Unsere eBooks werden auf kindle paperwhite, iBooks (iPad) und tolino vision 3 HD optimiert. Auf anderen Lesegeräten bzw. in anderen Lese-Softwares und -Apps kann es zu Verschiebungen in der Darstellung von Textelementen und Tabellen kommen, die leider nicht zu vermeiden sind. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Impressum

© eBook: 2022 GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, Postfach 860366, 81630 München

© Printausgabe: 2022 GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, Postfach 860366, 81630 München

GU ist eine eingetragene Marke der GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, www.gu.de

Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, sowie Verbreitung durch Bild, Funk, Fernsehen und Internet, durch fotomechanische Wiedergabe, Tonträger und Datenverarbeitungssysteme jeder Art nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages.

Projektleitung: Christof Klocker

Lektorat: Annette Gillich-Beltz, Ina Volkmer

Bildredaktion: Nele Schneidewind

Covergestaltung: Sabine Krohberger, ki36, München

eBook-Herstellung: Behzad Terrah

ISBN 978-3-8338-8454-2

1. Auflage 2022

Bildnachweis

Coverabbildung: Robert Grischek, Hamburg

Cartoons: Daniel Lüdeling, www.medi-learn.de/cartoons

Autorenfotos: Robert Grischek, Hamburg

Syndication: www.seasons.agency

GuU 8-8454 03_2022_02

Unser E-Book enthält Links zu externen Webseiten Dritter, auf deren Inhalte wir keinen Einfluss haben. Deshalb können wir für diese fremden Inhalte auch keine Gewähr übernehmen. Für die Inhalte der verlinkten Seiten ist stets der jeweilige Anbieter oder Betreiber der Seiten verantwortlich. Im Laufe der Zeit können die Adressen vereinzelt ungültig werden und/oder deren Inhalte sich ändern.

Die GU-Homepage finden Sie im Internet unter www.gu.de

LIEBE LESERINNEN UND LESER,

wir wollen Ihnen mit diesem E-Book Informationen und Anregungen geben, um Ihnen das Leben zu erleichtern oder Sie zu inspirieren, Neues auszuprobieren. Wir achten bei der Erstellung unserer E-Books auf Aktualität und stellen höchste Ansprüche an Inhalt und Gestaltung. Alle Anleitungen und Rezepte werden von unseren Autoren, jeweils Experten auf ihren Gebieten, gewissenhaft erstellt und von unseren Redakteur*innen mit größter Sorgfalt ausgewählt und geprüft.

Haben wir Ihre Erwartungen erfüllt? Sind Sie mit diesem E-Book und seinen Inhalten zufrieden? Wir freuen uns auf Ihre Rückmeldung. Und wir freuen uns, wenn Sie diesen Titel weiterempfehlen, in ihrem Freundeskreis oder bei Ihrem Online-Kauf.

KONTAKT ZUM LESERSERVICE

GRÄFE UND UNZER VERLAG
Grillparzerstraße 12
81675 München

Wichtiger Hinweis

Die Gedanken, Methoden und Anregungen in diesem Buch stellen die Meinung bzw. Erfahrung der Verfasser dar. Sie wurden von den Autoren nach bestem Wissen erstellt und mit größtmöglicher Sorgfalt geprüft. Sie bieten jedoch keinen Ersatz für persönlichen kompetenten medizinischen Rat. Jede Leserin, jeder Leser ist für das eigene Tun und Lassen auch weiterhin selbst verantwortlich. Weder Autoren noch Verlag können für eventuelle Nachteile oder Schäden, die aus den im Buch gegebenen praktischen Hinweisen resultieren, eine Haftung übernehmen.

LIEBE LESERIN, LIEBER LESER,

in der letzten Zeit hat sich einiges verändert. Vor ein paar Jahren haben sich die meisten von uns noch nicht so viele Gedanken über ihre Gesundheit gemacht. Klar, so ganz grundsätzlich natürlich schon. Aber man hat nicht jeden Husten, nicht jeden Schnupfen auf die Goldwaage gelegt. Seit der Corona-Pandemie ist die Lage jedoch eine andere: Wir hören viel aufmerksamer in uns hinein, wir sind wachsamer. Denn so viel ist spätestens jetzt klar: Unsere Gesundheit ist angreifbar. Ganz egal, ob wir noch jünger oder schon etwas älter sind.

Aber wenn wir mal ehrlich sind, wissen wir das natürlich alle längst, denn Corona ist ja nicht die einzige Bedrohung für unsere Gesundheit. Wir kennen alle jede Menge Schwach- und Krankmacher, die uns den ganz normalen Wahnsinn des Lebens noch einen Zacken schwerer machen können. Sie wirken auf den ersten Blick zwar oft weniger dramatisch, rauben uns aber mindestens zwei entscheidende Dinge: unsere Energie und unsere Lebensqualität. Und wenn es ganz übel läuft, sogar einen Teil unserer Lebenszeit.

Aber um das einschätzen zu können, ist es wichtig zu verstehen, wovon hier überhaupt die Rede ist. Und als Arzt liegt es mir natürlich ganz besonders am Herzen, das eine oder andere Rätsel aus unserer Körperwelt zu lüften. Zum einen, damit medizinisches Wissen den Schrecken verliert und jedem zugänglich ist, aber auch, damit jeder Mensch versteht, was eigentlich im Körper vor sich geht. All die wunderbaren Dinge, die jeden Tag ganz automatisch funktionieren, von denen wir aber oft gar nicht so viel mitbekommen. Denn das Tolle ist: Auch wenn wir uns manchmal um unsere Gesundheit sorgen – unser Körper rackert sich jeden Tag ab, damit wir gesund bleiben, damit es uns gut geht. Und ganz ehrlich: Das macht er richtig klasse!

In diesem Buch möchte ich dich darum einladen, drei Systeme deines Körpers näher unter die Lupe zu nehmen: deinen Darm, dein Immunsystem und deinen Schlaf. Wieso gerade diese drei Bereiche, fragst du dich? Ganz einfach: Sie sind nicht nur unglaublich wichtig für deine Gesundheit und dein Wohlbefinden, sondern auch wirklich komplex, spannend und faszinierend.

Wir starten mit einem ganz entscheidenden Faktor für deine Gesundheit, und zwar mit deinem Darm. Ich weiß, das allerbeste Image hat er nicht. Und ja, manchmal ist er ganz schön träge oder rumpelt ordentlich vor sich hin. Er blubbert mal laut, mal leise, krampft oder macht mit einem drückenden Gefühl auf sich aufmerksam. Aber so viel ist klar: Den größten Teil unseres Lebens verbringt er damit, den Laden zu schmeißen – und zwar ohne sich groß zu beschweren. Denn ohne deinen Darm geht in deinem Körper tatsächlich gar nichts. Hier wird dein Essen verdaut, klar, aber es werden auch all die lebenswichtigen Nährstoffe aus Gemüse, Obst und Co. aufgenommen und dorthin transportiert, wo sie gerade gebraucht werden, und es werden verschiedene Hormone produziert. Und wusstest du, dass sich auch Immunzellen im Darm befinden? Genauer gesagt, im Dünn- und Dickdarm? Rund 80 Prozent aller Abwehrreaktionen laufen hier ab, was den Darm zu einem ganz entscheidenden Teil unseres Immunsystems macht, also zu einem Teil unserer körpereigenen Abwehrkräfte. Spannend, oder? Im ersten Part dieses Buches sprechen wir darum en détail über den Darm, über seine vielen guten Seiten, seine Funktion und die Milliarden an Bakterien, die ihn bewohnen. Und natürlich darüber, was du alles tun kannst, damit er reibungslos ans Licht befördert, was in die Schüssel soll. Ohne zu knurren und zu rebellieren, versteht sich.

Im zweiten Teil dieses Buches geht’s um dein Immunsystem. Denn auch, wenn du vielleicht glaubst, schon alles über deine körpereigenen Abwehrkräfte zu wissen, garantiere ich dir, dass dir nach diesem Kapitel alle Zusammenhänge noch klarer sind – denn nicht nur der Darm spielt eine entscheidende Rolle, wenn es um die Bekämpfung von krank machenden Eindringlingen und Zellveränderungen geht, sondern es gibt noch en détail paar weitere Einsatzkräfte, die alles dafür tun, damit du gesund bleibst. Klar, manchmal dauert es etwas, bis sich unser Schutzschild aktiviert, und hin und wieder bekommen wir auch zu spüren, wie es richtig ackern muss, wenn wir zum Beispiel Fieber bekommen oder uns das klassische Erkältungstrio aus Husten, Schnupfen und Heiserkeit erwischt. Aber selbst wenn es mal schwächelt, steckt dahinter noch immer ein hochfunktionales Supersystem, das wir gemeinsam erkunden wollen. Wir schauen uns an, was es stark macht und welche Störfaktoren wir ganz easy aus dem Weg räumen können, damit dein inneres Abwehrsystem möglichst mit voller Kraft arbeiten kann. Denn allein durch deinen Lebensstil kannst du die Helfer in deinem Körper schon wirkungsvoll unterstützen.

Im dritten Teil kommen wir zu einem ganz entscheidenden Faktor für deine Gesundheit, und das ist dein Schlaf. Denn mal ehrlich: Weißt du, warum du eigentlich schläfst? Oder warum du nachts manchmal wach liegst? Vielleicht gehörst du ja auch zu den Menschen, die den guten alten Bruder Schlaf eher unter dem Beinamen »Der Feind in meinem Bett« kennen. Durchwachte Nächte, stundenlanges Hin- und Herwälzen, aufwühlende, schlechte Träume – ja, das kann einen wirklich fix und fertig machen. Und zwar so sehr, dass man irgendwann nur noch zombiemäßig durch den Tag stolpert, statt fit, wach, ausgeschlafen und gut drauf zu sein. Wenn du diese Probleme kennst, ist der dritte Teil dieses Buches genau das Richtige für dich, denn darin erkunden wir gemeinsam, was es mit dem Schlafen eigentlich auf sich hat, warum es so wichtig für dich, deinen Körper und deine Gesundheit ist – und natürlich auch, wie du in Zukunft besser ein- und durchschlummern kannst.

Ich wünsche dir viel Spaß auf unserer gemeinsamen Reise!

Alles Liebe und bleib gesund!

KOMPETENZWUNDER

Wenn es ein Organ in unserem Körper gibt, das einerseits wenig von sich hermacht – im Vergleich etwa zum Gehirn oder zum Herz –, das aber zugleich jede Menge Strippen zieht, dann ist das unser Darm. Er bietet uns eine breite Palette an Dienstleistungen an, ist ausgestattet mit einer besonderen Portion Feingefühl und gleichzeitig rund um die Uhr voll leistungsbereit. Wir sollten uns also dankbar vor dem großen Gesunderhalter verneigen und ab sofort jeden Tag zum »Tag des Darms« werden lassen. Denn das wäre definitiv das Beste, was du für dich und deine Gesundheit tun kannst.

Warum? Der menschliche Darm ist eine Art Meister aller Klassen. Einerseits ist er unglaublich schlau aufgebaut, nimmt Nährstoffe aus unserem Essen und Trinken auf und verdaut und verstaut alles brav dort, wo es hin oder wieder raus soll. Außerdem ist er unser größtes Hormonsystem und reguliert den Energiehaushalt und den Blutzuckerspiegel. Für diese und andere wichtige Funktionen sind spezialisierte Zellen zuständig. Sie bilden sich aus Darmstammzellen und erneuern sich alle drei bis vier Tage.

Da gibt es die sogenannten enteroendokrinen Zellen (entero: den Darm betreffend; endokrin: auf das Hormonsystem bezogen), die mehr als zwanzig verschiedene Hormontypen herstellen und Signale an das Gehirn und die Bauchspeicheldrüse schicken. So regulieren sie zum Beispiel, ob du Appetit hast, wann sich dein Magen entleert und wann die Betazellen in deiner Bauchspeicheldrüse das lebenswichtige Hormon Insulin ausschütten sollen.

Außerdem bildet der Darm Hormone, die unser Wohlbefinden und unsere Stimmung beeinflussen. Er hat darüber hinaus selbst viel Gefühl, wie überhaupt der gesamte Verdauungstrakt, zu dem noch ein paar mehr Organe gehören. Das hat sich sogar in unserem Sprachgebrauch niedergeschlagen. Stress oder Ärger schlägt uns auf den Magen und wir spüren Schmetterlinge im Bauch, wenn wir frisch verliebt sind. Wir werden sauer, wenn wir uns ärgern, und machen uns vor Angst in die Hose. Jeder kennt das Gefühl, dass er noch mal ganz schnell aufs Klo muss, bevor die Führerscheinfahrt losgeht oder eine mündliche Prüfung ansteht.

Schließlich stellt der Darm wie ein zuverlässiger Hausmeister unermüdlich Energie bereit und sorgt für unseren Wasser- und Salzhaushalt. Andererseits ist er auch so etwas wie unser Personenschützer, wenn es um Angriffe auf unsere Gesundheit durch Keime oder Viren geht. Eine weitere wichtige Funktion haben die sogenannten Paneth-Zellen. Sie können antimikrobielle Substanzen erzeugen und so Krankheitserreger abwehren. So kann man verstehen, dass der Darm mit vielen verschiedenen Krankheiten in Verbindung steht – das fängt mit chronischen Entzündungen an und geht über Darmkrebs bis hin zu Diabetes.

Immun-Coaching

Unser Immunsystem wäre ohne das Training durch die zahlreichen Bewohner des Darms, die etwa 39 Billionen Darmbakterien, nicht funktionsfähig. Sie sitzen dicht an dicht an der Darmwand, sodass im besten Fall kein Platz mehr ist für krank machende Erreger. Immerhin 80 Prozent unserer Körperabwehr ist hier angesiedelt. Die Immunzellen lernen hier, welche Substanzen gefährlich sind und welche sie in Ruhe lassen beziehungsweise mit welchen sie eine gute Nachbarschaft pflegen sollten. Wie sich dieses Mikrobiom zusammensetzt, ist unterschiedlich. Es hängt davon ab, was du isst, ob du dich viel bewegst, ob du viel Stress hast und wie du damit umgehst und auch, ob du gerade Antibiotika oder andere Medikamente einnimmst. Du kannst dir das Mikrobiom vorstellen wie den tropischen Regenwald: ein komplexes, wunderbar funktionierendes Ökosystem in perfektem Zusammenspiel, in dem Kahlschlag oder Brandrodung Folgen für das gesamte System haben. Bezogen auf den Darm heißt das: Gerät die Darmflora aus dem Gleichgewicht, schwächelt das Immunsystem, wir werden anfälliger für Infekte und Entzündungen jeder Art. Unter anderem steigt das Risiko für entzündliche Darmerkrankungen, für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, für Typ-2-Diabetes und für Krebs.

Im Kapitel »Hier ist was los – das Mikrobiom« > erfährst du mehr über dieses System.

STÖRFAKTOREN

Genies sind empfindlich. Unsere Lebensweise kann unser Ökosystem im Darm also stark beeinträchtigen. Besonders schlecht sind:

  • zu viel Zucker und Fleisch in der Ernährung

  • unregelmäßiges Essen: zu viel, zu oft, zu schnell, zu spät …

  • Medikamente (Antibiotika, Abführmittel, Magensäureblocker, Beruhigungsmittel, Cholesterinsenker, Antibabypille, Schmerzmittel)

  • übertriebene Hygiene

  • Magen-Darm-Infekte

  • chronische Erkrankungen

  • Stress

  • zu wenig Schlaf

  • Bewegungsmangel

Das zweite Gehirn

Vielleicht ist dir schon die Aussage begegnet, der Darm sei unser zweites Gehirn. Natürlich können wir mit unserem Darm nicht denken, doch er reagiert ähnlich wie unser Kopfhirn auf Gefühle, Stimmungen, Entscheidungen, Erinnerungen. Verantwortlich dafür ist ein Nervengeflecht aus 100 bis 150 Millionen Nervenzellen, das den Darm umschließt. Es wird als Bauch- oder Darmhirn bezeichnet (siehe Kapitel »Darm an Hirn« >). Über die Darm-Hirn-Achse kommunizieren die beiden Steuerzentralen in Bauch und Kopf miteinander. Der Darm sorgt also auch für unser geistiges Gleichgewicht. Beweise für die enge Verbindung zwischen beiden Gehirnen konnten Wissenschaftler anhand von Forschungsarbeiten über bestimmte neurologischen Erkrankungen liefern, also über Krankheiten des Gehirns oder der Nerven.

Sie fanden heraus, dass bei depressiven Patienten bestimmte Darmbakterienstämme vorherrschen, die Substanzen herstellen, welche die Erkrankung begünstigen. So ändert beispielsweise Junkfood die Darmbesiedelung und erhöht damit das Risiko für Depressionen.

Bei Kindern mit Autismus, einer ererbten Erkrankung, konnten Forscher der Chinese University of Hongkong sehen, dass sich ihr Mikrobiom deutlich von dem gesunder Kinder unterscheidet. Das ist insofern von Bedeutung, als einige Gehirnfunktionen auch durch Stoffwechselprodukte der Darmflora beeinflusst werden. Die Darmflora entwickelt sich wie Autismus in den ersten Lebensjahren. Nun wird die Möglichkeit einer frühzeitigen Therapie durch eine Normalisierung des Mikrobioms diskutiert.

Auch bei Parkinson wurden Wissenschaftler im Mikrobiom fündig. Möglicherweise wird die gefürchtete neurodegenerative Erkrankung durch Entzündungen im Darm ausgelöst. Dafür verantwortlich sind noch nicht identifizierte Bakterienstämme, die auch im Darm die Eiweißstoffe herstellen, die zu den typischen Veränderungen im Gehirn führen.

Hilfe aus dem Darm

Die Darmforschung entdeckt immer wieder neue Zusammenhänge und hilft so dabei, Erkrankungen besser und zielführender zu behandeln. Das betrifft nicht nur die Entstehung von typischen Darmbeschwerden wie Durchfall, Verstopfung und Blähungen oder auch Reizdarm und chronisch entzündliche Darmerkrankungen. Auch Nahrungsmittelunverträglichkeiten, Allergien und Neurodermitis werden heute unter dem Aspekt der Wechselwirkung mit dem Darm betrachtet, genauso wie Stoffwechselerkrankungen, etwa Typ-2-Diabetes oder Übergewicht.

Dank der intensiven Forschungen in den letzten zwanzig, dreißig Jahren haben wir nicht nur sehr viele Erkenntnisse über den Darm gewonnen, es wurde auch die Therapie von bislang schwer behandelbaren Leiden möglich. Beispielsweise galt ein Reizdarm lange Zeit als psychisch bedingt beziehungsweise als eingebildete Krankheit. Jetzt wurden jedoch konkrete Auslöser im Darm ausgemacht und man weiß, dass bestimmte Lebensmittel und Stress verantwortlich für die Darmprobleme sind. Das Reizdarmsyndrom kann also vermieden werden, wenn die Patientinnen und Patienten auf bestimmte Lebensmittel verzichten.

Auch Colitis ulcerosa und Morbus Crohn, das sind chronisch entzündliche Darmerkrankungen, die schon jungen Erwachsenen zwischen 18 und 25 zu schaffen machen, können besser therapiert werden. Denn man weiß inzwischen, dass bestimmte Gene die Krankheiten begünstigen. Ist das Nod2-Gen auf Chromosom 16 mutiert, besteht ein sehr hohes Risiko, an Morbus Crohn zu erkranken. Das Gen kann nicht mehr unterscheiden, welches Bakterium Feind und welches Freund ist. Also löst das Immunsystem auch bei Kontakt mit einem ungefährlichen Bakterium eine Entzündungsreaktion aus. Für die Betroffenen bedeuten diese Erkenntnisse neue Therapiemöglichkeiten, durch die die Entzündung gezielt bekämpft werden kann.

Multiple-Sklerose-Patienten können vielleicht ebenfalls neuen Therapiemöglichkeiten entgegensehen. Seit einigen Jahren weiß man, dass das Gehirn auf bestimmte Stoffwechselprodukte aus dem Darm angewiesen ist. Das sind zum Beispiel die Propionsäuren, die der Darm aus Ballaststoffen herstellt. Bei Menschen mit Multipler Sklerose ist die Vielfalt der Darmbakterien nicht so groß wie bei Gesunden, unter anderem sind weniger Bakterien zu finden, die Ballaststoffe zu Propionsäure umbauen. Im Rahmen einer Studie gaben die Ärzte den Teilnehmenden Propionsäure mit anderen Medikamenten, was offenbar zu mehr Vitalität und besserer Konzentrationsfähigkeit führte.

Noch sind sehr viele Fragen offen, aber es werden stetig neue Kapitel in der Darmforschung aufgeschlagen. Im Mittelpunkt steht dabei die Rolle des Darm-Ökosystems für unsere Gesundheit, genauso wie die Entstehung und eine bessere Behandlung von Krankheiten.

DARM IN ZAHLEN
  • Auf 200 bis 500 Quadratmeter Oberfläche bringt es der Darm mit all seinen Zotten und Falten. Das ist größer als ein Basketballfeld. Zum Vergleich: Die Hautoberfläche beträgt im Durchschnitt nur knapp 2 Quadratmeter.

  • Mit einer Länge von 6 bis 8 Metern ist der Darm das längste Organ des Menschen. Er bietet damit die größte Kontaktfläche zur Außenwelt und ist zugleich unsere wichtigste Schutzschicht.

  • Der Darm ist das größte Immunschutzorgan: Zwei Drittel unserer Körperabwehr befinden sich hier, genauer gesagt in der Darmwand.

  • 100 Millionen Nervenzellen befinden sich im Darm, das sind mehr als im Rückenmark.

  • Unser Darm ist aufgrund seiner einzigartigen Ausstattung mit Nervenzellen das einzige unserer Organe, das völlig autonom ist. Er kann sogar dann weitermachen, wenn unsere Steuerzentrale im Kopf ausfallen sollte.

  • Der Darm ist die größte Hormonfabrik im Körper. Hormonzellen schütten mehr als 20 Botenstoffe aus.

  • Im Darm werden über 90 Prozent des Glückshormons Serotonin gebildet.

  • Etwa 39 Billionen Bakterien leben im Darm.

  • Bis zu 1000 unterschiedliche Bakterienarten bilden unsere Darmflora, wie man das Mikrobiom früher auch nannte.

  • Das Mikrobiom, die Darmflora, bringt bei einem Erwachsenen etwa 1 bis 2 Kilogramm auf die Waage.

  • Die Hälfte des Stuhlgewichts besteht aus Bakterien.

  • Ein einzelnes Bakterium ist so vermehrungsfreudig, dass es pro Nacht eine Milliarde neue produzieren kann.

  • Während eines Menschenlebens passieren 30 Tonnen Speisen und 50 000 Liter Flüssigkeit den Magen-Darm-Trakt.

  • Im Darm befinden sich 39 Billionen freundliche Mikroorganismen, eine Art innere Wohn- und Arbeitsgemeinschaft, die uns gesund hält.