Antonie schüttete Eiswasser in das Glas und setzte ihren Strauß von Parmaveilchen hinein.
»Nun habe ich genug von eurem spanischen Weine,« sagte sie.
Und sich über den Armleuchter neigend, zündete sie sich lächelnd eine Papelitos an. Bei dieser Bewegung fiel der Schein der Kerzen auf ihr herrlich glänzendes, kohlschwarzes Haar.
Wir hatten die ganze Nacht über Jerez getrunken. Durch das weitgeöffnete Fenster blickte man auf den Garten der Villa und wir vernahmen das Flüstern des Windes in dem Laub der Bäume.
Unsere Lippen dufteten nach Sandelholz und vielleicht auch nach dem süßen Munde Antoniens, hatte das schöne Geschöpf uns doch abwechselnd gestattet, die roten Rosen ihrer Küsse zu pflücken, und zwar mit einer Anmut und Liebenswürdigkeit, die keine Eifersucht aufkommen ließ.
Sie betrachtete sich lächelnd in den großen, an den Wänden des Zimmers hängenden Spiegeln und wandte sich dann uns zu mit der sieghaften Miene einer Kleopatra, um in unseren Augen wieder ihr Bild zu finden.
Auf ihrer jungen Brust schimmerte an schwarzem Samtbande ein goldenes Medaillon, das mit ihren eigenen, in Edelsteinen dargestellten Initialen geschmückt war.
»Ist es eine schmerzliche Erinnerung? – Du liebst ihn nicht mehr?«
Und da wir sie bedrängten:
»Schaut her!...« sagte sie.
Mit einem Drucke ihres feinen Nagels öffnete sie den Verschluß des geheimnisvollen Schmuckstückes, das Medaillon sprang auf. Auf einer glänzend schwarzen Haarlocke lag künstlerisch arrangiert eine anspruchslose, kleine Blume, ein dunkles Stiefmütterchen.
»Antonie! Danach zu urteilen, muß dein Liebhaber ein noch sehr junger, wilder Junge sein, den du durch deine Bosheiten gefesselt hast?«
»Ein Lebemann würde dir doch sicher niemals ein so naives Pfand seiner Zärtlichkeit geben?«
»Es ist nicht recht, so etwas an einem so fröhlichen Abende, wie dem heutigen, zu zeigen. –«
Antonie brach in ein fröhliches, silberhelles Gelächter aus, das so laut und übermütig war, daß sie genötigt war, ein Schlückchen Wasser aus ihrem Veilchenglase zu trinken, um sich zu beruhigen.
»Gehören denn nicht Haare in ein Medaillon?«
»Zweifellos, ganz zweifellos.«
»Ach, meine lieben Freunde, nachdem ich all meine Erinnerungen auf das sorgfältigste geprüft, habe ich eine meiner eigenen Locken gewählt – und ich trage sie... weil ich mir selbst treu bin.«
Vor einem Jahre etwa beschloß Lord W... dem Zoologischen Garten in London einen weißen Elefanten zu schenken.
Es war die Laune eines großen Herrn.
London hatte soeben mit großen Kosten einen hellgrauen, mit rosa Flecken übersäten Elefanten erworben, aber die Sachverständigen erklärten, daß dieses angeblich indo-chinesische Idol von höchst zweifelhafter Echtheit sei. Man sagte, wenn es wahr wäre, daß der Fürst von Birma dem übelberatenen Barnum das heilige Tier für eine Million verkauft habe, er mit diesem Handel eine Gotteslästerung begangen haben würde. Man meinte, der große Humbugmacher würde schon auf seine Kosten gekommen sein, selbst, wenn der Zoologische Garten ihm nicht einmal die Hälfte des genannten Preises zugestanden hätte.
Wenn wirklich in gewissen Gegenden Asiens ein solcher Dickhäuter für heilig gilt und einen nicht zu berechnenden Wert hat, so geschieht dies doch nur in dem einen und höchst seltenen Falle, daß das Tier auch wirklich ein Albino ist und wie ein ganz reiner, fleckenloser Schneehügel aussieht. Die Elefanten unbestimmter Farbe oder auch die mit Flecken gezeichneten Tiere genießen jedoch kaum eine besondere Verehrung.
Lord W... jedoch beschloß, England diesmal einen wirklich heiligen Elefanten zu schenken, ein Tier, dessen Echtheit unantastbar wäre.
Der Gedanke war ihm durch die Mitteilungen eines ihm befreundeten großen Reisenden suggeriert worden. Dieser, ein kühner Forscher, hatte sich jahrelang in dem Innern jener geheimnisvollen Wälder aufgehalten, die von dem birmanischen Nil, dem Iravadi, der in der Tartarei entspringt, bewässert werden. Er versicherte, daß er auf seinen Streifzügen durch die verlassenen Städte, die Ruinen alter Tempel, die Flüsse und leuchtenden Täler von Minnapore durch eine Lichtung der Wälder in nicht allzu weiter Entfernung den geheimnisvollen heiligen Elefanten gesehen habe, dessen Weiße so blendend gewesen sei, daß sie sich kaum von dem Mondschein unterschied und der von einem Gebete singenden Priester spazieren geführt worden sei. Auf einer Spezialkarte war die Stadt, in deren Umgebung er die ungewöhnliche Erscheinung gesehen haben wollte, auf dem 22. Breitengrade verzeichnet.
Es ist bekannt, daß in Birma alle Elefanten, die wilden sowohl wie die gefangenen, Eigentum des Kaisers sind, der das Recht hat, sie im Kriegsfalle einzuberufen. Es ist ein alter, unverletzbarer Brauch, daß dieser Monarch einen Elefanten von idealer Weiße besitzt, der einen eigenen Palast und Offiziere hat, dem ferner die Einkünfte eines Landbesitzes zugewiesen werden, der genügt, ein so wichtiges Tier und seinen Hofstaat zu unterhalten. Das religiöse Gesetz verbietet es auf das strengste, auch nur einen der drei oder höchstens vier Elefanten, in denen sich das seltsame Phänomen der weißen Farbe forterbt, außer Landes gehen zu lassen – denn eine buddhistische Tradition prophezeit den Untergang des Reiches an demselben Tage, an dem dies geschehen würde. (Der vor zwei Jahrzehnten ausgebrochene blutige Krieg mit Siam ist nur wegen des Besitzes eines dieser phantastischen Tiere geführt worden, das der König von Siam den Bewohnern Birmas nicht abtreten wollte.) Man würde den Engländern, nachdem sie ihre Truppen so lange und geduldig in den Sumpfgegenden des Distriktes von Assam konzentriert hatten, sofort ihre Eroberungen streitig machen, wenn sie es wagen sollten, den Tribut eines dieser heiligen Schneehügel erheben zu wollen; das ganze Volk würde gegen sie aufstehen und sie ohne Gnade und Barmherzigkeit vernichten. Wenn aber gar ein kühner Eindringling bei dem Versuche betroffen werden sollte, einen heiligen Elefanten zu rauben, so würde keine Fürsprache ihn vor den schrecklichen Martern eines langsamen, qualvollen Todes retten.
Wie man sieht, stellten sich der Ausführung des Lieblingsplanes des edlen Engländers manche Schwierigkeiten entgegen. Dennoch hatte er sich mit dem berühmten Tierbändiger Mayeris in Verbindung gesetzt, hatte ihm die Orientierungskarte übergeben und ihn auf alle das Abenteuer bedrohende Gefahren aufmerksam gemacht. Er bot ihm außer freier Reise und Verpflegung für sich und seine Leute die Summe von zwei Millionen fünfhunderttausend Franks (100 000 Pfd. Strl.), wenn es ihm gelingen sollte, einen weißen Elefanten gefangen zu nehmen, durch Birma bis an das Meer zu führen, ihn glücklich einzuschiffen und von Asien nach England bis an den Kai der Themse zu bringen, von wo aus das Tier dem Zoologischen Garten übergeben werden sollte. –
Mayeris hatte, während der Lord diese Pläne entwickelte, sich mit der von seinen Löwen ganz zerkratzten Hand nachdenklich den Bart gestreichelt. Nach kurzem Nachdenken nahm er den Vorschlag an.
Sobald er den Vertrag mit Lord W... in der Tasche hatte, genügten ihm wenige Tage, um ein halbes Dutzend Leute anzuwerben, deren Kühnheit und Kaltblütigkeit er erprobt hatte. Als praktischer Mann sagte er sich, daß, wenn man einen weißen Elefanten rauben und durch weite Landstrecken führen wolle, wo man von allen Seiten bedroht sei, es vor allen Dingen unumgänglich notwendig sei, das Tier unkenntlich zu machen – es zu färben. Der Tierbändiger suchte daher sich ein Färbemittel zu verschaffen, das für eine Zeit wenigstens dem Wetter trotzen würde. Er versorgte sich daher ganz einfach mit ein paar kleinen Tonnen einer Flüssigkeit, die gerade in der Modewelt besonders beliebt war, um Bart und Haare zu färben. Nachdem er ferner alle nötigen Anschaffungen gemacht und die umfassendsten Vorbereitungen getroffen hatte, wurde ein Kauffahrteischiff für die Expedition und für den Transport des Tieres gemietet. Man benachrichtigte die Admiralität. Man telegraphierte an den englischen Gouverneur von Assam, empfahl den kühnen Unternehmer seinem Schutze – und reiste ab.
* * *
Ungefähr drei Monate später, nachdem Mayeris und seine Gefährten in Asien angekommen waren, gingen sie mit einem von Baumstämmen zusammengefügten Floß den Sirtang hinauf in der Hoffnung, daß es ihnen gelingen würde, den beabsichtigten Raub auszuführen. Ihre Geschicklichkeit und gewisse günstige Zufälle ermöglichten ihnen, sich wirklich bis auf einige Meilen der alten heiligen Stadt zu nähern, die die verräterische Karte ihnen bezeichnet hatte. Es gelang den fortwährend auf der Lauer liegenden Spähern sogar bald, das wunderbare Tier zu erblicken, und nun versteckten sie sich in der Umgegend der Stadt in das Dickicht des Waldes, der sich bis an die Ufer des Sirtangs hin erstreckte. Man hatte das Floß, das so aussah, als gehöre es Fischern an, und das mit allem Nötigen zum Fischfange ausgerüstet war, ganz mit Zweigen und Laub bedeckt und am Ufer fest gemacht, von wo aus man es zu Fuße erreichen konnte, es sah wie eine kleine Insel aus.
Um ihr Erscheinen zu rechtfertigen und sich eine freundliche Aufnahme zu sichern, hatten sie sich als Jäger ausgegeben, die hierher gekommen seien, um Pelzwerk zu erbeuten. Das Glück war ihnen hold, es gelang ihnen gleich anfangs, ein paar jener großen Tiger zu erlegen, die wie die Flußpferde ein Schrecken jener Gegenden sind. Durch diese brillante Einführung waren sie sofort populär geworden, und sie benutzten das ihnen entgegengebrachte Wohlwollen, um sich unbemerkt mit den Gewohnheiten des Elefanten und seines priesterlichen Wächters bekannt zu machen. Sie hatten sich gelegentlich mit letzterem in Beziehung gesetzt, hatten ihm Geschenke gemacht und ihrer Verehrung vor dem heiligen Tiere Ausdruck verliehen. So erschien endlich der Tag, den Mayeris für die Ausführung seines Planes günstig erachtete, er traf die nötigen Maßregeln und versteckte dann seine Leute im Hinterhalt.
Die Lichtung des Waldes, wo man sich auf die Lauer stellte, war nicht allzu weit von dem Flusse entfernt, wohin der Elefant jeden Abend beim Sternenschein geführt wurde, um zu trinken. Durch die großen Blätter der von den riesenhaften Arekapalmen herabhängenden Schlingpflanzen, durch die Wurzelbäume, Dattelpalmen und Palmyren erkannten die Abenteurer deutlich die in der Ferne blinkenden vergoldeten Sterne, die oberen Teile der Türme und die Marmortempel der Stadt, die dem ewigen Gotte Gadanea Buddha geweiht ist. Dieser wunderbare Anblick schien heute etwas Drohendes zu haben. Sie gedachten unwillkürlich der alten Prophezeiung des fest eingewurzelten Glaubens des Volkes: »An dem Tage, wo andere Völker den weißen Elefanten von Birma in ihrem Lande sehen, wird das Reich untergehen«. Das Risiko des beabsichtigten Streiches erschien den verwegenen Abenteurern in diesem Augenblicke so groß und ihre Lage so gefährlich, daß sie untereinander dahin übereinkamen, wenn man sie entdecken sollte, sich gegenseitig zu töten, um nur nicht lebend in die grausamen Hände der fanatischen buddhistischen Priester zu fallen. Außerdem hatten sie mehrere der Bäume, in deren Nähe sie sich versteckt hielten, mit Petroleum besprengt und waren fest entschlossen, nötigenfalls den Wald anzuzünden.
Gegen Mitternacht ertönte der psalmodierende Gesang des priesterlichen Hüters des heiligen Tieres, das mit gewichtigem Schritt, den Boden stampfend, langsam des Weges kam und den Pfad zum Flusse einschlug. Mayeris, der sich bisher sorgfältig in dem Schatten eines Affenbrotbaumes verborgen gehalten hatte, kam vorsichtig einige Schritte näher. Dem Priester konnte es kaum auffällig erscheinen, daß er den Tierbändiger, dem er öfter an einsamen Orten begegnet war, hier traf. Wie hätte er auch an das tollkühne Wagnis denken können, das Mayeris plante! Er wechselte mit dem betenden Priester einen freundlichen Gruß, trat dann an das majestätische Tier heran, streichelte es und machte den Priester auf den heute ganz besonders schönen Sternenhimmel aufmerksam. In dem Augenblicke, als der Elefant sich über den Fluß neigte um zu trinken, erhob sich einer der dort im hohen Grase verborgenen Jäger und befestigte, um seiner Herr zu werden, mit Blitzesschnelle ein mit einspringender Stahlfeder schließendes großes Blechgefäß mit Chloroform an das äußerste Ende seines Rüssels. Der betäubende Duft, der dem Tiere entgegenquoll, schien es sofort zu verwirren. Es versuchte, den Rüssel unruhig von einer Seite zur anderen bewegend und heftig schüttelnd, vergebens, sich von dem festanschließenden Gefäße zu befreien. Mit jedem Atemzuge erhöhte sich die Wirkung des Chloroforms. Der alte Priester bemerkte das unruhige Gebaren des Tieres und wollte herunterspringen. Er wurde sofort von Mayeris und seinen Helfershelfern überwältigt, geknebelt und gebunden, während andere den schon schlafsüchtig gewordenen, halb bewußtlosen Elefanten durch untergeschobene Baumstämme stützten. Rasch entfernten sie aus der Krümmung seiner Fangzähne den Goldschmuck und die mit Edelsteinen besetzten Armbänder, mit denen die Frauen der Stadt das heilige Tier überreich geschmückt hatten. Dann öffnete man schnell die bereitgehaltenen Gefäße mit dem Färbemittel, und vierzehn eilige Hände begannen den Elefanten so schnell wie möglich von dem Schwanze bis zu seinen großen Ohren und bis zu der äußersten Falte seines Rüssels einzusalben. Diese Prozedur wurde zweimal vollzogen und zehn Minuten später war der heilige Elefant vollständig verwandelt und hatte mit Ausnahme seiner großen Elfenbeinzähne ein kohlschwarzes Aussehen gewonnen. Man benutzte einen Augenblick, in dem das Tier ein wenig aus seiner Betäubung zu erwachen schien, um es auf das Floß zu schaffen. Dort wurden seine mächtigen Füße mit starken Ringen von Schmiedeeisen gefesselt. Rasch wurde ein Zelt über ihm ausgebreitet. Den Führer warf man auf ein Lager von Laub; dann wurden die Verbindungstaue durchschnitten, und fort ging es. Die schnelle Strömung, dazu ein günstiger Wind führte die kecken Räuber mit ihrer Beute rasch den Fluß hinab und den englischen Besitzungen zu. Als der Morgen graute, war man nur noch zwanzig Meilen davon entfernt. Zwei Tage noch und eine Nacht und man war nicht mehr zu erreichen. Man hatte ja überhaupt erst sehr spät das Verschwinden des heiligen Elefanten entdeckt, und als dies endlich geschah, vergeudete man die kostbare Zeit mit Vermutungen aller Art, ehe man dem Gedanken, daß das Tier entführt sein könne, Raum verlieh. Da aber war es zu spät, eine wirksame Verfolgung einzuleiten. – Die an den Ufern wohnenden Völkerschaften nahmen kaum Notiz von den Reisenden. Die normale Farbe des Elefanten ließ die ganze Expedition sehr einfach und natürlich erscheinen. Man vertrieb sich die Langeweile der eintönigen Reise damit, das Tier, das sich noch immer nicht aus seinem Chloroformrausch erholt hatte, fleißig zu übermalen. Sein priesterlicher Führer hatte sich jedoch nicht von dem furchtbaren Schrecken des Überfalls erholt: er war tot. Man band ihm am folgenden Abend einen Stein an den Hals und warf ihn in das Wasser.
Endlich kamen Mayeris und seine Helfer an dem Ziele an, wo man sie längst erwartet hatte. Die jetzt allmählich etwas auffallend gewordene, beinah schwarze Farbe des Tieres hatte auf den ersten Blick etwas Verblüffendes, aber natürlich waren die englischen Offiziere diskret und bewahrten das Geheimnis. Unter sicherm Geleit erreichte man den Hafen, wo das schon seit zwei Monaten bereitliegende Schiff die Beute in Empfang nahm.
Nach einer stillen und glücklichen Überfahrt erreichten unsere Helden endlich die Küste Englands, und mit lauten Hurrarufen begrüßten sie die Heimat, in der sie Glück, Ruhm, Erfolg und klingenden Lohn zu ernten hofften. Bei der Einfahrt in die Themse wurde das Schiff mit Flaggen geschmückt. »God protect old England!« tönte es fröhlich von den Lippen der kühnen Abenteurer. Ein kolossaler Kohlenwagen der unterirdischen Bahn führte das Tier, sobald es ausgeschifft war, in den Zoologischen Garten. Lord W... wurde telegraphisch benachrichtigt und stellte sich sofort bei dem Direktor ein.
* * *
»Hier ist der weiße Elefant,« rief freudestrahlend Mayeris, »Mylord, wollen Sie nun bitte uns die versprochene Anweisung auf die englische Bank übergeben?«
Es war nur natürlich, daß bei dem Anblick des dunkel gefärbten Tieres alles betroffen schwieg.
»Aber – aber,« sagte endlich der Direktor, »Ihr Elefant ist ja schwarz?«
»Ja, das aber kommt nur daher, weil wir gezwungen waren, ihn zu färben, um unsern Raub in Sicherheit zu bringen.«
»So bitte ich Sie, Sorge zu tragen, daß er seine weiße Farbe zurückerhält,« sagte Lord W..., »denn ich kann unmöglich weiß nennen, was offenbar schwarz ist.«
Am andern Morgen erschien Mayeris mit den nötigen Chemikalien, um sofort die Operation zu beginnen. Er und seine Leute bemühten sich, dem unglücklichen Dickhäuter durch Anwendung der stärksten Mittel seine ursprünglich weiße Farbe zurückzugeben. Das arme Tier sah seine Peiniger mit seinen Albinoaugen klagend an, und sein Blick schien unruhig zu fragen: »Ach, warum bestreichen mich diese Menschen jeden Augenblick mit so unangenehmem Zeug?«
Aber die Säuren des Haarfärbemittels hatten sich tief in die Haut des Dickhäuters eingefressen, und die ohne chemische Kenntnis angewandten Gegenmittel verfehlten ihre Wirkung vollständig. Der Elefant wurde grün, orangefarben, blau, karmoisinrot, taubenfarben – er schimmerte in allen Schattierungen des Regenbogens – aber er wurde nicht weiß! Sein bunter Rüssel hing matt wie ein schlappes Segel an den enormen Masten seiner kolossalen in den groteskesten Farben erscheinenden Beine herab, so daß der Direktor des Zoologischen Gartens schließlich erstaunt ausrief:
»O, laßt ihn endlich in Ruhe! Rührt ihn nicht mehr an! Es ist ja ein wahres Fabeltier, ein Elefanten-Chamäleon. Man wird aus der ganzen Welt hierhin zusammenströmen, um dies Wunder aus Tausendundeine Nacht anzustaunen. Ganz gewiß hat es bis jetzt noch niemals ein solches Tier auf unserem Planeten gegeben. Wenigstens glaube ich das nicht.«
»Wirklich, ich glaube, daß Sie da recht haben,« sagte Lord W..., das seltsame Tier durch seine Lorgnette anschauend, »aber – – aber – nach den Buchstaben unseres Kontraktes ist Herr Mayeris verpflichtet, mir einen weißen und keinen vielfarbigen Elefanten zu liefern. Nur der weiße Elefant ist des Preises von 100 000 Pfd. Strl. wert, den ich dafür bewilligt habe. Herr Mayeris möge daher dafür Sorge tragen, ihm so rasch wie möglich zu seiner ursprünglichen weißen Farbe zu verhelfen. Aber wie das Tier jetzt aussieht, ist es wahrhaftig schwer zu glauben, daß dieses Scheusal ein weißer Elefant sein soll.« –
Mit diesen Worten setzte Lord W... seinen Hut auf und entfernte sich rasch, jede weitere Diskussion abschneidend.
Mayeris und seine Gefährten betrachteten schweigend das dahinsiechende Tier, das trotz aller angewandten Mittel nicht mehr weiß werden wollte. Plötzlich schlug der Tierbändiger sich vor die Stirn.
»Herr Direktor,« sagte er, »welchen Geschlechtes sind die im Zoologischen Garten befindlichen Elefanten?«
»Es ist nur ein Weibchen dabei,« antwortete dieser.
»Gut,« rief Mayeris triumphierend. »Wir müssen es mit meinem Elefanten zusammenbringen. Ich werde die zwanzig Monate lange Dauer seiner Schwangerschaft geduldig abwarten, der mulattenhafte Sprößling wird dann vor Gericht Zeugnis von der weißen Nasse seines Erzeugers ablegen.«
»Das wäre eine Idee,« sagte der Direktor, fügte aber gleich darauf in spöttischem Tone hinzu: »Sie werden dann zweifellos einen wie Milchkaffee aussehenden Mischling erzielen. Leider ist es jedoch bekannt, daß der Elefant in der Gefangenschaft sich der Freude Vater zu werden, auf das strengste enthält.«
»Fabeln! Das ist gerade solcher Unsinn, wie das Märchen von der vorgeblichen Keuschheit des Elefantenweibchens. Das weiß ich besser, mein Herr, und ich kann Ihnen Beweise dafür aufführen. Zum Überflusse werde ich alles, was das Tier genießt, mit den stärksten, die Sinne aufreizenden Mitteln bestreuen und wenn es auch darüber zugrunde gehen sollte. Das Schicksal möge sich entscheiden.«
An demselben Abend rieb sich der Tierbändiger vergnügt die Hände, da er die Gewißheit hatte, zu neuen Hoffnungen berechtigt zu sein.
Am andern Morgen jedoch fanden die Wärter des Elefantenhauses das arme mißhandelte Tier tot. Die Dosis Chin–sing war denn doch zu stark gewesen, es war daran gestorben.
»Nichts zu machen,« brummte Mayeris, als ihm diese Nachricht mitgeteilt wurde. »Ich muß jetzt den Lauf der Dinge ruhig abwarten. Ich weiß, daß meine Gegner zu anständig sind, um der Elefantenmutter abtreibende Mittel zu geben. Nur daß dieser Tod für mich einen nicht wieder einzubringenden Vermögensverlust bedeutet! Ich bin fest überzeugt, daß in drei bis vier Jahren das Tier doch die ursprüngliche weiße Farbe wieder erlangt haben würde.«
Mittlerweile sandte Lord W.... einen Unterhändler an Mayeris. Der Engländer bedeutete ihm, daß er sich unter allen Umständen an die in dem Kontrakte festgestellten Vereinbarungen halten würde und sich nicht für verpflichtet halte, wie auch das Resultat der Elefantenehe ausfallen sollte, das daraus hervorgehende Junge anzukaufen. Er bot jedoch dem Tierbändiger eine Entschädigungssumme von 5000 Pfd. Strl., um die unliebsame Sache aus der Welt zu bringen, und riet ihm, sich rasch einen anderen weißen Elefanten zu verschaffen, diesmal aber gut aufzupassen, daß er nicht zu echt gefärbt werde.
»Als ob es möglich sei, zweimal einen weißen Elefanten zu rauben,« sagte der wütende Tierbändiger. »Gut, ich werde prozessieren.«
Der Staatsanwalt wie die Advokaten versicherten ihm jedoch, daß seine Sache von vornherein eine verlorene sei, und Mayeris entschloß sich seufzend, einen Kurator für den künftigen Sprößling des weißen Elefanten zu ernennen und die von Lord W.... gebotenen 5000 Pfd. Strl. für sich und seine Leute anzunehmen. Dann verließ er London.
Wenn er später von diesem traurigen Abenteuer erzählte – das wirklich zu phantastisch ist, um erfunden zu sein – so fügte er mit seltsamem Tonklange hinzu:
»Ruhm, Erfolg, Glück? Es ist alles nur eitler Dunst! Vorgestern ging ein Königreich wegen eines mit einem Fächer gegebenen Streiches zugrunde, gestern löste sich vielleicht ein Kaiserreich aus noch nichtigeren Ursachen auf. Es hängt alles von einem Nichts ab. Ist es nicht wirklich geheimnisvoll? Wenn die alte Prophezeiung, die weissagende Drohung des Gottes da unten des Glaubens wert ist, den sie so viel Millionen Völkern einflößt, woher kommt es dann, daß das birmaische Reich nicht untergegangen ist? Doch ganz einfach daher, daß ich mich nicht besser vorgesehen habe und dieses fatale Wasser zum Färben des geraubten heiligen Elefanten von Gädoma-Buddha anwendete anstatt ganz einfach, beinahe symbolisch, meine schweren eisernen Tönnchen – – – mit Ruß zu füllen.
›Schön wie die Nacht – und unheimlich wie sie.‹
Alfred de Vigny
Auf dem Schlosse Fonteval wurde ein Hochzeitsfest gefeiert, das gegen Mitternacht sein Ende erreichte. Die venezianischen Lampen, die in Guirlanden zwischen den hohen Bäumen der Alleen angebracht waren, leuchteten zwar noch, aber die Geigen des ländlichen Orchesters waren verstummt, und die Junker der Nachbarschaft suchten ihre sie an der Freitreppe des Schlosses erwartenden Wagen auf, während die bäuerlichen Gäste unter fröhlichem Gesang den Heimweg auf ihre Höfe antraten. Die Stimmung war eine ungemein heitre, denn man hatte dem Inhalt der unter den Eichen aufgefahrenen Fässer, die mit Bändern in den Farben der Neuvermählten geschmückt waren, reichlich zugesprochen.
Der neue Schloßherr, Gabriel du Plessis le Houx, hatte am Morgen dieses nun schon entschwundenen schönen Tages in der Kapelle des Schlosses seine eheliche Verbindung mit Sylvabel de Fonteval geschlossen.
Sie war eine wie Diana, die Jägerin, aussehende schlanke, junge Amazone, mit weißer Hand, braunem Haar und von berückendem Reize. Sie war zwanzig, er dreiundzwanzig Jahre alt! ... Beide waren schön, elegant und reich, und die Zukunft der beiden schien in rosenrotes Licht getaucht.
Sylvabel hatte schon gegen halb elf den Ball verlassen und befand sich – zweifellos – in diesem Augenblicke in dem ehelichen Schlafgemache. Die Bewohner des Schlosses hatten sich alle zurückgezogen und waren, da in keinem Fenster mehr ein Lichtschein zu erblicken war, offenbar zu Bett gegangen.
Nur in dem hinter dem Spielsaale und vor den Gärten gelegenen Treibhause war noch Licht. Zwei Herren hatten sich dort auf den grün kannelierten Gartenstühlen niedergelassen, vor denen ein Pfeilertisch stand, der einen Armleuchter trug. Der eine war Herr du Plessis selbst – der andere der Baron Gérard de Linville, sein Onkel, ein alter Gesandter und Diplomat, der des höchsten Ansehens genoß. Der dringenden Bitte seines Neffen nachgebend, hatte er sich entschlossen, die Nacht noch auf dem Schlosse zu verbringen, obwohl er schon vor Tagesgrauen aufbrechen mußte, da er in einer diskreten Mission nach Schweden zu reisen beabsichtigte.
»Mein lieber Baron,« rief Gabriel plötzlich, »ich danke Ihnen herzlich dafür, daß Sie hier geblieben sind. Ich stehe vor einer kritischen Zeit und Sie sind vielleicht der einzige, der mir einen wirklich nützlichen Rat geben kann. Ich habe Ihnen schon gestanden, mit welcher Glut und Leidenschaft ich meine Frau liebe, eine Leidenschaft, die so überwältigend ist, daß ich mich oft erbleichen fühle und kaum Worte zu finden weiß, wenn sie mit mir spricht. Hören Sie nun, was ich Ihnen ferner vertraue: Sylvabel empfindet für ihren Neffen nur eine ganz oberflächliche frivole Neigung, sie liebt mich aber nicht. Sie ist ein verwöhntes Kind, das stets nur seinen Liebhabereien gelebt und sich fast ausschließlich mit Pferden und der Jagd beschäftigt hat. Sie ist ein stürmisches unbezähmbares Mädchen, mit männlichen Neigungen, trotz ihres verführerischen echt weiblichen Reizes. Sie weiß, daß ich sanft bin, und da sie errät, wie sehr sie mich leiden macht, verachtet sie mich ein wenig. Gewiß, Sylvabel hat ohne Zögern meine Hand angenommen, aber dies geschah einmal meines großen Vermögens wegen – o es ist wirklich so – dann aber auch, weil sie hoffte, mich zu ihrem Sklaven machen zu können: folglich wird sie mich vielleicht oder vielmehr ganz gewiß früher oder später betrügen. Sie findet mich zu friedlich! zu künstlerisch empfindend und zu exaltiert – mit einem Worte charakterlos.
Dazu kommt, daß sie selbst einen Geist von durchdringender, fast geheimnisvoller Schärfe hat. Sie ist eine Prophetin... Aber was wollen Sie? Sie besteht auf ebenso lächerlichen wie kränkenden Ideen. So hat sie mir heute abend auf das entschiedenste erklärt, daß sie fest entschlossen sei, morgen in aller Frühe eine Jagdpartie zu machen, und zwar zu Pferde. Wahrscheinlich will, sie damit den Bewohnern des Schlosses beweisen wie wenig ermüdend unsere Hochzeitsnacht für sie gewesen – beiläufig bemerkt, hat sie mich außerdem dazu verurteilt, diese erste Nacht unserer Ehe allein zu verbringen. Wenn das acht Tage so fortgehen soll, hat sie sich daran gewöhnt, die Herrscherin zu sein, und ich bin verloren – gleichviel was ich in Zukunft anstelle, um mich zu wehren. Dann aber werden die Dinge ein Ende mit Schrecken nehmen, denn ich gestehe es offen, meine Natur ist so, daß, wenn man mich zwingt, meine gewohnte Ruhe und Sanftmut zu verleugnen, ich so heftig werde, daß ich zu jedem Gewaltakte fähig bin. Ich bitte Sie also, lieber Onkel, der Sie einen so feinen Verstand besitzen, nicht nur gelebt haben, sondern auch die Kunst des Lebens wirklich verstehen, ich bitte Sie, mir zu sagen, ob Sie nicht ein Mittel wissen, den trostlosen Eindruck, den meine Frau von meinem Charakter hat, zu zerstören.
Wissen Sie keinen Rat, durch den ich ihre Liebe erringen könnte? Ich möchte sie davon überzeugen, daß ich trotz meiner Sanftmut und äußern Ruhe einen festen männlichen Charakter habe. Denn davon hängt alles ab. Was immer Ihr Rat sei, ich werde ihm gehorchen, ohne weiter darüber nachzudenken, wie ein Soldat, der Ordre pariert, oder wie ein Kranker, der ohne zu fragen, das ihm von einem großen Arzte gebotene Heilmittel annimmt. Ich vertraue mich Ihrer Weisheit. Es ist meine Ehre und mein Glück, die hier auf dem Spiele stehen.«
Baron Gérard warf einen hellen lächelnden Blick auf den jungen Mann, dachte einen Augenblick nach, neigte sich dann zu Gabriel und flüsterte ihm wohl fünf Minuten lang die ersehnte Antwort ins Ohr. Der Neffe horchte mit gespanntester Aufmerksamkeit den Worten des alten Herren, die ihn mit Staunen erfüllten.
»Ich reise also in aller Frühe nach Stockholm,« fügte Herr de Linville sich erhebend mit lauter Stimme hinzu: »ich erwarte, daß du mir das Resultat bald schriftlich mitteilst. Vor allem also, handle ganz einfach, so einfach wie mein Rat und befolge ihn buchstäblich.«
»Danke, danke aus tiefstem Herzen. Gute Reise also und – auf Wiedersehen,« antwortete Gabriel, nun ebenfalls aufstehend und dem Onkel die Hand drückend.
Die beiden Herren begaben sich dann jeder auf sein Zimmer, in dem der Gesandte ruhigeren Schlaf fand, wie sein junger Freund. –
* * *
»Halloh! Halloh! Die Sonne scheint! – Schläfst du noch? Gabriel!«
So rief Frau Sylvabel du Plessis le Houx, die auf einem prächtigen Brandfuchs sitzend, der ungeduldig mit den Hufen den Boden scharrte und von einer ganzen Meute laut bellender und sie mit lustigen Sprüngen umgebender Hunde unter