Dieses ist ein Roman, folglich eine erfundene Geschichte. Die Handlung und sämtliche Personen des Romans sind frei erfunden. Jede Ähnlichkeit mit einer lebenden oder verstorbenen Person ist nur zufällig.
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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
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Impressum:
Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt
Internet: klaus-dieter.budde@gmail.com
1. Auflage, April 2022
ISBN: 9783756296699
© 2021 Klaus-Dieter Budde – alle Rechte vorbehalten.
Buchbeschreibung:
Der Mittelständler Adelhard Meents, leidet an einer schweren Krankheit, der Ich-Dystonie. Er hat die Selbsttötung seiner Großeltern, die er als Kind erlebt hat nie verwunden. Diese haben sich nach einem Immobilienbetrug, der die Existenz der Familie bedrohte, das Leben genommen. Adelhard, liegt oft nächtelang wach und denkt immerfort an das Versprechen, das er als kleiner Junge abgegeben hat. Getrieben von seinem Zwangsdenken schmiedet er einen perfiden Plan. Er aktiviert von einem ehemaligen Bundeswehrgebäude aus einen verschütteten Bunker, in dem er eine Tötungsraum installiert. Nach einem seit langem vorbereitetem Plan, entnimmt er fortan korrupte Investmentbanker und Immobilienmakler dem Markt, um sie in seinem Bunker zu schächten. Das Kripo-Team um Hauptkommissar Heino Kleinemeier beißt sich lange die Zähne an dem Fall aus, bis der Täter nachlässig wird. Eine spannend erzählte Geschichte rund um den Investmentbetrug.
Über den Autor:
Klaus-Dieter Budde, Jahrgang 1956, lebt mit seiner Ehefrau und Familienhund Kimba im niedersächsischen Landkreis Stade. Die Stader Geest ist dem gebürtigen Ostwestfahlen ans Herz gewachsen. Halsabschneider ist sein erster Kriminalroman vom Stader Ermittlerteam um Kriminalhauptkommissar Heino Kleinemeier. Budde der bereits als jugendlicher Kurzgeschichten schrieb, entschied er sich, nach Abschluss seiner beruflichen Laufbahn, die Schreibarbeit wieder aufzunehmen. Seine Romane, Der Tote im Spargelfeld und Lupus caritate sind erfolgreiche Bücher. Mit seiner Affinität zur Region und der Ortskundigen Erzählweise, erobert er in kurzer Zeit seine Fangemeinde. Budde ist nicht nur begeisterter Wanderer, er betreibt auch die Hundesportart Dog-Trekking. Der Schutz der Umwelt, das Tierwohl sowie Nachhaltigkeit im täglichen Leben sind für ihn ein Selbstverständnis.
Der Titel «Halsabschneider», bezieht sich auf den Täter und auf die Opfer.
14. August 1993, der kleine Adelhard war mit seiner Mutter im Garten und spielte Pirat, er mochte es, die Piratengeschichten die ihm sein Großvater jeden Abend als Einschlafgeschichte erzählt, nachzuspielen. Da konnte sich Adelhard richtig austoben.
Mit einem Holzschwert, das ihm sein Vater gebaut hatte, kämpft er gegen imaginäre Feinde und entert riesige Fantasiesegler, dabei tobt er wie ein Wildfang durch den großen Garten der familieneigenen Villa.
Seine Mutter schaut ihm zu und lächelt.
Der Familie Meents geht es gut, als Betreiber eines mittelgroßen fischverarbeitenden Betriebes in Emden haben sie ein hohes Standing in der ortsansässigen Oberschicht.
Großvater hatte auf Anraten eines befreundeten Maklers tüchtig in Immobilien auf den Kanarischen Inseln investiert und nach ersten Gewinneinnahmen gönnte er sich einen Porsche 928 GTS. Seinem Sohn spendiert er einen dreiwöchigen Familienurlaub auf den Kanaren.
Ein unbekümmertes Leben wie es schien, bis das Familienidyll am Nachmittag unvorhergesehen gestört wurde.
«Guten Tag, bin ich hier richtig bei Familie Meents? Ove Meents?», ruft ein älterer Herr Adelhard zu, wie dieser mit seinem Schwert an der Pforte des Anwesens vorbeiflitzt.
«Mama da ist ein Herr am Tor, der fragt nach Opa», gibt Adelhard seiner Mama Bescheid. Seine Mutter schreitet zum Tor, um nachzusehen, tatsächlich steht ein Herr vor dem Tor.
«Guten Tag wie kann ich helfen?», begrüßt seine Mutter den Herrn.
Adelhard steht etwas versteckt hinter einem Rhododendronstrauch und beobachtet den Besucher.
«Guten Tag, mein Name ist Rhombach, ich bin Bevollmächtigter Gerichtsvollzieher und überbringe Ihnen einen Gerichtsbescheid. Der Bescheid ist für Ove Meents. Sind Sie bevollmächtigt, die Post für Herrn Meents anzunehmen?»
Adelhards Mutter, die das bejaht, schaut den Gerichtsvollzieher erschrocken an.
«Ist was nicht in Ordnung?», fragt sie nach.
«Das darf ich Ihnen nicht sagen, ich bin dazu nicht berechtigt, fragen Sie ihren Schwiegervater, der erklärt es Ihnen bestimmt.»
Adelhards Mutter ergreift den Brief und steckt ihn in ihre Schürze.
Später am Abend übergibt sie das Kuvert an den Schwiegervater. Ove Meents liest den Behördenbrief und wird blass.
«Ist was nicht in Ordnung?», fragen die Schwiegertochter und seine Angetraute nahezu gleichzeitig nach.
«Doch, doch ist alles in Ordnung», spricht der alte Meents und schreitet langsam und gedankenversunken in sein Büro.
Der Kleine, Adelhard, der die Scene beobachtet hat, sorgt sich um seinen Opa. Er hatte seinen Großvater noch nie trübsinnig gesehen.
In der Nacht erwacht Adelhard und belauscht einen heftigen Streit zwischen seinem Vater und dem Großvater. Beide schreien sich unüberhörbar an, erst wie die Großmutter dazwischenruft, ward es leiser. Adelhard verkriecht sich in seine Kissen und schläft alsbald wieder ein.
Am Morgen, alle sitzen beim Frühstück als wäre nichts passiert, überlegt der kleine Adelhard, ob er den Streit nur geträumt hat.
Wochen später fliegt Adelhard mit seiner Familie in den Urlaub nach Gran Canaria. Drei Wochen Sonne Wind und Strand. Adelhard, der bisher nur den ostfriesischen Sommer kannte, ist begeistert. Das Essen war eine Wucht jeden Tag Nudeln und Pizza. Papa hat viel Zeit, um mit Adelhard die Inselwelt der Kanaren zu erkunden.
An einem der Tage sind sie in den Bergen und verbringen dort ihre Mittagspause in einem urigen Restaurant. Hier waren die Stühle und Tische durch die Eigentümer selbst gebaut worden, Papageien und Kanarienvögel lärmen überall in den ausladenden Bäumen. Die Betreiber des Restaurants sind so genannte Aussteiger, ein ehemaliger Pilot und seine Flugbegleiterin. Sie probieren den kanarischen Eintopf, den die Gastgeber Frisch gekocht haben. Es wurde viel Spaß gemacht, sie lachen und flachsen beim Essen mit den Restaurantbetreibern. Heiter verabschieden sie sich mit dem Versprechen, einmal wieder vorbeizuschauen.
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Ove Meents steht müde von seinem Schreibtisch auf.
Er legt den soeben verfassten Brief im verschlossenen Kuvert auf seinen Schreibtisch, fährt sich fahrig mit der linken Hand durch sein schütteres graues Haar und schlurft in die Küche.
Eske Meents schaut Ove traurig an und zieht ihn in ihre Arme, beide Weinen still in sich hinein.
Am Abend, Eske hat das ganze Haus gereinigt und die Bügelwäsche, nach dem sie sie weggebügelt hat, akkurat in den Schrank gefaltet. Sie schreitet mit Ove dem geliebten Ehemann den langen Weg aus weißem Kies zu ihrem Porsche, beide Drehen sich ein letztes Mal um und schauen auf die enorme Familienvilla. Unglücklich steigen sie in den Porsche ein und Ove fährt, um den Kiesweg nicht zu zerstören, langsam vom Hof in Richtung nach Emden.
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Nach der ersten Urlaubswoche war der Spaß abrupt vorbei.
Der Rezeptionist vom Hotel Continental erwartet sie aufgeregt am Eingang und bittet den Vater um ein kurzes Gespräch.
Adelhards Vater folgt dem Herrn und telefoniert kurz darauf, sichtlich betroffen, mit dem Hausanwalt in Deutschland. Das verändert die ganze Stimmung, alle sind schlagartig betroffen und traurig, sein Vater, der sonst stark war, weint kaum vernehmlich vor sich hin.
Am nächsten Tag bucht Adelhards Familie den erst besten Flieger nachhause. Ein Angestellter der Fischfabrik holt sie vom Flughafen in Bremen ab. Adelhard fällt auf, dass auch der Angestellte traurig ist.
Zuhause ist der Rest der Familie anwesend, Onkel und Tanten, Cousinen und Cousins. Nach der Begrüßung gibt es gleich das Abendbrot, das entgegen sonstiger Familientreffen, wortlos eingenommen wurde. Den klein Adelhard, schicken sie nach dem Essen sofort ins Bett.
Die Erwachsenen unterhalten sich mit leisen bedrückten Stimmen. Adelhard, der logischerweise, ob der Veränderungen im Verhalten seiner Verwandten voller Neugier ist, hat sich hinter einem stattlichen Standbild auf der Galerie versteckt und versucht herauszufinden, warum sich die Erwachsenen so merkwürdig verhalten. Er schnappt auf, dass Großvater und Großmutter einen schweren Autounfall mit dem Porsche hatten. Weil alle traurig sind, denkt sich Adelhard, dass die Großeltern im Krankenhaus sind. Später hört er, wie seine Mutter mit Tante Erika aus Wuppertal über die Beerdigung spricht.
Adelhard steht auf und stelzt weinend die breite Freitreppe hinunter ins Wohnzimmer, wo sich die Familie versammelt hat. Erschrocken schauen seine Eltern sich an.
«Adelhard, warum bist du nicht in deinem Zimmer», schimpft ihn sein Vater.
«Sind Oma und Opa tot?», flüstert, der kleine Adelhard seine Frage in den Raum.
Seine Mutter ergreift seine Hand und bringt ihn in die Küche.
Dort erklärt sie dem Jungen, dass die Großeltern bei einem Verkehrsunfall tödlich verunglückt sind.
«Adelhard sei tapfer, Opa Ove hätte sich das von dir gewünscht», sagt seine Mutter, die ihn in den Armen hält und sich und dem Kind die Tränen aus dem Gesicht wischt.
Adelhard nickt wacker. Tante Erika bringt ihn später aufs Zimmer. Sie bleibt so lange bei ihm, bis er eingeschlafen ist.
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Eine Woche später war die Beerdigung. Adelhard wandelt mit seiner Mutter und seinem Vater direkt hinter den Särgen der Großeltern her, ihnen folgen die Verwandtschaft und die Arbeiter der Fischfabrik.
Um die 250 Trauergäste sind gekommen, um den Verstorbenen ihre Wertschätzung zum Ausdruck zu bringen.
Beim anschließenden Leid Mahl wurde nur Gutes über die Großeltern berichtet. Sie waren fürsorglich gegenüber den Arbeitern und deren Angehörigen und pflegten ihre Freundschaften in der Ostfriesischen Upperclass, kurzum sie waren das Musterunternehmerpaar schlechthin, wie der Bürgermeister von Emden in seiner kurzen Gedenkansprache formuliert. Adelhard ist stolz auf seine Großeltern.
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Am fünften Todestag seiner Großeltern, Adelhard ist elf Jahre alt, weilt die Familie wieder in der alten Villa. Adelhards Vater lässt die letzten Jahre Revue passieren.
«Es war wahrlich eine schwere Zeit», eröffnet er seine Rede, «nach dem Tod der Eltern hat man mir auferlegt, vorrangig das Finanzielle zu regeln. Hier war durch die dubiosen Immobiliengeschäfte meines Vaters auf den Kanaren, ein Verlust von 10 Millionen Deutsche Mark auszugleichen. Das zog zwingend betriebliche Konsequenzen nach sich. Den Personalbestand der Fischverarbeitung reduzierte ich um ein Drittel. Das habe ich, Gott sei Dank, sozial verträglich hinbekommen», berichtet er selbstgefällig. «Heute nach fünf Jahren sage ich, wir haben es geschafft. Der Betrieb und das Familienvermögen sind wieder im grünen Bereich. Das alles war nur möglich, weil Ihr liebe Familie auf eine Menge verzichtet habt. Dafür meinen Dank.»
Nach der Rede, für die Adelhards Vater ehrlichen Beifall erhält, eröffnet er das üppige Büffet.
Adelhard setzt sich nach dem Essen mit einem Buch hinter die Veranda in die Sonne und verschlingt seinen Roman.
Er liest, die Schatzinsel. Das Buch hat er bei Großvater aus dem Bücherregal stibitzt.
Die Veranda war für die Raucher der Ort, an dem sie sich ihrem Laster hingeben. Ständig kommen rauchende Familienangehörige und unterhalten sich. Adelhard, ist so vertieft in seinen Piratenroman, dass er kaum wahrnimmt, was dort gesprochen wird.
Bis auf einmal, da schaut er hellhörig auf. Onkel Till spricht mit seinem Vater über den Tod der Großeltern.
«Das du die Firma gerettet hast, ist dir hoch anzurechnen, nachdem was der Alte dir hinterlassen hat», sagt Onkel Till.
«Ja ich denke, mit dem Selbstmord haben die beiden uns soeben noch den Laden gerettet. Ein paar Tage später wäre es zu spät gewesen.»
Adelhards Vater sagte etwas, dass das Leben des Jungen seelisch durcheinanderbringen sollte.
«Der Immobilienmakler der Schuld an dem Ganzen war, ist fein raus, die Klage gegen ihn wurde fallengelassen mangels öffentlichen Interesses. Der hat sich daraufhin schleunigst mit den Millionen, die er anderen aus der Tasche gezogen hat, nach Mallorca abgesetzt.»
Wie Adelhard das hört, schlägt er sein Buch zu und schwört sich unter Tränen, dass er, wenn das stimmt, den Makler aufsuchen will, um ihn zur Rechenschaft zu ziehen. Ihm ist egal, dass er da noch Jahre warten muss. Weinend schleicht Adelhard in sein Zimmer.
Dass die Großeltern Selbstmord begangen haben, hat noch keinen Platz in seinem Kopf. Wie er ein paar Wochen später bei seiner Tante nachfragt, bestätigt sie ihm das, was er auf der Veranda gehört hatte.
Später in der Pubertät gilt Adelhard als sehr schwierig, er fällt durch Aggressivität gegenüber seinen Mitmenschen und Diebstahlsdelikten auf.
Der Familienrat beschließt, ihn auf ein Internat zu schicken, um wieder zu Verstand zu kommen, wie sein Vater es nennt.
Dort beruhigt sich Adelhard wieder und schafft sein Abitur mit Bravour. In den Folgejahren studiert er Medizin an verschiedenen Universitäten.
Nach dem plötzlichen Tod seines Vaters bricht er das Studium ab und übernimmt den fischverarbeitenden Betrieb in Emden.
Das Theoretische hatte er drauf, im Praktischen stößt er sich anfangs oft die Hörner ab. Maßgeblich für ihn ist, dass er authentisch bleibt. Das gelingt ihm, seine Mitarbeiter folgen ihm. Er bringt peu a› peu, den Betrieb in die Erste Liga der Fisch Verarbeiter.
07. Januar 2019, fünf Jahre führt Adelhard Meents, der mittlerweile 32 Jahre alt ist, den Familienbetrieb. Dem abgebrochenen Medizinstudium trauert er längst nicht mehr nach. Dass er unvorhergesehen durch den frühen Tod des Vaters den Familienbetrieb übernahm, war derzeit für ihn einleuchtend.
Adelhard Meents hat den Fischverarbeitungsbetrieb in Emden, der für die Herstellung von Fischerzeugnissen, der Rohstoffaufbereitung, Fischbearbeitung, Konservierung und Verarbeitung der Produkte, sowie der Endverpackung zuständig ist. Unter seiner Führung wieder an die Spitze gebracht. 430 Mitarbeiter arbeiten in drei Schichten, rund um die Uhr, um die Meents-Produkte an den Markt zu bringen.
Adelhard beschwert sich nicht, was seine Auslastung betrifft, eine 50 Stundenwoche ist üblich, oft sind es mehr.
Darum beschließt er, einen Betriebsleiter einzusetzen, um auch einmal an so was wie Freizeitgestaltung zu denken.
Adelhard Meents ist durch seine schwere Kindheit, er hat die Selbsttötung seiner Großeltern nach einem Immobilienbetrug nie verwunden, ein psychisch kranker Mensch, der eine Auszeit vom Job braucht.
Offiziell war der Selbstmord der Großeltern auch heute noch ein Verkehrsunfall, bei dem beide Eske und Ove Meents verbluteten, die Familie weiß jedoch durch Abschiedsbriefe, dass der Unfall bewusst herbeigeführt wurde.
Adelhard, der das nie verwunden hat, liegt oft nächtelang wach und denkt immerfort an das Versprechen, das er als kleiner Junge gegeben hat. Seine psychischen Probleme, die er mithilfe eines Psychologen zu lösen versucht, verbirgt er bisher geschickt vor seiner Mutter.
Adelhard fährt immer mal wieder nach Hamburg, um einen ehemaligen Kommilitonen zu treffen, so erzählt er es zumindest seiner Mutter. In Wirklichkeit hat er sich ein Haus in Stade an der Elbe gekauft, wo er ohne, dass er von irgendjemanden gestört wird, seiner zweiten Aufgabe nachkommt. Den Tod seiner Großeltern zu exkulpieren.
Denn was niemand wähnt, Adelhard Meents ist in Wirklichkeit ein kranker brutaler Mensch, dem seine kontrollierten Auftritte im Betrieb und bei seiner Familie in Emden von Mal zu Mal schwerer fallen. Er merkt selbst, dass sein Kartenhaus, welches er sich geschaffen hat, nicht mehr standfest ist. Öfters kommt es bei Unstimmigkeiten im Geschäft, oder auch mit seiner Mutter, zu lautstarken Auseinandersetzungen. Das war einer der Gründe für den Einsatz eines Betriebsleiters.
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Adelhard ist auf dem Weg von Emden nach Stade. Er hat sich bei einem Messebesuch vor Jahren in die prächtige Hansestadt an der Elbe verliebt und im Überschwang ein Haus in Stade-Ottenbeck gekauft.
Ottenbeck ist ein relativ junger Stadtteil im Südwesten der Stadt. Das ehemalige Kasernengelände wurde geschickt zu einem schönen gemütlichen Ortsteil umgestaltet. Die Mischung aus alten Soldatenunterkünften, die man in moderne Wohnquartiere umgestaltete, und neuen Einfamilienhäusern sowie kleinen Gewerbebetrieben gibt dem Ortsteil sein eigenes Flair.
Adelhard kennt die Kaserne von altem Kartenmaterial seines Großvaters, der sich sein Leben lang für die Geschichte alter Kriegsbunker in der Bundesrepublik interessierte. Im Zweiten Weltkrieg errichtete man in Deutschland zum Schutz der Bürger Bunker. Dort retteten bei Luftangriffen viele Bürger ihr Leben. In Stade bauten sie eine Bunkeranlage, die den Zweck hatte, das Betriebspersonal des Militärflugplatzes und einer Luftwerft in Stade zu schützen und es den Flugzeugbesatzungen zu ermöglichen unbeschadet an ihre Fluggeräte heranzukommen. Hierzu gab es viele Verbindungsgänge zum Flugfeld, die an einigen Stellen nur mit Gitterrosten abgedeckt waren, die der Belüftung dienten.
Eine sehr spartanische unterirdische Bunkeranlage, mit meterdicken Betonwänden, um dem Bombenhagel standzuhalten. Der Eingang war zusätzlich durch ein Betonschild geschützt. Gemäß einer Expertise, die das Verteidigungsministerium in den 70er Jahren anfertigen ließ, ist die komplette Bunkeranlage lange verschüttet.
Adelhard hat das Kartenmaterial seines Großvaters dabei, er plant, einen der Bunker wieder zu betreiben. Wenn er den alten Karten Glauben schenkt, ist genau an der Südseite seines Hauses in Ottenbeck ein Zugang vom Keller in das Bunkersystem.
Eine Überprüfung des Kellers zeigt, nachdem der Putz abgetragen war, einen nachträglich vermauerten Zugang.
Adelhard ist Feuer und Flamme. Er schaut sich das Kartenmaterial bis ins kleinste Detail an. Rechnet, gibt GPS-Daten in sein altes GPS-Gerät, ein Garmin S64, ein und markiert sich mit einem roten Marker einen alten Stollen, der zu einem Bunker führt.
Da die Karten aus den 40er Jahren sind, geht er davon aus, dass Abweichungen denkbar sind, und rechnet jeweils einen Toleranzgrad von 5% hinzu.
Am frühen Abend begibt er sich auf den Weg zum ehemaligen Standortübungsplatz, der zurzeit als, halb offene Wald- und Weidelandschaft Ottenbeck, den Anwohnern zur Naherholung dient.
Mit diesem Projekt will die Hansestadt Stade die vielfältige Landschaft des ehemaligen Standortübungsplatzes mit ihren seltenen Tieren und Pflanzen erhalten und weiterentwickeln.
Die Pflege des eingezäunten Wald- und Weidelandes haben robuste Galloway-Rinder übernommen, die das ganze Jahr draußen bleiben. In den Grasfluren halten sie die Büsche und den Baumanwuchs klein, damit bodenbrütende Vögel und andere seltene Tiere und Pflanzen überleben.
Die Galloway-Herde bewirtschaftet ein Rinderzüchter aus der Umgegend. Dieser ist eindeutig der medialen Wolfshetze erlegen, denn er hat an einem seiner Unterstände für die hornlosen Rinder ein großflächiges Plakat hängen, das aussagestark Stellung nimmt. Dass die Rinder, so schön sie aussehen, bei Erlangen der Schlachtreife dem Messer der Metzger ausgesetzt sind, um dem Rinderzüchter den Geldbeutel zu füllen, davon steht dort dagegen nichts. Mag auch sein, dass der Bauer einfach nur Angst hat. Adelhard weiß es nicht, macht sich darüber auch keine Gedanken.
Er findet es schade, dass Mitbürger auf die Schlagzeilen einer reißerischen Boulevardpresse hereinfallen.
Als Jogger, der seine abendliche Runde trainiert, hat er sich eine gute Tarnung ausgedacht, er umrundet unbeobachtet das Areal. An der Südseite des Areals jumpt er über den Stacheldrahtzaun und verschwindet unerkannt im nahen Wald. Mittels seines GPS-Gerätes nähert er sich an den möglichen Bunker heran. Dann hat er gefunden, was er sucht, den alten Sprengplatz der Pioniere, die hier in früheren Zeiten stationiert waren. Eine alte Betonwand steht dort, wie ein vergessenes Fragment der Pioniere, zugewachsen in der Landschaft herum.
Adelhard untersucht die Wand, reißt das Lianen ähnliche Gestrüpp vom Mauerwerk und untersucht den Sockel der Rest-Wand. An einem verlassenen Fuchsbau wird er fündig.
Hier stand nach den alten Plänen eine Betonwand wie ein Schutzschild vor dem Zugang zu einem der Bunkeranlagen.
Damals war die versteckte Öffnung als Fluchtmöglichkeit für die Soldaten geplant.
Adelhard speichert die GPS-Daten in seinem Gerät ab und begibt sich auf den Heimweg. In seinem Haus in Ottenbeck überträgt er sämtliche Daten in die alte Karte. Er verschließt das Kartenmaterial und seine Notizen im Wohnzimmer in einem Wandtresor. Nachdem er einen Kunstdruck von Emil Nolde vor den Safe gehängt hat, verlässt er die Wohnung und fährt zurück nach Emden.
Am nächsten Morgen, Adelhard hat zwei Stunden an seinem Schreibtisch gearbeitet, macht er sich auf zu seinem Psychologen. Adelhard ist für heute um elf Uhr angemeldet, sein Professor zeigt ihm heute einige Therapiemöglichkeiten auf.
Die Empfangsdame geleitet Adelhard Meents nach seiner Ankunft direkt bis in den Therapieraum des Professors. Nach einer knappen Begrüßung kommt Professor Hoff gleich auf den Punkt.
«Lieber Heer Meents, nach den umfangreichen Vorgesprächen und Untersuchungen, bin ich nach ausführlicher Analyse mit einem Team aus renommierten Psychotherapeuten und Medizinern, zu folgendem Ergebnis gekommen.»
Der Professor weist auf den bequemen Therapiesessel und bittet Adelhard Meents, sich zu setzen.
«Sie selbst haben ja von Wahnvorstellungen gesprochen. Bei uns Therapeuten in der Psychiatrie zählt der Wahn, wie Sie es nennen, im psychopathologischen Befund zu den inhaltlichen Denkstörungen. Der Wahn an sich ist eine die Lebensführung behindernde Überzeugung, an welcher die betroffenen Patienten trotz der Unvereinbarkeit mit den Normen der Gesellschaft unbeirrt festhalten. Dies kann die Urteilsfähigkeit stark beeinträchtigen», erklärt der Professor, «ich kann Sie, was den Wahn betrifft beruhigen, bei Ihnen handelt es sich nach hoher Wahrscheinlichkeit um eine Ich-Dystonie. Das von Ihnen beschriebene Zwangsdenken oder Zwangsgedanken hat, nichts mit Wahn zutun. Da Sie sich bewusst sind, dass Ihre sich aufdrängenden Gedanken und Handlungen nicht der Normalität entsprechen.»
Adelhard atmet auf, er hatte gedacht, dass er, ob der Gedanken und Handlungen, dem Wahn nahe ist.
«Die Ich-Dystonie bedeutet in Ihrem besonderen Fall, dass Sie Ihre Gedanken und Gemütserregungen als nicht zu Ihrem ich gehörend erleben. Das kann, wie beschrieben, Panikattacken auslösen, Ihr tun, erleben Sie fremd und verstörend.
Nach möglichem Wirken, wie auch immer, sehen Sie das nicht wie ein Bestandteil der eigenen Persönlichkeit an. Sie schauen praktisch von draußen drauf. Mit dem Wissen, dass das falsch ist, was Sie tun. Erkennen Sie jedoch nicht, dass es Ihr Wirken ist, das Sie wahrnehmen.»
Professor Hoff gibt sich alle Mühe, Adelhard die psychische Störung verständlich nahe zu bringen. Adelhard Meents nickt verstehend, obwohl so richtig hat er das nicht begriffen.
«Werden Sie das den bei mir therapieren, oder muss ich ständig mit dem Druck leben, dass da eine Aufgabe auf mich wartet?», fragt Adelhard den Professor.
«Nein, nein da können wir was bewirken, zuerst stellen wir Sie medikamentös ein, um im weiteren Verlauf mit psychologischer Betreuung in Anwendung von Gesprächstherapien den Knoten zu lösen. Sie lachen später über diese Störung.»
Adelhard Meents ist zufrieden, mit dem gehörten. Der Druck seine Großeltern zu rächen wird nicht mehr sein Denken bestimmen. Dass es noch ein langer Weg sein wird, nimmt er hin. Er verabschiedet sich voller Hoffnung auf ein gutes Ende, von Professor Hoff.
Mit einem Lächeln steigt er in seinen Wagen und fährt zurück ins Büro, um die Fischfabrik weiter voranzubringen. Seiner Mutter, die am Nachmittag kurz vorbeischaut, erzählt Adelhard nichts von seinem Besuch beim Therapeuten. Keiner in der Familie ahnt von dem Bösen, dass in ihm schlummert, und so soll es bleiben.
«Ich fahre demnächst wieder nach Hamburg zu meinen Bekannten vom Studium, wir machen einen Segeltörn, ca. eine Woche bin ich weg. Kannst du da hier ab und an nach dem Rechten sehen?», benachrichtigt er seine Mutter.
Nicht, dass er das muss, er ist hier der Chef.
Seine Mutter will er dennoch mit einbinden, um ihr das Gefühl dazuzugehören, nicht zu nehmen.
«Der Betriebsleiter weiß über alles Bescheid, ist nur, dass mal jemand nachschaut», führt er seine Bitte aus.
«Du und Segeln? Kannst du das denn?», seine Mutter schaut ihn skeptisch an.
«Nö kann ich nicht, ich kann es ja lernen, da bietet sich so ein Törn an.» Die Mutter schüttelt den Kopf.
«Du weißt, dass du nicht mehr zwanzig bist und einen Haufen Verantwortung hast?», schimpft sie ihren Sohn, grinst dabei, weiß sie doch, wie aufopfernd der Job in der Fischfabrik ist.
Da gönnt sie ihrem Sohn den Segeltörn von ganzem Herzen.
Dass das eine Lüge ist, kann sie ja nicht wissen.
Adelhard hat die nächsten Tage viel zu tun, er beschafft sich das nötige Equipment für die Erkundung des Stader Bunkers sowie Materialien, um dort Strom und Wasser zu verlegen. Er hat einen immensen Plan und ist sich sicher, dass er den auch umsetzen wird, egal wie schwer es ist. Das Material lässt er sich direkt nach Stade liefern, der Liefertermin ist so geplant, dass er die Materialien persönlich empfangen kann.
Adelhard kauft einen gebrauchten Lieferwagen, einen Transporter mit geschlossenem Laderaum. Die Finanzierung all dieser Geschäfte tätigt Adelhard über ein Auslandskonto, welches er aus steuerlichen Gründen angelegt hat. Das Konto war seit Jahren nicht mehr aktiv, da er sich, als es der Firma wieder gut ging, von der Illegalität des Kontos lossagte. Nun kann er das Geld gut gebrauchen.
Seine Mitarbeiter im Betrieb ahnen nicht, dass ihr Chef ein zweites Ich hat, für sie ist er der immer ansprechbare, zuvorkommende und faire Eigentümer, der den Laden nach der fast Pleite wieder in Schwung gebracht hat. Sie verdienen hier gutes Geld und beklagen sich nicht. Der ein oder andere hatte mal eine Begegnung mit dem Chef, wo der ausrastete, da das nicht oft vorkommt und in den Augen der Arbeiter, meist berechtigt ist, sieht man darüber hinweg. Bei der Betriebsgröße geht eine Menge unter und nicht jeder bekommt alles mit.
Einzelne enge Mitarbeiter in der Verwaltung der Fischfabrik sorgen sich wegen der cholerischen Ausfälle ihres Chefs.
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Zwei Wochen zuvor. Bauamt Stade, Hartmut Münch brütet über einen Bauantrag für ein Carport im Stadtteil Ottenbeck.
Das war kein normaler Autounterstand mit den üblichen DIN-Maßen, hier ist alles ein Tacken größer und länger. Nach eingehender Überlegung entschließt sich Hartmut Münch, das Ganze vor Ort zu besichtigen. Gesagt gehandelt, denkt er und ist zügig in seinem bescheidenen Dienstwagen unterwegs. Bei besagter Adresse war niemand zuhause, was Herrn Münch nicht davon abhält vor Ort alles einzumessen. Da die Abstände zu den Nachbargrundstücken ok sind, entscheidet er, den Bau des merkwürdigen Carports zu genehmigen. Ihm ist es egal, dass der Bauherr sich einen Abstellplatz direkt vor die Eingangstür baut.
Im Büro zurück, stellt er gleich die Baugenehmigung aus und gibt diese in die Post. Herr Adelhard Meents, der Bauherr, hatte dringend getan und wird mit der Bearbeitungszeit von zwei Wochen zufrieden sein.
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Eine Woche später rücken in Ottenbeck die Handwerker an. Adelhard, der vor Ort ist, koordiniert den Einsatz der verschiedenen Gewerke. Ein Trupp aus Maurern und Betonbauern schafft einen Außen-Zugang zum Keller des alten Kasernengebäudes. Ein anderer Trupp aus Bargstedt bereitet die Fundamente für den Carport vor. Wieder andere pflastern den kompletten Vorplatz des Hauses und bereiten die Fundamente für die Zaunanlage vor. In einer Woche muss alles fertig sein.
Während die Bautrupps fleißig ihren Tätigkeiten nachgehen, brütet Adelhard über seinem Kartenmaterial. Heute Nacht startet er eine kleine Erkundung, er hat dafür alles Notwendige in seinem Rucksack verpackt, Verpflegung und ein Getränk fehlt noch. Adelhard brüht sich einen starken Tee auf, den er mit reichlich Zucker und etwas Sahne in eine Thermosflasche gibt und in einer Seitentasche des Rucksacks verstaut. Wie alles vorbereitet ist, wartet er auf den Feierabend seiner Handwerker, die ordentlich Fortschritte machen.
Als es dämmert, macht er sich auf den Weg zum ehemaligen Standortübungsplatz. Er hatte am Morgen bei seiner Joggingrunde gesehen, dass sich die Gallowayherde genau in dem Gebiet, das er erkunden will, angesiedelt hat.
In der Dämmerung hört er das Schnaufen der Herde in seiner Nähe, Adelhard hat enormen Respekt vor den hornlosen Rindviechern, weiß aber mit ihnen umzugehen.
Nach kurzer Suche hat er die alte Betonmauer wiedergefunden. Mit einer Klappschaufel erweitert er den gefundenen Zugang so weit, dass er hindurchschlüpfen kann.
Er befestigt eine Art Faltleiter am Einstieg und steigt hinab.
Unten, eineinhalb Meter unter der Erde, schaltet Adelhard die Kopfleuchte ein und sieht sich um. Ein langer unterirdischer Gang, der mit allerlei Unrat verstellt ist, liegt zu seiner Linken.
Adelhard verräumt das, was im Weg steht an die Seite und folgt in gebückter Haltung dem Gang ca. 75m. Er kann nur nach rechts weiter, geradeaus war der Zugang gesprengt worden und verschüttet.
Adelhard zeichnet seinen Weg akribisch mit Bleistift in die mitgeführte Karte ein, sein GPS-Gerät nutzt er hier unten nichts, da er hier keinen Empfang zu den Satelliten hat. Er kommt nur langsam voran, oft steht was im Wege herum, dass er wegräumt. An einem Abzweig hat er den Hauptgang erreicht, der in den Ausmaßen größer ist. Ebenso war es in der alten Karte verzeichnet.
Adelhard folgt inzwischen im aufrechten Gang dem Hauptgang 250 Meter, er muss sich schon weit unter dem alten Kasernengelände befinden, gemäß seinem Plan befindet sich hier der Abzweig zur eigentlichen Bunkeranlage. Adelhard leuchtet mit einer mitgebrachten Taschenlampe sorgfältig die Wände ab. Tatsächlich findet er nach einer Weile den Zugang.
Dieser war nach dem Krieg zugemauert worden. Man hat den alten Eingang mit einem Kreuzzeichen in roter Farbe versehen, sodass Adelhard deutlich erkennt, wo er sein Stemmeisen,