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Die Babenberger und der |
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Korrektorat: Rainer Landvogt, Hanau
Einbandgestaltung: Michael Haderer, Wien
Satz: Michael Rauscher, Wien
EPUB-Produktion: Lumina Datamatics, Griesheim
Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com
ISBN 978-3-205-21379-6
Einleitung
Stammbaum der Kreuzritter des Hauses Babenberg
Markgräfin Ida und der Kreuzzug von 1101
Der Marsch der ersten Kreuzarmeen durch Österreich
Idas Entschluss
Byzanz
Ein ungewöhnlicher Lehnseid
Verschollen in Anatolien
Heinrich II. Jasomirgott, Otto von Freising und der Zweite Kreuzzug (1147 – 1149)
Zwei ungleiche Brüder
Von Regensburg nach Kleinasien
Die Odyssee Ottos von Freising
Im Königreich Jerusalem
Damaskus
Eine Hochzeit in Byzanz
Leopold V. und der Dritte Kreuzzug (1189 – 1192)
Eine Pilgerfahrt nach Jerusalem
Der Fall Jerusalems
Barbarossas Tod und Leopolds Aufbruch
Vor den Mauern von Akko
Ein schaler Triumph
Erpressungsaffäre Löwenherz
Im Bannstrahl der Kirche
Friedrich I. und der Kreuzzug Kaiser Heinrichs VI. (1197/98)
Unter dem Druck der Kirche
Aufmarsch
Der Feldzug nach Beirut
Toron
Die Gründung des Deutschen Ritterordens
Tod eines Kreuzritters
Leopold VI. und der Fünfte Kreuzzug (1217 – 1221)
Byzantinische Hochzeit im Schatten des Vierten Kreuzzuges
Realpolitiker und Glaubenskrieger
Calatrava
Von Lilienfeld nach Akko
Berg Tabor
Ein Arbeitswinter in Palästina
Der Kettenturm von Damiette
Winterkrieg im Nildelta
Eine Expansionshilfe für den Deutschen Ritterorden
Der Machtzenit eines Kreuzritters
Österreich und die Kreuzzüge in Skizzen und Schlaglichtern
Die menschliche Ebene
Das Palästinalied des »Österreichers« Walther von der Vogelweide
Wien, die Kreuzzüge und der Handel
Wiener Neustadt
Eine Mordtat im Schatten der Kreuzzüge
Heinrich der Ältere von Mödling
Friedrich II. von Perg
Erbschaften und Besitzverschiebungen
Österreich und Byzanz
Zeitenwende
Anmerkungen
Zeittafel
Quellen- und Literaturverzeichnis
Bildnachweis
Personenregister
Ortsregister
Einleitung
Es war eine der folgenreichsten Reden der Weltgeschichte. Als Papst Urban II. am 27. November 1095 bei einer Ansprache in Clermont die westliche Christenheit zum Kampf gegen die muslimische Welt im östlichen Mittelmeerraum aufrief, trat er eine Massenbewegung los, deren Dimension seine Erwartungshaltung bei Weitem überstieg. Und es blieb auch nicht bei der einen von ihm propagierten Offensive. Sein Appell leitete eine Ära von Glaubenskriegen ein, die Jahrhunderte dauern sollte.
Der Ansprache Urbans II. folgte zunächst der Erste Kreuzzug, der am 15. Juli 1099 nach dreijährigem Vormarsch zur Eroberung Jerusalems führte. Danach brachen bis weit ins 13. Jahrhundert hinein immer wieder riesige christliche Heerscharen aus den verschiedensten Regionen Europas auf und legten Tausende Kilometer zurück, um im Orient Krieg im Zeichen des Kreuzes zu führen. Mehrere dieser Feldzüge scheiterten katastrophal, Zigtausende Gottesstreiter kamen schon auf dem Weg ins Heilige Land ums Leben. Dennoch taten diese Fehlschläge der Dynamik des christlichen Glaubenskrieges lange Zeit keinen Abbruch. Im Gegenteil, um die Wende vom 12. zum 13. Jahrhundert erhöhte sie sich noch: Innerhalb von drei Jahrzehnten wurde der Orient von nicht weniger als vier großen Kreuzzügen erschüttert. Die Zahl der Toten, die der Krieg des christlichen Abendlandes gegen den Islam forderte, lässt sich nicht einmal ansatzweise ermessen.
Die Babenberger spielten in dieser stürmischen Ära eine sehr aktive Rolle. Über einen Zeitraum von knapp 120 Jahren waren sie, von einer Ausnahme abgesehen, in allen großen europäischen Kreuzzügen aktiv. Spitzenrepräsentanten der österreichischen Markgrafen- und Herzogsdynastie nahmen an der Belagerung von Akko teil, wirkten bei der Rückeroberung von Beirut und Sidon mit, kämpften bei Angriffen auf Damaskus und das Nildelta an vorderster Front, schlugen Schlachten in Kleinasien und attackierten bei winterlichen Bedingungen Burgen in den Bergen Galiläas. Ein Herzog nahm die lange Fahrt nach Palästina gleich zwei Mal auf sich. Ein anderer Herzog trat sowohl in Palästina und Ägypten als auch in Südfrankreich und auf der Iberischen Halbinsel als Kreuzritter in Erscheinung. Zwei andere Mitglieder der österreichischen »Familie von Kreuzfahrern«1 kehrten nicht mehr in die Heimat zurück.
Es zählte zu den speziellen Eigenheiten der Babenberger, dass ihre Feldzüge in den Orient kaum jemals unspektakulär verliefen. Fast immer traten bei ihnen Ereignisse ein, die selbst im internationalen Vergleich auffielen. Ihren Einstieg in die Kreuzzugsbewegung vollzog eine Frau, deren spurloses Verschwinden in Kleinasien für das Entstehen eigenwilliger Mythen sorgte. Ein Babenberger feierte während des Zweiten Kreuzzuges eine außergewöhnliche Hochzeit in Byzanz. Dessen Sohn trat im Kontext des Dritten Kreuzzuges die größte Erpressungsaffäre des Hochmittelalters los. Der letzte babenbergische Gottesstreiter wurde zum wohl aktivsten europäischen Kreuzritterfürsten des frühen 13. Jahrhunderts und trat als eine Zentralgestalt des Fünften Kreuzzuges in Erscheinung. Wenige hochadelige Familien Mitteleuropas übertrafen die Babenberger, wenn es um die Teilnahme an den christlichen Glaubenskriegen des 12. und 13. Jahrhunderts ging.
Heutzutage ist es nicht mehr leicht nachvollziehbar, was die österreichischen Fürsten nebst Hunderttausenden ihrer Zeitgenossen eigentlich dazu trieb, einen Kreuzzug zu unternehmen. Eine Militärfahrt in den Orient führte ans östliche Ende der damals in Europa bekannten Welt. Auf dem Landweg waren, um beispielsweise von Wien nach Jerusalem zu gelangen, weit über 3000 Kilometer zurückzulegen. Um sich die dabei anfallenden Lebenserhaltungs- und Materialkosten überhaupt leisten zu können, mussten diverse Kreuzfahrer buchstäblich Haus und Hof verkaufen. Danach warteten viele Unwägbarkeiten und ungeheure Strapazen. In Palästina und schon auf dem Weg dorthin riskierten die Glaubenskrieger, ihr Leben in Kampfhandlungen zu verlieren oder sich mit Krankheiten zu infizieren, denen die damaligen Ärzte der westlichen Christenheit nahezu hilflos gegenüberstanden. Viele Kreuzfahrer sahen ihre Heimat nicht wieder. Doch das hielt zahllose Menschen über Generationen hinweg nicht davon ab, in ihre Fußstapfen zu treten.
Die Organisation eines Kreuzzuges stellte vor allem wegen der extremen Marschdistanz eine komplexe logistische Herausforderung dar. Neben einer kämpfenden Truppe brauchte es bei den Militärexpeditionen in den Orient enormen Materialaufwand, lange Wagenkolonnen und eine besonders große Menge an unterstützendem Personal: Fuhrmänner, Köche, zahllose Pferdeknechte – die Ritter waren oft mit zwei oder mehr Pferden unterwegs –, Menschen mit medizinischen Kenntnissen, Handwerker für die Reparatur von Waffen und Ausrüstungsgegenständen jeglicher Art sowie Konstrukteure für den Bau von Belagerungsmaschinen und sonstigen Gerätschaften, die vor Ort benötigt wurden. Da man entlang der Marschroute nicht überall Verpflegung in ausreichendem Maße kaufen konnte, mussten außerdem große Mengen an Marschproviant mitgenommen und Herden von Schlachtvieh mitgetrieben werden. Bestritt man einen Teil der Strecke auch zur See, war der Organisator mit mannigfaltigen Zusatzherausforderungen konfrontiert, die bei einem Truppentransport über das Mittelmeer anfielen, der selbst unter günstigsten Wetterbedingungen mehrere Wochen dauerte.
Aus heutiger Sicht mag es verführerisch sein, die christlichen Glaubenskrieger des Hochmittelalters als blindwütige Fanatiker abzutun. Will man ihr Handeln jedoch ernsthaft ergründen, sollte man sich nicht an den Wertemaßstäben der Gegenwart orientieren, sondern die Kreuzritter in ihrer Zeit und ihren Zeitumständen betrachten. Zu berücksichtigen ist dabei, dass die Menschen des 12. und 13. Jahrhunderts einer völlig anderen Daseinsrealität unterworfen waren, als wir sie heute vorfinden. Dazu gehörten äußerst harte und entbehrungsreiche Lebensumstände, ethische Prinzipien, die sich von den derzeit in Europa vorherrschenden Grundsätzen gravierend unterschieden, starre hierarchische Gesellschaftsstrukturen und vor allem eine gänzlich andere Einstellung zum Glauben: Die Aussicht, Gott mit einem Kreuzzug wohlgefällig zu sein und vollständige Buße für begangene Sünden zu tun, war für viele Menschen des Hochmittelalters ein überwältigend machtvolles Motiv, sich auf die gefahrvolle Fahrt in den Orient einzulassen. Dass das dabei stattfindende Blutvergießen eigentlich im Widerspruch zum fünften Gebot stand, wurde von Papst Urban II. und seinen Nachfolgern mit der Botschaft wegargumentiert, dass ein Waffengang für das Heilige Land ein gerechtfertigter Kampf sei, der eben auch das Töten erlaube. Bezeichnenderweise versah man einen Feldzug im Zeichen des Glaubens damals weithin mit dem harmlos klingenden Begriff »Pilgerfahrt« (peregrinatio).2
So sehr das Religionsverständnis oftmals den Ausschlag bei der Entscheidung für einen Kreuzzug gab – nicht selten spielten dabei auch weltliche Motive eine wesentliche Rolle. Menschen der unteren Bevölkerungsschichten etwa hofften im Orient bessere Lebensbedingungen vorzufinden als im Abendland. Nicht erbberechtigte Adelssöhne zielten auf den Gewinn territorialer Besitztümer ab. Bei regierenden Fürsten wie den Babenbergern gab es oft auch politische Gründe für die Kreuznahme. Folgte beispielsweise ein Monarch des Heiligen Römischen Reiches einem päpstlichen Kreuzzugsaufruf, brachte dies die Reichsfürsten unter Zugzwang, seinem Beispiel zu folgen. Diese Sogwirkung war bei zumindest einem österreichischen Herzog, der mit innenpolitischen Problemen kämpfte, ein nicht unwesentlicher Faktor für die Entscheidung zum Kreuzzug. Ein anderer Spitzenrepräsentant des Hauses Babenberg zog als Kriegspilger in den Orient, weil das Papsttum ihn zwang, Buße für ein Vergehen seines verstorbenen Vaters zu tun und er einem drohenden Kirchenbann entgehen wollte. Bei beiden Herzögen bedeutete der von außen auf sie einwirkende Druck allerdings nicht zwingend, dass sie dem Glaubenskrieg negativ oder auch nur skeptisch gegenüberstanden. Dass auch sie ungeachtet ihrer politischen Probleme mit starker innerer Überzeugung, ja Begeisterung in den Orient zogen, lässt sich keineswegs ausschließen. Die individuelle Motivation zur Kreuznahme musste nicht eindimensional, sondern konnte durchaus vielschichtig und bis zu einem gewissen Grad auch widersprüchlich angelegt sein.
Bei der Frage nach den Motivationen wird indessen schon ein Problem sichtbar, das sich bei dem in diesem Buch behandelten Thema generell stellt: Die erhalten gebliebenen Quellen des Hochmittelalters weisen erhebliche Begrenzungen auf. Dies macht sich zum einen bei den Informationen über die einzelnen Kreuzzüge bemerkbar. Während etwa der Dritte Kreuzzug exzellent dokumentiert ist, sind die Quellen im Hinblick auf den Kreuzzug des Jahres 1101, das erste Militärunternehmen, an dem die Babenberger teilnahmen, vergleichsweise wenig ergiebig und lassen viele Fragen offen. Zum zweiten gibt es auch bei den Informationen über die Babenberger viele Lücken. Österreich war im frühen 12. Jahrhundert noch eine Art Entwicklungsland mit einer nur rudimentär vorhandenen Geschichtsschreibung. Die Zahl der von Klöstern angelegten Chroniken nahm im Lauf des 12. Jahrhunderts zwar deutlich zu, doch blieben die meisten von ihnen damals noch äußerst wortkarg. So sind selbst von den prominentesten Babenbergern die genauen Geburtsdaten unbekannt, realitätsnahe Bildnisse von ihnen existieren nicht. Da mittelalterliche Chronisten außerdem bei der Beschreibung wichtiger Persönlichkeiten zumeist die Idealvorstellungen der Zeit auf sie projizierten, werden die individuellen Charakterzüge der einzelnen Fürsten des Hauses Babenberg in zeitgenössischen Zeugnissen selten sichtbar und müssen aus ihren Taten herausgefiltert werden.
Ungleich konkreter ist freilich das Hauptresultat ihrer Taten im Kontext der Kreuzzüge: Die Babenberger beteiligten sich an Angriffskriegen, die beträchtliche Opfer forderten. Und sie spielten dabei zuweilen durchaus Hauptrollen. Bei der Belagerung von Damiette 1218/19 etwa, einem der aufwändigsten Offensivunternehmen in der Ära der Orientkreuzzüge, war Herzog Leopold VI. fast ein Jahr lang eine Schlüsselfigur im Lager der Christen, eine unermüdliche Offensivkraft, »der tatkräftigste unter den Fürsten«3 des Fünften Kreuzzuges. Als die ungefähr 80.000 Einwohner zählende Stadt im Nildelta sechs Monate nach der Abreise Leopolds VI. in die Hand der Kreuzfahrer fiel, war sie nahezu entvölkert.4
* * *
Dieses Buch befasst sich mit einem ebenso markanten wie dunklen Kapitel österreichischer Geschichte. In allgemeingeschichtlichen Darstellungen über das 270-jährige Wirken der Babenberger oder die Historie Österreichs fand es vielfach Erwähnung. Für sich allein genommen wurden die Kreuzzüge der Babenberger bislang jedoch selten behandelt. Für das Entstehen dieser Arbeit war dies ein maßgeblicher Grund. Zu den zentralen hier behandelten Aspekten zählen die individuellen Beweggründe der österreichischen Fürsten für ihre jeweiligen Kreuzzüge, die Rahmenbedingungen, unter denen diese Unternehmen stattfanden, und die damit verbundenen politischen Implikationen. Da insbesondere der Verlauf der österreichischen Kreuzzüge bislang nicht im Detail beleuchtet wurde, erschien es außerdem naheliegend, auch und gerade eine Schilderung der militärischen Ereignisse nicht auszuklammern.
* * *
Frau Mag. Eva Buchberger, die für die Programmplanung des Böhlau Verlages verantwortlich zeichnet, gab mir den entscheidenden Anstoß, dieses schon vor Jahren begonnene Buchprojekt neuerlich aufzugreifen und zum Abschluss zu bringen. Dafür danke ich ihr herzlich.
Stammbaum der Kreuzritter des Hauses Babenberg
Markgräfin Ida und der Kreuzzug von 1101
Der Marsch der ersten Kreuzarmeen durch Österreich
Im Jahr 1096 wurde Ostarrichi zum Schauplatz einer Wanderungsbewegung, wie man sie in der kleinen Markgrafschaft noch nicht erlebt hatte. Binnen weniger Monate durchzogen mehrere riesige Menschenmassen das Donautal in mehreren Schüben von West nach Ost. Sie stammten größtenteils aus Nordfrankreich und den rheinischen Gebieten des Heiligen Römischen Reiches. Ihr Ziel lag am anderen Ende der damals bekannten Welt: Jerusalem. Nach über 400 Jahren muslimischer Herrschaft wollten sie die Heilige Stadt für die Christenheit zurückerobern.
Einen unfreiwilligen Anstoß zu dieser Massenbewegung hatte Alexios I. Komnenos ( 1081 – 1118) gegeben, der Kaiser des Byzantinischen Reiches. 1095 waren in seinem Auftrag Gesandte nach Italien gekommen, um von Papst Urban II. (1088 – 1099) militärische Unterstützung gegen die Seldschuken zu erwirken, die in den vergangenen Jahrzehnten weite Teile Kleinasiens erobert hatten und gefährlich nahe an die kaiserliche Hauptstadt Konstantinopel herangerückt waren. Alexios I. gedachte, sie zurückzudrängen und plante zu diesem Zweck eine Gegenoffensive. Da dazu aber seine Truppenstärke nicht ausreichte, wollte er militärische Hilfe aus dem Abendland erlangen und suchte dafür die tatkräftige Unterstützung Urbans II. Um dem Ansinnen des Kaisers mehr Nachdruck zu verleihen, hatten seine Gesandten dem Papst ein düsteres Bild von der angeblichen Unterdrückung der östlichen Christen durch die Kräfte des Islam gezeichnet.
Der Realität kam diese Schilderung nicht unbedingt nahe. Die Seldschuken erlegten den unterworfenen Christen zwar Sondersteuern auf, gewährten ihnen aber die Ausübung ihrer Religion und ließen sie im Schutz der islamischen Gesetzgebung ein durchaus erträgliches Leben führen. Bezeichnenderweise war von einer Massenflucht der östlichen Christen nach Europa bislang weit und breit nichts zu sehen gewesen.
Beim Papst jedoch fiel die Schilderung der byzantinischen Gesandten auf fruchtbaren Boden, und das weit mehr, als diese erwartet hatten. Denn während Alexios I. lediglich Unterstützung in Form einer Söldnertruppe vorschwebte, um den Kampf gegen den seldschukischen Sultan Kilidsch Arslan I. (1092 – 1107) mit größeren Erfolgschancen führen zu können, ging Urban II. daran, einen heiligen Krieg zu entfesseln, der sich letztlich gegen die gesamte muslimische Welt im östlichen Mittelmeerraum richten sollte.
Für dieses gigantische Unterfangen gab es aus der Sicht des Papstes einige Gründe. Neben der Absicht, die Grenzen des Christentums mit Waffengewalt auszudehnen, erhoffte er sich von einem gemeinsamen europäischen Glaubenskrieg gegen den Islam, die vor allem vom deutschen Kaiser in Frage gestellte Autorität der Kirche als oberste Institution der Christenheit zu festigen und auszubauen. Auch war ihm daran gelegen, ein Ventil für die Ritter Frankreichs finden, die einander nahezu ständig blutige Fehdekämpfe lieferten. Diesem beklagenswerten Zustand, der in Frankreich, aber auch in anderen europäischen Regionen weitverbreitet war, galt es aus der Sicht des Papstes entgegenzutreten. Eine reizvolle Option dürfte für Urban II. überdies die Aussicht dargestellt haben, mit der Entfesselung eines Glaubenskrieges vielleicht auch die Kirchenspaltung des Jahres 1054 rückgängig zu machen und die an das Patriarchat von Konstantinopel verlorene Oberhoheit über die Kirchen des Ostens wieder an sich zu ziehen.
Der Papst beließ es nicht bei Überlegungen, sondern schritt zügig zur Tat. Am 27. November 1095 hielt er in der französischen Stadt Clermont eine flammende Ansprache, in der er das Abendland zum Kampf gegen den Islam aufrief. Vor einer großen Menschenmenge beklagte Urban II. das vermeintlich schlimme Schicksal der Christen im Osten, verurteilte die bürgerkriegsähnlichen Zustände im Abendland und verlangte von den fehdefreudigen Rittern, ihren Tatendrang gottgefälligen Zielen zuzuwenden und als Akt der Buße gegen den Islam zu Feld zu ziehen. Um ihr Gelübde, am Zug in den Orient teilzunehmen, weithin sichtbar zu machen, sollten sich die Kampfeswilligen Stoffkreuze auf ihr Überkleid heften.
Die Ansprache des Papstes in Clermont fand vor allem in großen Teilen Frankreichs, aber auch im Westen des Heiligen Römischen Reiches enormen Widerhall. Die Ritterschaft, an die sich der Aufruf des Papstes vor allem richtete, folgte dem Appell in großen Scharen. Mächtige Feudalherren begannen zu rüsten, unter ihnen Graf Raimund IV. von Toulouse, Herzog Gottfried von Bouillon von Niederlothringen, der süditalienisch-normannische Fürst Bohemund von Tarent und Herzog Robert II. von der Normandie. Sie orientierten sich in ihrer zeitlichen Planung an dem vom Papst verlautbarten Aufbruchstermin 15. August 1096, da die Versorgung großer Armeen mit der zu diesem Zeitpunkt eingebrachten Ernte leichter bewerkstelligt werden konnte als in anderen Jahreszeiten.
Rasch wurde jedoch deutlich, dass sich die Kreuzzugsidee nicht auf den Ritterstand begrenzen ließ, dem man einen erfolgreichen Orientfeldzug am ehesten zutrauen konnte. Als es darum ging, die Botschaft Urbans II. flächendeckend bekannt zu machen, geschah dies nicht nur durch päpstliche Briefe und kirchliche Würdenträger, sondern auch durch selbsternannte Prediger, die, von der Kirche keineswegs dazu beauftragt, die Botschaft des heiligen Krieges auf eigene Faust im Volk verbreiteten und dabei beträchtliche Zugkraft entfalteten. Die wohl größte Wirkung erzielte Peter der Einsiedler, der mit offenkundig ausgeprägter Redegewalt in Frankreich und im Nordwesten des Heiligen Römischen Reiches binnen weniger Monate eine unüberschaubare Masse von Bauern, Städtern, Abenteurern, Verbrechern, Frauen, Kindern, vereinzelten Rittern und Angehörigen des niederen Adels dazu brachte, ihre Heimstätten zu verlassen und unter seiner Führung den langen, ungewissen Weg nach Südosten anzutreten.
Für diese immense Reaktion gab es eine Reihe von Gründen, von denen zwei besonders hervorstechen: Zum einen brachte die von Urban II. proklamierte Aufforderung, eine bewaffnete Pilgerfahrt zu unternehmen, die ein Akt der Buße sein sollte, bei zahllosen Menschen in unwiderstehlicher Art und Weise eine Saite zum Schwingen. Im späten 11. Jahrhundert hatte das Glaubensverständnis etwas Unheilverkündendes an sich. Es gab den Menschen permanent das Gefühl, aufgrund ihrer Sünden Gefahr zu laufen, der ewigen Verdammnis anheimzufallen. Um diesem Los zu entgehen, rangen die Christen des Abendlandes zeit ihres Lebens darum, sich vom Makel der Sünde zu befreien und ihre Seelen zu reinigen. Angesichts dieses Dauerdrucks wirkte die Aussicht, durch eine bewaffnete Pilgerfahrt Absolution zu erlangen, auf viele Menschen elektrisierend. Zum anderen bildete sich mit Jerusalem sehr rasch ein Marschziel heraus, das für viele Zeitgenossen eine magische Anziehungskraft, ja etwas Überirdisches an sich hatte. Der Gedanke an die Heilige Stadt, wo Jesus Christus den Kreuzestod erlitten hatte und wiederauferstanden war, beflügelte die Menschen des späten 11. Jahrhunderts. Gesteigert wurde dieser Effekt noch durch die Vorstellung, die Wiege der Christenheit vom vermeintlichen Joch der Muslime zu befreien.
Neben der religiösen Motivation und der Strahlkraft Jerusalems gab es für nicht wenige Menschen aber auch handfeste weltliche Gründe, der Heimat Adieu zu sagen und den langen Marsch nach Südosten anzutreten. So litt das Bauerntum in weiten Teilen des Abendlandes seit Jahren bittere Not, wurde von Seuchen heimgesucht und von Hungersnöten geplagt. Nicht wenige Angehörige der ärmeren Schichten dürften den Kreuzzug auch als Chance begriffen zu haben, ihrer Not zu entkommen. Bei den Adeligen gab es ebenfalls Männer, die neben religiösen Motiven auch von der materiellen Vorstellung angetrieben wurden, im Orient ihr Glück zu machen, mehr Einfluss und Wohlstand als in der Heimat zu erlangen. Der Prominenteste unter ihnen war der drittgeborene Grafensohn Balduin von Boulogne, der sich als eigentlicher Sieger des Ersten Kreuzzuges entpuppen sollte.
Die Reaktion auf seinen kriegerischen Aufruf dürfte Urban II. überrascht haben. Im Gegensatz zu den von ihm erwarteten paar Tausend Rittern sah sich der Pontifex nun mit einer Massenbewegung konfrontiert, an der nicht nur zahllose kampfunerfahrene Männer, sondern auch Frauen und Kinder teilnahmen. Hinzu kam, dass der so genannte Volkskreuzzug viel rascher Gestalt annahm als der Aufmarsch der von Urban II. anvisierten Ritterheere. Bereits im Frühjahr 1096 formierten sich fast ein halbes Dutzend Pilgerhorden, denen Zigtausende Menschen angehörten. Diese bunt durcheinandergewürfelten Scharen brachen in kurz aufeinanderfolgenden Schüben nach Südosten auf. Mitte April zog zuerst der französische Ritter Walter ohne Habe mit einigen Tausend Franzosen los, unmittelbar darauf machte sich Peter der Einsiedler in Köln mit einer unübersehbaren Menschenmasse auf den Weg. Ihnen folgten wenig später drei weitere Pilgerschübe, angeführt von einem Gefolgsmann Peters des Einsiedlers namens Gottschalk, einem gewissen Volkmar und dem Adeligen Emicho von Leiningen, der im Rheintal mit mehreren Massakern an Juden Angst und Schrecken verbreitete, ehe er Anfang Juni 1096 ebenfalls in Richtung Orient losmarschierte. Mit Ausnahme Volkmars, der über Prag nach Südosten zog, wälzten sich die riesigen Abteilungen des Volkskreuzzuges im Frühjahr 1096 auf Österreich zu.
Für die kleine Markgrafschaft am Ostrand des Heiligen Römischen Reiches bildete der Durchmarsch dieser Menschenmassen den ersten Berührungspunkt mit der Kreuzzugsbewegung. Sowohl die Prediger Papst Urbans II. als auch die selbsternannten Kreuzzugswerber wie Peter der Einsiedler hatten ihre Aufrufe vor allem auf Frankreich und den Nordwesten des Heiligen Römischen Reiches konzentriert. In anderen, weiter entfernten Teilen Europas war die Botschaft der bewaffneten Pilgerfahrt hingegen zunächst nicht verbreitet worden. Viele Menschen im Südosten des Reiches etwa erfuhren vom päpstlichen Aufruf vermutlich erst, als die durchziehenden Kreuzfahrer ihnen davon berichteten.1
Den österreichischen Donauraum hatten die Prediger des Glaubenkrieges kaum beachtet, da es sich dabei in vielerlei Hinsicht noch um ein Entwicklungsland handelte. Seitdem 120 Jahre zuvor der erste Babenberger zum Markgrafen der damals weitgehend unerschlossenen Region ernannt worden war, hatte man zwar das zunächst von der Enns bis nach Tulln reichende Grenzgebiet des Reiches im Kampf gegen Ungarn bis zur Thaya, March und Leitha ausgedehnt sowie die Urbarmachung und Besiedlung des Landes vorangetrieben. Trotz dieser beachtlichen Erfolge konnte sich die Markgrafschaft mit anderen Teilen des Heiligen Römischen Reiches hinsichtlich der demographischen, kulturellen und wirtschaftlichen Entwicklung noch nicht messen. Sie unterstand dem Herzogtum Bayern und war nach wie vor nur sehr dünn besiedelt. Für die Werber des heiligen Krieges gab es im kleinen Land der Babenberger schlichtweg zu wenig Rekrutierungspotenzial, um sich mit dieser Region näher zu befassen.2
Im Frühling und Frühsommer 1096 wurde Österreich zunächst zum Aufmarschraum des in mehrere Großgruppen unterteilten Volkskreuzzuges, die von hier aus durch das Königreich Ungarn und den Balkan nach Konstantinopel zogen. Zuerst durchquerte Walter ohne Habe mit seiner Gefolgschaft die Markgrafschaft. Wenig später folgte das offenbar besonders zahlenstarke Kontingent Peters des Einsiedlers sowie bald darauf auch die Horden Gottschalks und Emichos. Kaum waren die Scharen des Volkskreuzzuges aus dem österreichischen Donauraum abgezogen, rückte im September 1096 von Westen her auch noch Gottfried von Bouillon, der Herzog von Niederlothringen, in die Markgrafschaft ein. Im Gegensatz zu den anderen fürstlichen Heerführern des Ersten Kreuzzuges, die über das Meer zu ihrem Sammelpunkt am Bosporus vorstießen, hatte er sich hauptsächlich aus geographischen Gründen für die Donauroute entschieden.
Für die damaligen Bewohner Österreichs müssen die Kreuzfahrerscharen schon allein wegen ihrer Dimension höchst beeindruckend gewesen sein. Allein das Kontingent Peters des Einsiedlers dürfte um die 15.000 Menschen umfasst haben. Derart große Menschenansammlungen kannten die Untertanen der Babenberger aus eigener Erfahrung nicht einmal annähernd. Im Jahr 1096 konnte von einem ausgeprägten Städtewesen in Österreich noch längst keine Rede sein; die Einwohnerzahl Wiens war viel geringer als die Zahl jener, die Peter dem Einsiedler folgten. Man kann sich gut vorstellen, dass die Österreicher beim Anblick des Volkskreuzzuges glaubten, eine regelrechte Völkerwanderung mitzuerleben.
Noch größeren Eindruck machte wohl die Kreuzarmee Gottfrieds von Bouillon, die in puncto Ausstattung und Disziplin eine gänzlich andere militärische Größenordnung darstellte als die schlecht bewaffneten und kampfunerfahrenen Angehörigen des Volkskreuzzuges. Der Herzog von Niederlothringen führte ein schwer gepanzertes Kontingent von über 1000 Rittern und eine Gesamtstreitmacht von wohl nicht weniger als 10.000 Mann an. Das Auftreten eines derart gewaltigen Heeres war im damaligen Österreich alles andere als alltäglich und erregte bei den Bewohnern des Donautals zweifelsohne größte Aufmerksamkeit und Neugierde.
Vor allem am äußersten Osten der Markgrafschaft dürfte die Präsenz Abertausender Kreuzfahrer allerdings nicht spurlos vorübergegangen sein, denn an der Grenze zum Königreich Ungarn mussten sie innehalten und die Erlaubnis zur Fortsetzung ihres Marsches abwarten. Diese Abstimmung mit der ungarischen Obrigkeit nahm in der Regel einige Zeit in Anspruch, Gottfried von Bouillon etwa lagerte drei Wochen im äußersten Osten Österreichs, bis er mit König Koloman Einvernehmen hinsichtlich der Durchquerung Ungarns erzielt hatte. Die plötzlich notwendige Versorgung so vieler Menschen mit Lebensmitteln warf höchstwahrscheinlich gehörige Probleme auf. Offenbar dürfte es aber gelungen sein, diese halbwegs zu lösen, denn Verwüstungen oder größere Raubzüge blieben in Österreich zunächst weitgehend aus. Walter ohne Habe und Peter der Einsiedler vollzogen ihren Marsch durch das Heilige Römische Reich und dann auch durch Ungarn recht diszipliniert. Gleiches galt für Gottfried von Bouillon.3
Anders verhielt es sich allerdings mit der von Gottschalk angeführten Schar. Laut dem zeitgenössischen Chronisten Ekkehard von Aura habe Gottschalk »nicht ohne Schädigung des östlichen Noricum mit den Seinen Ungarn betreten«4, was angesichts der Tatsache, dass sich Gottschalk wenig später in Ungarn ausgiebiger Plünderungen und Gewalttaten schuldig machte, ehe er mit massiver Waffengewalt gestoppt wurde, glaubwürdig wirkt.
Für einige Turbulenzen sorgte auch Emicho, dem der König von Ungarn aufgrund der schlechten Erfahrungen mit Gottschalk die Einreise verweigerte. Nach mehrwöchigem Hin und Her an der babenbergisch-ungarischen Grenze versuchte Emicho gewaltsam in das große Nachbarland der österreichischen Markgrafschaft einzurücken. Weit kam er dabei jedoch nicht. Was Gottschalks undisziplinierter Horde geschehen war, geschah in Windeseile nun auch Emicho und seinen Tausenden Gefolgsleuten: Sie wurden von den wesentlich kampferprobteren ungarischen Streitkräften angegriffen und niedergemacht.
Nicht besser erging es letztlich auch Walter ohne Habe und Peter der Einsiedler. Zwar gelang es ihnen, Ungarn und das Byzantinische Reich zu durchqueren, doch im Westen Kleinasiens marschierten sie in ihr Verderben. Am 21. Oktober 1096 wurden sie von den Streitkräften Kilidsch Arslans I. in einen Hinterhalt gelockt und beinahe zur Gänze aufgerieben. Damit endete der Volkskreuzzug, manchmal auch als die erste Welle des Ersten Kreuzzuges bezeichnet, in einem Debakel.5
Die zweite Welle des Kreuzzuges landete hingegen spektakuläre Erfolge. Die Ritterheere West- und Südeuropas steuerten zunächst über verschiedene Routen Konstantinopel an, setzten über den Bosporus und vereinten sich dort zu einer riesigen Streitmacht, die in Summe 30.000 bis 40.000 Menschen umfasst haben dürfte. Danach bereiteten sie Kilidsch Arslan I. schwere Niederlagen, durchquerten Kleinasien zwar unter massiven Verlusten, blieben aber in Syrien nicht zuletzt aufgrund der staatlichen Zersplitterung der Muslime weiter siegreich. Während Balduin von Boulogne mit der Bildung der Grafschaft Edessa den ersten Kreuzfahrerstaat im Orient schuf, eroberte das Gros der Kreuzarmee nach mehrmonatiger Belagerung Antiochia. Teilarmeen unter der Führung Graf Raimunds IV. von Toulouse und Gottfrieds von Bouillon zogen danach weiter nach Jerusalem, eroberten die Heilige Stadt am 15. Juli 1099 und richteten unter deren Bewohnern ein Blutbad an. Gottfried von Bouillon avancierte zum neuen Herrn der Stadt, starb allerdings wenige Monate später. Ihm folgte Balduin von Boulogne nach, der fortan als König Balduin I. (1100 – 1118) die Geschicke des jungen Kreuzfahrerstaates Jerusalem lenkte.
Idas Entschluss
Bewohner der Markgrafschaft Österreich waren weder an der ersten noch an der zweiten Welle des Ersten Kreuzzuges in nennenswertem Ausmaß beteiligt. Eine zeitgenössische Quelle erwähnt zwar, die Schar Peters des Einsiedlers habe neben Franzosen, Lothringern und Schwaben auch Bayern umfasst.6 Mit Letzteren könnten auch Österreicher gemeint gewesen sein, da die Markgrafschaft der Babenberger am Ende des 11. Jahrhunderts noch dem Herzogtum Bayern angehörte. Tatsächlich dürfte hierzulande die Zahl von Kreuzfahrern, die sich dem Ersten Kreuzzug anschlossen, jedoch gering gewesen sein.7 Dafür spricht auch der Umstand, dass Peter der Einsiedler in der Markgrafschaft nicht mehr als umherziehender Wanderprediger auftrat, wie er es in Nordfrankreich und dem Nordwesten des Heiligen Römischen Reiches getan hatte, sondern das Land der Babenberger in zügigem Tempo durchquerte. Zusätzlichen Personalbedarf hatte Peter der Einsiedler zu diesem Zeitpunkt gewiss nicht mehr. Seine schon vor seinem Eintreffen in Österreich äußerst zahlreiche und bunt gemischte Gefolgschaft auf dem langen Marsch nach Südosten halbwegs unter Kontrolle zu halten und deren Versorgung mit Lebensmitteln zu gewährleisten, stellte eine derartige organisatorische Herausforderung dar,8 dass er wohl kaum den Drang verspürte, seine Probleme mit dem Rekrutieren von weiteren Gefolgsleuten noch zusätzlich zu vergrößern.
Österreichs junger Markgraf Leopold III. (1095 – 1136) machte im Jahr 1096 keine sichtbaren Anstalten, ebenfalls als Glaubenskrieger aktiv zu werden. Über die Gründe dafür können wir nur mutmaßen. Denkbar erscheint, dass ihm der Kreuzzug zeitlich gesehen ungelegen kam. Nur wenige Monate zuvor hatte er die Nachfolge seines Vaters Leopold II. (1075 – 1095) angetreten. Sein Land schon jetzt auf unabsehbare Zeit zu verlassen, dürfte für einen machtbewussten und pragmatisch denkenden Fürsten, dem die Festigung seiner noch jungen herrschaftlichen Stellung als Priorität galt, nicht erstrebenswert gewesen sein.
Spätere Geschichtsschreiber und Chronisten betrachteten die Passivität Leopolds III. gegenüber der Kreuzzugsbewegung offenbar als schmerzliche Lücke in seinem Lebenslauf. Sie stellten den Markgrafen, der an der Wende zur Neuzeit den Beinamen »der Heilige« bekam, als Mann dar, der vom Glaubenskrieg eigentlich begeistert war und am liebsten mit in den Orient gezogen wäre.9 Einer Schilderung zufolge habe er dem Kreuzzug Geld für die Ausstattung sowie den Unterhalt von nicht weniger als 300 Rittern gespendet, doch dürfte diese Information eine nachträgliche Schönfärberei gewesen sein.10 Faktum ist, dass Leopold III. 1096 nicht genug Interesse für den heiligen Krieg aufbrachte, um sich selbst daran zu beteiligen.
Bald nach dem Durchmarsch der ersten Kreuzarmeen durch Österreich wurde das Thema Glaubenskrieg jedoch neuerlich aktuell. Die Anführer des Ersten Kreuzzuges hatten zwar einige Territorien im Orient erobert, aber ihre neugeschaffenen Herrschaftsbereiche befanden sich noch in einem embryonalen Stadium. Vor allem die Zukunft des rund um Jerusalem errichteten Kreuzfahrerstaates war zunächst höchst ungewiss, denn die meisten Krieger des Ersten Kreuzzuges wollten sich nicht im Orient ansiedeln, sondern traten bald nach der geglückten Eroberung der Heiligen Stadt wieder die Heimreise an. Binnen weniger Monate schrumpfte die Armee des neuen Herrschers von Jerusalem, Gottfried von Bouillon, auf rund 300 Ritter und 2000 Fußsoldaten zusammen. Als Gottfried von Bouillon im Sommer 1100 starb und sein jüngerer Bruder Balduin sich zum König von Jerusalem krönen ließ, hatten die Franken, wie die westlichen Invasoren in der muslimischen Welt zumeist genannt wurden, in Palästina eine sehr unsichere Stellung inne. Mit ihrer bescheidenen Truppenstärke würden sie einem konzentrierten muslimischen Angriff aus Syrien und Ägypten schwerlich standhalten können.
Papst Urban II. hatte die Notwendigkeit des Nachschubs schon früh vorausgesehen. Im Bewusstsein, dass es dringend weitere Soldaten und vor allem auch Siedler brauchen würde, um die noch fragilen Kreuzfahrerstaaten gegenüber der muslimischen Übermacht zu festigen, hatte er seine Kreuzzugspredigten bald nach dem Abmarsch des Ersten Kreuzzuges fortgesetzt. Sein Nachfolger Paschalis II. (1099 – 1118) führte diese Arbeit weiter. Entscheidend erleichtert wurde sie durch die Nachricht von der Eroberung Jerusalems. Dass die Heilige Stadt nach über vier Jahrhunderten muslimischer Herrschaft wieder christlicher Kontrolle unterstand, sorgte weithin für Begeisterung und verlieh dem vom Papst proklamierten Glaubenskrieg abermals starke Schubkraft.
Eine neue Kreuzzugswelle formierte sich. Sie bestand im Wesentlichen aus vier Ritterarmeen. Im Herbst 1100 marschierten Streitkräfte aus der Lombardei über das Herzogtum Kärnten und Südungarn ins Byzantinische Reich, überwinterten dort und traten im Mai des folgenden Jahres ihren Marsch durch Kleinasien an. Im Frühjahr 1101 zog eine französische Armee unter der Führung des Grafen Wilhelm II. von Nevers durch Italien, setzte über das Adriatische Meer und zog nach einem Kurzaufenthalt vor Konstantinopel eilig nach Westkleinasien, um die lombardische Armee einzuholen und den weiteren Vormarsch zusammen zu bestreiten. In Südfrankreich stellte Herzog Wilhelm IX. von Aquitanien eine Streitmacht auf und marschierte im Frühjahr 1101 nach Osten, um über Ungarn in Richtung Konstantinopel und Kleinasien vorzustoßen. In Bayern rief der Erfolg des Ersten Kreuzzuges ebenfalls eine starke Reaktion hervor. Herzog Welf IV. (1070 – 1077, 1096 – 1101) gedachte, sich auf den Weg ins Heilige Land zu machen, und zog zu Beginn des Jahres 1101 eine Streitmacht zusammen.11 Geistliche Spitzenrepräsentanten im Gebiet des heutigen Österreich schlossen sich der bayerischen Armee an, unter ihnen Erzbischof Thiemo von Salzburg und Giselbert, der Abt des Benediktinerklosters Admont.
Und auch das Haus Babenberg kam angesichts des sich anbahnenden neuen Kreuzzuges in Bewegung. Markgraf Leopold III. machte zwar auch diesmal keine Anstalten, sich an einer Militärexpedition in den Orient beteiligen. Dafür entschloss sich aber seine Mutter Ida, die bayerische Kreuzzugsinitiative aufzugreifen und an der Seite Welfs IV. ins Heilige Land zu ziehen.12
Die Entscheidung von Markgräfin Ida, der Witwe Leopolds II., war alles andere als alltäglich. Zwar hatte es während des Ersten Kreuzzuges bewaffnete Pilger gegeben, die in Begleitung ihrer Frauen in den Orient aufgebrochen waren. Ähnliches kam auch während des Kreuzzuges von 1101 zuweilen vor; überliefert ist beispielsweise, dass sich die französische Adelige Corba von Thorigné mit ihrem Gemahl im Gefolge Wilhelms IX. auf den Weg nach Palästina machte.13 Dass eine hochgeborene Frau aber ohne ihren Gemahl, also gewissermaßen auf eigene Faust die mehrere Tausend Kilometer lange Kreuzfahrt antrat, kam während der gesamten Ära der Orient-Kreuzzüge äußerst selten vor. Markgräfin Ida war in dieser Hinsicht eine Ausnahmeerscheinung.
Die Gründe, die sie bewogen, dieses Wagnis auf sich zu nehmen, lassen sich nur erahnen, denn leider gibt es kaum gesicherte Fakten über die Markgräfin. An der Wende vom 11. zum 12. Jahrhundert steckte in Österreich das Anlegen von schriftlichen Aufzeichnungen über maßgebliche Ereignisse noch in den Anfängen, das Verfassen von immer noch knapp gehaltenen Annalen begann sich erst im Lauf der folgenden Jahrzehnte zu intensivieren.14 Im Falle Idas hatte dies zur Folge, dass selbst die rudimentärsten Informationen über ihr Leben verloren gingen. So gibt es beispielsweise keine konkreten Hinweise auf ihr Alter; man nimmt an, dass sie zwischen 45 und 55 Jahre zählte, als sich der neue Kreuzzug formierte. Auch über ihre familäre Herkunft herrschte in der Geschichtswissenschaft nicht immer Konsens; am häufigsten wurde sie dem Haus Formbach-Ratelberg zugeordnet. Charaktereigenschaften lassen sich aus den kargen Hinweisen über sie kaum erkennen. Man rechnet ihr große Frömmigkeit zu. Im Investiturstreit habe sie, so wird vermutet, auf der Seite des Papstes gestanden und auch ihren Gemahl dahingehend beeinflusst.15 Abgesehen von ihrer Haltung zur Kirche und zur Religion bleibt sie jedoch eine schemenhafte Gestalt.
Einen Charakterzug kann man Markgräfin Ida allerdings doch mit einiger Gewissheit zuschreiben: Sie muss eine wagemutige Frau gewesen sein. Über das volle Ausmaß der Gefahren, die vor allem in Kleinasien lauerten, wird sie zwar nicht Bescheid gewusst haben. Allein die Tatsache aber, dass Gottfried von Bouillon nach seiner Durchquerung Österreichs nicht weniger als drei Jahre gebraucht hatte, um nach Jerusalem zu gelangen, muss Ida verdeutlicht haben, dass die Fahrt ins Heilige Land eine Herausforderung darstellte, die jeden ihr bekannten Rahmen sprengte.
Generell tendierten die Menschen jener Zeit dazu, wegen der äußerst harten Reisebedingungen ihr heimatliches Umfeld so selten wie möglich zu verlassen. Die holprigen Straßen waren mühselig zu befahren und verwandelten sich bei starken Regenfällen in einen Morast, in dem es fast kein Vorwärtskommen gab. An vielen Flüssen gab es keine Brücken, und wenn es sie doch gab, waren sie nicht selten riskant zu überqueren. Brach die Nacht herein, verursachte die Unterbringung von Mensch und Tier oft erhebliche Schwierigkeiten. Zudem musste stets mit dem Auftauchen von Wegelagerern gerechnet werden.
Stellte schon ein Ortswechsel innerhalb halbwegs bekannter geographischer Gebiete ein beschwerliches Unterfangen dar, so war der Ausgang einer echten Fernfahrt völlig ungewiss. Wer sich etwa vor die Notwendigkeit gestellt sah, durch die Alpen nach Rom zu reisen, pflegte davor seine Angelegenheiten zu regeln.16 Dass die Fahrt nach Jerusalem eine Fahrt nach Rom noch bei Weitem übertraf, dürfte Ida zumindest in Umrissen klar gewesen sein.
Entscheidend für Idas Aufbruch ins Ungewisse waren wohl tatsächlich religiöse Gründe.17 Die Vorstellung, die Heilige Stadt mit eigenen Augen zu sehen, könnte für die fromme Markgräfin ein machtvolles Motiv gewesen sein. Nicht von der Hand zu weisen ist aber auch die Vermutung, Idas Entscheidung sei außerdem »mit einem Auftrag zur Repräsentation verbunden«18 gewesen. Es mochte aus der Sicht der Babenberger notwendig geworden sein, bei der Kreuzzugsbewegung, die in Europa in Windeseile so großes Gewicht erlangt hatte, Flagge zu zeigen. Allerdings wies das österreichische Herrscherhaus um 1100 eine äußerst dünne Personaldecke auf. Leopold III. war Idas einziger männlicher Nachkomme. Angesichts dieser Situation dürfte es nicht unbedingt angezeigt gewesen sein, dass der junge Markgraf sich auf das Risiko eines Kreuzzuges, bei dem man leicht ums Leben kommen konnte, einließ. Idas Kreuzfahrt erfüllte daher vielleicht auch den Zweck, anstelle ihres Sohnes die Fahne der Babenberger in der Kreuzzugsbewegung hochzuhalten.
Konkretes Wissen über die Muslime, gegen die man seit wenigen Jahren zu Felde zog, schwang bei Idas Entscheidung nicht mit. An der Wende zum 12. Jahrhundert wusste man im Abendland noch wenig über sie. Bis zum Ersten Kreuzzug hatte die ferne Welt des Islam in Mitteleuropa kaum Beachtung gefunden. Die kurze Zeit, die seitdem vergangen war, hatte am diesbezüglichen Unwissen kaum etwas geändert.19
Sehr stark ausgeprägt war unter den Pilgern in Waffen hingegen die Überzeugung, dass der Krieg im Namen des Glaubens himmlische Unterstützung erfuhr. Der durchschlagende Erfolg des Ersten Kreuzzuges hatte dies für viele offensichtlich gemacht. Was die Gefahren der bevorstehenden Militärexpedition in den Orient betraf, gingen die Zeitgenossen davon aus, dass Gott auch diesem Unternehmen beistehen würde.20
Byzanz
Als Markgräfin Ida im Frühjahr 1101 ihre lange Fahrt nach Palästina antrat, konnte sie dies immerhin mit einem gewissen Sicherheitsgefühl tun. Nicht nur, dass Welf IV. von Bayern eine Kreuzarmee zusammenzog, der sie sich anschließen konnte. Ihr Lehnsherr vereinte seine Kräfte auch noch mit dem Heer Wilhelms IX. von Aquitanien, der im März des Jahres in Frankreich aufgebrochen war. Zusammen stellten die beiden Herzöge die wahrscheinlich stärkste Streitmacht des neuen Kreuzzuges. Dieser Umstand und die von den Rittern des Ersten Kreuzzuges erfochtenen Siege dürften der Markgräfin einige Zuversicht eingeflößt haben.
Die aquitanisch-bayerische Armee kam zunächst gut voran. Ohne Misshelligkeiten zog sie durch das Königreich Ungarn. Auf bulgarischem und byzantinischem Gebiet hingegen zeigte die Disziplin der Kreuzfahrer rasch tiefe Risse. Sie begannen zu plündern, was zu mehreren Zusammenstößen mit Einheimischen führte. Bald eilte den Kreuzfahrern aus Aquitanien und Bayern ein dermaßen schlechter Ruf voraus, dass der byzantinische Kaiser, der ihr Kommen ohnehin misstrauisch beäugte, sich in seinem Argwohn massiv bestätigt sah.
Für Alexios I. stellte die überhitzte Kreuzzugsbewegung ein veritables Problem dar. Zwar hatte er von den kampfstarken Armeen des Ersten Kreuzzuges profitiert; infolge ihres Vormarsches jenseits des Bosporus sowie ihrer Siege über die Seldschuken war es ihm gelungen, die byzantinische Herrschaft über den Westen Kleinasiens wiederzuerrichten. Allerdings ließen sich die Pilger in Waffen schwer kontrollieren. Schon während des Ersten Kreuzzuges hatten die durchziehenden Glaubenskrieger aus dem Westen für viel Unruhe im Byzantinischen Reich gesorgt. Eine Neuauflage dieser Turbulenzen galt es aus der Sicht Alexios’ I. unbedingt zu verhindern. Daher schickte er der aquitanisch-bayerischen Armee starke Streitkräfte entgegen, um ihr Einhalt zu gebieten. Daraufhin begann die Lage bei Adrianopel zu eskalieren, es kam zu Kampfhandlungen.
Diese Zuspitzung war wiederum keineswegs im Interesse Wilhelms IX. und Welfs IV., deren Ziel ja einzig und allein darin bestand, das Byzantinische Reich ohne größere Verwerfungen zu durchqueren. Nach hektischen Verhandlungen stellten die beiden Herzöge eine Verständigung mit den Byzantinern her und erlangten die Genehmigung, ihren Marsch zum Bosporus fortzusetzen. Allerdings wurden sie jetzt von kampfstarken Truppen Alexios’ I. eskortiert, die mit Argusaugen über das Wohlverhalten der bewaffneten Pilger aus dem Abendland wachten und sicherstellten, dass es keine weiteren Zwischenfälle mehr gab.
Anfang Juni 1101 erreichte die aquitanisch-bayerische Kreuzarmee Konstantinopel.21 Was Ida hier sah, dürfte ihr wohl den Atem verschlagen haben. Die Markgräfin kam aus einem immer noch dünn besiedelten Territorium am Ostrand des Heiligen Römischen Reiches, in dem die größten Ansiedlungen wenige Tausend Einwohner zählten. Die Hauptstadt des Byzantinischen Reiches hatte im frühen 12. Jahrhundert hingegen mehrere Hunderttausend Einwohner und stellte schon allein in ihrer schieren Dimension jede mitteleuropäische Stadt in den Schatten.
Das Erste, was man zu Gesicht bekam, wenn man sich der auf einer Halbinsel gelegenen Stadt näherte, waren die Befestigungsanlagen auf der Landseite. Sie waren etwa sechs Kilometer lang und bestanden aus drei Mauern, die mit fast 100 Türmen gespickt waren, welche die Defensivkraft zusätzlich erhöhten. Das hinter diesem mächtigen Abwehrbollwerk liegende Häusermeer war beinahe noch ehrfurchtgebietender. Während in Mitteleuropa noch die rückständige Holzbauweise vorherrschte, dominierten in Konstantinpel steinerne Paläste, Kirchen und Klöster. In ihrem Inneren prunkten diese imposanten Bauwerke mit ungeheurem Luxus; Seidenwebereien, Goldwaren oder Elfenbeinschnitzereien in meisterlicher Qualität boten sich dem Besucher dar. Zudem war Konstantinopel ein Tummelplatz für Handeltreibende aus aller Herren Länder, die zahllose Produkte aus dem Orient, dem Mittleren und Fernen Osten, Afrika und Europa feilboten. Sie verliehen der Stadt ein kosmopolitisches Flair, das man im Abendland so nicht kannte.22 Und über allem thronte die gewaltige Hagia Sophia, ein architektonisch einzigartiges Bauwerk aus der Spätantike, für das es in Europa keine Parallelen gab.
Bei Markgräfin Ida muss der Anblick dieser pulsierenden Weltstadt einen Kulturschock ausgelöst haben. Neben der Metropole am Bosporus nahmen sich babenbergische Residenzstädte wie Tulln oder Gars am Kamp mit ihren vergleichsweise winzigen Bevölkerungszahlen, ihren Holzbauten und dem nur regional bedeutenden Wirtschaftsverkehr wie armselige Dörfer aus. Der Gegensatz zwischen Konstantinopel und ihrer Heimat konnte kaum größer sein.
Sehr fern dürfte Ida der Gedanke gewesen sein, dass einer ihrer Enkel einmal eine Prinzessin des byzantinischen Kaiserhauses heiraten und so eine enge verwandtschaftliche Bindung der Babenberger mit den Komnenen herstellen würde.
Geradezu undenkbar waren derartige Vorstellungen damals in Konstantinopel.
Ein ungewöhnlicher Lehnseid
Im byzantinischen Herrscherhaus dominierte zu Beginn des 12. Jahrhunderts die Überzeugung, dem Rest Europas kulturell weit überlegen zu sein. In der Chronik Anna Komnenas, der Tochter Alexios’ I., werden die Franken als Barbaren dargestellt, die weit außerhalb der zivilisierten und kultivierten Welt lebten. Laut ihrem Bericht dachte auch der Kaiser in diesen Bahnen. Demnach fürchtete er zwar die militärische Schlagkraft der Franken, hielt sie ansonsten aber vor allem für wankelmütig, geldgierig und unzuverlässig.23