Der Magier von Lhasa

Ein Spiritueller Tibet-Thriller

David Michie


ISBN: 978-3-96861-289-8
Deutsche Ausgabe: 1. Auflage 2022
© Aquamarin Verlag GmbH

Aus dem Englischen von Petra Michel

Titel der Englischen Originalausgabe: The Magician of Lhasa © 2017 David Michie. Original English language edition published by Conch Books, Subaco, Australia. Arranged via Licensor’s Agent: DropCap Inc. All rights reserved.

Alle Rechte vorbehalten, auch durch Funk, Fernsehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger jeder Art und auszugsweisen Nachdruck, sind vorbehalten

Dies Buch ist eine reine Fiktion. Namen, Charaktere, Orte und Begebenheiten in diesem Buch sind vom Autor frei erfunden, sind vollständig fiktiv und basieren weder auf noch repräsentieren sie die Ansichten irgendeiner Person oder eines Ereignisses. Jede Ähnlichkeit ist absolut zufällig. Jeglicher Bezug oder jegliche Darstellung, die sich in diesem Buch auf lebende oder bereits verstorbene Personen beziehen, entspringen der Vorstellung des Autors und sollen keinesfalls eine Wiedergabe von oder Ähnlichkeit zu tatsächlichen Ansichten, Ereignissen oder Meinungen derartiger Personen ausdrücken.

Aquamarin Verlag GmbH
Voglherd 1
85567 Grafing

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Inhalt

Widmung

Voll herzlicher Dankbarkeit für meine geliebten Gurus:

Les Sheehy, außerordentliche Quelle der Inspiration und Weisheit;

Geshe Acharya Thubten Loden, unvergleichlicher Meister und Verkörperung des Dharma; Zasep Tulku Rinpoche, edler Vajra Acharya und Yogi.

 

Guru ist Buddha, Guru ist Dharma, Guru ist Sangha,

Guru ist die Quelle allen Glücks.

Ich verneige mich vor allen Gurus, bringe meine Gaben dar und nehme Zuflucht bei ihnen.

 

Möge dieses Buch Wogen der Inspiration von meinen eigenen Gurus

zu den Herzen und Gedanken zahlloser Lebewesen tragen.

 

Mögen alle Wesen glücklich sein und die wahren Ursachen des Glücks besitzen.

Mögen alle Wesen frei sein von Leid

und von den wahren Ursachen des Leids.

Mögen alles Wesen niemals das Glück verlieren, das ohne Leiden ist, die große Freude der Befreiung im Nirvana.

Mögen sich alle Wesen in Frieden und Gleichmut befinden und ihr Geist frei sein von Anhaftungen und Abneigungen sowie frei von Gleichgültigkeit.

 

 

 

Der Pfad des Tibetischen Buddhismus ist sowohl außergewöhnlich als auch tiefgründig – aber es ist kein leichter Pfad. Jene, die dem Dharma folgen, widmen oftmals tausende Stunden der Meditationspraxis. Aufgrund dieser inneren Reise wird der Praktizierende bisweilen übernatürliche Fähigkeiten entwickeln, die auch Hellsichtigkeit einschließt. Eine solche Person wird Siddha oder Magier genannt.

Prolog

Tenzin Dorje

 

Zheng-po Kloster, Tibet

März 1959

 

Ich befinde mich allein in der heiligen Stille des Tempels und zünde gerade die Butterlampen an, als ich spüre, dass irgendetwas nicht stimmt.

»Tenzin Dorje!«, verwirrt drehe ich mich um und entdecke die sehnige Gestalt meines Lehrers in der Tür, der mir zuruft: »Mein Zimmer, sofort!«

Diese Worte bringen mich in einen Zwiespalt. Das Darbringen der Opfergaben ist ein besonderes Privileg, und ich als sechzehnjähriger Novize nehme diese Aufgabe sehr ernst. Nicht nur muss ich die Kerzen in einer bestimmten Reihenfolge entzünden, sondern muss auch jede neue Flamme so in meinem Geiste visualisieren, als sei sie ein kostbares Geschenk, das zum Wohle aller Lebewesen dargeboten wird – zum Beispiel Räucherwerk, Musik oder Blumen.

Ich weiß, dass mich nichts davon abhalten sollte, diesen wichtigen Ritus zu vollziehen, aber ist Gehorsamkeit meinem geliebten und heiligen Lehrer gegenüber nicht wichtiger? Zudem kann ich mich nicht daran erinnern, dass Lama Tsering jemals zuvor das Wort »sofort« benutzt hat. Noch erinnere ich mich daran, dass irgendjemand jemals etwas im Befehlston in den Tempel hineingerufen hat, insbesondere nicht Zheng-pos hochrangigster Lama.

Obgleich ich also erst die Hälfte der Kerzen entzündet habe, lösche ich schnell die Stabkerze. Mit einer kurzen Verbeugung vor dem Buddha renne ich nach draußen.

In der Abenddämmerung verbreitet sich das Durcheinander im Kloster von Zang-po wie die Wellenkreise eines Steins, der in einen idyllischen See geworfen wurde. Mönche pochen lautstark an die Türen anderer Mönche. Alle laufen mit befremdlicher Eile über den Innenhof. Dorfbewohner haben sich vor dem Büro des Abtes versammelt, reden voller Unruhe durcheinander und deuten in Richtung des Tales.

Während ich noch meine Sandalen überstreife, raffe ich meine Kleider über den Knien zusammen, die klösterlichen Regeln völlig außer Acht lassend, und renne los.

Lama Tserings Zimmer liegt ganz am entgegengesetzten Ende im letzten Gebäude des Klosters, noch jenseits des Innenhofes und fast aller anderen Zimmer der Mönche. Obgleich ihm, seinem Stand entsprechend, ein geräumiges und komfortables Zimmer mit Blick auf den Innenhof zustände, besteht er darauf, am Rande von Zheng-po in einer kleinen Zelle in der Nähe seiner Novizen zu wohnen.

Als ich sein Zimmer erreiche, steht die Tür weit offen und der Boden, normalerweise sauber gefegt und aufgeräumt, ist übersät mit Schnüren und Paketen, die ich nie zuvor gesehen habe. Die Lampe im Zimmer ist voll erleuchtet, so dass mir die Gestalt meines Lehrers noch größer und überwältigender erscheint als sonst, wobei sein Schatten mit ungewohnter Dringlichkeit auf Wänden und Decke umherschnellt.

Ich bin gerade angekommen, als auch Paldon Wangpo herbeieilt. Wir sind die Novizen von Lama Tsering, doch uns verbindet noch ein stärkeres karmisches Band: Paldon Wangpo ist mein zwei Jahre älterer Bruder.

Wir klopfen an die offene Tür unseres Lehrers.

Lama Tsering fordert uns sofort auf einzutreten und die Tür hinter uns zu verschließen. Aber trotz des Aufruhrs, der das ganze Kloster erfasst zu haben scheint, zeigt sein Gesicht kein Anzeichen von Panik. Doch der ernste Ausdruck auf seinem Gesicht ist unverkennbar.

»Heute ist es so weit, die düsteren Vorahnungen seit des Jahres des Metall-Tigers haben sich bewahrheitet.« Er schaut uns nacheinander so ernst an, wie wir es von ihm sonst nur vor wichtigen Prüfungen erlebt haben. »Es sind Boten mit der Nachricht eingetroffen, dass die Rote Armee auf Lhasa vorrückt. Seine Heiligkeit, der Dalai Lama, wurde gezwungen, ins Exil zu gehen. Eine Division der Roten Armee marschiert in unsere Richtung, in die Jangtang-Provinz. Sie ist nur noch einen halben Tag von Zheng-po entfernt.«

Paldon Wangpo und ich schauen uns verstohlen an. Mit ein paar Sätzen hat uns Lama Tsering erzählt, dass unsere Welt auf den Kopf gestellt worden ist. Wenn seine Heiligkeit gezwungen wurde, aus dem Potala zu fliehen, welche Hoffnung gibt es dann noch für Tibet?

»Wir müssen davon ausgehen, dass die Rote Armee direkt auf Zheng-po zumarschiert«, fährt Lama Tsering schnell fort. Draußen hören wir, wie eine der Frauen aus dem Dorf schluchzt. »Wenn sie die Nacht durchmarschieren, könnten sie bereits morgen früh eintreffen. Auf jeden Fall wären sie im Laufe des morgigen Tages hier. In anderen Landesteilen zerstört die Armee bereits Klöster, plündert ihre Schätze, verbrennt ihre heiligen Texte und foltert und mordet die Mönche. Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass sie etwas anderes für Zheng-po im Sinne haben. Aus diesem Grund hat uns der Abt aufgefordert, das Kloster zu evakuieren.«

»Evakuieren?« Ich kann mich kaum zurückhalten. »Warum bleiben wir nicht hier und bieten ihnen Widerstand?«

»Tenzin Dorje, ich habe dir die Karte von China gezeigt«, erklärt er, »für jeden Soldaten, den sie nach Tibet geschickt haben, gibt es zehntausende anderer Soldaten, die ihre Plätze einnehmen können. Selbst wenn wir wollten, ist dies kein Kampf, den wir gewinnen könnten.«

»Aber – «

Paldon Wangpo streckt seine Hand aus und legt sie auf meinen Mund.

»Glücklicherweise haben sich der Abt und die führenden Lamas auf eine solche Situation vorbereitet. Jeder Mönch kann selbst entscheiden. Ihr könnt in euer Dorf zurückkehren und das Dharma heimlich weiter praktizieren, oder ihr könnt die führenden Lamas ins Exil begleiten.«

Er hebt seine Hand, um uns zu signalisieren, dass wir noch nicht antworten sollen. »Bevor ihr euch entscheidet, mit uns ins Exil zu gehen, solltet ihr euch darüber klar werden, dass dies keinesfalls irgendein tolles Abenteuer sein wird. Die Reise zur Grenze wird gefährlich sein – die Rote Armee erschießt jeden Mönch, der versucht zu fliehen. Zudem müssen wir die Berge zu Fuß überqueren. Drei Wochen lang müssen wir jeden Tag sehr lange Entfernungen zurücklegen und nur von dem leben, was wir bei uns tragen. Wir müssen große Entbehrungen und Schmerz aushalten. Selbst wenn wir es bis nach Indien schaffen sollten, wissen wir nicht, ob uns die dortige Regierung überhaupt erlauben wird zu bleiben oder uns wieder zurück über die Grenze schickt.«

»Aber wenn wir in unsere Dörfer zurückkehren und weiterhin unsere Roben tragen«, unterbricht Paldon Wangpo, »werden uns die Chinesen trotzdem finden und unsere Familien bestrafen, weil sie uns aufgenommen haben.«

Lama Tsering nickt kurz.

»Wenn wir unsere Roben ablegen, brechen wir unsere Gelübde.« Paldon Wangpo war schon immer ein scharfer Debattierer. »Aber in jedem Fall würden wir dich als unseren Lehrer verlieren.«

»Was du sagst, ist korrekt«, stimmt Lama Tsering zu. »Selbst für Lamas ist dies eine schwierige Entscheidung, und ihr seid erst Novizen. Aber es ist wichtig, dass ihr eure eigene Entscheidung trefft, und zwar zügig. Wie auch immer ihr euch entscheiden werdet, ihr habt meinen Segen.« Er sieht uns nacheinander an.

Von draußen hören wir das Dröhnen der Schritte der vorbeilaufenden Menschen. Es gibt keinen Zweifel an der bevorstehenden Krisensituation.

»Ich werde älter«, fährt Lama Tsering fort und beugt sich herunter, um seinen auf dem Boden liegenden Ledersack weiter zu packen. »Wenn ich nur an mich denken müsste, würde ich mich verstecken und mein Glück mit den Chinesen versuchen – «

»Nein, Lama!«, falle ich ihm ins Wort.

Paldon Wangpo ist peinlich berührt. Mein Ungestüm hat ihn schon immer verlegen gemacht.

»Aber der Abt hat mich gebeten, eine wichtige Aufgabe bei der Evakuierung zu übernehmen.«

»Ich möchte mit dir kommen!« Ich kann mich nicht mehr zurückhalten, ganz gleich, was Paldon Wangpo denkt.

»Vielleicht schätzt du mich als Lehrer«, mahnt mich Lama Tsering, »aber als Mitreisender wird es ganz anders sein. Ihr seid jung und stark, aber ich könnte für euch zur Bürde werden. Was wäre beispielsweise, wenn ich fallen und mich verletzen würde?«

»Dann werde ich dich über die Berge tragen«, verkünde ich.

Paldon Wangpo an meiner Seite nickt.

Lama Tsering schaut uns mit einer Intensität in den Augen an, die ich zuvor nur selten gesehen habe.

»Dann sei es so«, entscheidet er endlich. »Ihr könnt mit mir kommen. Aber es gibt noch eine bedeutsame Bedingung, die ich euch mitteilen muss.«

 

***

 

Kurz danach verlassen wir sein Zimmer und kehren in unsere eigenen Wohnzellen zurück, um schnell zu packen. Auf dem Weg dahin kann ich noch immer nicht glauben, was Lama Tsering uns als Bedingung genannt hat. Heute ist eindeutig der schlimmste Tag in der Geschichte von Zheng-po, aber paradoxerweise auch der Tag, an dem ich meine eigene wahre Lebensaufgabe gefunden habe. Meine Berufung. Der Grund, weshalb ich diesen Dharma gewählt habe.

Ich öffne die Tür zu meiner Wohnzelle und schaue mich in dem winzigen Raum um, der in den letzten zehn Jahren meine Welt war: Die winzige Meditationsecke, die Strohmatratze auf dem gestampften Lehmboden, der Beutel mit meiner Wechselkleidung und den Toilettenartikeln, den einzigen beiden Dingen, die die Mönche von Zheng-po besitzen dürfen.

Ich kann es immer noch nicht fassen, dass ich nie wieder dort meditieren oder auf diesem Bett schlafen werde. Es ist aber noch unglaublicher, dass mir, einem einfachen Novizen aus dem kleinen Dorf Ling, eine der höchsten Ehren des Klosters Zheng-po und unserer ganzen Tradition gewährt wurde: Gegemeinsam mit Paldon Wangpo und unter der Führung meines sanften und heiligen Lehrers werden wir die höchste und heiligste Mission der Evakuierung übernehmen. Das bedeutet aber auch, dass unsere Flucht aus Tibet noch viel wichtiger und gefährlicher sein wird.

Jetzt, im Alter von sechzehn Jahren, spüre ich zum ersten Mal in meinem Herzen, dass ich eine besondere Mission zu erfüllen habe.

Meine Zeit ist gekommen.

Kapitel Eins

Matt Lester

 

Britisches Institut der Wissenschaften, London

April 2007

 

An einem wolkenverhangenen Freitagnachmittag sitze ich in dem vollgestopften winzigen Kabuff, das mir als Büro dient, als mein ganzes Leben über den Haufen geschmissen wird.

»Harry möchte dich in seinem Büro sprechen«, ruft mir Pauline Drake zu. Sie ist groß, hat ein kantiges Gesicht und man legt sich besser nicht mit ihr an. Sie blickt vielsagend auf den Telefonhörer, den ich gerade in die Hand genommen habe, bevor sie missbilligend hinzufügt: »Sofort.«

Ich blicke auf die Papiere, die auf meinem ganzen Schreibtisch verteilt sind. Heute ist der letzte Freitag des Monats, was bedeutet, dass alle Arbeitszeittabellen bis siebzehn Uhr abgegeben sein müssen. Als Manager in der Forschung von Nanobot gehört es unter anderem zu meinen Aufgaben, die Teamaktivitäten zusammenzustellen, und ich bin stolz darauf, noch nie eine Deadline verpasst zu haben.

Allerdings ist es äußerst ungewöhnlich, dass Harry seine patente Sekretärin persönlich aus dem vierten Stock zu mir herunterschickt. Es muss etwas Wichtiges anstehen.

Ich schlängele mich also hinter meinem Schreibtisch hervor, was gar nicht so einfach ist, da ich mich in einem fünfundvierzig Grad Winkel aus meinem Stuhl erheben muss, die Regale in meinem Rücken sorgfältig vermeidend, um dann jeweils ein Bein nach dem anderen durch den schmalen Spalt zwischen Schreibtisch und Aktenschrank hindurchzuquetschen. Dann mache ich mich auf den Weg zum vierten Stock, durch ein enges Gewirr von Korridoren hindurch und schließlich auf eine schmale Holztreppe, die hartnäckig nach industriellem Desinfektionsmittel und nassem Hundehaar riecht.

Oben angekommen, bemerke ich, dass mich die Leute aus der Personalabteilung anstarren und hinter vorgehaltener Hand tuscheln. Zudem schauen viele verlegen zur Seite, wenn ich versuche, mit ihnen Augenkontakt aufzunehmen.

Irgendetwas ist mit Sicherheit los.

Auf dem Weg in Harrys Büro muss ich noch durch das Vorzimmer gehen, wo Pauline bereits wieder geräuschlos an ihrem Computer arbeitet. Sie weist auf Harrys Tür, die seltsamerweise Weise geschlossen ist. Noch seltsamer ist die Stille, die das sonst so lebhafte Treiben in seinem Büro abgelöst hat.

Als ich eintrete, finde ich Harry stehend und aus dem Fenster schauend vor, wobei die Aussicht auf das verworrene Netz der Eisenbahnschienen, die alle auf Kings Cross Station zulaufen, alles andere als sehenswert ist. Er hat die Arme vor der Brust verschränkt und ist in sich gekehrt. Er scheint nur auf mich gewartet hat.

Als er mich wahrnimmt, deutet er wortlos auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch.

Harry Saddler ist das Paradestück eines »verrückten Professors«, wobei noch ein paar außergewöhnlichere Macken dazukommen, um das Bild abzurunden. Er ist Mitte Fünfzig, Brillenträger mit einem Gewirr abstehender grauer Haare und war seinerzeit ein preisgekrönter Wissenschaftler. Momentane Umstände haben ihn nun dazu gezwungen, zu einem Experten im Bereich öffentlich-privater Partnerschaften zu werden. Er schaffte es, das jahrhundertealte Institut zu retten, und damit auch unsere Jobs, indem er vor knapp einem Jahr einen Deal mit Acellerate abschloss, einem Biotech-Inkubator.

»Vor Kurzem erhielt ich einen Anruf aus Los Angeles, den ich eigentlich schon seit einem Jahr erwartet hatte«, berichtet er mir, wobei sein Ausdruck ungewöhnlich ernst ist. »Acellerate hat den Review unserer wissenschaftlichen Projekte abgeschlossen. Ihnen gefällt Nanobot.« Er wischt sich ein paar Reste Zigarettenasche von seinem Revers. »Ihnen gefällt Nanobot sogar ausgesprochen gut, sodass sie die Forschung mit Kind und Kegel nach Kalifornien verlagern wollen. Dich, als Gründer und Forschungsleiter, wollen sie ebenfalls dort vor Ort haben.«

Diese Nachricht kommt völlig überraschend für mich. Klar, wir hatten im Laufe des letzten Jahres einige Besucher aus den Staaten bei uns und auch ernsthafte Gespräche zum Informationsaustausch geführt, aber ich hätte niemals damit gerechnet, dass der Deal mit Acellerate eine so direkte, persönliche Auswirkung auf mich haben würde. Zumindest nicht so kurzfristig!

»Sie wollen die Sache so schnell wie möglich auf den Weg bringen«, fährt Harry fort. »Du sollst in sechs, spätestens in acht Wochen dort sein. Blakely persönlich kümmert sich um das Projekt.«

»Acht Wochen?« Ich bin völlig überfordert. »Warum soll ich überhaupt nach Kalifornien ziehen? Können sie nicht hier in unsere Arbeiten investieren?«

Harry schüttelt resignierend seinen Kopf. »Du kennst doch die neue Aktionärsstruktur«, erläutert er, »auch wenn Acellerate immer davon spricht, unsere Unabhängigkeit zu respektieren, halten sie doch die Aktienmehrheit. Sie haben das Sagen. Sie können alles, was sie wollen, aus dem Institut herausziehen, und wir können nichts dagegen tun.«

Ich denke jetzt nicht an Acellerate, sondern an meine Verlobte Isabella.

Harry missversteht meine Bedenken. «Schau mal, alle anderen Forschungsprojekte, die Acellerate nach Los Angeles geholt hat, sind Senkrechtstarter geworden.« Er hält ein und betrachtet mich näher, bevor er mit leiser Stimme fragt, «Isabella?«

»Genau.«

»Sie kommt bestimmt mit.«

»Das ist nicht so einfach. Sie ist gerade befördert worden. Und du weißt ja, wie eng die Bindung zu ihrer Familie ist.« Ich schaue sinnend aus dem Fenster, wo ein Nahverkehrszug langsam in den Bahnhof einfährt.

Harry und ich kennen uns schon lange, und er weiß viel über Isabella und mich. Aber der eigentliche Grund, der gegen einen Umzugs Isabellas nach Kalifornien spricht, ist neu, und ich habe ihm bisher noch nicht davon erzählt. Tatsächlich müssen Isabella und ich selbst noch mit dem ganzen Ausmaß dieser Sache zurechtkommen.

»Eine junge Frau wie sie«, wendet Harry ein, der Isabellas Fähigkeiten über die Jahre hinweg selbst erlebt hat, »findet in Los Angeles sofort einen Job.« Dabei schnippt er seine Finger wie zur Unterstützung seiner Worte. »Und du gibst ihrer Familie eine Ausrede dafür, Disneyland zu besuchen.«

Wie immer versucht Harry, die positiven Dinge zu betonen. Das ist mir klar, und ich schätze es umso mehr, da ich weiß, wie schwierig all dies für ihn sein muss. Nanobot war immer eines seiner Lieblingsprojekte. Harry selbst hat mich in das Institut geholt, als er vom Thema meiner Masterarbeit erfahren hatte. Harry hat das Projekt von Anfang an unterstützt. Uns verbindet eine enge Freundschaft – über die Tatsache hinaus, dass er mein Chef ist, ist er auch mein Mentor und Vertrauter. Jetzt, gerade als das Projekt beginnt, interessant zu werden, nimmt man es ihm weg. Und wer vermag schon zu sagen, wie es mit Nanobot enden wird? Wie es scheint, kann Acellerate sich einfach die Rosinen seines Institutes herauspicken, und Harry muss sich mit dem Rest zufriedengeben. Kein Wunder, dass er niedergeschlagen ist.

»Sieh es einfach als Chance an, was es ja tatsächlich auch ist«, rät er mir. »Mit Acellerate kannst du das Projekt viel schneller weiterentwickeln, als wir es uns es hier jemals hätten leisten können. Du könntest bereits in zwei Jahren in der Prototypen-Phase sein. Deine Möglichkeiten sind grenzenlos.«

Ich sehe, wie er mit den Fingern der rechten Hand auf seinen Schreibtisch klopft.

»Du wirst im Herzen der Nanotechnologie-Entwicklung für eines der am besten finanzierten wissenschaftlichen Institute der Welt arbeiten. Noch dazu kannst du dich dort auch in der Sonne bräunen.«

Ich schaue ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an. Sonnenbräunen zählt nicht zu meinen Interessen. Harry weiß das auch.

»Betrachte es einfach als großes Abenteuer!«

Sein Telefon läutet, und wir hören, dass Pauline im Vorzimmer abnimmt. Anscheinend hat Harry ihr gesagt, dass wir nicht gestört werden sollten – etwas, was er noch nie zuvor getan hat.

Nach einer weiteren Pause sage ich endlich: »Ich nehme an, dass ich, wie ich es auch drehe und wende, keine Wahl habe? Acellerate wird das Projekt nicht in London belassen, nur weil es Isabella und mir nicht in den Kram passt.«

Harry schaut mich bedeutungsvoll an. »Von allen unseren Projekten ist deines dasjenige, was am ehesten wirklich von revolutionärer Bedeutung sein könnte. Du stehst an erster Stelle, Matt. Es ist schmeichelhaft für dich, dass dich Acellerate uns wegnehmen will.«

»Es ist einfach ein wenig plötzlich«, sage ich. »Schließlich war mein Hauptanliegen noch vor zehn Minuten, die Arbeitszeittabellen rechtzeitig einzureichen.«

Harry betrachtet mich mit einem Blick wohlwollender Erwartung.

»Ich muss mich erst an die Idee gewöhnen.«

»Gut.«

»Und ich muss erst mit Isabella sprechen.«

»Natürlich.« Harry öffnet die Schublade seines Schreibtisches, entnimmt ihr einen großen weißen Briefumschlag und reicht ihn mir.

»Bevor du dich endgültig entscheidest, solltest du dich mit den Vertragsbedingungen vertraut machen«, fügt er hinzu.

Kurz danach gehe ich wie betäubt in mein Büro zurück. Nicht nur ist Harrys Mitteilung lebensverändernd, hinzu kommt noch, dass die Bedingungen der Vereinbarung jenseits von allem liegen, was ich mir wünschen könnte. Es ist fast zu gut, um wahr zu sein.

Als ich durch die Personalabteilung gehe, bin ich so in Gedanken versunken, dass ich niemanden wahrnehme. Selbst der Geruch der Treppe dringt nicht bis in mein Bewusstsein vor. Ich versuche, in meinen Kopf zu bekommen, dass die Neuigkeiten zwar schrecklich für das Britische Wissenschaftsinstitut sind, aber eine unglaubliche Chance für mich persönlich darstellen. Was mich jedoch verunsichert, ist das Wissen, dass Isabella sich über etwas aufregen wird, was für mich eine Chance jenseits meiner wildesten Träume ist.

Ich muss mit Isabella sprechen.

 

***

 

In unserer Wohnung mit Blick auf Clapham Common höre ich Isabella, bevor ich sie sehe. Die Eingangstür schließt sich mit einem Poltern. Ich vernehme das Geklapper ihrer Absätze auf der Treppe.

»Isabella«, ich gebe ihr einen Kuss, als sie ins Wohnzimmer eintritt.

»Baby«, sie umarmt mich, bevor sie zurücktritt. »Ich habe überall im Pub nach dir gesucht. Keine Lust?«

Isabella ist hochgewachsen und schlank, mit der dunklen Haut einer Sizilianerin. Ihre Augen sind wie schimmernder Bernstein mit grünen Sprenkeln. Sie ist im Business-Stil gekleidet, und die tiefschwarze Jacke mit dem Rock betonen ihre Figur, ziehen aber die Aufmerksamkeit auch auf ihr Gesicht: Die hohen, löwenähnlichen Wangenknochen, das kräftige Kinn, das dunkle schulterlange Haar, das lose in weichen Wellen frisiert ist, und ihre vollen, sinnlichen Lippen einrahmt.

Als sie dort so souverän und selbstsicher dasteht, blicke ich von ihren mich begrüßenden strahlenden Augen zu dem purpurroten Seidenschal um ihren Hals.

»Wir müssen etwas besprechen«, sage ich, »du musst etwas lesen.«

Sie zieht die Augenbrauen hoch. »Jetzt?«

»Wenn du nichts dagegen hast. Ich schenke dir derweil ein Glas Wein ein.«

»Der Semillion, den wir gestern Abend aufgemacht haben, wäre nett.« Sie zieht sich die Lederstilettos aus und blickt mich erwartungsvoll an.

Ich händige ihr den Acellerate-Arbeitsvertrag aus und gehe in die Küche. Ich ertrage es nicht, ihr beim Lesen zuzusehen. Was ich immer noch nicht fassen kann, ist, dass Nanobot eines der drei Hauptprojekte werden soll, ein Flaggschiff für eine der weltweit bedeutendsten wissenschaftlichen Inkubator-Firmen. Die Finanzierung soll über die nächsten zwei Jahre um zwanzig Millionen Dollar erhöht werden. Zehn Vollzeitkräfte werden abgestellt, um im Hauptquartier von Acellerate daran zu arbeiten.

Ich persönlich werde in den Rang eines Direktors befördert. Mein Gehalt wird einhundertfünfzigtausend Dollar sein – dreimal so viel, wie ich jetzt verdiene. Dazu kommen ein Geschäftswagen, ein großzügiger Leistungsbonusplan und ein Aktienoptionspaket.

Finanziell liegt das weit jenseits meiner Erwartungen, ebenso wie die Beförderung. Aber obgleich das alles sehr erfreulich ist, bin ich noch aufgeregter darüber, dass das von mir ins Leben gerufene Projekt, an dem ich die letzten sieben Jahre geforscht habe, endlich die Finanzierung erhält, die es verdient. Seit ich als bereits graduierter Student auf dem Gebiet der Nanotechnologie geforscht habe, glaubte ich daran, dass es sich dabei um den nächsten technologischen Quantensprung handelt und seine Auswirkungen so einschneidend wie die industrielle Revolution sein werden – nur noch größer. Die Entwicklung hochfunktioneller Roboter in mikroskopischer Größe – Nanobots – wird alle Aspekte des Lebens auf Erden transformieren.

In der Medizin beispielsweise werden Tumore nicht mehr durch invasive Operationen oder toxische Chemikalien zerstört, sondern durch winzige Roboter, kleiner als ein Bruchteil des menschlichen Haars, die unerwünschte Geschwüre Zelle um Zelle abbauen. In der Lebensmittelproduktion werden Nanobots in schneller Folge einfach aus ihren chemischen Komponenten Getreide oder Äpfel produzieren (letztere ohne das Kerngehäuse), ohne dabei auf gutes Wetter oder spezielle landwirtschaftliche Gegebenheiten angewiesen zu sein. Es wird niemals einfacher oder billiger gewesen sein, die physische Welt um uns herum zu transformieren. Die heute gängigen landwirtschaftlichen oder industriellen Herstellungsverfahren werden schnell in den Hintergrund gedrängt. Jede Art von Abfall wird vollständig recycelt werden. Es ist also nicht verwunderlich, dass so viel Geld in die Erforschung von Nanotechnologien investiert wird, und auch nicht, das dies zu einem allumfassenden Teil meines Lebens geworden ist.

In den letzten zehn Jahren war ich auf allen Konferenzen zum Thema Nanotechnologie, habe sämtliche Journale zu dem Thema gelesen und habe sehr genau verfolgt, was meine wissenschaftlichen Kollegen dazu geforscht haben. Ich esse, schlafe und atme Nanobot, und selbst Isabella zieht mich bisweilen damit auf, dass sie nur an zweiter Stelle stünde. Sie weiß, wie viel mir das alles bedeutet, dass die Entwicklung von Nanobot mein Traum ist, und ich bin gerührt, wie sie sich all das zu Herzen genommen und es auch zu ihrem Traum gemacht hat. Das macht das Angebot um so bittersüßer.

Als ich zurückkomme, schaut Isabella mit weit geöffneten Augen auf. »Das ist unglaublich, Matt! Fantastisch! Für dich und Nanobot. Es steht nichts darüber drin, wann – »

»Genau das ist das Problem. Sie wollen mich sofort. Sie gehen von sechs Wochen aus, vielleicht acht.«

»Für wie lange?«

Sie hat es noch nicht ganz registriert. »Ich meine, wenn das Projekt transferiert wird, wo – «

»Es ist dauerhaft.«

Ihr Ausdruck ist verwirrt.

»Ich habe nicht darum gebeten. Es kam aus heiterem Himmel. Bill Blakely war ganz plötzlich daran interessiert.«

Sie hebt ihre Hände an den Kopf und bedeckt ihre Augen mit ihren makellos manikürten Fingern.

Ich weiß genau, was sie denkt.

»Ich habe Harry bereits gesagt, dass es schwierig sein wird«, murmele ich. Nach einer Pause fahre ich fort: »Ich habe ihn bereits daran erinnert, wie eng du mit deiner Familie verbunden bist.«

Weiter will ich nicht gehen, es ist alles noch so neu, wir haben über das Ganze selbst noch nicht gesprochen.

»Und was hat Harry daraufhin gesagt?« Ihre Stimme ist schwach.

»Dass wir es als die Chance unseres Lebens ansehen sollten, und dass du ohne Probleme einen Job in L.A. finden wirst«, dazu schnippe ich auch mit meinem Finger, wie Harry es getan hatte.

Isabella schüttelt ihren Kopf. »Bertollini ist mitten in der Planung für die Pan-Europäische Kampagne.« Sie schaut mit flatternden Augenlidern auf. »Wenn ich jetzt gehe, würde ich sie wirklich im Regen stehen lassen. Wobei«, und an dieser Stelle schaut sie mich bedeutsam an, »das ja nur ein Teil des Problems ist.«

Ich reiche ihr ein Glas Wein. Sie stellt es auf den Tisch, ohne einen Schluck zu trinken. »Warum nicht einfach hierbleiben? Können sie das Projekt nicht auch hier in London vorantreiben?«

»Das habe ich auch als Erstes vorgeschlagen. Aber sie wollen es verlagern.«

»Selbst wenn du nicht mitmachen würdest?«, sie schaut mich ungläubig an. Das Nanobot-Projekt hat sich aus meiner Masterarbeit heraus entwickelt, und mit Ausnahme von ein paar Teilzeit-Assistenten habe ich es mehr oder minder von Anfang an allein entwickelt.

»Wenn ich nicht mitspiele«, antworte ich, »werden sie es wohl ohne mich weiterführen.«

»Aber du bist doch Nanobot.«

»Ich halte ihrem Blick für lange Zeit stand – voller Beklemmung und Angst. Dann sage ich ihr: »Ich habe das Projekt zwar ins Leben gerufen. Aber das Urheberrecht gehört dem Institut, zumindest fünfundneunzig Prozent davon. Niemand ist unersetzbar.«

Sie nimmt erneut den Vertrag zur Hand, liest durch ein paar Paragrafen, schüttelt ihren Kopf voll Erstaunen. »Zwanzig Millionen Dollar Finanzierung«, liest sie aus einem der Paragrafen vor. »Zehn eigene Mitarbeiter.«

»Es bringt nichts, sich zu sehr darüber zu freuen«, wende ich ein. »Es ist egal, wie gut das Angebot ist, ich werde nicht ohne dich gehen.«

Sie blickt mich qualvoll an. »Aber du musst gehen. Du bist Nanobot.« Sie macht eine bestätigende Handbewegung. »Es ist einfach so.«

Ich begegne ihrem unsteten Blick gleichmütig.

Isabella und ich spielen bisweilen dieses Entscheidungsspiel, eine Methode, die uns hilft, zu einer Entscheidung zu gelangen. Wenn sich zwei Personen im ersten Stock eines brennenden Hauses befinden – oder zwei ähnliche Varianten – und wir haben nur eine Leiter und nur die Möglichkeit, eine Person zu retten, wen retten wir dann? Kein Nachdenken. Kein Abwägen von Alternativen. Was sagt uns unser unmittelbarer Instinkt?

»Wenn du und Nanobot in einem brennenden Haus wären«, erkläre ich, »würde ich stets dich retten. In hundert Prozent aller Fälle.«

»Klar«, sie wirbelt ihren Kopf herum, sodass die goldenen Ohrringe im Abendlicht glitzern, »nur ist es nicht ganz so einfach, richtig?«

 

***

 

Wir hatten uns auf einer Silvesterparty in einem Restaurant in der Nähe kennengelernt. Le Bouchon, eine französische Brasserie auf Battersea Rise, hatte ein traditionelles 5-gängiges Festmahl veranstaltet, und um 21 Uhr war das quirlige, vollgepackte Restaurant auf vollen Touren.

Ich fühlte mich von Anfang an von der Freundin-einer-Freundin, die mir gegenübersaß, angezogen. Ich erinnere mich noch, wie lebendig – und exotisch – ich sie fand. Ich liebte es, wie ihr rotes schulterfreies Partykleid ihre geschmeidigen Schultern betonte, wie sich ihre bronzefarbene Haut über ihren Schlüsselbeinen spannte und wie wunderbar sie aus dem Bauch heraus lachte, während sich ihr ganzer Körper dabei mitbewegte. Ich war fasziniert davon, wie ihre bernsteinfarbenen Augen grün zu werden schienen, wenn sie temperamentvoll wurde, und von den ausdrucksvollen Handgesten, die die zahlreichen Armreifen an ihren Handgelenken zum Klingen brachten. An dem Abend trug sie eine goldene Kette, die bis in ihren Ausschnitt hinein glitzerte. Sie war unwiderstehlich.

Der Abend kam rauschend zu einem Alkohol-befeuerten Höhepunkt. Um Mitternacht küssten wir uns. So Haut an Haut aneinander gepresst, sog ich meinen ersten Atemzug ihres Duftes ein, moschusartig und intensiv. Parfüm d`Isabella. Ein wenig später tauschten wir dann vor dem Restaurant unsere Telefonnummern aus, bevor sie zu einem Freund ins Auto stieg und wegfuhr. Innerhalb der nächsten Tage bestätigte sich all das, was wir intuitiv bei unserem ersten Treffen gespürt hatten.

Der folgende Januar war einer der regenreichsten aller Zeiten. Düstere Wolken und ständiger Regen zogen über Clapham Commons hinweg, aber in meinem Schlafzimmer war es der beste Januar, den ich jemals gehabt hatte. Romantische Intensität und unersättliche Leidenschaft beflügelten uns. Nachdem wir das Verlangen nacheinander erst einmal entfesselt hatten, ließ es sich nicht mehr in Schranken halten. Plötzlich schienen hunderte von Liebesliedern nur für uns geschrieben worden zu sein, und es gab nichts, was wir nicht voneinander wissen wollten. Ineinander verloren, wollten wir jede freie Minute in der warmen Atmosphäre meiner Wohnung verbringen. Bisweilen gingen wir nach draußen, um irgendwo essen zu gehen, oder wir schmiegten uns bei einem kurzen Spaziergang aneinander, schauten nach oben, wo die kahlen Zweige der Bäume zarte Silhouetten vor dem grauen Himmel zeichneten. Der Winter war niemals so schön gewesen.

Ich hatte natürlich bereits andere Freundinnen gehabt, hatte mich seit Universitätstagen von jungen Frauen angezogen gefühlt, wobei einige so schüchtern waren, dass es niemals zu einem erfüllenden Erlebnis für einen von uns kommen konnte. Andere dagegen waren so draufgängerisch, so prosaisch mit ihrer Nacktheit umgegangen, dass keine Magie aufkommen konnte.

Isabella war von Anfang an anders. Die gleiche Energie, die sie im Umgang mit Menschen zum Strahlen brachte, wandelte sich in etwas anderes, wenn wir allein waren. Niemals zuvor war ich mit einer Frau zusammen gewesen, die so zu mir zu passen schien. Sie war so offen, so ungehemmt, und schien immer das zu wollen, was ich auch wollte. Im Bett wurde ihre Lebhaftigkeit zu einer Kraft der Leidenschaft, die sie lautstark und ungehemmt auslebte, wobei sie die Intensität unserer Leidenschaft gleichzeitig voll auskosten konnte, wenn wir wirklich eins wurden.

Aber es war nicht nur der großartige Sex. Wir schienen uns vielfach auch in anderer Hinsicht zu ergänzen. Ich brauchte ihr Feuer ebenso wie sie meinen Gleichmut. Ich lebte in einer Welt der Gedanken und Ideen, während sie im Hier und Jetzt von Fühlen und Schmecken wandelte. Zusammen fanden wir zu einem perfekten Gleichgewicht von Sinnlichkeit und Intellekt. Endlich verstand ich, was Yin und Yang in Wirklichkeit und nicht nur als intellektuelle Abstraktion bedeuteten.

»Du tust mir so gut«, hatte sie mir eines Morgens während dieser ersten Monate gesagt und sich zu mir hinübergebeugt, um mich zu küssen, als ich in Jeans und T-Shirt am Küchentisch saß und die Zeitung las. Ich wandte mich ihr zu und strich über die Konturen ihrer Wange.

»Du hast diese Gelassenheit, die ich brauche, diese Stille.«

Im Morgenlicht strahlten ihre Augen wie warme Bernsteine. »Solange dir die Stille nicht langweilig wird.«

Sie schüttelte den Kopf. Gerade erst aufgestanden, lagen ihre Haare wie eine lose Mähne um ihre Schultern. »Du verstehst nicht, was ich meine. Die meisten Männer, die ich kenne, auch die bei der Arbeit, sind solche Muskelprotze, einfach nur Burschen. Es geht ihnen nur darum, die Konkurrenz zu besiegen, nur um das, was unter dem Strich herauskommt, darum, die anderen zu übertrumpfen, und darum, sich zu besaufen. Das ist einfach langweilig. Aber du … du weißt so viel.«

»Nicht jeder denkt, dass Nanotechnologie so wichtig ist.«

»Ich spreche gar nicht von Nanotech. Schau doch nur die Bücher an«, sie deutet auf einen Bücherstapel auf einer Ecke des Tisches: Der Mozart-Effekt, Psychologie und das Chakra-System, Leonardo: Der erste Wissenschaftler.

»Deswegen brauche ich dich«, wandte ich ein. »Ich lebe zu viel in meinem Kopf. Immerzu nur Denken, Denken, Denken.«

»Du sagst das so, als wäre es etwas Schlimmes.«

»Wenn du so mit dem Denken beschäftigt bist, nimmst du nichts anderes wahr. Niemand anderen.«

»Also frau kann sich schon bemerkbar machen, wenn sie wirklich will.« Die Intensität in ihren Augen entwickelte sich zu einem verführerischen Ausdruck.

»Genau das meine ich.«

Als sie dann ihren dicken Bademantel hochschob und ein nackter Oberschenkel sichtbar wurde, fuhr ich mit scheinbarem Protest fort: »Und ich hatte gedacht, ich könnte in den nächsten zwanzig Minuten etwas über die französisch-griechischen Beziehungen in der EU lesen.«

»Was ist mit den Beziehungen hier an Ort und Stelle?«, sie hob ihre Augenbrauen hoch.

»Auf dem Küchentisch?«, murmelte ich, als ich aufstand, meine Hände unter ihren Bademantel schob und die Nacktheit ihrer Brüste genoss.

»So gut wie jeder andere Platz.«

Ihre Lippen fanden die meinen, und unser Verlangen wurde schnell geweckt. Sie öffnete ihre Schenkel, als ich sie an mich zog und unser Verlangen nacheinander so heftig war, als hätten wir seit Monaten und nicht erst Stunden keine Erfüllung miteinander gefunden. Als ich mich von ihr löste, um den Bademantel von ihren Schultern zu ziehen, um ihre Erregung zu offenbaren, schaute sie mich mit strahlenden Augen an, die ein ebensolches forderndes Verlangen zeigten wie mein eigenes.

 

***

 

Ein paar Monate später war sie bei mir eingezogen; es schien unnötig, dass sie Geld für ein Zimmer bezahlte, wenn wir doch die meiste Zeit bei mir verbrachten. Und während wir die sexuelle Intensität unserer ersten Monate durchlebten, durchlebten wir auch die Höhen und Tiefen unserer jeweiligen beruflichen Karriere. Bevor ich sie traf, wusste ich nur wenig über Marketing, aber die ständigen Anforderungen hinsichtlich Budgets, Markenetablierung, Packaging und Markteinführung neuer Produkte wurden mir schnell deutlich. Als geborene Kommunikatorin war Marketing genauso logisch für sie wie Nanotech für jemanden wie mich. Doch während ich einen Forschungsbereich gefunden hatte, der mich völlig ausfüllte, war die Vermarktung von Softdrinks und Wodka nicht unbedingt etwas, was Isabella begeistern konnte. Obgleich es nur eines weiteren Schrittes bedurfte.

Seit sie zwölf war und ihre Eltern ihr das erste Mal erlaubt hatten, zum Abendessen ein Glas Wein zu trinken, war Isabelle fasziniert von der Kunst der Weinherstellung. Ein Großteil ging dabei auf den Einfluss ihres Vaters zurück. Als stolzer Italiener wäre er gerne ein Sommelier geworden und gab diese Passion jetzt an seine Tochter weiter. Mit knapp zwanzig hatte Isabella an Reisen in die Weinanbaugebiete Frankreichs und Italiens sowie an Lehrgängen zur Weinverkostung teilgenommen, und ich erfuhr schnell, dass sie Ewigkeiten in kleinen, unabhängigen Weinläden zubrachte, um eine besondere Rebsorte oder einen besonderen Jahrgang zu suchen.

Für mich war Wein einfach nur Wein – es gab einige, die ich mochte, andere nicht. Aber für Isabella war es eine Leidenschaft, die sie auch mit mir teilen wollte. Sie liebte Blindverkostungen, wo sie die Unterschiede zwischen einem Chenin und einem Semillion, einem Shiraz und einem Merlot erkundete. Ich war immer skeptisch sogenannten Experten gegenüber gewesen, die behaupteten, die Noten von Brombeer- oder Passionsfrucht in einer Flasche Wein zu entdecken. Aber Isabella überzeugte mich vom Gegenteil.

Sie genoss es auch, die Weinaromen mit den passenden Speisen zu paaren, und nach einiger Zeit verstand ich, dass dies auf bestimmten Prinzipien basierte. Warum passte ein süßer Weißwein so gut zu einem intensiven Blauschimmelkäse? Wie kam es zustande, dass ein Burgunder einen einfachen Eintopf wie eine Delikatesse schmecken ließ?

Mit ihr war Essengehen stets ein Abenteuer, und unsere Reisen hielten immer einen ungeahnten Zauber bereit. Ganz egal, ob wir einen Pub in England besuchten, das Wochenende in Paris oder in Prag verbrachten, Isabella lehrte mich, Dinge zu sehen oder zu schmecken, die ich ansonsten, von meinen Gedanken eingenommen, nie bemerkt hätte.

Wir lernten auch andere, weniger romantische Dinge über uns kennen, wie damals, als ich eine Reise gebucht hatte, die uns eine Woche in die Karibik entführen sollte. Ich hatte den Reiseplan in einem roten Umschlag neben eine Flasche Champagner gelegt, damit Isabella ihn gleich entdeckte, wenn sie von ihrem Wochenendeinkauf zurückkam. Aber anstelle der erwarteten Begeisterung war Isabella außer sich, dass ich sie nicht zuvor gefragt hatte. Sie hatte jedes Weihnachtsfest ihres Lebens mit ihrer Familie verbracht, und es würde ihre Mutter in eine Verzweiflung stürzen, wenn sie dies jetzt ändern würde.

Ich werde niemals den Blick vergessen, mit dem sie mich empfing, als ich in die Wohnung kam, den heißblütigen Ausbruch ihres italienischen Temperaments, der dann folgte. Es war, als sei ich über einen unsichtbaren Stolperdraht gefallen, in der Annahme, Isabellas Familie sei ähnlich wie die meine und Weihnachten ohne Familie eigentlich kein großes Ding. Aber mein größter Irrtum war, dass ich annahm, exotische weihnachtliche Tage mit mir würden jegliche Ansprüche seitens ihrer Familie übertrumpfen.

Wir reisten nicht in die Karibik. Nach einem handfesten Streit, gefolgt von einer spannungsreichen Woche, rief ich das Reisebüro an und stornierte die Reise. Ich verlor meine Anzahlung, behielt aber meine Freundin und hatte eine kostspielige Lektion gelernt: Ich würde niemals wieder Isabellas Verbundenheit mit ihrer Familie unterschätzen.

Obgleich wir unser eigenes Leben miteinander führten, das für mich alles war, was ich brauchte, war Isabella durch intensive Blutsbande gebunden, wie ich sie niemals zuvor erlebt hatte. Mein Vater, der in meiner Kindheit ständig auf Geschäftsreisen zu sein schien, war bereits zu Beginn meines Studiums gestorben. Meine Mutter, die ihre eigene Landschaftsgärtnerei leitete, fand Erfüllung in den wunderschönen Gärten, die sie gestaltete. Meine Mutter, mein Bruder und ich hatten eine herzliche Beziehung zueinander, aber wir ließen uns auch genügend Freiraum. Wir waren immer füreinander da, gerade mal ein Telefongespräch weit voneinander entfernt. Aber es war etwas ganz anderes als die Anziehungskraft, die von Isabellas Familie ausging, die zudem noch in der Nähe lebte.

Die ernüchternden Nachrichten, die wir nun vor zehn Tagen erhalten hatten, würden diese Anziehungskraft noch verstärken. Deshalb hatte ich mir auch keine Illusionen über Kalifornien gemacht. Das war auch der Grund, warum ich ihr, als ich mit dem Angebot von Acellerate nach Hause kam, sagte, wir hätten das ganze Wochenende, um darüber nachzudenken. Nun ist es Wochenende, und wir sind beide müde und hungrig. Ich schlage ein Currygericht von unserem Lieblingsinder auf der Northcote Road vor.

 

***

 

Aber es ist schwierig, so zu tun, als sei alles ganz normal, wenn man ein Angebot wie das von Acellerate erhalten hat. Trotz unserer Bemühungen, uns an diesem Abend und dem folgenden Tag irgendwie abzulenken, taucht da etwas in unserer Beziehung auf, mit dem wir beide nicht umgehen können. Etwas, was wir nie zuvor erlebt haben, droht, uns zu trennen.

Isabellas Reaktion auf den weihnachtlichen Karibikurlaub, obwohl schockierend zu der Zeit, stellte niemals eine wirkliche Gefahr für unsere Beziehung dar. Es war einfach nur ein kleines Problem, ein Hindernis, das wir bereinigen konnten. Ich musste nur meinen Fehler zugeben, meinen Stolz herunterschlucken und das Ganze loslassen.

sehr

Wir hatten bereits über Heirat gesprochen und wollten es beide, aber ich meinerseits war nicht in Eile. Nur wenige der Paare, die wir kannten, waren verheiratet. Aber dort, vor dem Schmuckladen auf dem Ponte Vecchio, entschieden wir uns. Als wir daher als Verlobte nach London zurückkehrten, konnte nicht nur Isabella stolz ihren sternenförmigen Verlobungsring zur Schau tragen, ihre Familie akzeptierte mich seitdem auch wesentlich mehr. Über die nächsten zwei Jahre entwickelte sich eine echte Wärme und, speziell zwischen Julio und mir, ein gegenseitiger Respekt. Natürlich half es, dass wir beide Chelsea-Fans waren, und so verbrachten wir zahlreiche Samstagnachmittage damit, die Heimspiele an der Stamford Bridge anzusehen oder vor dem Fernseher der Giladuccis mitzuzittern.

Doch die Nachricht, die all dies überschatten sollte, erreichte uns vor zehn Tagen, nachdem Julio beim Arzt gewesen war, weil er meinte, unter Stress zu leiden. Obgleich er sich offiziell bereits vor ein paar Jahren von der Leitung seines Elektroinstallateur-Betriebs zurückgezogen hatte, erledigte er im Alter von zweiundsiebzig Jahren noch immer die Buchhaltung, und das war ihm in letzter Zeit über den Kopf gewachsen. Doch statt ihn mit einem Rezept in der Hand nach Hause zu schicken, ordnete der Arzt Bluttests, einen CT-Scan und ein MRI seines Gehirns an. Danach kam die Diagnose, die uns alle aufrüttelte: Julio hatte Alzheimer.

Niemand in der Familie konnte damit umgehen, und es brauchte Wochen, bevor wir die Nachricht wirklich realisierten. Julio hatte sich zurückgezogen, verbrachte Stunden in seiner Werkstatt, rauchte seine Lieblingshavannas und dachte über seine unvermeidbare Reise ins Vergessen nach.

 

***

 

Jetzt, hier in der Dunkelheit unserer Wohnung, war es kaum nötig, dass Isabella es direkt aussprach: »In Anbetracht von Papas Situation ist das Timing der ganzen Sache wirklich furchtbar.«

Ich drückte sie an mich, eine Antwort war nicht nötig. Julios Situation und die Implikationen für Isabella waren das Erste, was mir in den Sinn kam, als Harry mir die Neuigkeiten verkündete.

»Selbst vor der Diagnose waren meine Eltern so abhängig von mir«

»Natürlich. Wenn es sich nicht um so eine spektakuläre Gelegenheit handeln würde, hätte ich auch gar nicht weiter darüber nachgedacht. Aber wenn Julio mit den Medikamenten und den Veränderungen seines Lebensstils weitermacht, weißt du ja, was die Ärzte gesagt haben. Er wurde früh diagnostiziert. Seine Situation wird sich in den zwei Jahren vielleicht kaum verändern.«

Bei unserem letzten Besuch bei ihrer Familie war Julio aus seiner Isolation aufgetaucht und hatte eine eher stoische Haltung seiner Krankheit gegenüber an den Tag gelegt.

»Und in zwei Jahren wirst du einen Prototyp von Nanobot bei Acellerate fertig haben?«, folgt Isabella zögerlich meinem Gedankengang.

»Ja.«

»Und wenn es Papa schlechter gehen sollte, würdest du das Projekt dann verlassen?«

»Es wäre nicht leicht. Aber wenn ich die Wahl hätte, würde ich das vorziehen, anstatt das Projekt jetzt zu verlassen.« Ich schaue auf ihren fragenden Ausdruck. »Nach zwei Jahren bei Acellerate stünden mir viele Türen offen. Ich könnte meine Forschung in eine neue Richtung lenken. Man weiß nie, welche Gelegenheiten sich bieten werden.«

»Aber wenn ich jetzt Bertollini aufgeben muss und du Nanobot in zwei Jahren, verlieren wir doch beide.«

»Das kannst du so nicht sagen, ohne zu wissen, was stattdessen möglich sein wird. Es könnte sich sogar etwas Besseres ergeben. Und wir würden zusammenbleiben.«

Das zumindest war etwas, dem wir ohne Vorbehalt zustimmen konnten.

Oder doch nicht?

»Selbst wenn wir nicht in Betracht ziehen, wie es Papa geht, wäre die Tatsache, dass ich nach Amerika gehe, niederschmetternd für sie«, sagt Isabella und wendet sich von mir ab. »Es ist so völlig unerwartet. Ich habe sie nicht darauf vorbereitet.«

Mir war schon in der Vergangenheit aufgefallen, dass sie Veränderungen innerhalb der Familie stets vorsichtig vorbereitete. Selbst Kleinigkeiten, wie die Verschiebung eines Familientreffens vom Mittag aufs Frühstück, war etwas, was zuerst nur angedeutet und später in einem Gespräch wieder aufgegriffen wurde, um dann in aller Ausführlichkeit diskutiert zu werden, bevor es entschieden werden konnte. Ich gebe gar nicht vor, den Grund dafür zu verstehen. Vielleicht ist es so ein Tochter-Ding, etwas Italienisches, oder hat einfach mit alternden Eltern zu tun?

»Vielleicht könnten wir sie langsam an die Idee gewöhnen – «, begann ich.

»In sechs Wochen?!«

Ich musste vorsichtig sein. Obgleich sich Isabella des Öfteren über die Interaktionen innerhalb ihrer Familie beschwerte, würde sie jegliche Kritik meinerseits in die Defensive drängen.

»Sie würden es nicht einmal in sechs Monaten verstehen.«

»Ich bin sicher, dein Vater würde es verstehen.« Aber zu meinem Erstaunen schüttelt Isabella ihren Kopf. »Es ist eine großartige Chance für dich.« Sie schaut mich mit einem schmerzvollen Blick an.

»Sicherlich ist etwas, was gut für mich ist –?«

»Für sie wird es so aussehen, als würde ich einfach meinen Job aufgeben und alles stehen und liegen lassen, nur um mit dir zusammen zu sein.«

»Und dabei sind wir noch nicht einmal verheiratet«, verstehe ich und vervollständige den Satz für sie.

Sie sagt nichts mehr. Es ist auch nicht notwendig. Ich kann mir das Gespräch am Esstisch bildlich vorstellen, wenn wir nach L.A. gehen: Dass Matt zwar nett sei, aber Isabella ausnutze. Immerhin könnte ihm ein hübsches Mädchen in Kalifornien den Kopf verdrehen, und dann würde Isabella mit einem Schlag alles verlieren. Pufffff.

Und jetzt spreche ich das aus, was mir seit Freitag die ganze Zeit im Kopf herumgegangen war. »Wenn du möchtest, dass wir jetzt heiraten…«

»Nein!«, sie reißt ihre Hände hoch, und ihre Augen blitzen mit einer Intensität, die die Dunkelheit durchbricht. »Ich möchte das niemals, nur weil du dich in die Enge getrieben fühlst. Ich möchte es nur aus dem richtigen Grund.«

Sie spricht mit solcher Überzeugung, dass ich sie nicht weiter bedränge. Wir stehen uns gegenüber und schauen uns für eine gefühlte Ewigkeit in die Augen, bevor ich endlich gestehe: »Ich möchte dich nicht verlieren, Isabella. Ich würde alles tun, um es hinzubekommen.«