© eBook: 2022 GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, Postfach 860366, 81630 München
© Printausgabe: 2022 GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, Postfach 860366, 81630 München
Gräfe und Unzer Edition ist eine eingetragene Marke der GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, www.gu.de
Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, sowie Verbreitung durch Bild, Funk, Fernsehen und Internet, durch fotomechanische Wiedergabe, Tonträger und Datenverarbeitungssysteme jeder Art nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages.
Projektleitung: Miriam Nüberlin
Lektorat: Silke Panten
Covergestaltung: Ki36 Editorial Design, München, Bettina Stickel
eBook-Herstellung: Linda Wiederrecht
ISBN 978-3-8338-8329-3
1. Auflage 2022
Bildnachweis
Coverabbildung: mooi.jpg
Autorenfoto: André Giehler
Syndication: www.seasons.agency
GuU 8-8329 02_2022_01
Unser E-Book enthält Links zu externen Webseiten Dritter, auf deren Inhalte wir keinen Einfluss haben. Deshalb können wir für diese fremden Inhalte auch keine Gewähr übernehmen. Für die Inhalte der verlinkten Seiten ist stets der jeweilige Anbieter oder Betreiber der Seiten verantwortlich. Im Laufe der Zeit können die Adressen vereinzelt ungültig werden und/oder deren Inhalte sich ändern.
Die GU-Homepage finden Sie im Internet unter www.gu.de
www.facebook.com/gu.verlag
Unsere eBooks werden auf kindle paperwhite, iBooks (iPad) und tolino vision 3 HD optimiert. Auf anderen Lesegeräten bzw. in anderen Lese-Softwares und -Apps kann es zu Verschiebungen in der Darstellung von Textelementen und Tabellen kommen, die leider nicht zu vermeiden sind. Wir bitten um Ihr Verständnis.
»Na los jetzt«, hörte ich einen genervten Robin sagen. Ich senkte den Becher von meinem Gesicht und realisierte, dass er bereits vor mir kniete. Mein Herz versuchte, sich durch meinen Brustkorb durchzuboxen. Robin lehnte sich vor, das Licht ging aus, ich spürte einen sanften Druck auf meinem Mund, leicht geöffnet, eine spitze Zunge gesellte sich für den Bruchteil einer Sekunde zwischen meine Lippen und schickte ein Kribbeln über mein Gesicht durch meinen ganzen Körper wie eine Rohrpost. Ich spürte einen Druck im Nacken, Robins Hand. Das Gelächter des Publikums war so laut wie bei einem lustigen Film im Kino, das Licht ging wieder an, Robin entfernte sich von mir, ging zurück auf seinen Platz und wischte sich mit dem Handrücken langsam den Mund ab, während er mit mir Augenkontakt hielt. Nicht nur der Sitzkreis, auch viele Umstehende schauten uns an und grinsten vor sich hin.
»Hattest du deine Augen geschlossen?«, fragte Max völlig perplex.
Ich erschrak. Ich wusste es nicht, möglich war es, vielleicht war es deshalb so dunkel, alles ging so schnell. War das eigentlich fremdgehen, wenn man auf einer Party bei einem Spiel jemanden küsste?, fragte ich mich. Hätte ich dabei an Milli denken müssen? Hätte ich sie vorher um Erlaubnis bitten müssen?
Und warum eigentlich wollte ich insgeheim, dass Robin das noch mal machte?
Danke an Jennifer Arp, Tatjana Grüner und Levin Günther, die nicht nur meine Freunde sind, sondern am Buch mitgeschrieben haben. Ohne euch wäre dieses Werk nicht so fantastisch geworden.
Danke, Kristian, dass du dich trotz der Entfernung entschieden hast, mich anzuschreiben. Dank dir weiß ich, dass Liebe keine Grenzen kennt, Entfernungen überstehen kann und Zeit zum Wachsen braucht. Ich liebe dich.
Für all jene, die lernen wollen, wie man aus den Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, Häuser bauen kann.
Du kennst das: Du wachst morgens auf und bist schwul! So läuft das doch, oder? Man wird heterosexuell geboren und eines Tages kommt in einer x-beliebigen Nacht die Homofee Holdine Horio zu dir nach Hause, bestreut dich mit Glitzer und, zack – von nun an befindest du dich auf der regenbogenfarbenen Seite der Macht. Plötzlich liebst du Germany’s Next Topmodel, kennst jedes Musical auswendig und möchtest als Friseur mit lackierten Nägeln arbeiten.
Wie, so ist das nicht? War es bei dir etwa anders? Oder bist du vielleicht gar nicht homosexuell? Egal, welche Sexualität du hast, welchen Weg du bislang gegangen bist und welchen du noch gehen wirst, in diesem Buch erzähle ich dir, wie ich gelernt habe, zu mir zu stehen, und wie ich es geschafft habe, große Hürden zu überwinden und daran zu wachsen. Dies ist kein Coaching-Seminar in Buchform, das dich zu einem besseren Menschen machen wird. Es ist auch keine WhatsApp-Gruppe auf Papier, die dir einen Porsche Cayman S oder viel Geld verspricht, keine Sorge. Dies ist meine Geschichte, mit der du mich ein bisschen kennenlernst und an der du vielleicht mit mir zusammen wächst.
Hi, ich bin Tommy. Nach dem Tod meiner Mutter, als ich drei Jahre alt war, zog ich mit meinem Bruder Dennis, meinem Vater und seiner neuen Freundin zusammen in ein Haus in der Nähe von Hannover. Mein Bruder ist nur ein Jahr jünger als ich, aber dennoch habe ich mich lediglich immer dann besonders gut mit ihm verstanden, wenn wir Langeweile hatten und niemand anderes zum Spielen vorbeikam. Lieber mit dem eigenen Bruder spielen als allein war das Motto. Die restliche Zeit haben wir uns geärgert oder gestritten, wobei meistens das eine zum anderen führte.
Die Jahre vergingen wie im Flug und schneller als erwartet steckte ich auch schon mitten in der Pubertät. Die Frau an der Seite meines Vaters hatte ich irgendwann als meine Mama hingenommen, denn an den Tod meiner leiblichen Mutter konnte ich mich nicht erinnern. Je älter ich wurde, desto mehr Fragen stellte ich jedoch. Fragen zu meiner Geburt, zu meinem Geburtsort Hamburg, zu dem Fakt, dass mein Bruder und ich zwar »Papa« sagten, unsere »Mutter« allerdings nur mit dem Vornamen ansprachen, und schließlich auch Fragen zu den immer häufiger vorkommenden Streitgesprächen zwischen meinen Eltern. Mir wurde klar, dass irgendetwas nicht stimmte, dass in meiner Familie etwas anders war als in den Familien meiner Freundinnen und Freunde. Zunächst dachte ich, es liege an mir, weil meine Fragen meist abgewunken oder mit einem »Das erklären wir dir, wenn du alt genug bist« vertagt wurden. Ich zog mich mehr und mehr zurück und flüchtete mich in meine Bücher. Bei den Drei ??? und TKKG habe ich mich immer gut aufgehoben gefühlt, da gab es wenig Streit und stets ein Happy End.
Als ich elf Jahre alt war, trennte sich mein Vater von seiner Freundin und zog mit seiner neuen Freundin zusammen. Da sie gerade mal acht Jahre älter war als ich, war unser Verhältnis ziemlich kompliziert und schwankte zwischen freundschaftlich und kühl. Zu meinem Leidwesen mussten wir aus dem mehretagigen Reihenhaus ausziehen und von nun an in einer kleinen Dreizimmerwohnung hausen. Dies wurde mit einer neuen Stiefmutter und einem jüngeren Bruder zu einer echten Herausforderung, kann ich dir sagen. Die Schlafcouch im Wohnzimmer wurde jeden Abend von meinem Vater ausgezogen, da wir faktisch einen Raum zu wenig hatten und somit das Wohnzimmer auch gleichzeitig das Schlafzimmer der Eltern war.
Glücklicherweise bekamen wir Kinder jeder unser eigenes Zimmer, ansonsten hätten wir uns noch in den ersten Wochen die Köpfe abgerissen. Die neue Lebenssituation trieb uns dennoch in den vorpubertären Wahnsinn. Vermutlich litt mein Bruder genauso sehr wie ich unter der Situation, doch anstatt miteinander zu reden, motzten wir einander nur an. Dennis verarbeitete seine Wut und sein Unbehagen damit, dass er sich mit Freunden prügelte oder mit ihnen Dummheiten anstellte. Ich glaube, sie haben einmal sogar gekokelt und in der Nachbarschaft einen Briefkasten in Flammen gesetzt. Von solchen Dingen habe ich mich stets distanziert. Meine Wut behielt ich für mich. Nicht nur einmal habe ich mir in der Zeit eine Person herbeigesehnt, mit der ich hätte reden können, aber ich machte die Dinge mit mir selbst aus, auch wenn ich an manchen Tagen das Gefühl hatte, ich würde implodieren.
Mit meinem Vater habe ich mich ganz okay verstanden. Näher kann ich es fast gar nicht beschreiben, denn er arbeitete immer bis abends, was dazu führte, dass wir im normalen Alltag nicht viel Zeit miteinander verbringen konnten. Dafür wurden Wochenenden und Ferienzeiten genutzt. Da mein Vater und seine neue Freundin jeweils ein eigenes Pferd hatten, verbrachte ich gezwungenermaßen meine Wochenenden draußen auf dem Pferdehof und musste dort viel mit anpacken. In meinen Augen war mein Bruder dafür besser geeignet. Nicht nur weil er sichtlich Freude an diesen Arbeiten hatte, sondern auch weil er stärker und handwerklich geschickter war als ich. Mein Vater pflegte allerdings zu sagen: »Wir packen alle mit an, denn von nichts kommt nichts.«
Du siehst, mein Leben hat bereits turbulent angefangen. Und als ob das eigene Familienleben nicht schon genug Probleme für einen Teenager bereithielte, fingen ab diesem Zeitpunkt meine Sorgen erst richtig an.*
* Einen Hinweis möchte ich vorab geben: Die Namen aller im Buch vorkommenden Personen wurden geändert und die Handlungen haben nicht exakt so stattgefunden, sondern wurden dramaturgisch angepasst.