Amarant, Bergminze, Gurke, Pfirsich … Auf dem Teller lecker, ist so manches Gewächs verarbeitet zu Salbe oder Pille ein wahres Wundermittel. Schon die Menschen der Antike kannten diese Kraft von Obst und Gemüse. Doch welche Eigenschaften hat Lauch, wie beeinflusst Spargel unsere Gesundheit? Und welche Beschwerden und Verletzungen – von Kopfschmerzen über Sonnenbrand und Fieber bis hin zum Knochenbruch – lassen sich mit Pflanzenpower lindern oder gar heilen?
Der römische Autor Gargilius (wohl 3. Jahrhundert) gibt in diesem »Ratgeber« Antworten. Was an seinen uralten Empfehlungen tatsächlich »dran« ist, erhellen die Einleitung dieses Buches sowie ein Experteninterview im Anhang.
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Kopfschmerzen, Verstauchung, Sonnenbrand, Fieber … Wächst in unserem Garten etwas, das dagegen hilft oder die Heilung fördert? Im 6. Jahrhundert n. Chr. wusste der römische Staatsmann, Gelehrte und Klostergründer Cassiodor (Institutiones 1,28,5–6) immerhin, wo man die Eigenschaften und Wirkungen der Gartengewächse nachlesen kann:
Es ist durchaus angebracht, dass die Mönche Gärten anlegen, Felder bestellen und sich an der Ernte der Früchte erfreuen. … Falls man nach Autoren zu diesem Thema sucht: Über Gärten hat sehr schön Gargilius Martialis geschrieben, und auch die Nährstoffe der Gemüse und ihre Eigenschaften hat er sorgfältig geschildert, so dass nach der Lektüre seiner Schriften und mit der Hilfe des Herrn wirklich jeder ernährt und gesund gehalten wird.
Zwar ist das Exemplar von Gargilius’ Schrift, das Cassiodor in seinem Kloster hinterlegte, später verloren gegangen, doch ist das Werk des Gargilius zumindest in Teilen erhalten, denn es wurde in anderen mittelalterlichen Schreibstuben immer und immer wieder abgeschrieben und so überliefert.
Viel wissen wir über Gargilius nicht. In den erhaltenen Partien seines Werks nennt er eine ganz Reihe älterer Autoren und Praktiker, angefangen von dem berühmten griechischen Arzt Hippokrates (5./4. Jahrhundert v. Chr.) und Cato dem Älteren, dessen lateinisches Werk über Landwirtschaft im 2. Jahrhundert v. Chr. entstand. Um Gargilius zeitlich einzuordnen, muss man die jüngsten datierbaren Personen identifizieren, die er anführt. Wiederholt bezieht sich Gargilius (in II) auf die Quintilii: die Brüder Sextus Quintilius Valerius Maximus und Sextus Quintilius Condianus. Diese ließen sich in der Mitte des 2. Jahrhunderts n. Chr. eine luxuriöse Villa an der Via Appia südöstlich von Rom bauen, wurden dann aber 182 n. Chr. von dem grausamen Kaiser Commodus unter einem Vorwand hingerichtet. Der Kaiser ließ die Villa zu seiner Residenz erweitern; man kann ihre Ruinen noch heute besichtigen. Gargilius kann also nur zu Lebzeiten der Quintilii oder später geschrieben haben. Ebenso erwähnt Gargilius den bedeutenden Mediziner Galen von Pergamon, der im 2. Jahrhundert n. Chr. in Rom als kaiserlicher Leibarzt wirkte und wohl bald nach 200 n. Chr. starb.
Seinerseits erwähnt wird Gargilius Martialis mehr als ein Dutzend Mal von dem römischen Autor Palladius in dessen Buch über das Bauernjahr, das wohl um 400 n. Chr. entstand. Es spricht also einiges dafür, dass Gargilius’ Wirken etwa in das 3. Jahrhundert n. Chr. zu datieren ist.
Mehr über den Autor erfahren wir, wenn wir annehmen, dass sich die wenigen anderen Belege für den Namen Gargilius auf dieselbe Person beziehen. In der sogenannten Historia Augusta, einer – freilich nicht immer zuverlässigen – Sammlung von Kaiserbiographien, wird ein Gargilius als Autor eines Buches über die Ernährungsweise des Alexander Severus (römischer Kaiser 222–235 n. Chr.) genannt (37,9). Noch mehr finden wir heraus, wenn wir zwei aus der Antike erhaltene Inschriften aus Auzia in Mauretanien (beim heutigen Sour El-Ghozlane in Algerien) mit Nennung eines Gargilius ebenfalls auf den Autor beziehen. Die erste (publiziert im Corpus Inscriptionum Latinarum VIII unter der Nummer 20751) ist von Quintus Gargilius Martialis für seine Eltern aufgestellt worden, auf der zweiten (VIII 9047) wird dieser selbst nach einer beachtlichen militärischen und zivilen Karriere geehrt, nachdem er am 25. März 260 n. Chr. im Kampf gegen den Berberhäuptling Faraxes umgekommen war. Dass ein Wirken im öffentlichen Dienst eine schriftstellerische Tätigkeit nicht ausschließt, versteht sich von selbst: Schon Gaius Plinius Secundus »maior« (der Ältere; 23/24–79 n. Chr.) beispielsweise, der Flottenkommandant war und beim Ausbruch des Vesuvs, der Pompeji verschüttete, in dieser Funktion arbeitete und starb, ist uns heute vor allem als Autor eines großen (und weitgehend erhaltenen) Werks über Naturkunde bekannt.
Im 3. Jahrhundert n. Chr. also, so dürfen wir als plausible Annahme zusammenfassen, schuf Quintus Gargilius Martialis ein Werk, das sich laut Cassiodor mit Gesundheit aus dem Garten befasste.
Das Buch blieb offenbar zugänglich: Im späten 4. Jahrhundert nennt der Vergil-Kommentator Maurus Servius Honoratus den Gargilius zu einem Vers in den Georgica (4,148), in dem Vergil auf andere, nach ihm kommende Autoren (aliis post me) verweist. Und noch im 12. Jahrhundert zieht der in Andalusien wirkende arabische Gelehrte Ibn al-‘Awwam in seinem Werk über die Landwirtschaft immer wieder Gargilius Martialis heran, den er als Marsial-al-lathini (»Martialis den Lateiner«) bezeichnet (Clement-Mullet 1864, 76).
Später jedoch gingen Teile von Gargilius’ Werk verloren. Erhalten blieben ein Buch über Obst und Gemüse als Heilmittel und vier Kapitel über Obstbäume. Letztere wären fast ganz untergegangen: Erst 1826 entdeckte der italienische Philologe und Kurienkardinal Angelo Mai (1782–1854) in einer mittelalterlichen Handschrift (Neapel IV A 8) einen im 6. Jahrhundert n. Chr. geschriebenen Text des Gargilius über Obstbäume. Der Text war zwar später ausradiert und mit dem Liber Pontificalis (Papstbuch) überschrieben worden, ließ sich aber noch entziffern. Er wurde dann von dem Bibliothekar Angelo Antonio Scotti (1786–1845) publiziert.
Das Buch über Obst und Gemüse als Heilmittel wiederum war zwar aus vielen mittelalterlichen Abschriften bekannt, doch lief es ohne Nennung eines Autors oder zusammen mit der Kleinen Reiseapotheke um, die mit Bezug auf den (bereits genannten) Plinius »maior« einem Plinius »minor« als Medicina Plinii zugewiesen war. Den eigentlichen Autor des Buchs, eben Gargilius, hat 1875 der an der Königlichen Bibliothek zu Berlin tätige Gelehrte Valentin Rose (1829–1916) erkannt.
Die so erhaltenen Teile von Gargilius’ Werk werden im vorliegenden Band präsentiert, ergänzt um alle späteren Erweiterungen, nämlich eine Appendix (I 61–64) und eine kurze Schrift zur Heilung von Rindern und anderen Jochtieren, die dem Gargilius – wenn auch zu Unrecht – zugeschrieben wurden, so dass hier alles erscheint, was unter dem Namen Gargilius überliefert ist.
Gargilius fasste seinerzeit bewährtes praktisches Wissen zusammen. Er führt immer wieder bekannte oder gar berühmte Mediziner und Pharmazeuten an, ohne freilich deren Theorien zu erklären. Wiederholt nennt er Hippokrates, den bedeutendsten Arzt der griechischen Antike, der im 5./4. Jahrhundert v. Chr. wirkte, und Galen (Galenos von Pergamon), der im 2. Jahrhundert n. Chr. als kaiserlicher Leibarzt tätig und bis weit in die Neuzeit hinein prägend für die Medizin war. Ferner nennt Gargilius die Philosophen und Naturkundler Demokrit (5./4. Jahrhundert v. Chr.) und Aristoteles (4. Jahrhundert) sowie mehrere griechische Ärzte als Autoritäten: Pythagoras von Samos (6. Jahrhundert v. Chr.), Praxagoras von Kos und Dionysios (beide 4. Jahrhundert v. Chr.), Chrysippos von Knidos und Diokles von Karystos (beide 4./3. Jahrhundert v. Chr.), Glaukias von Tarent (um 175 v. Chr.), Asklepiades von Prusa, Heras von Kappadokien und die Ärztin Olympias von Theben in Ägypten (alle 1. Jahrhundert v. Chr.), Melit(i)os und Xenokrates von Aphrodisias (beide 1. Jahrhundert n. Chr.) sowie Sextius Niger, Autor eines griechischen Werks über medizinische Stoffe wohl ebenfalls des 1. Jahrhunderts n. Chr. Mehrfach angeführt wird (Pedanios) Dioskurides von Anazarbos, ein Zeitgenosse des Nero (römischer Kaiser 54–68 n. Chr.) und Autor eines sehr einflussreichen Werks über Arzneistoffe.
Alle diese Autoren haben in der antiken Wissenschaftssprache Griechisch geschrieben. Doch auch mit lateinischen Traditionen kann man Gargilius in Verbindung sehen. Über die von ihm genannten Autoren Curtius Iustus und Iulius Fronticus ist zwar sonst nichts bekannt. Mit Scribonius Largus aber, der im 1. Jahrhundert n. Chr. auf Lateinisch ein Werk über zusammengesetzte Heilmittel (Compositiones) schuf, verbindet Gargilius der Wunsch, auch berühmte Namen gleichsam als Garanten für die Wirksamkeit eines Rezepts anzuführen. Bei Gargilius erscheinen der bedeutende hellenistische König Antiochos der Große (242–187 v. Chr.), der pontische König Mithridates VI. (um 132 – 63 v. Chr.) und – wie gesagt – der römischen Kaiser Nero.
Wichtiger freilich ist die auf die Naturkunde Plinius’ des Älteren (1. Jahrhundert n. Chr.) zurückgehende Tradition, in der Gargilius mit seinen Angaben zu Heilmitteln steht. Diese können wir auch bei anderen lateinischsprachigen Werken nachvollziehen: Unter dem Namen Plinius ist die schon genannte, nach Krankheiten und Beschwerden angeordnete Kleine Reiseapotheke zusammengestellt, und unter dem Namen des Apuleius (2. Jahrhundert n. Chr.) ist ein Kräuterbuch (Herbarius) erhalten, das – wie die Schrift des Gargilius – nach Heilmitteln sortiert ist.
Spätere lateinische Autoren, so im 3./4. Jahrhundert Quintus Serenus mit seinem Buch über Medizinischen Rat, Cassius Felix in seinem Buch über die Medizinische Praxis oder Theodorus Priscianus in seiner Naturheilkunde, setzten diese Tradition in lateinischer Sprache fort.
Im Übrigen verweist Gargilius wiederholt auch auf seine eigene Erfahrung als Mediziner. Bemerkenswert ist, wie wenig (im Vergleich zu den genannten Autoren) er auf die sogenannte »Dreckapotheke« zurückgreift und wie selten magische Mittel empfohlen werden (wie in I 4); erst die weit jüngeren, dem Gargilius nur zugeschriebenen Schriften, namentlich die Heilung von Rindern, nutzen Zauberei als Heilverfahren.
Gargilius bietet vor allem praktische Hinweise für Genesung und Gesundheit. Dass er sich selbst oder dass seine Vorlagen sich der theoretischen Grundlagen bewusst waren, zeigt sich in den wiederholten Anspielungen auf die Säftelehre, die für die antike Medizin prägend war. Den vier Elementen Luft, Feuer, Erde und Wasser entsprechen dabei die vier Säfte des Körpers Blut, gelbe Galle, schwarze Galle und Schleim und die vier Zustände »warm und feucht«, »warm und trocken«, »kalt und trocken« sowie »kalt und feucht« sowie die Eigenschaften »süß«, »bitter«, »scharf und sauer« sowie »salzig«. Wenn also dem Gemüse und dem Obst »warme« oder »kalte«, »bittere« oder »scharfe« Eigenschaften zugeschrieben werden, mit denen die für die jeweilige Krankheit typischen gegenteiligen Eigenschaften behandelt werden können, verweist dies auf die Säftelehre, ohne dass der Zusammenhang expliziert würde.
Gargilius Martialis führt eine Vielzahl von Beschwerden und Krankheiten an, die sich mit pflanzlichen Mitteln lindern oder gar heilen lassen; selbst für eingedrungene Splitter und Knochenbrüche empfiehlt er solche Medikamente. Chirurgische Eingriffe oder Zähneziehen sollen so möglichst vermieden werden.
Viele der Krankheiten waren in allen »vormodernen« Gesellschaften (also in der Zeit vor der Industrialisierung) verbreitet. Das betrifft insbesondere die Folgen mangelnder Hygiene, die sich im Befall der Kopfhaut bei der Alopezie (»Fuchsräude«) und der Phthiriasis (»Läusekrankheit«) und vielerlei anderen Hautbeschwerden zeigten, vor allem aber in Magen- und Darmbeschwerden, bei Unterleibskranken (coeliaci); der moderne Begriff ›Zöliakie‹ bezeichnet allerdings etwas anderes), einschließlich Darmwürmer. Auffallend häufig nennt Gargilius Mittel, die den Magen »straffen« oder »adstringierend« wirken, also gegen Durchfall und den Verlust von Körperflüssigkeiten wirken. Krankheiten wie das »Heilige Feuer« (eine Vergiftung mit Mutterkorn), aber auch die Bisse giftiger Tiere wie Skorpione oder Spitzmäuse (die, wie man heute weiß, Viren übertragen konnten) werden ebenfalls immer wieder erwähnt, ja sogar das Vergiftetwerden, für das man sich mit »Antidoten« (Gegengiften) versorgen musste.
Charakteristisch für die »Vormoderne« sind auch Augenbeschwerden wie Triefäugigkeit, die durch mangelnde Hygiene verursacht wird, und Geschwulste der Schilddrüse (»Kropf«), gegen die heute in vielen modernen Ländern Jod eingenommen wird, das dem Speisesalz zugesetzt wird.
Manche Krankheiten sind heute nicht mehr gefährlich, vor allem infolge von Impfungen. Gegen Diphtherie etwa, Mumps (der bei Gargilius wohl als Parotiden, Schwellungen am Ohr, beschrieben wird), Masern und Röteln (die Gargilius vermutlich als Hautkrankheiten mit entsprechenden Symptomen beschreibt), Pneumokokken (die massive Lungenbeschwerden verursachen können) und Tetanus werden heute schon Kleinkinder geimpft, Erwachsene bei Bedarf auch gegen Tollwut (als deren Symptom Gargilius die Wasserscheu nennt) und grippale Infekte (die Gargilius ebenfalls nur anhand von Symptomen wie Schüttelfrost anführt).
Andere Krankheiten werden heute mit Antiobiotika behandelt – so die Schwindsucht (Lungentuberkulose), die Skrofeln (Hauttuberkulose), die Lepra und die bakterielle Ruhr.
Freilich sind viele der von Gargilius beschriebenen Leiden auch heute weiterhin gefährlich oder zumindest beschwerlich, angefangen von Krankheiten wie Krebs und Steinbildungen in Galle, Niere und Blase bis hin zu Beschwerden wie Sonnenbrand und Erfrierungen, Schluckauf und Heiserkeit, Schwielen und Hühneraugen, Haarausfall und eingewachsenen Zehennägeln. Bemerkenswert sind überdies die nicht wenigen Hinweise des Gargilius zu Problemen mit den Geschlechtsteilen, mit dem übermäßigen oder zu geringen sexuellen Verlangen, sowie zu Empfängnisverhütung oder Zeugung. Auch behandelt er wiederholt Beschwerden im Zusammenhang mit Menstruation, Schwangerschaft, Geburt sowie Stillzeit, für die noch heute vielfach »Hausmittel« gebräuchlich sind – auch für uns kommt eben manches Mittel für die Gesundheit aus dem Garten.
Einige Heilmittel werden in eigenen Kapiteln vorgestellt, doch Gargilius führt noch weitere an; auch sie erscheinen in der Übersetzung mit ihrem modernen Namen. Nur eine dieser Pflanzen, die auf Griechisch silphion und auf Lateinisch lasar heißt, ist mittlerweile ausgestorben; sie galt als Allheilmittel und war vielleicht eine Form von Riesenfenchel.
Außerdem werden eine Reihe mineralischer Heilmittel genannt, so wiederholt Alaun in der Form von Spalt-Alaun, also Alaunschiefer (Vitriolschiefer), und der aus schwefelsaurer Tonerde gewonnene Rund-Alaun, einmal auch Schusterschwärze.
Ferner nennt Gargilius einige Präparate mit ihrem griechischen Namen, meist in der Form dia (»durch«) mit dem griechischen Namen der Grundlage des Medikaments, etwa dia peganon, »durch Weinrauten«. Zu den zusammengesetzten Heilmitteln gehören auch die theriaka, hochwirksame Gegengifte.
Viele der pflanzlichen Medikamente, die Gargilius anführt, werden durch Hilfsmittel verabreicht, etwa in Form von Pflastern, also Auflagen auf der Haut (der moderne Begriff ›Pflaster‹ meint einen Wundschnellverband, den die Antike noch nicht kannte), für die man oft die (meist aus Schweineschmalz hergestellte) Achsenschmiere (axungia) als Salbengrundlage nutzte, durch Pillen oder aber durch die Darreichung in Speisen und Getränken.
Unter den Speisen werden etwa Gerstenbrei (polenta), Gerstengrütze (ptisana), Honig (besonders der beliebte attische Honig) oder Trockenfeigen (carica) genannt, ferner die Würzsoße Garum, unter den Getränken das im Alltag verbreitete Mulsum (ein Gemisch aus Wein und Honig oder auch Met), die Posca (ein Gemisch aus Wasser und Essig, das als Erfrischungsgetränk beliebt war) und das Passum (ein süßer Rosinenwein, vergleichbar dem heutigen Passito di Pantelleria). Wein, auch der besonders beliebte Falernerwein, wurde in der Regel mit Wasser vermischt getrunken; wenn man unvermischten Most (mustum) oder puren Wein (merum) einsetzen soll, wird das von Gargilius daher eigens vermerkt. Doch auch Frauenmilch ist immer wieder eine Basis für ein trinkbares Medikament.
In den erhaltenen Kapiteln aus dem Werk über die Obstbäume (II) gibt Gargilius auch ganz praktische Hinweise zum Anbau der als Heilmittel geeigneten Obstarten. Er steht dabei in einer Tradition, die heute durch ältere Werke von Autoren zur Landwirtschaft repräsentiert wird, nämlich durch die von Gargilius zitierten Autoren Cato den Älteren (234–149 v. Chr.), Marcus Terentius Varro (116–27 v. Chr.) und Lucius Iunius Moderatus Columella († um 70 n. Chr.); das Werk eines Karthagers namens Mago ist hingegen verloren. Erwähnt wird Publius Vergilius Maro (70–19 v. Chr.) mit einem Zitat aus den Georgica – ein Beleg dafür, dass Gargilius bei seiner Leserschaft eine gewisse literarische Bildung erwartet –, ferner Diophanes von Nikaia in Bithynien (1. Jahrhundert v. Chr.), Aulus Cornelius Celsus (um 25 v. Chr. – um 50 n. Chr.), Verfasser einer Enzyklopädie, von der nur Teile erhalten sind, und Iulius Atticus, der wohl als Zeitgenosse des Tiberius (römischer Kaiser 14–37 n. Chr.) unter anderem eine Schrift über den Weinbau schuf (so Columella I 1,14; heute verloren).
Gargilius verwendet hier manche Fachbegriffe, etwa für das Lockern des Bodens um den Stamm herum (ablaqueare). Für die Baumveredelung nennt er das Propfen (inserere), also die Transplantation eines Pflanzenteiles (des sog. Edelreises) auf eine andere Mutterpflanze, und das Okulieren (inoculare) oder Anschilden (emplastrare), bei dem vom Edelreis nur eine ruhende Knospe verwendet wird, indem es mit einem kleinen Stück der umgebenden Rinde auf die Mutterpflanze eingesetzt wird. Auch die Konservierung von Obst, die in einer Welt ohne Kühlmittel von hoher Bedeutung war, behandelt Gargilius.
Dass die Dosis eines Medikaments den Unterschied zwischen Heilung und Schädigung ausmachen kann (siehe etwa I 3,16), betont Gargilius immer wieder. Bei den Längenmaßen ist das Grundmaß der Fuß (pes), knapp 30 cm. Eine Handbreit (palma) misst 1⁄4 Fuß, ein Fingerbreit (digitus) 1⁄16 Fuß. Bei den Hohlmaßen für Flüssigkeiten ist das Grundmaß die Amphore (amphora, knapp 26 l), die aus 8 Kannen (congius) besteht. 1 Kanne wiederum besteht aus 6 Krug (sextarius, »Sechstel«, gut 1⁄2 l) und 1 Krug aus 2 Schoppen (hemina) zu je 4 Schüsseln (acetabulum) oder 6 Bechern (cyathus) oder 24 Esslöffeln (coclearius); 1 Krug besteht also aus 8 Schüsseln oder 12 Bechern oder 48 Esslöffeln. Das Grundmaß für Trockengut ist der Scheffel (modius, knapp 9 l). Bei den Gewichten ist das Grundmaß 1 Pfund (libra oder pondus [auch abgekürzt als ›po.‹], knapp 1⁄3 kg); es besteht aus 12 Unzen (uncia, abgekürzt als ÷), 1 Unze wiederum aus 8 Drachmen (dragma); 1 Pfund besteht also aus 96 Drachmen. 1 Drachme besteht ihrerseits aus 3 Skripeln (scripula, in I 13, 61 und 62 als Denar bezeichnet) oder 6 Obolen (obolus). Die Abkürzung ›s‹ steht im Lateinischen für ›1⁄2‹.
1 Amphore ≈ 26 l
1 Becher ≈ 45 ml
1 Denar s. Skripel
1 Drachme ≈ 3,5 g
1 Esslöffel ≈ 10 ml
1 Fingerbreit ≈ 1,88 cm
1 Fuß ≈ 30 cm
1 Handbreit ≈ 7,5 cm
1 Kanne ≈ 3,25 l
1 Krug ≈ 540 ml
1 Obole ≈ 0,5 g
1 Pfund ≈ 330 g
1 Scheffel ≈ 9 l
1 Schoppen ≈ 270 ml
1 Schüssel ≈ 70 ml
1 Skripel ≈ 1 g
1 Unze ≈ 28 g
Der lateinische Text wurde auf Basis der maßgeblichen Ausgaben erstellt, unterscheidet aber zugunsten heutiger Lateinkundiger systematisch u und v. Die Einteilung in Kapitel und Abschnitte ist modern. Spitze Klammern umfassen Textteile, die nicht überliefert sind, aber ergänzt werden können (diese werden übersetzt), drei Punkte markieren nicht ergänzbare Lücken im Text und ein Kreuz eine Stelle, an der eine Wiederherstellung des Textes bisher nicht gelungen ist.
In der Übersetzung werden die Pflanzennamen in der heute üblichen Form wiedergegeben; außerdem wird die wissenschaftliche botanische Bezeichnung genannt; die dabei abgekürzten Namen der Botaniker – allen voran L. für Carl von Linné (1707–1778) – entsprechen dieser Nomenklatur. Grundlage für die Identifizierung der Pflanzen ist André 1985 in Verbindung mit Zander 2014.
So möchte das Buch ein lange einflussreiches, später aber vergessenes Werk zugänglich machen, das aus dem Blickwinkel der Antike alles Wichtige über Gesundheit aus dem Garten überliefert.
Zu folgenden im Text erwähnten Aspekten siehe die nachstehend angegebene Stelle in der Einführung.
ANBAUMETHODEN
DARREICHUNGSFORMEN
EIGENSCHAFTEN der Pflanzen (»warm und feucht«, »warm und trocken«, »kalt und trocken«, »kalt und feucht«, »süß«, »bitter«, »scharf und sauer«, »salzig«)
KRANKHEITEN und BESCHWERDEN
MASSANGABEN
PERSONEN
WIRKSTOFFE
Weitere kurze Erläuterungen und Verweise finden sich direkt in Klammern in der Übersetzung.