.

Sie drückte mit einer Pfote auf den Zweig, doch er war steif, rührte sich nicht. Wütend fauchte sie, dann übte sie mehr Druck aus, brachte dafür ihre ganze Kraft auf. »Beweg dich endlich, beim SternenClan!«, murmelte sie.

Sie war so sehr auf ihre Arbeit konzentriert, dass das Heulen von Habichtschwinge und Lockenpfote, die unten auf dem Boden Wache hielten, nur undeutlich zu ihr hinaufdrang. Dann hörte sie Wespenbarts Stimme. »Fuchsdung!«

Kieselglanz warf einen Blick über die Schulter und sah Wespenbart und Blütenherz, die mit den Vorderpfoten auf dem Absatz standen, von dem sie nach unten gesprungen waren.

»Der Zweibeiner!«, rief Wespenbart. »Mach schon!«

Er und Blütenherz kletterten die Wand mit den Hinterpfoten hinauf, blieben oben einen Herzschlag lang stehen, dann verschwanden sie. »Komm endlich, Kieselglanz!«, maunzte Wespenbart, als er nach unten sprang.

»Bin schon unterwegs!«, rief Kieselglanz, doch statt ihren Clan-Gefährten zu folgen, wandte sie sich wieder zu dem Nest um. Ich habe es fast geschafft …

Abermals drückte sie den Zweig nach unten und dieses Mal gab er nach, rutschte aus der gebogenen Windung heraus, die ihn festhielt. Eine Seite des Nests klappte auf, genau wie Kieselglanz es sich vorgestellt hatte. »Endlich!«, miaute sie.

Dann drehte sich das Huhn zu ihr um, vor Furcht einen wilden Ausdruck in seinen Knopfaugen, und da wurde ihr bewusst, dass das vermutlich der einfache Teil gewesen war. Mit dieser Beute war sie nicht vertraut. Sie kauerte sich hin, fauchte die Kreatur an, ehe sie hineinhechtete und sich das Huhn mit Zähnen und Krallen packte.

In diesem Moment hörte sie Habichtschwinges Stimme. »Wo ist Kieselglanz?«

»Ich bin immer noch hier!«, rief sie, spuckte einen Mundvoll Federn aus, um gehört zu werden. »Ich habe eines der Nester aufbekommen. Ich habe ein Huhn!«

»Dann komm jetzt runter, schnell!«, brüllte Habichtschwinge.

Kieselglanz versuchte, ihre Beute zum Rand der Pritsche zu ziehen, doch das Huhn krächzte verzweifelt, schlug wild mit den Flügeln um sich und trat mit seinen Krallen nach ihr. Es war beinahe so groß wie sie selbst und seine Federn so groß und weich, sie erstickte fast daran. Rote Hautfetzen sprossen an seinem Kopf nach oben und hingen unter seinem Kinn herunter, und noch während sie mit ihm kämpfte, konnte Kieselglanz nicht umhin zu denken, wie lächerlich das Huhn doch aussah. Einen Moment lang befürchtete sie, es könnte zu stark für sie sein. Aber ich werde nicht aufgeben!, sagte sie sich und mühte sich ab, die Zähne in den Nacken des Huhns zu schlagen.

Wespenbarts Schrei drang herauf. »Kieselglanz, jetzt

»Ich komme ja schon!«, wiederholte Kieselglanz und packte ihre gesamte Frustration in ihr Jaulen. »Aber dieser dumme Vogel stellt sich quer!«

»Dann lass ihn eben!« Habichtschwinges Stimme klang panisch.

»Aber der Clan braucht ihn!«, widersprach Kieselglanz.

Das Monster stieß ein tiefes, kehliges Knurren aus, dann fing sein Rücken unter Kieselglanz’ Pfoten an zu vibrieren. Fuchsdung! Es wacht auf, dachte Kieselglanz und wurde bei dem Gedanken, dass das Monster sie bemerken könnte, ehe sie es schaffen würde, sich mit ihrer Beute davonmachen, ganz zornig.

Mit einer letzten verzweifelten Anstrengung hechtete sie nach vorn und bohrte ihre Zähne in die Kehle des Huhns. Unvermittelt brach sein Gackern ab, und Kieselglanz spürte, wie ein warmer Blutstrom über ihren Kiefer rann. Das Huhn zuckte ein letztes Mal zusammen, dann hing es reglos da.

In einem Aufwallen des Triumphes vergaß Kieselglanz vorübergehend die Gefahr, richtete sich auf und zog das Huhn an den Rand der Pritsche. Doch ehe sie dort angelangt war, fing das Monster an, sich zu bewegen, schob sich mit einem beständigen, fest entschlossenen Brummen rückwärts.

Von Angst erfasst, ließ Kieselglanz das Huhn fallen und sprang nach oben, sodass ihre Pfoten sich an der Seite des Monsters festkrallten. »Spring, Kieselglanz! Spring!«, quiekte Blütenherz und trat den Rückzug an, während das Monster sich ihr und ihren Clan-Gefährten immer weiter näherte.

Die Patrouille zerstreute sich, als das Monster auf sie zukam, um seinen großen schwarzen Pfoten zu entkommen. Nur Habichtschwinge blieb stehen, schob Lockenpfote aus dem Weg und rannte dann sogar auf das Monster zu.

Habichtschwinge, nein! Kieselglanz machte den Mund auf, um einen Warnruf auszustoßen, doch genau da blieb das Monster stehen, kaum eine Schweiflänge von ihrem Gefährten entfernt. Er kauerte sich hin, sammelte seine Kraft, um zu ihr nach oben zu springen.

»Nein! Ich komme runter!«, keuchte Kieselglanz, war sich nicht sicher, ob er sie hörte, krallte sich wild fest, um zum oberen Bereich der Wand zu gelangen und von dort herunterzuspringen.

Doch noch ehe eine der Katzen zum Sprung ansetzen konnte, bewegte sich das Monster wieder, mit noch lauterem Gebrüll, und stieß eine stinkende Wolke zwischen den Hinterfüßen aus. Hinter der Wand erhaschte Kieselglanz einen Blick auf weitere Monster, die über einen breiteren Donnerpfad entlangrasten. Ihr Herz pochte. Es fühlte sich an, als steckte ihr gesamter Körper in einem Eisblock fest. Sie versuchte zu springen, doch ihre Beine bewegten sich nicht; ihre Gedanken kreisten unablässig um eine Vision von sich, wie sie von diesen zermalmenden Pfoten platt gewalzt wurde.

»Kieselglanz!«, rief Habichtschwinge.

Kieselglanz sah, wie er zu einem beeindruckenden Satz ansetzte, die Vorderpfoten ausstreckte, um auf den Rücken des Monsters zu gelangen. Doch er kam zu spät, der Sprung war zu kurz und er fiel mit einem dumpfen Schlag auf den harten Boden. Kieselglanz wimmerte, wusste, dass dieser Sturz sein verletztes Bein erschüttert haben musste.

Sie setzte zu einer letzten, verzweifelten Anstrengung an, um die Wand zu erklimmen, verlor jedoch das Gleichgewicht, als das Monster einen Ruck nach vorn machte und schneller wurde. Als es ihr gelang, wieder auf die Pfoten zu kommen, war das Monster zu schnell, als dass sie gefahrlos hätte herunterspringen können.

Kieselglanz beobachtete, wie die Bäume zu einem einzigen Fleck wurden, während das Monster immer weiter beschleunigte. Ihr war schlecht, doch sie konnte nicht sagen, ob aufgrund der Bewegung oder aber der schleichenden Furcht, die drohte, sie zu übermannen. Was, wenn ich nie … So darf ich nicht denken, gebot sie sich. Was auch immer als Nächstes passieren wird, ich muss fest daran glauben, dass ich meinen Clan wiederfinden werde. Schließlich bin ich eine WolkenClan-Kriegerin … und ich werde ihn finden!

Sie presste ihre Pfoten gegen das Monster, starrte nach hinten zu Habichtschwinge und rief: »Ich werde meinen Weg zurück zu dir finden!«

Habichtschwinge stürzte nach vorn, rannte dem Monster hinterher, doch Kieselglanz war klar, dass sein Versuch vergeblich war. Das Monster stieß ein lautstarkes Grölen aus und wurde immer schneller, als es auf den breiteren Donnerpfad gelangte.

Kieselglanz war so fassungslos, dass sie sich nicht rühren konnte. Sie konnte nur weiterhin den Blick unverwandt auf Habichtschwinges kräftige graue Silhouette richten, während diese zu einem winzigen Punkt zusammenschrumpfte und schließlich nicht mehr zu sehen war.

Als sie ihren Gefährten nicht mehr erspähen konnte, ließ sich Kieselglanz auf die Pritsche fallen. Am liebsten hätte sie gewimmert wie ein ausgesetztes Junges, doch sie wusste, dass das nicht helfen würde. Sie musste ihre Kräfte bündeln, wachsam bleiben, wenn sie zu Habichtschwinge und ihren anderen Clan-Gefährten zurückkehren wollte.

Was wird mit mir passieren, wenn das Monster stehenbleibt?, fragte sie sich. Würde sie zu seiner Beute werden? Nein!, dachte sie und schüttelte entschlossen ihren Pelz. Meine Jungen und ich werden nicht als Monsterfraß enden.

Wenigstens hatte sie Beute für sich gefunden. Sie kauerte sich neben das Huhn, das sie erlegt hatte, riss die Federn aus und fing an zu essen. Das Fleisch war so köstlich, wie Wespenbart angekündigt hatte, dennoch konnte sie es nicht richtig genießen, sie hätte genauso gut verrottende Blätter essen können. Um das Ganze noch unbehaglicher zu machen, schienen die lebenden Hühner sie aus ihren Nestern heraus zu beobachten und anklagend zu gackern. Ich weiß nicht, ob ich Hühner mag, dachte sie.

Gleichzeitig versuchte sie, über die Wand neben sich zu spähen, ein Auge darauf zu haben, wohin das Monster unterwegs war, und suchte nach Orientierungspunkten, die ihr dabei behilflich wären, den Weg zurück zu finden. Ein toter Baum hier … dann drei dicht beieinanderstehende Zweibeinerbaue … da überquert der Donnerpfad einen Fluss …

Doch während das Monster unverdrossen dahinsauste und Kieselglanz immer weiter von ihrem Clan wegbrachte, gingen ihre Gedanken vor lauter Anstrengung, alles zu beobachten, wild durcheinander. Ihre Muskeln schmerzten von dem Kampf mit dem Huhn und ihr Magen war gefüllt mit seinem Fleisch.

Eine ganze Weile kämpfte Kieselglanz gegen die Erschöpfung an, doch letztlich wurde sie von ihr übermannt und stieß einen langen Seufzer aus, während das Glucken der Hühner sie in eine Wolke weicher Dunkelheit abdriften ließ.

2. KAPITEL

Das Monster war stehen geblieben. Kieselglanz blinzelte verschlafen, hob den Kopf und sah sich um. Gleich darauf erstarb das Vibrieren unter ihren Pfoten und ihrem Bauch und das kehlige Knurren des Monsters verstummte unversehens. Angespannt schüttelte Kieselglanz ihren Pelz aus, um die verbleibende Schläfrigkeit loszuwerden, und machte sich für das bereit, was kommen würde. Sie warf einen Blick auf die Hühner, suchte nach einem Anzeichen von Panik. Was passiert jetzt?, fragte sie sich stumm. Ist das der Ort, an dem die Zweibeiner versuchen werden, uns zu verspeisen? Oder verfüttern sie uns an das Monster? Ihre Beine waren angewinkelt, sie war bereit, loszusprinten.

Ein Knall von der Vorderseite des Monsters ließ sie auffahren. Erneut kauerte sie sich flach hin, wagte es nicht, auch nur ein Schnurrhaar zucken zu lassen, und erhaschte einen Blick auf den Kopf des Zweibeiners, dann hörte sie, wie das Stapfen seiner riesigen Pfoten verhallte und Stille sich ausbreitete. Das Monster rührte sich nicht mehr und allmählich entspannte sich Kieselglanz, sie nahm an, dass es wieder eingeschlafen sein musste. Dem SternenClan sei Dank! Ich bekomme eine zweite Chance, um abzuhauen.

Die Hühner gackerten leise in ihren glänzenden Nestern. Kieselglanz riss ein paar weitere Happen von dem ab, das sie unlängst erlegt hatte. Dann stand sie auf, stützte sich mit den Pfoten auf der Seite der Pritsche ab und sah sich um.

Das Monster war auf einem schmalen Donnerpfad stehen geblieben, der durch ausgedehnte Ebenen von hohem, raschelndem Gras führte. Ganz in der Nähe erhob sich ein großer Zweibeinerbau inmitten von mehreren kleineren Bauen. Die Sonne stand tief am Himmel und warf lange Schatten. Kieselglanz wurde klar, dass sie fast den ganzen Tag auf dem Rücken des Monsters unterwegs gewesen sein musste.

Ein letztes Mal ließ Kieselglanz ihren Blick wachsam umherschweifen, dann sprang sie vom Monster herunter. Fast erwartete sie, dass es mit einem Poltern wieder zum Leben erwachen und sie verfolgen würde, doch es rührte sich nicht. Sie stieß einen erleichterten Seufzer aus und bewegte sich weg von ihm, zunächst noch ganz verstohlen, dann mit immer schnelleren Schritten.

Der Donnerpfad bestand aus Erde und die riesigen Pfoten des Monsters hatten tiefe Furchen in den Boden gegraben. Hoffnung erfüllte Kieselglanz’ Brust; vielleicht musste sie ja einfach nur den Spuren in umgekehrter Richtung folgen, bis sie Habichtschwinge und ihre Clan-Gefährten wiedergefunden hätte.

Eine ganze Weile lief sie entlang der Monsterfährte, versuchte, die Orientierungspunkte auszumachen, die sie auf ihrem Weg hierher entdeckt hatte. Dann wurde ihr klar, dass sie während des letzten Stücks geschlafen hatte. Das, was sie wiedererkennen würde, musste weiter weg sein. Mutlosigkeit erfasste sie, als sie das Ende dieses Donnerpfads erreichte, wo er in einen noch breiteren überging, ohne dass ihr etwas Vertrautes aufgefallen wäre. Glänzende Monster sausten in beide Richtungen über die harte, schwarze Oberfläche. Dort, wo die Erde auf den Rand des Donnerpfads stieß, verloren sich die Spuren des Hühner jagenden Monsters.

Der beißende Gestank der vorbeirauschenden Monster ließ Kieselglanz fast würgen, sie zog sich vom Rand des Donnerpfads zurück und setzte sich hin, um nachzudenken. Es bestand keine Hoffnung, dass sie der Spur des Monsters länger folgen könnte. Aufgrund des Sonnenstands wusste sie, in welche Richtung sie ungefähr gehen musste, doch ihr war auch bewusst, dass das nicht ausreichte, um sie wieder mit ihrem Clan zu vereinen. Das Monster hatte sie zu weit von dort weggebracht. Auch gab es hier keine vertrauten Gerüche, denen sie folgen könnte.

Bald ist es dunkel, dann hilft mir nicht einmal mehr die Sonne weiter.

Als sie sich auf der Suche nach Anhaltspunkten umsah, entdeckte Kieselglanz einen Zweibeinerbau in der Ferne, umgeben von dicht stehenden Bäumen. Er erinnerte sie an Mikuschs Hof, wo ihr Clan vor ungefähr einem Mond haltgemacht hatte, um sich auszuruhen und sich die Bäuche mit den Mäusen vollzuschlagen, die dort im Stroh hausten.

»Vielleicht gibt es auf diesem Hof freundlich gesinnte Katzen«, murmelte sie sich hoffnungsvoll zu.

Während sie sich zu dem Bau in der Ferne aufmachte, ließ Kieselglanz die Hoffnung in sich aufkeimen, dass die Katzen dort ihr die Richtung zu dem Monsterlager weisen könnten, wo sie ihre Clan-Gefährten verloren hatte, oder vielleicht sogar zu dem See, wo die anderen Clans lebten, nach denen der WolkenClan suchte.

Bei diesem Gedanken wurden ihre Schritte schneller. Das wäre vielleicht lustig – dann wäre ich schon dort und könnte Habichtschwinge und die anderen begrüßen, wenn sie dort eintreffen!

Dann ging Kieselglanz jedoch auf, dass das überhaupt nicht lustig wäre. Sie schüttelte den Kopf, während sie darüber nachdachte, wie besorgt Habichtschwinge bei jedem Schritt dieser langen, beschwerlichen Reise sein musste.

Nein, als Erstes muss ich den WolkenClan finden.

Die Sonne ging unter und färbte den Himmel mit ein paar letzten roten Strahlen, als Kieselglanz bei dem Hof eintraf. Sie hastete durch die Dämmerung, und bei der Vorstellung, wie sie ihre Zähne in eine saftige Maus bohren würde, so eine wie jene, die sie auf Mikuschs Hof angetroffen hatten, lief ihr bereits das Wasser im Mund zusammen.

Kieselglanz umrundete die Bäume, sprang über das letzte Stück offenes Feld, als unvermittelt wildes Gebell hinter ihr erklang. Sie wirbelte herum und entdeckte einen riesigen braunen Hund, der mit hängender Zunge und wedelndem buschigen Schwanz auf sie zustürmte.

Einen Herzschlag lang rührte sich Kieselglanz nicht. Der Hund befand sich zwischen ihr und den Bäumen. Sollte sie versuchen, ihn zu umrunden, und hoffen, es nach oben in die Sicherheit der Äste zu schaffen, oder sollte sie weiter zum Hof laufen? Letztlich machte sie keines von beidem, kauerte sich stattdessen mit gesträubtem Fell auf dem Boden und stieß ein wütendes Fauchen aus.

»Hey, Schluss damit, du Trottel!«

Lautes Maunzen kam aus der Richtung, in der der Hof lag. Zu Kieselglanz’ Überraschung blieb der Hund abrupt stehen und setzte sich hin, keuchend und mit zuckenden Ohren, als wäre er verlegen. Hinter Kieselglanz tauchte eine kleine schwarze Katze auf und sah mit schelmisch aufblitzenden grünen Augen zwischen ihr und dem Hund hin und her.

»Hallo. Ich bin Käfer«, stellte sich die Kätzin vor. »Mach dir wegen Hasi keine Sorgen. Der ist harmlos.«

Einen Moment lang starrte Kieselglanz den Hund nur erstaunt an. Hunde hatten Namen? Und dieser hier hieß Hasi?

»Ich bin Kieselglanz«, brachte sie schließlich hervor.

»Ganz schön lang als Name«, meinte Käfer. »Haben deine Hausleute keine Abkürzung dafür?«

Das ist der Name einer Kriegerin!, dachte Kieselglanz und ihr Fell stellte sich langsam auf. Ich bin stolz darauf! Dann jedoch kam ihr eine schreckliche Erkenntnis. Hatte sie sich etwa so weit vom Clan-Gebiet entfernt, dass diese Katze noch nie einen Clan-Namen gehört hatte? Besser, ich reagiere nicht gekränkt, dachte sie. Immerhin bin ich auf ihre Hilfe angewiesen.

»Ich habe keine Zweibeiner – ich meine, keine Hausleute«, sagte sie nachsichtig.

Käfer blinzelte sie überrascht an, sagte aber nichts. Stattdessen tapste sie zu Hasi und stupste ihn freundschaftlich mit der Pfote an. Er ließ den Schwanz auf den Boden sinken, blieb aber sitzen.

Es sieht so aus, als wären Käfer und dieser Hasi Freunde. Ich kann mir nicht vorstellen, wieso eine Katze sich mit einem Hund anfreunden würde. Was ist hier nur los?

Kieselglanz traute dem Hund noch nicht und starrte ihn nach wie vor unumwunden an.

»Willst du in die Scheune mitkommen?«, maunzte Käfer und vollführte eine einladende Geste mit dem Schweif.

Kieselglanz wandte den Blick vom Hund ab, neigte den Kopf und maunzte ein »Danke«.

»Ist es in Ordnung, wenn Hasi wieder aufsteht?«, fragte Käfer. »Ich verspreche, dass er dir nichts tun wird.«

Ein paar Herzschläge lang zögerte Kieselglanz. Der Hund war groß genug, um sie und Käfer in einem Happen zu verschlingen, und sie hatte nur das Wort einer fremden Katze, dass er nicht gefährlich war. Er sieht nicht so aus, als würde er angreifen …, dachte sie misstrauisch. Sie musste an die wahnsinnigen Augen, die geifernden Lefzen und das wilde Knurren der Hunde denken, auf die sie schon getroffen war. Im Gegensatz zu ihnen sah Hasi einfach nur trottelig aus. Trotzdem waren alle Muskeln in Kieselglanz’ Körper angespannt, und sie war bereit, beim ersten Anzeichen von Gefahr zu flüchten.

Letztlich nickte sie leicht widerstrebend. Käfer machte kehrt und sah in Hasis braunglänzende Augen. »Okay, du kannst aufstehen«, maunzte sie. »Aber komm eine Weile nicht in die Scheune, okay?«

Hasi stieß ein kurzes Bellen aus, dann mühte er sich auf die Pfoten und trottete in Richtung der Bäume davon. Verwundert starrte Kieselglanz ihm nach. »Wie versteht er, was du sagst?«, fragte sie Käfer.

Die kleine Kätzin zuckte mit den Schultern. »Ach, wir wurden beide hier auf diesem Hof geboren«, antwortete sie. »Wir verstehen einander einfach. Komm mit.« Sie wandte sich ab und machte sich zur Scheune auf.

Kieselglanz folgte ihr, immer noch verwirrt. Ich hatte recht. Sie sind befreundet … Wenn ich das erst Habichtschwinge erzähle! Bei diesem Gedanken machte sich eine Leere in ihr breit, denn ihr fiel wieder ein, dass sie das Habichtschwinge nicht sofort und vielleicht noch sehr lange nicht erzählen konnte.

Ihr Erstaunen verflüchtigte sich, als sie durch die halb geöffnete Tür in die Scheune schlichen und sie den köstlichen Duft nach Maus einatmete, der aus dem aufgehäuften, süßlich duftenden Heu hervordrang. Kieselglanz wäre fast sofort zum Jagen aufgebrochen, doch dann fiel ihr ein, dass sie keine Erlaubnis dafür hatte. Sie blieb stehen und leckte sich ein paarmal verlegen über die Brust.

»Nur zu«, sagte Käfer auffordernd. »Hier gibt es genügend Mäuse – und sie sind richtig dick.«

Da es draußen immer dunkler wurde, fiel nur noch wenig Licht in die Scheune, doch es war ausreichend für Kieselglanz, um die Heuhaufen auszumachen, die denen auf Mikuschs Hof ebenfalls ähnelten. Spitzes Gequieke erfüllte die Scheune. Kieselglanz kroch nach vorn, bis sie entdeckte, wo sich die Halme am Rand des Heuhaufens bewegten und sie das Rascheln von winzigen Krallen hörte. Sie hechtete nach vorn und presste ihre Pfote auf eine fette Maus. Das war der einfachste Fang, den sie jemals gemacht hatte.

Käfer setzte sich, um Kieselglanz beim Fressen Gesellschaft zu leisten. »Ich habe dich hier in der Gegend noch nicht gesehen«, sagte sie.

Kieselglanz schüttelte den Kopf und schluckte hastig ihren Mundvoll Beute hinunter. »Nein, ich komme von weit her«, erzählte sie der schwarzen Kätzin. »Ich bin auf der Suche nach meinem Clan – den Katzen, mit denen ich lebe. Zuletzt habe ich sie in einem großen Monsterlager inmitten von ein paar Zweibeinerbauen gesehen. Kennst du einen solchen Ort?«

Käfer sah Kieselglanz an, als hätte sie keine Ahnung, wovon sie da maunzte. »Ein Monsterlager?«, sagte sie. »Was soll das denn sein?«

Kieselglanz wurde schwer ums Herz. Nicht nur hast du noch nichts von den Clans gehört … du weißt nicht einmal von den Monstern? »Du weißt aber schon, was Monster sind?«, fragte sie hoffnungsvoll. »Diese riesigen, lauten, stinkenden Dinger mit den runden schwarzen Pfoten?«

»Ach, die meinst du!« Käfer nickte. »Aber ein Lager von ihnen …?«

»Da schlafen ganz viele von ihnen zusammen«, erklärte Kieselglanz und versuchte, ihren Schweif nicht ungeduldig aufzucken zu lassen.

Langsam schüttelte Käfer den Kopf. »Ich habe nie mehr als ein oder zwei Monster zusammen gesehen. Ich glaube nicht, dass dieses ›Lager‹, von dem du sprichst, hier in der Nähe ist«, fügte sie mit einem zweifelnden Schnurrhaarzucken hinzu.

Kalte Furcht erfasste Kieselglanz. Wie weit war sie von Habichtschwinge und den anderen entfernt? Es kam mir durchaus so vor, als wäre ich sehr lange mit dem Monster unterwegs gewesen, und doch muss es noch länger gewesen sein, als ich dachte, wenn diese Kätzin hier kaum Monster zu sehen bekommt. »Weißt du dann etwas von den anderen Clans – also, ich meine, von anderen Gruppen von Katzen?«, fragte sie, darum bemüht, ihre Stimme fest klingen zu lassen. »Sie leben neben einer großen Wasserfläche.«

Dieses Mal fiel Käfers Verneinen bestimmter aus. »Ich habe hier in der Gegend keine ›Clans‹ gesehen«, verkündete sie. »Ich sehe nicht viele Katzenmütter, und diejenigen, die ich sehe, sind andere Hofkatzen oder Hauskatzen. Außerdem gibt es hier in der Nähe keine großen Wasserflächen.«

Kieselglanz grub ihre Krallen in den Erdboden der Scheune. »Ich muss meinen Clan finden!«, maunzte sie verzweifelt.

Käfer fuhr ihr tröstend mit der Schwanzspitze über die Flanke. »Iss deine Beute auf«, schlug sie vor. »Und dann schläfst du erst mal. Morgen früh fühlst du dich sicher besser und kannst neu loslegen.«

Kieselglanz stieß einen langen Seufzer aus. »Danke. Das ist nett von dir, Käfer.«

Nachdem sie gegessen und sich geputzt hatte, richtete sich Kieselglanz ein Nest im duftenden Heu her und rollte sich darin ein. Käfer legte sich neben sie. Kieselglanz war davon ausgegangen, dass ihre Ängste sie wach halten würden, aber sie war so erschöpft, dass sich ihre Lider wie von selbst schlossen.

Bevor ich Junge erwartete, war ich nie so müde, dachte sie benommen, dann driftete sie in einen Traum ab, in dem sie in einem Wald nach Habichtschwinge suchte, jedoch nichts außer einer schwachen Duftspur von ihm fand oder einen flüchtigen Blick auf einen aufblitzenden Schweif im Gebüsch erhaschte.

***

Ehe sie sichs versah, fielen durch die aufstehende Tür und durch Öffnungen, die weit oben in den Wänden waren, schräge Lichtstrahlen in die Scheune. Erwartungsvolles Gekläff von draußen hatte sie geweckt. Kieselglanz sprang auf die Pfoten, schüttelte sich das Heu aus dem Fell und sah sich um. Kein Anzeichen von Käfer. Nachdem sie zur Tür getapst war und den Kopf nach draußen gestreckt hatte, sah Kieselglanz die schwarze Kätzin, die mit Hasi herumbalgte. Der riesige Hund drückte sie mit einer kräftigen Pfote nach unten, während Käfer hilflos mit den Beinen herumfuchtelte.

Kieselglanz stieß ein Fauchen aus und spannte die Muskeln an, um ihrer neuen Freundin zu Hilfe zu eilen. Ich hatte recht, diesem Hund kann man nicht trauen!, sagte sie sich. Hunde und Katzen können keine Freunde sein!

Doch noch ehe Kieselglanz einen Schritt gemacht hatte, wand sich Käfer unter Hasis Pfote heraus. Hasi senkte den Kopf, und die beiden rieben ihre Nasen aneinander wie Junge, ehe Käfer auf Hasis Rücken kletterte. Hasi wurde ganz schlaff, rollte sich dann auf die Seite, und Käfer sprang von ihm herunter, ehe sie zerquetscht wurde.

Sie … sie spielen, als würden sie kämpfen? Eigenartig …, dachte Kieselglanz und schüttelte den Kopf. Vielleicht konnten manche Hunde und Katzen ja doch Freunde sein. Sie jedenfalls beabsichtigte nicht, sich mit Hasi anzufreunden.

Als Käfer Kieselglanz entdeckte, ließ sie den Hund stehen und rannte zu ihr. »Hallo«, maunzte sie. »Geht’s dir gut? Willst du noch mal jagen gehen? Wir könnten zusammen jagen.«

»Danke. Das ist eine großartige Idee.«

Mit Käfer an ihrer Seite tauchte Kieselglanz wieder in den Heuhaufen ein. Auf das Signal der schwarzen Kätzin hin fing Kieselglanz an, im Kreis herumzugehen, wobei sie sich langsam dem Rand des Haufens näherte. Käfer zog einen Kreis in der entgegengesetzten Richtung. Während sie so zusammenarbeiteten, trieben sie ihre Beute aus dem Unterschlupf. Nicht lange, dann erkannte Kieselglanz an dem erschrockenen Quieken und Trippeln, dass ihre Strategie funktionierte. Schließlich huschten fast im gleichen Herzschlag zwei Mäuse aus dem Haufen heraus. Kieselglanz hüpfte auf die, die ihr am nächsten war, während Käfer die andere mit einem Pfotenschlag erledigte.

»Großartiger Fang!«, rief Käfer.

Ein stechender Schmerz des Verlusts durchzuckte Kieselglanz, als sie sich zum Essen neben die schwarze Kätzin kauerte. Einen Moment lang hatte es sich fast so angefühlt, als würde sie wieder mit dem Clan jagen.

»Ich bin dir wirklich dankbar, dass ich die Nacht hier verbringen durfte«, sagte sie seufzend, während sie den letzten Bissen Beute hinunterschlang. »Aber ich muss jetzt aufbrechen.«

»Vielleicht solltest du hierbleiben«, schlug Käfer vor und sah sie aus ihren grünen Augen sorgenvoll an. »Du bist willkommen, solange du willst. Ich sehe doch, dass du Junge erwartest, und wenn ich mir vorstelle, wie du allein umherziehst, wird es mir angst und bange.«

Ein ungewohntes Gefühl der Freude durchzuckte Kieselglanz bei der Vorstellung, dass eine andere Katze ihr bereits ansehen konnte, dass sie Junge erwartete. Als sie darauf gedrängt hatte, auf das Monster mit den Hühnern zu klettern, war sie nicht davon ausgegangen, dass das bereits der Fall war. Ein Schuldgefühl erfasste sie.

Vielleicht bin ich wirklich ein Risiko eingegangen, das ich nicht hätte eingehen sollen.

Einen Herzschlag lang war sie versucht, hierzubleiben, einen Unterschlupf zu haben, genug Essen und Käfers Freundschaft, einen Ort, wo sie ihre Jungen in Sicherheit zur Welt bringen konnte. Doch sie wusste, dass das unmöglich war. Ich kann unsere Jungen nicht ohne Habichtschwinge zur Welt bringen. Nicht, solange ich noch genug Zeit und Energie habe, um ihn und meinen Clan zu finden! Das war wichtiger als alles andere.

»Nein, ich muss aufbrechen«, wiederholte sie. »Vielen Dank, Käfer, aber meine Jungen sind der Grund, weshalb ich das nicht länger aufschieben kann. Ich bin fest entschlossen, dass meine Jungen als Clan-Katzen und umgeben von ihresgleichen geboren werden. Ich habe einen Plan«, fügte sie hinzu. »Ich muss meinen Weg zurück zu meinem Gefährten finden. Ich bin mir sicher, dass er nach mir sucht.«

Käfer tapste neben Kieselglanz her, als sie sich wieder zum Donnerpfad aufmachten, und Hasi trabte ein ganzes Stück hinter ihnen her.

»Na dann, leb wohl«, maunzte Käfer, als sie am Rand der schwarzen, stinkenden Oberfläche standen. Sie rieb ihre Nase kurz an Kieselglanz’ Schulter. »Ich hoffe, du findest deinen Clan.«

»Leb wohl«, antwortete Kieselglanz. »Und vielen Dank für alles, Käfer. Möge der SternenClan deinen Weg erleuchten.«

Bei diesen Worten sah Käfer sie verwirrt an, aber Kieselglanz blieb nicht, um das zu erklären. Das würde viel zu lange dauern!

Sie überprüfte die Position der Sonne, um ganz sicher zu sein, dass sie die richtige Richtung nahm, dann lief sie los. Sie warf einen letzten Blick zurück, winkte zum Abschied mit dem Schweif, sah Käfers klar umrissene Silhouette gleich beim Donnerpfad und neben ihr die riesige Gestalt von Hasi.

Ein Monster surrte in die entgegengesetzte Richtung vorbei, der Wind, den es verursachte, zerzauste Kieselglanz’ Fell. Sie legte die Ohren an und schluckte furchtsam.

Sie sind so schnell, dachte sie. Und ich war so lange auf einem solchen Monster unterwegs – lange genug, um zu schlafen und wieder aufzuwachen. Wie weit hat es mich getragen?

Kieselglanz wurde langsam klar, was für eine gewaltige Aufgabe vor ihr lag. Es könnte viele Monde dauern, um zu dem Ort zurückzugehen, wo sie ihren Clan zurückgelassen hatte, selbst wenn sie in der richtigen Richtung unterwegs war.

Das bedeutete, dass es nur eine Möglichkeit für sie gab, um rechtzeitig zum WolkenClan zurückzukommen und ihre Jungen dort zur Welt zu bringen.

Ich muss noch mal auf ein Monster klettern.

3. KAPITEL

Kieselglanz tapste mit hängenden Schultern entlang des Donnerpfads, hatte ihr Fell aufgrund des schwachen Nieselregens aufgeschüttelt. Sie war dankbar für ihre WolkenClan-Pfoten, die vom Hoch- und Hinunterspringen an den Felsen der Schlucht hart waren. Ihre Muskeln waren inzwischen kräftiger; tatsächlich war der gesamte Clan stärker geworden. Sie hatten so viel verloren, als sie aus der Schlucht vertrieben worden waren, doch sie hatten auch etwas gewonnen.

Ich habe mehr als nur Stärke dazugewonnen, sagte sie sich und dachte an die Jungen, die sie in sich trug. Genau wie Pflaumenweide. Sie bekommt ihre Jungen bestimmt auch bald. Für Kieselglanz waren ihre Jungen das Versprechen des SternenClans, dass der WolkenClan überleben würde.

Diese Erkenntnis ließ Kieselglanz nur noch entschlossener werden, zu ihrem Clan zurückzukehren, ehe ihre Jungen geboren wurden. Ich muss noch mal auf so ein Monster klettern. Aber wie soll ich das anstellen?