DAS IJSSELMEER UND DIE NÖRDLICHEN PROVINZEN
TÖRNFÜHRER
Alle in diesem Buch enthaltenen Angaben und Daten wurden von dem Autor nach bestem Wissen erstellt und von ihm sowie vom Verlag mit größtmöglicher Sorgfalt überprüft. Gleichwohl können wir keinerlei Gewähr oder Haftung für die Richtigkeit, Vollständigkeit und Aktualität der bereitgestellten Informationen übernehmen. Die hier zur Verfügung gestellten Pläne dienen lediglich zur Orientierung und nicht zur Navigation; sie ersetzen also keine See- bzw. Sportbootkarten oder andere offizielle nautische Unterlagen, deren Mitführung in aktueller Fassung wir dringend empfehlen.
Wir hoffen, dass Ihnen dieses Buch viel Freude bereitet. Falls Sie Anregungen haben sollten, was wir in Zukunft noch besser machen können, schreiben Sie uns bitte an reiselektorat@delius-klasing.de. Korrekturen veröffentlichen wir im Interesse aller Leser unter www.delius-klasing.de auf der jeweiligen Produktseite.
7., vollständig überarbeitete Auflage 2022
© Delius Klasing & Co. KG, Bielefeld
Folgende Ausgaben dieses Werkes sind verfügbar:
ISBN 978-3-667-12063-2 (Print)
ISBN 978-3-667-12488-3 (Epub)
Lektorat: René Stein
Umschlagvorderseite: Adobe Stock/allard1
Umschlagrückseite: Christine Jacob
Innenteilfotos: Jan Werner, mit Ausnahme von Christine Jacob: S. 11, 68, 102, 105, 106, 109, 116, 119, 127, 143, 145, 149, 153, 154, 156, 166, 173 unten, 174, 179, 180, 182, 185, 186, 194, 195, 197 oben, 199, gemeinfrei S. 10
Übersichtskarten und Hafenpläne: Christine Jacob mit Ausnahme von Inch 3, Bielefeld: Umschlaginnenseite und -rückseite
Umschlaggestaltung: Felix Kempf, fx68.de
Layout: Christine Jacob, Schwerin
Lithografie: Mohn Media, Gütersloh
Datenkonvertierung E-Book: Bookwire - Gesellschaft zum Vertrieb digitaler Medien mbH
Alle Rechte vorbehalten! Ohne ausdrückliche Erlaubnis des Verlages darf das Werk weder komplett noch teilweise vervielfältigt oder an Dritte weitergegeben werden.
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Vorwort
I. Das IJsselmeer
Törnvorschlag 1: Die Westküste
Von Amsterdam nach Hoorn
Törnvorschlag 2: Das nördliche IJsselmeer
Von Hoorn nach Makkum
Törnvorschlag 3: Die Ostküste
Von Makkum nach Urk
Törnvorschlag 4: Die Randmeere
Von Urk nach Muiden
II. Die nördlichen Provinzen
Törnvorschlag 1: Binnen mit stehendem Mast
Von Delfzijl nach Harlingen
Törnvorschlag 2: Friesland
Vom IJsselmeer zum Princenhof und zurück
Törnvorschlag 3: Am Kopf von Overijssel
Vom Tjeukemeer nach Giethoorn
Törnvorschlag 4: Noord-Oost-Holland
Von Meppel zum Dollart
Törnvorschlag 5: Noord-Holland
Von Amsterdam nach Den Helder
III. Nautisches Holland-Lexikon
Register
Der Törnführer »Holland mit dem Boot« war im Lauf der Jahre zum Klassiker geworden für alle, die mit dem Boot in den Niederlanden unterwegs waren. Nach dem Motto »Alles in einem« enthielt er die Reviere von Zeeland im Süden bis zum IJsselmeer im Norden – und manches noch dazu …
Gleichzeitig aber waren die niederländischen Wassersportreviere immer mehr ausgebaut worden, kamen auch immer mehr Häfen hinzu. Die Folge: In einem einzigen Band war das alles nicht mehr unterzubringen.
Autor und Verlag hatten sich daher entschlossen, den Törnführer »Holland mit dem Boot« unter dem Titel »Holland« in zwei Bänden herauszugeben und gleichzeitig völlig zu überarbeiten:
• Band 1 enthält Zeeland und die südlichen Provinzen,
• Band 2 das IJsselmeer mit den nördlichen Provinzen.
So ist es möglich geworden, die einzelnen Reviere sehr viel detaillierter zu beschreiben, auch neue hinzuzunehmen, wie etwa in Band 1 die Westerschelde.
Außerdem enthalten die beiden Bände jetzt viele schöne Farbfotos, die einen unmittelbaren Eindruck von den niederländischen Revieren vermitteln.
Eine Einschränkung allerdings war mit dieser neuen Konzeption verbunden: Der sehr informative und anschauliche Einleitungsteil »Land und Leute« steht nur im Band 1. Ihn auch noch in Band 2 zu bringen, erschien uns bei einem zweibändigen Werk wenig sinnvoll.
Andererseits konnte im Band 2 auf das »Nautische Holland-Lexikon« nicht verzichtet werden. Denn das brauchen auch die, die immer nur im Norden auf Törn sind. Das wichtige nautische Grundwissen für jeden Törn in den Niederlanden wird auf den Seiten 205–222 vermittelt.
Dessen ungeachtet: Beide Bände im Schapp zu haben, ist unbedingt anzuraten. Denn warum sollte der, der immer nur auf dem IJsselmeer segelt, nicht auch mal nach Zeeland schippern, oder umgekehrt? Der Weg zwischen dem nördlichen und dem südlichen Landesteil ist ja nicht sehr lang – und schwierig schon gar nicht.
Jan Werner
Vieles ist nicht mehr so wie früher, und dennoch: Das IJsselmeer ist immer noch ein ideales, mit seinen prächtigen alten Städten wohl auch einmaliges Revier – allerdings mehr für Segel- und weniger für Motorboote.
Aus der Zee wird ein Meer Obwohl von der einst riesigen Zuiderzee große Teile eingedeicht und trockengelegt sind, hat dieses Gewässer immer noch beträchtliche Ausmaße: In seiner größten Länge, von Nord nach Süd, misst es rund 50 und in seiner größten Breite immerhin 23 sm. Unter Umständen kann man gut 10 sm vom nächsten Hafen entfernt sein. Andererseits: So groß diese Entfernungen klingen – steht man in Stavoren auf dem Deich, dann kann man im Westen die unverwechselbare Silhouette von Medemblik sehen, die charakteristische Kirche von Andijk und im Südwesten den wuchtigen Kirchturm von Enkhuizen. Bei guter Sicht jedenfalls.
»Zee« und »Meer«, im Niederländischen ist ihre Bedeutung genau umgekehrt: Das Meer heißt »De Zee«, und ein Binnensee »Het Meer«; deshalb »Zuiderzee«, als dieses Gewässer noch ein Teil des Meeres war, und »IJsselmeer«, seit daraus ein abgeschlossener, wenn auch sehr großer Binnensee geworden ist.
Op het IJsselmeer kan het spoken Auf dem IJsselmeer kann es spuken – so das geflügelte Wort aus dem Almanak. Und in der Tat: Vielen Bootsfahrern ist das IJsselmeer etwas unheimlich; und ein bisschen hat daran der Almanak voor watertoerisme Schuld, der es im Teil 1 so beschreibt, dass man schon etwas Angst bekommen könnte. Richtig ist schon: Nicht jeder, besonders nicht der Unerfahrene, sollte sich aufs IJsselmeer hinauswagen, und ein seetüchtiges Boot ist schon Voraussetzung für einen solchen Törn. Doch all die kritischen Faktoren, die der Almanak aufzählt, wie plötzlich auftretender Nebel, schneller Wetterumschwung etc., sind in den Sommermonaten doch eher selten.
Man ist auch nie allein. In den Sommermonaten, besonders an den Wochenenden, tummeln sich Tausende von Booten auf dem Wasser, sodass man immer eines in Sichtweite, meist sogar in Rufweite hat.
Das IJsselmeer macht sich sein eigenes Wetter Das ist ein in den Niederlanden alltäglicher Spruch. Gemeint ist damit: Das Wetter auf dem IJsselmeer kann sich sehr schnell ändern, wegen des Landes ringsum, und vor allem: Es kann sich ganz anders entwickeln als das Wetter in den Niederlanden allgemein, insbesondere aber als das Wetter auf der Nordsee.
Im Sommer kommt es oft und völlig überraschend zu schweren Gewittern. Dazu starkem Wind, der sich zu Sturmböen entwickelt. Man kann die Vorboten leicht erkennen: Der Himmel wird plötzlich dunkel, Wolken türmen sich hoch auf, und dann nähert sich eine fast schwarze Wolkenwalze. Der Wind spielt verrückt und dreht sich binnen Augenblicken um 180°. Also, das ist nicht von Pappe.
Den Wetterbericht (s. S. 219) ständig abzuhören, ist also obligatorisch, aber vor Überraschungen ist man auch dann nicht gefeit.
Die berüchtigte IJsselmeerwelle Zu jeder Jahreszeit kann man es mit der kurzen, steilen, hohen Welle zu tun bekommen, für die das IJsselmeer berüchtigt ist. Sie baut sich in der Tat ganz schnell auf, aber doch nicht in Minuten. Besonders kritisch ist sie allerdings in den flachen Gewässern, etwa in der Ansteuerung eines Hafens. Nicht selten gibt es Wellenlängen, die der Bootslänge entsprechen, mit der Folge, dass das Boot sich festbolzt. Da hilft nur eines: Abfallen! Das ist eine Regel, nach der früher schon die IJsselmeerfischer verfuhren: »Vaart houten – niet knijpen!« (Fahrt im Boot halten, nicht kneifen!) Also weniger Höhe, dafür mehr Fahrt. Motorboote haben diese Probleme nicht, aber sie tun sich auch leichter, wenn sie ebenfalls abfallen und mehr Fahrt aufnehmen.
Für den Fall der Fälle Jedes Boot, das das IJsselmeer befährt, muss mindestens vier Fallschirmraketen an Bord haben. Gerät man in Seenot, feuert man im Abstand von etwa einer Minute erst zwei Raketen ab; dann wartet man eine halbe bis dreiviertel Stunde, dann nochmals zwei.
Wer UKW hat, setzt auf Kanal 16 einen Notruf ab. Kanal 16 wird von der Küstenwache, Nederlands Coastguard (Den Helder), abgehört. Wer von Land aus beobachtet, dass ein Boot in Seenot geraten ist, sollte schnellstens den Centralen Meldpost IJsselmeergebied unter 09000 0111 oder +3122 3542300 alarmieren.
Der Centrale Meldpost IJsselmeergebied (CMIJ) wurde 1995 eingerichtet. Er ist rund um die Uhr besetzt und zuständig für IJsselmeer, Ketelmeer, Markermeer und IJmeer. Auf UKW-Kanal 01 gibt er immer 15 Minuten nach der vollen Stunde den Wetterbericht, Schifffahrtsnachrichten und andere nautische Informationen und auch Meldungen über Brände, Wasserverschmutzung, Änderungen bei Tonnen etc.
Man kann auch von sich aus mit dem CMIJ auf Kanal 01 in Verbindung treten. Der Posten gibt Auskünfte.
Nautische Warnnachrichten und Sturmwarnungen werden von der Küstenwache gesendet: sofort nach Empfang auf den UKW-Kanälen 23 und 83 nach Ankündigung auf UKW-Kanal 16 und dem DSC-Kanal 70 und auf der Mittelwellenfrequenz 3673 kHz. Danach werden diese Nachrichten auf den UKW-Kanälen 23 und 83 zu folgenden Zeiten gebracht: 0333, 0733, 1133, 1533, 1933 und 2333 (UTC). Navtex: 0230, 0630, 1030, 1430, 1830 und 2230 (UTC).
UKW-Funk: Schiff–Schiff Die Binnenschifffahrt ist auf Kanal 10 hörbereit, auf diesem Kanal besteht Abhörpflicht bei unsichtigem Wetter. Sportboote können auf diesem Kanal mit Berufsschiffen kommunizieren. Der UKW-Kanal 70 darf aber nicht benutzt werden.
Sportboote untereinander benutzen den UKW-Kanal 77.
Das IJsselmeer gibt es gar nicht Alles, was im Almanak an Warnungen ausgesprochen wird, gilt in erster Linie für das nördliche IJsselmeer. Beim nicht viel kleineren Markermeer sieht es schon ganz anders aus, denn in der Praxis fahren die meisten doch entlang der Westküste, wo ein Hafen nach dem anderen kommt. Die Randmeere gar liegen so schmal und überaus geschützt mit ihrer Unmenge an Häfen, dass hier eigentlich gar nichts passieren kann.
Vorsicht ist angebracht und wie immer eine seemännische Tugend, überängstlich aber braucht man nicht zu sein.
Gleichmäßiger Wasserstand Seit der Eindeichung gibt es auf dem IJsselmeer keine Gezeiten mehr und deshalb einen – relativ – gleichmäßigen Wasserstand. Zwar fließt von der IJssel immer wieder Wasser zu, aber die großen Entwässerungsschleusen von Den Oever und Kornwerderzand geben es ebenso gleichmäßig an die Waddenzee ab. Für das IJsselmeer gilt ein besonderer Wasserstand, im Sommer der IJZP, der IJsselmeerzomerpeil, im Winter der IJWP, IJsselmeerwinterpeil. IJZP liegt 2 dm unter NAP, IJWP 4 dm (NAP s. S. 214).
Die Angaben in den ANWB-Karten beziehen sich auf den IJZP, die Hydrografische Kaart(en) auf den IJWP. Die Werte, die wir der jeweiligen Karte entnehmen, stimmen schon, nichts braucht mehr umgerechnet zu werden. Doch eines ist noch zu berücksichtigen: Nicht mehr die Gezeiten, wohl aber der Wind kann den Wasserstand beeinflussen. Das weiß jeder, der sein Boot in einem Hafen am IJsselmeer hat; denn manchmal liegt man ganz tief, dann wieder schwimmt man hoch oben. Der Wind drückt eben das Wasser vom einen zum anderen Ufer: Während das Wasser auf der einen Seite um einen halben, manchmal auch ganzen Meter steigt, sinkt es auf der anderen Seite entsprechend ab.
Betonnung Sie entspricht am IJsselmeer – wie könnte es anders sein? – dem Üblichen; auch die Befeuerung ist gut, sodass man durchaus auch Nachtfahrten unternehmen könnte. Doch in der Praxis wird man es nicht tun. Abgesehen davon, dass es angesichts der geringen Entfernungen gar keinen Grund dafür gibt, verbietet es einem auch die Erfahrung; denn am IJsselmeer liegen überall Fischernetze aus, auch nahe den Hafeneinfahrten. Und sich darin zu verheddern, löst wohl einen mittleren Albtraum aus. Dennoch wird bei jenen Häfen, wo eine nächtliche Ansteuerung ohne große Risiken möglich ist, die Befeuerung beschrieben.
Die Betonnung ist in den letzten Jahren deutlich verringert worden: Sparen eben überall. Aber sie ist immer noch ausreichend. Allerdings: Da in den Niederlanden nur die Veränderung das einzig Beständige ist, braucht man unbedingt die auf aktuellen Stand berichtigte Seekarte.
Manchmal zu viel des Guten So faszinierend das IJsselmeer mit seinen prächtigen alten Städten auch ist: Die Zahl der Boote hat in den letzten Jahren in einem Ausmaß zugenommen, dass es schon nicht mehr schön ist; jedenfalls im Sommer und da besonders in der Ferienzeit (noch schlimmer, wenn dann noch Sommerferien in Nordrhein-Westfalen sind). Es macht einfach keinen Spaß mehr, wenn man in einem Hafen wie Enkhuizen im Zwölferpäckchen liegen muss. Wer kann, der sollte deshalb außerhalb der Urlaubswochen hierher kommen, am besten Anfang September, denn das ist dafür die schönste Zeit.
Mücken und Algen Eine unschöne Sache muss noch vermerkt werden: Im Sommer, wenn es richtig warm wird, überzieht sich das IJsselmeer plötzlich mit einer Schicht giftgrüner Algen, die sich wohl deshalb so ausbreiten, weil das Wasser überdüngt ist. Das Wasser wird dann zur »Algensoep«, zur Algensuppe. Gefährlich, besonders für Kinder, ist das aber nur, wenn man davon etwas schluckt.
Eine andere und viel schlimmere Plage sind die Mückenschwärme, die aus der Ferne geseen wie Rauchwolken aussehen können. Gerät man in einen solchen Schwarm, dringen die Mücken in Mund und Nase und jede Bootsöffnung. Man ist gegen diese Plage machtlos. Das Einzige, was tröstet: Sie treten nur zweimal im Jahr auf, zuerst im April/Mai und danach im September/Oktober. Zuckmücke, lat. Chironomus plumosus, heißen diese Quälgeister, die an sich völlig harmlos, wenn auch überaus lästig sind.
Ein besonderes Problem ist der südliche Teil des IJsselmeeres, das Markermeer, das über Jahre so verschlammt wurde, dass kaum mehr Tiere, nicht einmal Fische, hier existieren, das aber jetzt mit einer gewaltigen Anstrengung renaturiert wird (s. S. 41).
Die Zee wird eingedeicht Die Eindeichung der Zuiderzee beschäftigte die Niederländer über Jahrhunderte, eben so, wie in aller Regelmäßigkeit Sturmfluten das Land verwüstet und schwere Opfer gefordert hatten. Doch alle diese Pläne existierten nur auf dem Papier, weil einfach die technischen Mittel fehlten. Das änderte sich erst im vergangenen Jahrhundert, zumal sich mit dem Ingenieur Cornelis Lely der Sache jetzt ein Mann annahm, der das Projekt mit unglaublicher Energie vorantrieb. Doch wahrscheinlich wäre auch er gescheitert, wäre nicht im Januar 1916 eine besonders schlimme Sturmflut hereingebrochen, die die Menschen aufrüttelte. Und nun ging alles ganz schnell: Schon 1918 verabschiedete die Regierung die Pläne, und 1920 wurde mit den Bauarbeiten begonnen, die 1932 mit dem Afsluitdijk (Abschlussdeich) ihre wichtigste Etappe erreichten.
Danach konnte man darangehen, die Polder zu schaffen: 1937 bis 1942 den Noordoostpolder (48 000 ha), 1950 bis 1957 den östlichen Flevolandpolder (54 000 ha) und von 1959 bis 1968 den südlichen Flevolandpolder (43 000 ha); der letzte, das Markerwaard, hat sich wohl endgültig erledigt. Die beiden Flevolandpolder sind inzwischen zur Provinz Flevoland geworden, der zwölften der Niederlande, abgerungen dem Meer.
Dass allerdings immer wieder Proteste das Zuiderzeeprojekt begleiten, hat Tradition. Schon vor dem ersten Spatenstich gab es Krach, vor allem durch die Fischer, die sich in ihrer Existenz bedroht fühlten, denn die Zuiderzee war ein außergewöhnlich fischreiches Gewässer, von dem ganze Dörfer und Städte lebten. Noch 1928 zum Beispiel wurden während der Saison in Enkhuizen Tag für Tag 1,5 Millionen (!) Heringe angelandet. Wenn man sich die paar mickrigen Kutter ansieht, die es jetzt noch dort gibt, dann erkennt man, was sich hier alles verändert hat, und dies gilt noch mehr für die Fischerdörfer im Süden, denen durch die Eindeichung radikal die Existenzgrundlage entzogen worden war. So setzten denn auch die Fischer demonstrativ die Flagge auf halbmast, während das ganze Land in Jubel ausbrach, als am 28. Mai 1932 der Abschlussdeich endlich geschlossen war.
Die Zuiderzee war schon immer, seit Menschengedenken, ein über die Landesgrenzen hinaus bekanntes Gewässer. Die Römer nannten es Flevo Lacus und die Franken im Mittelalter Almere. Doch wie es damals ausgesehen hat, weiß man nicht genau, denn alle Karten, die sie darstellen, wurden erst sehr viel später gezeichnet, sodass man nicht sicher sagen kann: So war es wirklich!
Nautische Unterlagen: Die Hydrografische kaart 1810 »IJsselmeer met Randmeren en Noordzeekanaal« deckt alles ab. Wer will, kann sich auch die ANWB-Karte 18 »IJsselmeer-Markermeer/Randmeren« besorgen. Wateralmanak, Teil 1 und 2.
Distanzen: Amsterdam/Oranje-Schleusen – Durgerdam (2,2 sm) – Uitdam (5 sm) – De Nes (0,5 sm) – Marken (8 sm) – Monnickendam (2,5 sm) – Volendam (3,5 sm) – Edam (2,5 sm) – Schardam (6 sm) – Hoorn (3 sm).
Wer auf dem IJsselmeer segelt, sollte unbedingt nach
Amsterdam fahren – so wie früher die alten Ostindienfahrer, die nur über das IJsselmeer, die damals noch offene »Zuidersee«, nach Amsterdam gelangen konnten.
Die Stadt liegt in der Südwestecke des IJsselmeeres, an einer Ausbuchtung, die Het IJ heißt und gleichzeitig der Hafen der Stadt ist. Man nähert sich Het IJ vom Markermeer (s. S. 41) her, muss dabei gar nicht in der betonnten Fahrrinne bleiben, denn ringsum ist es ausreichend tief. Spätestens jedoch bei der r.g. Tonne P6-IJM 21 sollte man sich in das Fahrwasser einfädeln, das zum Buiten IJ führt: vorbei an dem kleinen Hafen Durgerdam (s. S. 23) und auf die Schellingwouder Brug zu. Sie hat an ihrem festen Teil eine Durchfahrtshöhe von 8,90 m. Eben nördlich vom Gitterbogen befindet sich eine bewegliche Brücke (BB).
Schellingwouder Brug |
M 18 |
Mo.–Fr.: |
0000–0700, 0900–1600, 1800–2400 |
Sa./S./F.: |
0000–2400 |
Innerhalb dieser Zeiten wird die Brücke alle 20 Minuten geöffnet, und zwar immer in Zusammenhang mit den Oranje-Schleusen.
Danach durch die Oranje-Schleuse und man ist im Hafen von Amsterdam angelangt. Die alte, früher nur drei-, inzwischen vierkammerige Oranje-Schleuse (M 18) wird rund um die Uhr bedient. Dennoch muss man mit längeren Wartezeiten rechnen, und zwar während der Werktage, wenn die großen Binnenschiffe unterwegs sind, denn sie werden bevorzugt abgefertigt. Yachten, die nicht sofort zum Schleusen aufgerufen werden, machen an der Nordseite vor den Schleusen fest; hier liegen extra Schwimmstege für Boote (Schild »Sport«). Und zwar am besten vor der nördlichen Kammer, denn die ist für die »Recreatievaart« reserviert, während die neue Kammer, die Prins-Willem-Alexander-Sluis, für die Berufsschifffahrt da ist. Man meldet sich über einen Sprechapparat (»Praatpalen«) beim Schleusenwärter oder über UKW-Kanal 18. Wer UKW hat, muss schon bei der Anfahrt Kanal 60 einschalten (Verkeerspost Sector Schellingwoude), denn es besteht Abhörpflicht.
Wahrschau!
Südlich der Schleusenkammern befinden sich Spui-(Entwässerungs-)Schleusen. In dem Bereich davor muss man mit starkem Strom rechnen.
Sobald man aufgerufen ist, muss es mit dem Ablegen und Einfahren in die Schleuse fix gehen, denn die Binnenschiffe wollen unseretwegen keine Zeit verlieren. Wenn man nicht in der Sportbootschleuse ist, macht man wegen des starken Schraubenstroms der großen Schiffe sein Boot gut fest, löst die Leinen auch nicht eher, bis die Großen ausgelaufen sind.
Het IJ hat einen Wasserstand von NAP – 3, das IJsselmeer von NAP – 2; es geht also in der Schleuse »hinunter«, wenn auch kaum spürbar.
Wahrschau!
Wer auf Het IJ fährt, muss bestimmte Regeln beachten:
• Der Motor muss startklar sein und mindestens 6 km/h schaffen.
• Alle Boote müssen so dicht wie möglich an der Steuerbordseite fahren.
• Nachts und bei schlechter Sicht muss ein Radarreflektor geführt werden.
• Wer Radar hat, muss bei schlechter Sicht das Gerät einschalten.
• Wer UKW hat, ist verpflichtet, Kanal 60 eingeschaltet zu haben. Es besteht Abhörpflicht.
Danach vorbei an Fabriken, Hochhäusern, Lagerhallen und Werften: Immer westwärts! Bis zur Mündung des Noordhollandsch Kanaals. Hier nun sollte man sich für einen Liegeplatz entscheiden.
Liegeplatz und Versorgung: Obwohl Amsterdam 49 (vielleicht auch mehr) Bootshäfen hat, gibt es nur ein paar, die für Besucher infrage kommen, und dies hängt in erster Linie davon ab, aus welcher Richtung man kommt:
Kommt man auf dem IJ, also vom IJsselmeer her, nach Amsterdam, dann ist nach wie vor der Sixhaven (siehe (1, unten, Hafenplan nächste Seite) am Nordufer des IJ, gegenüber der Centraal Station, der traditionelle Anlaufpunkt. Einer seiner Vorzüge: Man kann ihn jederzeit anlaufen, keine Brücke, keine Schleuse. Wie lange es den Sixhaven, den am günstigsten gelegenen Hafen, noch geben wird, steht in den Sternen, denn die Stadt plant ausgerechnet hier ein Kongresszentrum. Der Sixhaven ist einfach, hat eine bescheidene Versorgung, immerhin: WC, Duschen, Strom, Wasser; er liegt aber günstig, und mit der Fähre ist man schnell im Zentrum.
Brücke Westerdok |
M 22 |
Mo.–Fr.: |
0000–0700, 0900–1600, 1800–2400 |
Sa./So./F.: |
0000–0530, 1030–1730, 2230–2400 |
Die Brücke ist nicht ständig besetzt: Man kann die Öffnung verlangen über M 22.
Eine Alternative als zentrumsnahen Hafen kann man die Aquadam Marina Westerdok (2) nehmen. Dieser Hafen liegt östlich vom Houthaven. Die Einfahrt in das Westerdok erfolgt durch eine bewegliche Brücke, Durchfahrtshöhe in geschlossenem Zustand 2,65 m. Die Brücke ist nicht ständig besetzt, wird bei Bedarf aber geöffnet (Tel. +3120 6241457 oder M 22). Der Hafen ist sehr groß, hat Schwimmstege, ist abgeschlossen, also ziemlich sicher, und von hier aus erreicht man die Centraal Station in wenigen Minuten zu Fuß. Wassertiefe 3 m. Boote bis zu einer Länge von 20 m können hier unterkommen (was im Sixhaven nicht möglich wäre). Versorgung: Wasser und Strom, Restaurant. Westerdok hat einen Riesenvorteil: Die Liegeplätze befinden sich neben der Wasserpolizei, man kann sich also absolut sicher fühlen. Die Gegend um das Westerdok ist nicht uninteressant. Ursprünglich standen hier Werften, Lagerhäuser und etwas Industrie. Als das alles den Bach runterging, siedelten sich in den Gebäuden Hippies an. Mittlerweile ist daraus eine schicke Wohngegend mit modernen Apartmenthäusern geworden.
Direkt am rechten Ufer der IJ, 500 m von der Centraal Station entfernt und ebenfalls zentrumsnah, liegt die sehr moderne und junge City Marina IJdok (3), mit 60 Liegeplätzen, zu erreichen durch eine bewegliche Fußgängebrücke (H 3,10 m, Bedienung auf Anfrage M 22 oder +3120 6241457). Strom und Wasser, WC und Dusche, Abwasserabsauganlage. Die Insel IJdok, die den Hafen abschließt, wurde in den ersten zehn Jahren unseres Jahrhunderts dem Wasser abgetrotzt und auf 186 Pfählen errichtet.
Seit längerem gibt es auch eine Supermarina, die wohl allen anderen Yachthäfen in Amsterdam den Rang abgelaufen hat: die Amsterdam-Marina (4). Die Marina liegt, wie der Sixhaven, am Nordufer des IJ, und zwar ziemlich genau gegenüber vom Houthaven, wo die Kostverloren Vaart herauskommt, auf dem Gelände der ehemaligen NSDM-Werft (NSDM = Nederlandsche Doken Scheepsbouw Maatschappij). Die Werft baute früher an dieser Stelle große Frachter, selbst Supertanker. Die Marina ist beeindruckend. Eine tolle Architektur. Jede nur denkbare Versorgung, jedoch kein Diesel. (nächste Bunkerstationen: Anton van Megen in Voorzaan, Zaandam und Reinplus van Woerden bei den Oranjesluizen). Im Gebäude der Hafenmeisterei (M31) – unter anderem – das hervorragende Restaurant »Loetje aan het IJ«. In der Hafenmeisterei auch alle sanitären Anlagen; unter anderem gibt es hier Bäder mit Badewannen, von denen man aus auf den Amsterdamer Hafen hinausblicken kann. Die Marina bietet Platz für 350 Boote. Dass sie auf der »falschen Seite« von Amsterdam liegt, ist kein Nachteil; denn von hier aus pendelt eine Fähre hinüber zum anderen Ufer und das zu jeder halben Stunde. Damit ist man in 15 Minuten an der Centraal Station.
Eventuell kommt auch noch der Hafen der W.S.V. Aeolus (5) infrage. Der Hafen liegt etwas östlich vom Sixhaven, ebenfalls am Nordufer. Die Einfahrt findet man zwischen der Maschinenfabrik Stork und dem IJplein. Ein lang gezogenes, sehr tiefes Becken. Stege an beiden Seiten, einlaufend an Steuerbord der Passantensteg, wo man zunächst längsseits geht (festmachen mit Bug zum IJ hin). Die übliche Versorgung. Man fühlt sich durch die Bebauung etwas eingekesselt. Zur Fähre am Sixhaven etwa 5 Minuten zu Fuß.
Binnenhavengeld Pleziervaart. Wer nur durch Amsterdam durch- oder daran vorbeifährt, muss diese Gebühr nicht entrichten. Wer aber sein Boot auch nur für ein paar Stunden vertäut oder übernachtet, ist zahlungspflichtig. So in den vergangenen Jahren. Es stehen Änderungen an, die bei Redaktionsschluss noch nicht bekannt waren. Deshalb nachschauen unter: www.amsterdam.nl, Varen in Amsterdam.
Für den, der diese Stadt auch nur ein bisschen kennt, ist das keine Frage: Amsterdam ist die allerschönste, verrückteste, menschlichste und interessanteste Stadt, die man sich nur denken kann. Und um das zu werden, hat sie »nur« 700 Jahre gebraucht, vom kleinen Fischerdorf an der Amstel bis zur Hauptstadt der Niederlande mit ihren heute knapp 873 000 Einwohnern.
Die Ursprünge der Stadt lagen wohl an einem heute verschwundenen Damm, am Ufer des Flüsschens Amstel; daher auch der Name: Amsterdam gleich Damm an der Amstel. Im Norden zogen IJ und Zuiderzee die Grenze; darüber hinaus konnte sich die Stadt nicht ausbreiten: Hier entstand der große Hafen. Nach Süden hin aber war viel Raum, und wenn der sumpfige, nasse Boden auch nicht der beste Baugrund war, so konnte die Stadt sich in dieser Richtung doch ungehindert ausdehnen. Jahresringen gleich, folgte eine Gracht der anderen: Die ältesten liegen im Norden, die jüngsten im Süden, allen gemeinsam ist ihre Halbkreisform. Die drei prächtigsten befinden sich etwa in der Mitte: die Heren-, die Keizer- und die Prinsengracht. Diese drei entstanden im Goldenen Jahrhundert, und die Patrizierhäuser, die sich im schwarzen Wasser der Grachten spiegeln, zeigen, wie unermesslich reich die Stadt damals gewesen sein muss.
Amsterdam ist, wenn man so will, eine »Pfahlstadt«; denn alle ihre Häuser stehen auf Pfählen, die man bis zu 18 m tief in den sumpfigen Boden gerammt hat. Das enorme Schloss am Dam beispielsweise soll auf 13 658 Eichenpfählen ruhen, die sich über die Jahrhunderte hinweg alle als fest und unzerstörbar erwiesen haben.
Wie die Niederlande insgesamt, so erlebte auch Amsterdam seine Blütezeit im 17. Jahrhundert, im »Goldenen Zeitalter«, und zu der Zeit war es wohl die reichste Stadt der Welt. Hier hatte die Oostindische Compagnie ihren Hauptsitz, hier lag ein Welthafen, der so gewaltig war, dass Zeitgenossen staunend von einem »Wald von Masten« sprachen.
Wagemut paarte sich mit Kaufmannsgeist: Von Amsterdam aus war 1595 jenes kleine Geschwader aufgebrochen, das eine Handelsroute nach Ostindien suchte und auch fand. Aus solchen Expeditionen entstand ein Kolonialreich, das den Grundstein für den Reichtum der Niederlande legte. Im Oosterdok liegt vor dem Marinearsenal ein in Originalgröße nachgebauter Ostindienfahrer – ein gewaltiger Eindruck.
Ihren zweiten Höhepunkt erlebte die Stadt gegen Ende des 19. Jahrhunderts, als nach einer Periode des Niedergangs durch den Bau des Noordzeekanaals die Schifffahrt und damit auch der Handel wieder in Schwung kamen; aus dieser Zeit, in der wieder viel Geld in die Stadt floss, stammen drei ihrer hervorragendsten Bauwerke: die Centraal Station, das Rijksmuseum und die Stadsschouwburg. Überhaupt: Amsterdam ist ein einzigartiges Architekturmuseum. Angefangen mit seinen mittelalterlichen Bauwerken, über die hervorragenden Beispiele des Niederländer Barock über Jugendstil bis hin zum Stijl, einer eigenen holländischen Backsteinarchitektur aus dem vorigen Jahrhundert. Auf Schritt und Tritt stößt man auf architektonische Kostbarkeiten.
Im Sommer, wenn wir Bootsfahrer nach Amsterdam kommen, ist die Stadt voller junger Menschen aus aller Herren Länder. Das Nationaldenkmal am Dam wird dann zum internationalen Treff und der Vondelpark zum allgemeinen Sleep-in. Drogen- und Gewaltkriminalität, unter der die Stadt sonst schon stöhnt, steigen dann noch mehr an. Dies hat Amsterdam einen Ruf eingetragen, den es eigentlich nicht verdient. Dass es trotz aller Probleme immer noch bewohnbar und liebenswert geblieben ist, verdankt es der hervorstechendsten Eigenschaft seiner Bürger: der Toleranz, die jedem alles erlaubt, solange man nur keinen anderen stört. Und da sich selten jemand wirklich gestört fühlt, ist auch so ziemlich alles erlaubt. Diese Toleranz hat die Stadt immer wieder offen gemacht für Fremde und Verfolgte. Man hat Kaufleute aus Flandern aufgenommen, die wegen ihres protestantischen Glaubens verfolgt wurden, ebenso wie später französische Hugenotten; portugiesischen Juden bot man ebenso eine neue Heimat wie vielen Deutschen, die in dieser weltoffenen Stadt ihr Glück gesucht haben. Die Stadt ist durch alle bereichert worden; die portugiesischen Juden etwa brachten die Kunst des Diamantenschleifens mit, die Amsterdam zum Weltzentrum des Diamantenhandels werden ließ.
Aus diesem Schmelztiegel, aus allen möglichen Rassen und Nationalitäten ist der typische Amsterdamer hervorgegangen: urban, weltoffen, tolerant, doch auch mit einem Spott begabt, der bis an die Grenze des Verletzenden gehen kann, ausgestattet mit einem raschen Blick für den eigenen Vorteil und vor allem: aufsässig gegen jede Art von Obrigkeit – wohl keine Stadt der Welt hat so schwer regierbare Bürger wie dieses Amsterdam.
Spaziergänge durch die Stadt
Bester Ausgangspunkt ist immer die Centraal Station, der Bahnhof also; einmal, weil sich dort das Informationsbüro befindet, zum anderen, weil man hier mit der Fähre ankommt, wenn man sein Boot in einem der Häfen am IJ liegen hat.
Vom Bahnhof führt der Damrak, eine breite Geschäftsstraße, an der die Börse liegt, hinunter zum Dam, wo das Schloss steht, das ursprünglich als Rathaus gebaut worden war (1648), vom großen Barockbaumeister Peter van Campen. Vom Dam zweigt die Kalverstraat ab, eine überaus quirlige, schmale, wenn auch nicht gerade elegante Einkaufsstraße, die vor dem Blumenmarkt endet, der zum Teil auf dem Wasser schwimmt. Von dort geht man weiter zum Leidseplein (Rijksmuseum, Stadsschouwburg), dem Vergnügungsviertel der Einheimischen mit allen möglichen Restaurants, Kneipen, Jazzlokalen usw.
Hält man sich von der Centraal Station aus ostwärts, so kommt man zu den Walletjes, wie die Einheimischen diese Ecke bei den beiden ältesten Grachten, dem Oudezijds Voorburgwaal und dem O.Z. Achterburgwaal, nennen: Es ist das alte Hafenviertel und das Quartier der Häuser mit den roten Laternen. Hier herrscht die Halbwelt, und Polizisten gehen nachts nur zu zweit und mit einem scharfen Hund auf Streife. Inzwischen ist es arg heruntergekommen.
Das westlich des Dams gelegene Viertel ist ganz anders, wahrscheinlich das schönste überhaupt: der zwischen der Singel- und der Prinsengracht sich ausbreitende Jordaan, den man am besten mit dem Ausdruck Quartier Latin von Amsterdam beschreibt. Die beste Adresse von Amsterdam, hier wohnen Banker und Reeder, aber auch Künstler und Studenten, sofern sie es sich leisten können.
Essen, Trinken und Einkaufen
Das Thema Essen, Trinken, Einkaufen könnte ein ganzes Buch füllen: Praktisch an jeder Ecke gibt es eine der urgemütlichen Amsterdamer Kneipen, die hier Café heißen, dann Restaurants aus aller Herren Länder, vor allem chinesische und indonesische. Bei den Walletjes kann man chinesische Lokale entdecken, wo getrocknete, plattgewalzte Hunde im Schaufenster hängen und Schilder »For Chinese only« Europäern den Zutritt verwehren.
Hinweise kann man gar nicht geben, zu unüberschaubar ist die Auswahl. Und auch unser Verhältnis zum Essen hat sich in den letzten Jahren verändert, dabei verschwinden auch immer wieder Lokale, wie beispielsweise das »Dorrius« (N.Z. Vorburgwaal, westlich der Kalverstraat), wo man ausschließlich auf Holländer traf – ein altmodisches, gutbürgerliches Restaurant, das noch die echten, niederländischen Gerichte anbot und welches sogar Erwähnung fand von Gesine Cresspahl in Uwe Johnsons Jahrestage – das ist vorbei. Aber man sollte im »Sea Palace« chinesisch essen gehen. Das ist ein schwimmendes Restaurant, das etwas östlich von der Centraal Station im alten Hafen ankert, gebaut im Stil eines chinesischen Tempels, etwas kitschig vielleicht, aber man sitzt hier sehr angenehm, hat einen schönen Blick aufs Wasser, und die Preise liegen nur wenig über denen anderer China-Restaurants.
Typisch für Amsterdam sind die vielen Winkels, kleine Geschäfte mit den oft merkwürdigsten Angeboten. So gibt es hier unter anderem 188 Antiquitätenläden, die meisten in der Nieuwe Spiegelgracht zwischen Rijksmuseum und Herengracht. Ein unwahrscheinliches Sortiment führt, in drei Stockwerken plus Antiquariat, die »Buchhandlung Slegte« in der Vijzelstraat 53. Auf dem Rokin (Parallelstraße zur Kalverstraat) findet man mit »Hajenius« den angeblich feinsten Pfeifen- und Tabakladen der Welt.
Museen hat die Stadt nach meiner Zählung 27, es wird indes behauptet, dass es 40 wären. Aber selbst die 27 sind für einen kurzen Aufenthalt während eines Bootsurlaubs zu viel, doch vier davon sollte man schon einen Besuch abstatten, und zwar in dieser Reihenfolge:
Rijksmuseum, Museumsstraat 1: einmalige Gemäldesammlung niederländischer Meister – eine wahre Schatzkammer.
Scheepvaartmuseum, Kattenburgerplein 1, im ehemaligen Landszeemagazin am Hafen: Geschichte der niederländischen Seefahrt.
Rembrandthaus, Jodenbreestraat 4: das Haus, wo Rembrandt 20 Jahre lang lebte und malte. Stedelijk Museum, Museumplein 10: moderne Kunst, u. a. viele van Goghs und wechselnde Ausstellungen.
Um sich in der Stadt zurechtzufinden, braucht man einen Stadtplan, den man im VVV-Büro vor der Centraal Station erhält.
Im Übrigen ist es gar nicht unseemännisch, mit einem der Glasdachboote eine Grachtenrundfahrt zu machen (Abfahrt neben der Centraal Station).
Und nun zurück zum IJsselmeer:
Verlässt man Het IJ und damit den Hafen von Amsterdam mit Kurs auf das IJsselmeer, so muss man nolens volens wieder durch die uns von der Herfahrt her schon bekannte Oranje-Schleuse (M 18).
Eben östlich der Schleuse, am Nordufer, liegt hinter dem Deich das ehemalige Fischerdorf
Schellingwoude, das im Vorbeifahren recht hübsch anzusehen ist. Bei den vielen stillgelegten Flussschiffen, auf denen jetzt pensionierte Schiffer wohnen, gibt es noch einige Stege, an denen Boote festmachen dürften; doch warum sollte man dies, da es doch nicht viel weiter mit
Durgerdam einen richtigen, wenn auch sehr kleinen Hafen gibt. Im Sommer ist es hier, wie zu erwarten, immer rappelvoll. Dies wäre aber auch schon das Einzige, das kritisch anzumerken ist. Sonst liegt dieser ehemalige Fischerhafen überaus ruhig und idyllisch hinter einem großen Schilffeld. Fischer freilich wohnen hier längst nicht mehr; in den schmalen Häuschen oben auf dem Deich haben sich Städter eingenistet, die die Schönheit dieses Fleckchens so nahe dem großen Amsterdam für sich entdeckt haben.
Anfahrt, Liegeplatz und Versorgung: Zum Hafen führt eine betonnte, ca. 2,20 m tiefe Rinne, in der man sich halten muss. Die Wassertiefen im Hafen schwanken. Mit einem größeren Tiefgang als 1,80 m sollte ein Boot Durgerdam besser nicht anlaufen. Rechts vor dem Clubschiff ein Steiger, wo man zunächst festmacht, um sich dann vom Hafenmeister (Tel. +316-14750510) einen Platz zuweisen zu lassen. Im Allgemeinen schickt er einen zu den Passantensteigern rechts von der Einfahrt, wo man sehr gut liegt. Mittels einer kleinen Fähre, die man selbst ziehen muss, kommt man hinüber aufs feste Land. Manchmal wird man auch in den sehr schmalen Sloot geschickt, wo man zwischen Pfahl und Steg festmacht.
Die Versorgung entspricht einem so kleinen Hafen: Im Clubschiff HET IJ, wo auch der Hafenmeister sein Büro hat, findet man Duschen und WC, Wasser und Strom gibt es am langen Steg, Diesel am Hafen direkt nicht.
Tipp 1: Von Durgerdam aus verkehrt regelmäßig ein Bus nach Amsterdam. Warum nicht hier sein Boot lassen und per Bus nach Amsterdam fahren? Allerdings: Der letzte Bus fährt in Amsterdam um 2200 ab. Versäumt man den, wird’s teuer mit dem Taxi.
Wahrschau!
Bei Starkwind aus SW kann der Wasserstand im Hafen stark abnehmen.
Tipp 2: Schöner Spaziergang auf dem Deich nordwärts bis zum flachen Kinselmeer. Dort das winzige Restaurant »Badhoeve«, wo man desftiges, echt holländisches Essen bekommt. Über den Campingplatz muss man halt hinwegsehen.
Das ca. 4 sm nordöstlich von Durgerdam gelegene Dorf
Uitdam nannte einst den kleinsten Hafen der Zuiderzee sein Eigen: eine handtuchschmale, sehr schön von alten Bäumen umstandene Bucht. Diese Bucht, die lange verschlammt und verwahrlost war, wurde vor Jahren ausgebaggert und ist so zu einem ansehnlichen, kleinen Hafen mit Stegen geworden. Daneben ist noch ein ziemlich großes Becken gebaut worden: der etwas einfache Yachthafen von Uitdam. Aus dem Campingplatz am Hafen wurden Ferienhäuser, die an kleinen Kanälen liegen. Das Ganze nennt sich »Marina Resort Poort van Amsterdam«. Die Versorgung ist recht gut: Wasser und Strom, WC, Duschen, Wasserette, Supermarkt, Restaurant, Diesel, Benzin, Gas, 9-t-Kran. Hallenschwimmbad. Feines Restaurant.
Etwas für das IJsselmeer sehr Seltenes findet man nur eine halbe Seemeile weiter, am Fuß des Damms nach Marken: eine Ankerbucht, den
Vluchthaven De Nes, der so heißt, weil der nach Süden zu etwas verlängerte Straßendamm wie eine Nase vorspringt und auf diese Weise eine recht geschützte Bucht (bis auf Wind aus SW) geschaffen hat. Auf dem Damm stehen drei gewaltige Windmotoren. Nahe der »Nase« beträgt die Wassertiefe ca. 2 m, dann nimmt sie zum Land hin rasch ab; man kann dennoch je nach Tiefgang des Bootes noch viel Raum zum Ankern haben.
An »De Nes« selbst gibt es einen kleinen »Hafen«, genauer: einen winkelförmigen Steg, der mittels einer Bretterwand sogar recht geschützt ist; hier finden (auf ca. 2 m Wassertiefe) bis zu 15 Boote Platz.
Keine Versorgungsmöglichkeiten, keine Bewachung, kein Hafengeld, längstens drei Tage Verbleib; man darf das Boot nicht unbemannt zurücklassen.
Mit Kurs NE läuft man nun immer parallel zur Halbinsel auf den weithin sichtbar auf der Osthuk stehenden Leuchtturm von
Marken zu, der zusammen mit dem weißen Leuchthaus eine unverwechselbare Silhouette hat, die von fern mit viel Fantasie wie ein Pferd wirkt und deshalb von den Holländern »Het Paard van Marken« genannt wird. Der weiße Leuchtturm steht sehr prominent auf der flachen Huk, ist tagsüber eine gute Landmarke und nachts unentbehrlich mit seinem 8 sm weit tragenden Feuer (Oc.8s).
Von der Leuchtturm-Huk aus zieht sich nordwestwärts eine ziemlich lange Reihe grüner Spieren hin (Bezeichnung: MN), an die man sich ruhig halten sollte, auch wenn das Flach vor dem Steindamm noch ziemlich weit weg ist.
Wahrschau!
Bei der grünen Spiere GZ 17 erstreckt sich links und rechts vom gut 2 m tiefen Fahrwasser ein überspülter Steindamm (Berm), der jedoch nahe der Fahrrinne eine Durchfahrt, mit etwa 1,50 m Wassertiefe, frei lässt. Bei dem merkwürdigen Betongebilde östlich der Rinne handelt es sich um eine Bake, die auf den Steindamm aufmerksam machen soll.
Wegen des Straßendamms nach Marken ist die Gouwzee (s. Karte 1810.9 »Gouwzee«) nur noch von Norden her zugänglich: eine große, weite Wasserfläche, eher flach, mit einer durchschnittlichen Tiefe von 1,50 m, bestenfalls 1,80 m, im südlichen Teil ein durch gelbe Tonnen gekennzeichnetes Gebiet für Wasserski und schnelle Motorboote, außerdem ist dieses seenartige Gewässer im Sommer stark verkrautet. Auf der Höhe von Volendam (s. S. 29) endet der Steindamm von Marken (Leuchtfeuer Iso.4s). Von hier führt nun eine Rinne hinein in die Gouwzee.
Interessant an diesem Gewässer sind seine drei völlig unterschiedlichen Häfen, von denen jeder auf seine Art sein Gutes hat. Die
Insel Marken, die mit ihren Dämmen die Gouwzee zum IJsselmeer hin so gut abschirmt, ist genau besehen keine Insel mehr. Doch der Damm, der 1957 gebaut wurde, hat im Grunde am Charakter dieses merkwürdigen Eilands wenig geändert, außer, dass jetzt die Touristen etwas schneller und bequemer mit dem Bus herkommen.
Die extrem flache, immer wieder überschwemmte Insel, deren Häuser auf Warften und, weil auch dies nicht sicher genug war, manchmal auch noch auf Pfählen stehen, hat bis in unsere Zeit ein isoliertes, ganz eigenes Leben geführt. Das nasse Land gab zum Leben nicht genug her, sodass man immer vom und mit dem Wasser leben musste. Solange die Männer jung und kräftig waren, fuhren sie zur See, im Alter gingen sie dem Fischfang nach oder halfen mit ihren Bottern, die Kauffahrteischiffe über Pampus – ein übles Flach vor dem Amsterdamer Hafen – zu ziehen.
Es war ein karges, einfaches Leben, ganz anders als in den prächtigen Städten am Westufer, obwohl doch eine, Monnickendam, so nahe liegt.
Die Verhältnisse änderten sich zum Besseren, als Marken 1837 einen Hafen bekam; bis dahin mussten die Botter alle auf Reede liegen und wurden im Winter bei Eis und Sturm auch häufig beschädigt. Dieser erste Hafen von Marken, der heutige Oude Haven (Alter Hafen), gab der Insel einen großen wirtschaftlichen Auftrieb, sodass die Fischfangflotte bald auf 137 Botter anwuchs.
Wahrschau!
Bei Starkwind aus W oder E kann der Wasserstand um 0,9 m absinken.
Der letzte dieser Marker Botter, der »MK 53«, steht seit einigen Jahren im Zuiderzee-Museum in Enkhuizen (s. S. 48), und dort, im Freilichtmuseum, wurde auch das »Marker Haventje« originalgetreu nachgebaut. Im Zuiderzee-Museum gibt es eine kleine Broschüre (in Deutsch) zu kaufen, die lebendig die Geschichte Markens erzählt. Interessant das Marker Museum, Kerkbuurt 44–47 (Geschichte der Insel).
Dieser pittoreske Ort mit seinen grün oder schwarz gestrichenen Holzhäusern, seinen Wassergräben und den weißen Brückchen darüber ist natürlich eine große Touristenattraktion. So stellt man sich eben überall in der Welt Alt-Holland vor, und in der Tat, viel anders kann es hier vor hundert Jahren auch nicht gewesen sein, zumal viele Einheimische immer noch ihre alten Trachten tragen. Tagsüber herrscht hier also ein ziemlicher Rummel, aber abends sind die meisten Touristen weg, und dann wird Marken wieder zum stillen, entlegenen Fischerdorf.
Liegeplatz und Versorgung (Plan gegenüber): Der nördliche Teil des Hafens, der Alte Hafen (Oude Haven), ist weitgehend für Passanten reserviert. Hier darf man überall an den Steinkaden festmachen. Das südliche Becken wird durch einen Holzsteg zweigeteilt: Im Neuen Hafen (Nieuwe Haven) liegen an der Kade noch ein paar Fischkutter und in den Boxen am Steg Boote der W. V. Marken, während im Westhafen die W. V. Het IJ ihre Plätze hat. Wenn eine der Boxen frei ist, hängt dort ein grünes Schild, ansonsten ein rotes. Gäste der W. V. Het IJ dürfen im Westhafen auch an der Außenmole längsseits liegen. In der Einfahrt wird es manchmal sehr eng, dann nämlich, wenn dort die großen Charterschiffe aus Enkhuizen festmachen und auch der »Marken-Express« einläuft, der die Touristen von Volendam herüberbringt.
Die Versorgung ist mäßig. Wasser und Strom am Steg und beim Hafenkontor. Treibstoff müsste man sich von der Tankstelle am großen Parkplatz holen. WC und Dusche s. Plan.