Für den bittersüßen Vogel Jugend
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© 2022 Langen Müller Verlag GmbH, München
Alle Rechte vorbehalten
Umschlaggestaltung: Sabine Schröder
Umschlagmotiv: Getty Images
Innenlayout und Satz: Sibylle Schug, München
E-Book-Konvertierung: VerlagsService Dietmar Schmitz GmbH, Heimstetten
ISBN 978-3-7844-8431-0
www.langenmueller.de
Inhalt
grußwort
Vorwort
Kriegswelt (1917–1945)
Sächsische Heimatskizzen
Ein ausgezeichneter Soldat
Flakfeuerfarben
Verlagswelt (1945–1957)
Zeilenumbruch
Verlagsscharaden
Eulenspiegels Füchse
Werbung in eigener Sache
Bilderbuchwelt (1957–1969)
Tausendsassa
Münchhausens Abenteuer
Circe lockt Odysseus
Lupos Alesia
Kaukasische Wendekreise
Filmwelt (1969–1982)
Szenen keiner Ehe
Millionen und Moiren
Der verlagslose Verleger
Die alexandrinische Zeitrechnung
Flucht vor deutscher Kälte
Neue Welt (1982–2000)
Fremde Heimat
Das Phantom der Füchse
Büchsenlicht
Das letzte Halali
Wachgehaltene Erinnerung
Epilog
Dank
Quellen- und Literaturverzeichnis
Anmerkungen
Personenregister
Grusswort
Es ist tröstlich zu erfahren, dass auch herausragende Menschen nicht »vollkommen« sind. Mit Rolf Kauka war ich 25 Jahre überaus glücklich verheiratet. Er war eine außergewöhnliche, bunt-schillernde Persönlichkeit, und all die schillernden Farben waren echt! Darauf kommt es letztendlich an – solchen Menschen kann man vertrauen und etwas zutrauen. Sie sind rar und ihre unvergänglichen Footprints können uns inspirieren. Es muss schwer gewesen sein, diese vielschichtige Biografie einfühlsam zu erzählen, zumal man sich nicht persönlich kannte. Dennoch kam der Autor der Person Rolf Kauka überraschend nahe – und ich glaube, gegen Ende fing er an, Rolf Kauka zu verstehen. Ich brauchte dafür 25 aufregende, atemlose Jahre – und manchmal war ich fix & foxi. Viel Freude an der Lektüre – daran hätte Rolf Kauka seinen Spaß!
New York, im Juni 2021
Alexandra Kauka
Vorwort
Mach anderen Freude,
dann hast du Deinen Spaß.
Rolf Kauka
»Als ich begann, Comics zu machen, haben mich viele für verrückt erklärt«, erinnerte sich Rolf Kauka rückblickend an seine Anfänge. Mit diesen Worten wollte er Mitte der Siebzigerjahre ein autobiografisches Buch beginnen, stellte es jedoch nie fertig. Jahr für Jahr glaubte er daran, auch im fortgeschrittenen Alter, noch lange nicht am Ende seiner Schaffensphase angelangt zu sein. Den richtigen Zeitpunkt für abschließende Memoiren sah er daher nie gekommen. Seine Lebensgeschichte schrieb er nicht auf, obwohl ihm lukrative Angebote vorlagen. Aber auch nach seinem Tod im September 2000 befasste sich so gut wie niemand mit seinem dreiundachtzigjährigen Leben oder beschäftigte sich, wenn überhaupt, mit den Entwicklungen seines Comic-Verlags.
Dabei war Rolf Kauka der große deutsche Comic-Pionier der Nachkriegszeit. Nach wie vor gilt er als deren erfolgreichster Produzent in Deutschland und wurde schon zu Lebzeiten mit dem amerikanischen Comic-Giganten Walt Disney verglichen. Er selbst, obwohl nach 1987 US-Bürger, sah sich mit seinen Dichtungen und Bildergeschichten jedoch immer in der deutschen Tradition von Wilhelm Busch.
Seine Geschichten begann Kauka ab den Fünfzigerjahren zu verlegen. Am Ende seiner Schaffenszeit gehörten über 80 Comic-Charaktere zur Kauka-Familie, darunter so bekannte Figuren und Zeitschriftentitel wie Fix und Foxi und Bussi Bär. Aber es gab noch weitere Publikationen wie Lupo modern oder Primo, und Rolf Kauka zeigte in den Sechzigerjahren ein sicheres Gespür darin, als Erster das Potential franko-belgischer Zeichner für den deutschen Markt zu erkennen. Er war derjenige, der Asterix und Obelix, Spirou und Fantasio oder die Schlümpfe über seine Hefte deutschen Lesern näherbrachte. Allerdings deutschte er nicht nur deren Namen ein, sondern formulierte gleich auch den Text im Duktus des Kalten Krieges nationalistisch um. So sorgte er auch für einen ersten handfesten Comic-Skandal in Deutschland und sah sich medialen Vorwürfen ausgesetzt, revanchistische Gedanken zu verbreiten.
Ungeachtet dessen prägte Rolf Kauka ganze Generationen von Kindern und Jugendlichen. Weltweit wurden über 750 Millionen seiner Hefte verkauft. Mitte der Sechzigerjahre hatte Fix und Foxi eine wöchentliche Auflage von über 400 000 und war zeitweise die größte deutsche Jugendzeitschrift. Mitte der Siebziger verkaufte der clevere Geschäftsmann seinen Verlag für Millionen und wanderte einige Jahre später in die USA aus. Wie weit verbreitet und einflussreich seine Comics waren, kann man daran ablesen, dass es ihm gelang, in die deutsche Umgangssprache einzugehen. Im Duden steht als Synonym für »völlig erschöpft« eben auch »fix und foxi«.
So erklärt es sich auch, dass im Karlsruher Zoo 1970 Katzenbären auf den Namen der beiden Füchse hörten. Oder dass diese Comicfiguren in Debatten des Bundestages aufgegriffen wurden, etwa als am 3. Februar 1971 die Politik von Bundeskanzler Willy Brandt von der Opposition mit den »Abenteuern von Fix und Foxi« verglichen wurde. Jeder im Deutschen Bundestag wusste mit dieser amüsanten Anspielung etwas anzufangen, denn die beiden Füchse gehörten längst schon zur allgemeinen deutschen Sprachkultur. Fix und Foxi zählen zum deutschen Kulturgut.[1]
Doch während Walt Disney, der bereits 1966 verstorbene Erfinder von Micky Maus und Donald Duck, heute noch zu den bekanntesten Amerikanern zählt, ist Rolf Kauka in Deutschland in Vergessenheit geraten. Weder Schulen, öffentliche Plätze oder Straßen sind nach ihm benannt. Symptomatisch wurde im Mai 2007 in Kaukas früherer bayerischer Heimatgemeinde Grünwald sogar ein Antrag auf Straßenbenennung abgelehnt. Allein ein Kindergarten nennt sich dort Fix und Foxi.[2]
Aber um sich an eine Person erinnern zu können, muss man über sie auch etwas wissen. Und das ist bei Kauka nicht ganz so einfach. Große Teile seines Lebens waren und sind unbekannt. Über seine Zeit im Dritten Reich und im Zweiten Weltkrieg wusste man nichts – und wenig Konkretes darüber, wie er nach dem Verkauf seines Verlages und dem Umzug in die USA gelebt hat. Zwar tauchten über Rolf Kauka bereits zu seinen Lebzeiten immer wieder Berichte in Münchner Boulevardzeitungen auf, etwa über seine Ehefrauen oder seinen Pferderennstall, aber die meisten Lebensbereiche blieben gänzlich ausgespart. Niemand drang tiefer in das Dunkel seines Privatlebens ein oder leuchtete seine Persönlichkeit aus. Im Schatten seiner farbenfrohen Comics blieb er selbst erstaunlich nebulös. Über Kontinuitäten und Brüche, über Wegmarken seines Lebens, Personen, die ihn geprägt und Themen, die ihn beschäftigt haben, über sein persönliches Erfahrungsgepäck und seine politische Gesinnung, über all das ist kaum etwas bekannt.
Kauka hat es selbst so gewollt. Ganz bewusst pflegte und polierte er stattdessen das öffentliche Image des verständnisvollen Onkel Rolf, der die Kinder und Jugendlichen in seinen Heften persönlich mit »Liebe Freunde« ansprach, hohe moralische Ansprüche an sich und seine Leserschaft stellte und am liebsten die deutschen Kinder nach seinen Idealen umerzogen hätte. Aber genügte er selbst seinen Anforderungen jenseits der Öffentlichkeit?
So drängt sich die Frage auf: Wer war eigentlich Rolf Kauka, und wie ist seine Persönlichkeit zu fassen? Welcher Charakter verbarg sich hinter dem des genialen Verlegers, der Vorschulhefte mit goldfarbenen Bärchen und pädagogischem Anspruch entwickelte und zugleich in seinen Comics politische Botschaften platzierte? Was trieb diesen Selfmade-Millionär an, der viermal heiratete und fünffacher Vater war, für den Familie und Loyalität Grundpfeiler seines Gesellschaftsverständnisses darstellten, der aber selbst immer wieder mit seinen Ehefrauen und Kindern brach? Wer war der mehr als zutiefst überzeugte deutsche Patriot und Kalte Krieger, der am Ende seines Lebens in die USA auswanderte und amerikanischer Staatsbürger wurde?
Biografische Annäherungen an Rolf Kauka fanden bislang über seine Verlegertätigkeit statt. Ein erstes Porträt über den Kauka-Verlag erschien 1972 in der Zeitschrift Panel. Hartmut Becker und Andreas C. Knigge verfassten 1980 in Comixene eine auf den Verlag fokussierte Rolf-Kauka-Story. Zwischen 2000 und 2007 veröffentlichte Peter Wiechmann, der frühere Redaktionsdirektor des Kauka-Verlags, subjektive und anekdotenhafte Verlagserzählungen auf Grundlage von Materialien früherer Kauka-Mitarbeiter. Neben einem Kauka-Dossier in der Fachzeitschrift Reddition 2012 wurden die besten Beschreibungen von Kaukas verlegerischem Leben anlässlich von Fix-und-Foxi-Ausstellungen verfasst, 2018 durch Linda Schmitz und weitaus umfangreicher durch Roland Mietz zwei Jahre zuvor. Doch hierbei stand Rolf Kauka nie selbst im Vordergrund. Informationen über ihn waren nur oberflächlich.[3]
Zeichnet man ein Leben nach, stellt sich immer die Frage, aus welchen Quellen die Biografie gespeist wird. Im Fall Rolf Kauka erwies sich das als durchaus komplex. Es konnte nicht auf einen umfangreichen Nachlass zurückgegriffen werden, auch wenn ein eigenes Kauka-Archiv in Wien existiert. Doch dieses beinhaltet die Zeichnungen und Originale der Comics und nicht etwa persönliche Briefwechsel, Kalendereinträge oder Materialien Rolf Kaukas. Einblicke in seine private Lebenswelt wurden durch einzeln verstreute autobiografische Notizen, Briefwechsel und Fotos ermöglicht, beispielsweise durch sein Album aus den ersten Kriegsjahren. Die Fragmente seiner in den Siebzigern angefangenen Autobiografie gelten als verschollen.
Ein wesentlicher Schlüssel für die hier nun vorliegende Lebensbeschreibung waren deshalb die zahlreichen Aussagen und Interviews von Rolf Kaukas Weggefährten, die ihn aus unterschiedlichen Lebensphasen und Perspektiven persönlich gekannt haben. Hierbei ist vor allem seine Familie zu erwähnen, zuerst seine Witwe Alexandra Kauka, seine Töchter Irene Kauka, Mascha Pohl-Kauka und Gabriele Ghislanzoni, aber auch seine Schwester Brunhilde Wagner (†). Gleichermaßen wichtig waren die Erzählungen und Einschätzungen langjähriger Mitarbeiter, besonders die von Peter Wiechmann (†), aber ebenso anderer Redakteure, Zeichner, Freunde und Bekannter. Ihre Sicht auf und ihr Urteil über Rolf Kauka wichen mitunter stark voneinander ab. Angehörige seiner dritten Ehefrau, der Gräfin von Stillfried und Rattonitz, fanden sehr deutliche Worte über ihn. Seine zweite Ehefrau Gisela und deren gemeinsame Tochter Alexandra wollten mit mir trotz mehrfacher Bemühungen nicht über Rolf Kauka sprechen. Ebenso wie eine seiner früheren Freundinnen. Zu schmerzhaft waren nach wie vor die Erinnerungen. Rolf Kauka hat ohne Frage polarisiert.
Mein eigenes Interesse an Rolf Kaukas Leben wurde vor einigen Jahren geweckt. Fix und Foxi kannte ich zwar seit meiner frühesten Kindheit, aber erst ein Zufall brachte mich auf die Idee, mich mit seiner Biografie näher zu beschäftigen. Bei Recherchen zum 2014 erschienenen Buch Geheimobjekt Pullach tauschte ich mich mit Rosemie Wessel aus. So erfuhr ich durch eine beiläufige Information, dass ihr verstorbener Mann Gerhard Wessel, der langjährige Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND), sehr eng mit Rolf Kauka befreundet war. Auch die Bild-Zeitung wurde auf dieses spezielle Kapitel Jahre später aufmerksam. Sie spekulierte in einem Artikel vom Mai 2020 »War der Fix und Foxi-Erfinder ein Agent?« und strengte eine Klage am Bundesverwaltungsgericht in Leipzig gegen den BND an, um Einsicht in Dokumente über Rolf Kaukas Leben und Arbeit zu erhalten. Der Ausgang des Verfahrens ist offen, da dieses nach einem Beschluss des zuständigen Senats von Anfang 2021 ausgesetzt wurde.[4]
Meine 2018 begonnene puzzleartige Recherche, die ich privat als Historiker durchführte, nach Rolf Kaukas Spuren in Archiven und Bibliotheken, vor allem die Spurensuche durch Gespräche mit seiner Familie und ehemaligen Mitarbeitern, hat fast drei Jahre in Anspruch genommen.[5] Es zeichneten sich schnell Konturen eines schillernden, kontroversen und nicht einfach zu greifenden Charakters ab, mit Widersprüchen und Brüchen, tief verborgen hinter der kunterbunten Kinderwelt derjenigen Comics, die ihn bekannt und wohlhabend gemacht haben. Rolf Kaukas eigenes Leben war jedoch weit entfernt von einer heilen Kinderwelt. Er lebte ein Leben in so vielen unterschiedlichen Welten, das es lohnt, erzählt zu werden.[6]
Berlin, im Oktober 2021
Bodo V. Hechelhammer
Anmerkungen
[1] Vgl. 8/Bildarchiv Schlesinger 1979, StdA Karlsruhe; A19/139/6/21; Protokoll Deutscher Bundestag, 96. Sitzung, 3.2.1971, S. 5344, in: www.bundestag.de, aufgerufen, 16.3.2019; »Bussibären lügen nicht«, in: Die Welt, 16.9.2000; Henne: Reichtum, S. 241.
[2] Vgl. Niederschrift über die öffentliche Sitzung des Gemeinderates Grünwald, 20.11.2007, S. 11 f.
[3] Vgl. Gerlach: Medium; S. 1079 f.; Reddition; Kronthaler: Kauka, in: Die Sprechblase 234 (2016, S. 36; Mietz: Biografie, S. 12-125; Schmitz: Fix, S. 13-48; Zeitzeugenaussage Ingeborg Magdić, 8.11.2018.
[4] War der »Fix und Foxi«-Erfinder ein Agent?, in: Bild.online, 27.5.2020; Beschluss BVerwG 6 A 9.19, 13.1.2021, www.bvwerg.de, aufgerufen 1. Oktober 2021; Hechelhammer/Meinl: Geheimobjekt
[5] Im BND-Archiv durften hierbei ausschließlich offen zugängliche Quellen genutzt werden.
[6] Vgl. Hechelhammer/Meinl: Geheimobjekt.