Ruby Recked
Don’t Wanna Trust You
© 2020 Written Dreams Verlag
Herzogweg 21
31275 Lehrte
kontakt@writtendreams-verlag.de
www.writtendreams-verlag.de
© Covergestaltung: Sabrina Dahlenburg
ISBN ebook: 978-3-96204-470-1
Sämtliche Personen in diesem Roman sind frei erfunden. Dieses Buch darf weder auszugsweise noch vollständig per E-Mail, Fotokopie, Fax oder jegliches anderes Kommunikationsmittel ohne die ausdrückliche Genehmigung des Verlags weitergegeben werden.
Für Yvonne
Du bist der einzige Mensch in meinem Privatleben, der akzeptiert, wie wichtig die Eichhörnchen und Truthähne für mich sind und sein sollten. Ich bin dir sehr dankbar für dein Verständnis, deine Professionalität und deine Freundschaft. <3
Anna
„Ich bin schon so aufgeregt!“, band mir meine Kollegin Cathy auf die Nase, während wir uns auf dem Weg zu Mr. Callaghan befanden. „Eigentlich müsste er uns beide befördern!“
„Genau“, stimmte ich so freundlich wie möglich zu und verdrehte innerlich die Augen über diese hohle Frucht. Wir hatten zeitgleich bei Callaghan & Co. angefangen, einem renommierten Maklerbüro in Charlotte. Wie sie auf die Idee kam, dass ihr die anstehende Beförderung zustehen könnte, war mir schleierhaft. Allein im letzten Quartal hatte ich doppelt so viele Häuser an den Mann oder die Frau gebracht. Außerdem besaß ich fünf Jahre mehr Berufserfahrung als dieses College-Küken, das gerade erst seinen Abschluss gemacht hatte. Das Einzige, womit die wasserstoffblonde Barbie glänzte, waren tiefe Ausschnitte und kurze Röcke. Verkaufen konnte sie nicht, hielt sich dafür aber für die Expertin schlechthin.
„Ms. Mendoza, Ms. Jarvis, schön, Sie zu sehen”, begrüßte uns der Seniorchef mit aufgesetzter Fröhlichkeit, als wir sein Büro betraten. Bevor wir auf den beiden Stühlen vor seinem massiven Mahagoni-Schreibtisch Platz nehmen konnten, stand er auf und kam auf uns zu. „Ich habe mir erlaubt, etwas vorzubereiten. Bitte folgen Sie mir.“
Zielstrebig steuerten wir das Eckbüro am anderen Ende des Ganges an, in dem bis vor zwei Wochen Doug Sanders gesessen hatte. Inzwischen hatte er sich allerdings in den wohlverdienten Ruhestand verabschiedet.
Cathy war so hibbelig, dass ihre Nervosität beinahe auf mich abgefärbt hätte. Ich staunte nicht schlecht, als Mr. Callaghan die Tür öffnete und ich sah, was aus Dougs altem Arbeitsplatz geworden war. Wo vor Kurzem noch ein grauer, muffiger Teppich gelegen hatte, befand sich nun ein dunkler Holzfußboden. Die Wände hatten einen neuen Anstrich bekommen und die Möbel wirkten zeitgleich edel und doch einladend gemütlich. Nur eine persönliche Note fehlte, aber das könnte ich nächste Woche direkt ändern.
Hier würde ich mich in Zukunft sicher wohlfühlen. Ich konnte es kaum erwarten, endlich das winzige Zimmerchen, das ich mir mit Cathy teilen musste, zu verlassen, um hier zu arbeiten.
Auf dem Schreibtisch stand ein Tablett mit drei Sektgläsern bereit, die Mr. Callaghan nun an uns verteilte. Nachdem jeder von uns ein Getränk in seiner Hand hielt, lehnte sich unser Chef mit dem Hintern gegen die Tischkante und griff neben sich, um ein Tuch, das dort etwas verdeckte, anzuheben. Zum Vorschein kam ein Namensschild und mich traf fast der Schlag, als ich die Aufschrift erkannte.
C. Jarvis
Das durfte nicht wahr sein. Was zum Teufel war hier los? Sollte das ein schlechter Scherz sein und wir wurden von einer versteckten Kamera aufgezeichnet? Gab es neuerdings einen Prank-Tuesday, von dem mir niemand erzählt hatte, damit mein Schock noch größer war?
„Herzlichen Glückwunsch, Ms. Jarvis“, hörte ich die Stimme meines Vorgesetzten, der meiner dämlichen Kollegin zugleich die Hand reichte. „Das haben Sie sich redlich verdient.“
Ich hatte das Gefühl, die Wut würde langsam an meinen Armen hinaufkriechen. Am liebsten hätte ich laut losgelacht oder Mr. Callaghan gefragt, ob er den Verstand verloren hatte. Allerdings tat ich nichts von beidem, sondern stürzte mein Glas Sekt auf Ex herunter. Das war sicher nicht die feine Art, aber immer noch besser, als einen touretteartigen Anfall zu bekommen.
Als Cathy mich umarmte, quiekte sie mir vor Freude ins Ohr. Anstatt sie von mir zu stoßen, wie es mein Reflex verlangte, erwiderte ich die Umarmung knapp und wünschte ihr so freundlich wie möglich alles Gute.
„Anna, ich freue mich so! Das kannst du dir gar nicht vorstellen!“, verkündete sie, nachdem wir uns zwei Schritte voneinander entfernt hatten. „Du kannst mich hier jederzeit besuchen kommen, wenn dir im alten Büro die Decke auf den Kopf fällt.“
Nur über meine Leiche!
„Apropos altes Büro: Ich sollte langsam zurückgehen. Mr. Freeman wartet noch auf einen Rückruf von mir. Es wäre unhöflich, ihn warten zu lassen“, log ich, um mich möglichst schnell aus dem Staub zu machen.
„Glauben Sie, dass Freeman das Snyder-Anwesen kaufen wird?“, erkundigte sich mein Boss.
„Das werde ich nun klären“, schwindelte ich weiter. Den Deal hatte ich schon heute Morgen eingetütet, doch das musste er jetzt nicht erfahren. Es galt schließlich, meine Ausrede aufrecht zu erhalten.
„Wenn Sie es schaffen, bekommen sie fünf Tage Sonderurlaub als Bonus“, bot er direkt an. Normalerweise war er nicht so großzügig, aber womöglich besaß er tief in seinem Inneren ein schlechtes Gewissen, weil er die Falsche befördert hatte.
Die zusätzlichen Urlaubstage hatte ich nach diesem Fiasko bitter nötig, wobei mir ein angemessener Raum und eine entsprechende Bezahlung tausend Mal lieber gewesen wären. Mit einem „Danke, Mr. Callaghan“, verabschiedete ich mich aus Cathys Büro.
Ich hatte gerade den ersten Schritt in den Flur gesetzt, als mein Chef erneut das Wort ergriff: „Yvette und ich haben uns sehr gefreut, als Chad Sie letzte Woche mit zu uns gebracht hat, Cathy. Meinen Sie, wir können auf eine Wiederholung hoffen?“
Jetzt wurde mir klar, woher der Wind wehte. Cathy ließ sich vom Sohn unseres Vorgesetzten vögeln. Zumindest ging ich davon aus, dass dieser Kotzbrocken keine beliebige Bekannte mit zu seinen Eltern nach Hause nahm.
Chad Callaghan war der Prototyp eines aalglatten Schmierlappens. Monatelang hatte er versucht, bei mir zu landen, doch ich hatte ihn immer wieder abblitzen lassen. Er war mir zu klein und zu schmächtig. Seine Frisur sah aus, als würde er die achtziger Jahre wiederaufleben lassen wollen und seine Nase schien dauerhaft verstopft zu sein.
Neben all den oberflächlichen Merkmalen war in mehreren aufgedrängten Gesprächen durchgeschienen, dass es sich bei ihm um ein homophobes, rassistisches Arschloch handelte.
Als hätten all diese Punkte nicht bereits ausgereicht, um ihn als Partner auszuschließen, war er nun mal der Sohn des Bosses, was für mich seit meiner letzten Beziehung das No-Go Nummer eins darstellte.
Genau so eine unglückliche Konstellation hatte mich hier landen lassen, in einem winzigen, schäbigen Büro, mit einer Bezahlung, die schon für Neulinge als unterirdisch schlecht bezeichnet werden konnte.
Man hatte mir gesagt, dass die Aufstiegschancen in diesem Unternehmen hervorragend seien, nur deshalb war ich bereit gewesen, mich auf die Konditionen einzulassen. Dass man für die Beförderung allerdings die Beine für den Junior breitmachen musste, hatte man natürlich verschwiegen.
Frustriert betrat ich meine Arbeitsabstellkammer und ließ mich auf meinen Stuhl fallen. Nachdem ich mehrfach tief durchgeatmet hatte, schrieb ich Mr. Callaghan eine Mail, in der ich ihm alle Details zum Freeman-Deal schickte. Zeitgleich teilte ich ihm mit, dass ich den Sonderurlaub, wenn möglich, schon in der kommenden Woche nehmen wollte. Ich musste einfach hier raus und etwas anderes sehen.
Einem Impuls folgend holte ich mein Handy aus der Tasche und suchte günstige Flüge nach Los Angeles heraus. Mein Bruder Luke, der dort in einem Strandhaus lebte, würde mir bestimmt ein paar Tage sein Gästezimmer überlassen. Das war eine Eigenschaft, die ich besonders an ihm liebte. Wenn man Hilfe brauchte, war er sofort zur Stelle.
Ich nahm mir vor, ihn am Wochenende anzurufen und auf meinen Besuch vorzubereiten. Seit wir uns das letzte Mal gesehen hatten, waren inzwischen rund zwei Monate vergangen, was für meinen Geschmack viel zu lang her war.
Außerdem hatte Luke seit ein paar Wochen eine Freundin, die ich gerne kennenlernen wollte. Mein Zwillingsbruder hatte Beziehungen bisher kategorisch ausgeschlossen und wehrte sich jetzt noch mit Händen und Füßen dagegen, sein Arrangement mit der Kleinen so zu nennen. Dabei traf er sich regelmäßig mit einem Mädchen, war ihr treu und schwärmte in den höchsten Tönen von ihr. Er nannte sie sogar seine Lexi, was ich ziemlich süß fand.
Nun interessierte mich brennend, wie sie es geschafft hatte, meinen Bruder zu zähmen, obwohl sie gerade einmal zwanzig und somit sieben Jahre jünger war als Luke und ich.
Manchmal kam es mir vor, als würde ich zum alten Eisen gehören. Mein Ex hatte mich gegen die Praktikantin ausgetauscht, Cathy hatte die Beförderung abgestaubt, die mir gehört hätte und jetzt gab auch noch Luke sein ewiges Junggesellenleben für so ein Küken auf.
Kaum hatte ich es gedacht, ärgerte ich mich über mich selbst, schließlich konnte Lexi nichts für meine aktuelle Situation. Sie machte Luke glücklich und das war alles, was für mich zählte.
Nur, weil mein Privat- und Berufsleben gerade nicht ganz rund liefen, war das kein Grund, den Kopf in den Sand zu stecken. Ich hatte durchaus meine Reize und Fähigkeiten und musste nur jemanden finden, der sie zu schätzen wusste.
Anna
Anderthalb Wochen später betrat ich den Ankunftsbereich des LAX. Es dauerte nicht lange, bis ich Luke und seine Lexi entdeckte und ich konnte nichts gegen das Lächeln tun, das wie von selbst auf meinem Gesicht erschien.
Mit flinken Schritten ging ich zu den beiden hinüber und warf mich förmlich in die Arme meines Bruders. „Lucky Luke“, begrüßte ich ihn mit seinem verhassten Spitznamen, um ihn zu ärgern. „Es tut so gut, dich zu sehen!“
Er erwiderte meine Umarmung. „Gleichfalls, Anna Banana!“ Er war der Einzige, der mich so nennen durfte, denn ich konnte meinen Kosenamen ebenfalls nicht leiden.
Ich löste mich von ihm und betrachtete seine Begleitung einen Moment. Sie war klein und zierlich, mit einem hübschen Gesicht und sah aus wie eine jüngere Version ihrer Cousine Melissa, die mit Lukes bestem Freund Travis verheiratet war. Etwas eingeschüchtert blickte sie zu mir auf.
„Du musst Lexi sein“, stellte ich fest und versuchte dabei, so freundlich wie möglich zu klingen. „Es freut mich, dich kennenzulernen.“
„Mich auch.“ Zögerlich bot sie mir ihre Hand an, doch anstatt sie zu ergreifen, umarmte ich sie einfach. Schließlich sollte sie keine Angst vor mir haben. Sie tat meinem Bruder gut und machte ihn glücklich. Allein aus diesem Grund hatte sie bereits einen Stein bei mir im Brett.
„Sei nicht so förmlich, dann fühle ich mich alt“, scherzte ich, obwohl ich immer noch an meiner nicht bekommenen Beförderung zu knabbern hatte. Allerdings war mir bewusst, dass ich Lexi nicht mit Cathy über einen Kamm scheren durfte. Das wäre ihr gegenüber unfair.
Wir verließen den Flughafen und Luke lud uns zum Essen ein. Er hatte ein mexikanisches Restaurant ausgewählt, vermutlich weil er wusste, dass ich diese Küche liebte.
Die beiden wirkten wirklich süß und harmonisch miteinander. So ausgeglichen und geerdet hatte ich meinen Bruder noch nie erlebt. Lexi taute bereits nach kurzer Zeit auf und erzählte ein bisschen von sich. Sie hatte vor ein paar Monaten ihren Schulabschluss in Deutschland gemacht und arbeitete nun für ein Jahr als Nanny bei Travis’ Dad, der inzwischen auch für Luke zu einer Art Vater geworden war. Zu unserer Familie hatte mein Bruder den Kontakt schon vor Ewigkeiten abgebrochen.
„Morgen Nachmittag haben wir ein Shooting“, informierte uns Luke, nachdem wir unsere Bestellungen aufgegeben hatten. Eigentlich verdiente er sein Geld als Architekt, doch nebenbei modelte er bei den Shirtless Guys. Dabei handelte es sich um eine Gruppe von bis zu elf Männern, die sich, wie der Name bereits sagte, oben ohne ablichten ließen und damit ziemlich erfolgreich in den sozialen Medien unterwegs waren. Und das völlig zu Recht. Einer von ihnen war heißer als der andere. Ich hoffte, dass ich Luke begleiten konnte, um dieses Eye-Candy live und in Farbe zu begutachten. „Die Jungs und ich haben eigentlich die Absprache, keine Frauen mitzubringen, aber ich denke, wir machen einfach eine Ausnahme. Meine Schwester ist schließlich nicht alle Tage in der Stadt und wenn Shawna übermorgen eine ganze Woche verreist, sehe ich dich viel zu selten“, wandte Luke sich an Lexi, legte einen Arm um ihre Schultern, zog sie an sich und drückte ihr einen Kuss auf den Scheitel.
Diese Geste war so liebevoll, dass ich sowohl lächeln als auch den Kopf schütteln musste. Ich freute mich riesig für Luke, wurde aber ein bisschen wehmütig. Es war gar nicht so lange her, dass ich steif und fest behauptet hatte, Männer könnten mir gestohlen bleiben. Mein Plan für die nächste Zeit sah vor, mit den Kerlen nur noch Spaß zu haben und sie nicht mehr zu nah an mich heranzulassen. Offenbar lebte die kleine, hoffnungsvolle Romantikerin, die auf die große Liebe setzte, jedoch weiterhin in mir.
„Was ist?“, wollte Luke wissen.
„Ihr seid süß zusammen. Das ist alles“, erwiderte ich und wechselte prompt das Thema, um ihn nicht an meinem Zwiespalt teilhaben zu lassen. „Gehen wir heute Abend aus?“, fragte ich meinen Bruder, denn dafür war ich schließlich angereist. Ich wollte Spaß haben und den Kopf frei bekommen.
Lukes Augen leuchteten auf, ein Grinsen erschien auf seinem Gesicht und ich wusste, dass ich ihn am Haken hatte. Wenn ich ihn in den letzten Jahren besucht hatte, waren wir immer zusammen feiern gewesen. Das war unser Ritual. Als er ansetzte, mir zu antworten, stockte er jedoch und sah zunächst Lexi an. „Wäre das okay für dich?“
Ich fand es schön, dass er ihre Bedürfnisse über seine stellte, hoffte aber auch, dass sie ihn weder an der kurzen Leine hielt, noch einen Aufstand probte, weil sie nicht mitkommen durfte. Zu viele Einschränkungen würden Luke abschrecken und er würde früher oder später Reißaus nehmen, dessen war ich mir sicher.
„Natürlich wäre das für mich okay“, antwortete sie sofort und klang ehrlich dabei. „Ich frage einfach Melissa, ob sie Lust auf einen Mädels-Abend hat“, fügte sie hinzu. „Travis kommt doch erst morgen Mittag aus Vancouver zurück, oder?“
„Danke Shorty, du bist die Beste!“ Luke beugte sich zu ihr und küsste sie. Jedoch war es kein kurzer Schmatzer, sondern sie begannen, ausgiebig zu knutschen.
Die beiden schienen völlig auszublenden, dass sie nicht allein waren. Es gab ja nicht nur mich, das Restaurant war gut besucht, deshalb räusperte ich mich lautstark, was sie auseinanderfahren ließ. „Meine Güte“, stieß ich bewusst theatralisch aus. „Seid ihr sicher, dass ihr euch für einen Abend trennen könnt?“
„Bist du etwa neidisch, Schwesterherz?“, erkundigte sich Luke mit neckendem Unterton.
„Ehrlich gesagt: Ja“, gab ich zu, was meinen Bruder zum Lachen brachte.
Unser Nachmittag verlief total entspannt. Es tat mir gut, mit den beiden über Gott und die Welt zu quatschen. Lexi wirkte sehr sympathisch und unkompliziert auf mich, was mich wiederum für meinen Bruder freute.
Gegen Abend setzten wir sie bei Melissa ab und fuhren zu Luke, um uns für unsere Partynacht fertigzumachen.
Zum Glück fand das Shooting erst am Nachmittag des nächsten Tages statt, denn Luke und ich waren lang unterwegs gewesen und dementsprechend spät ins Bett gekommen. Es war ein schöner Abend, wenn auch ganz anders als sonst. Luke, der normalerweise nie etwas anbrennen ließ, hatte die Frauen im Club nicht einmal angesehen. Daraufhin hatte ich ihn wiederholt auf seine Freundin angesprochen. Je öfter er seinen Beziehungsstatus dementiert hatte, desto mehr Spaß hatte es mir gemacht, ihn damit aufzuziehen.
Nach einem ausgiebigen Frühstück mit Lukes Spezial-Pancakes machten wir uns auf den Weg, um Lexi einzusammeln und schließlich zur Location für das Shooting zu fahren.
Luke zeigte uns auf dem verlassenen Fabrikgelände einen Platz, an dem Lexi und ich mehr oder minder bequem sitzen und alles im Blick haben konnten. Genau genommen handelte es sich um eine kleine Mauer. Hätte ich gewusst, dass es hier keine Stühle gab, wäre meine Kleiderwahl deutlich legerer ausgefallen, aber nun blieb mir nichts anderes übrig, als mein Minikleid zu rocken. Sobald mein Bruder sicher war, dass es uns gut ging, joggte er zu ein paar seiner Kollegen herüber, die neben einer Feuertonne standen.
Automatisch folgte ich ihm mit meinem Blick und mir stockte der Atem, als ich Cooper Jackson erkannte. Auf zahlreichen Fotos hatte ich ihn bereits bewundert, doch in echt war seine Wirkung auf mich viel intensiver. Er war riesig, annähernd zwei Meter groß und vollbepackt mit Muskeln. Dazu trug er einen Gesichtsausdruck zur Schau, der einigen vermutlich Angst einjagte, aber ich fand ihn einfach nur scharf.
Die grimmige Miene, die braunen Haare sowie die braunen Augen, die so dunkel waren, dass sie beinahe schwarz wirkten, ließen ihn Gefahr ausstrahlen und pure Männlichkeit. Ein Kerl genau nach meinem Geschmack.
Während mein Bruder den anderen half, ein Feuer in der Tonne zu entfachen, fixierte Cooper mich. Je länger er mich betrachtete, desto heißer wurde mir, denn ich konnte seine durchdringenden Blicke fast auf meiner Haut spüren. Wow, so extrem hatte mein Körper noch nie auf einen Mann reagiert, jedenfalls nicht in einer so unverfänglichen Situation.
Vielleicht könnte ich ihn dazu bringen, mich im Anschluss an das Shooting mit zu sich nach Hause zu nehmen, um herauszufinden, wie sich seine Berührungen in echt anfühlten. Mein letzter One-Night-Stand war zwar ewig her, aber das verlernte man schließlich nicht.
Ich schenkte ihm ein Lächeln, von dem ich hoffte, dass es anziehend wirkte, als Travis plötzlich zu uns herüberkam.
Er begrüßte zunächst Lexi und dann mich mit je zwei Wangenküsschen. „Hey Anna, schön dich zu sehen.“
„Hi Trav“, erwiderte ich freundlich, denn ich freute mich, ihn zu treffen, obwohl der Zeitpunkt ungünstig war. Schließlich stand er jetzt genau im Weg. „Herzlichen Glückwunsch zur Hochzeit und alles Gute für die Zukunft!“
„Danke. Wie geht es dir? Ich habe von der Sache mit Sebastian gehört. Tut mir leid für dich.“
Mit dieser Frage verpasste er meiner Stimmung einen kleinen Dämpfer, da ich automatisch an diese Farce erinnert wurde. Ich beschloss jedoch, den negativen Gedanken keine allzu große Bedeutung zukommen zu lassen.
„Schon gut“, winkte ich ab. „Ich versuche, nach vorne zu schauen.“
Genau genommen auf Cooper.
Cooper
Als Luke mit den beiden Frauen aus seinem Auto gestiegen war, hatte ich mich zunächst darüber gewundert, dass er sich nicht an die Regeln hielt. Schließlich war er es gewesen, der sie damals aufgestellt hatte. Das war mir jedoch ab dem Zeitpunkt egal, als ich seine Begleiterinnen genauer unter die Lupe nahm.
Die eine konnte kaum älter sein als meine kleine Schwester Collins und kam mir irgendwie bekannt vor. Sie war zwar ganz süß, aber definitiv zu jung für mich.
An der anderen hingegen konnte ich mich gar nicht sattsehen. Ihr Kleid schmiegte sich perfekt an ihre sexy Kurven und setzte diese eindrucksvoll in Szene. Dazu trug sie Heels, die einigen Frauen Probleme bereitet hätten, doch ihr Gang hatte nicht eine Sekunde unsicher gewirkt. Was mich am meisten faszinierte, war allerdings ihr Gesicht. Die Augen hatte sie gekonnt dunkel geschminkt und auch die sinnlichen Lippen wurden von einem satten Rot betont. Ihr schwarzes Haar fiel ihr in großen Wellen über den Rücken und reichte bis zu ihrer Taille.
Während ich sie anstarrte, schossen tausend Fragen durch meinen Kopf. Wie fühlte sich ihre Haut an? Wie roch sie? Wie schmeckte sie? Welche Geräusche gab sie von sich, wenn man immer wieder hart in sie stieß?
Hier in L.A. gab es haufenweise scharfe Weiber, aber so eine Wirkung hatte schon ewig keine mehr auf mich gehabt und das war gut so. Ich wollte keinerlei Ablenkung, erst recht nicht in Form einer Frau, die mit Mendoza hier war.
Doch sie schaute mich an, als würde sie genau das wollen, was ich mir gerade ausgemalt hatte. Ein verführerisches Lächeln erschien auf ihrem Gesicht und ließ mich beinahe alle meine guten Vorsätze vergessen. Zum Glück schob sich Travis in dem Moment zwischen uns und versperrte mir die Sicht auf diese Traumfrau.
Während die beiden sich unterhielten, drehte ich mich zu meinen Kumpels, die um die inzwischen lodernde Feuertonne standen.
„Sollen wir uns schon einmal umziehen gehen?“, schlug Danny vor. „Travis hat gesagt, die Uniformen liegen im ersten Raum auf der rechten Seite.“
Das heutige Shooting lief unter dem Motto Feuerwehr und dafür hatte Travis im Vorfeld die passende Kleidung besorgt. Da er die Shirtless Guys einst ins Leben gerufen hatte, kümmerte er sich um fast alles allein, angefangen bei der Organisation, über die Bildbearbeitung, bis hin zum Verkauf. Alle anderen mussten nur anwesend sein und ihren Job tun, indem sie gut aussahen und für die Kamera posierten.
„Soll er sie uns doch selbst zeigen“, murmelte Elijah und rief dann in Travis‘ Richtung: „Hey Anderson! Beehrst du uns auch noch?“
Der Angesprochene, der inzwischen Ferrington hieß, weil er den Nachnamen seiner Frau Melissa angenommen hatte, verabschiedete sich von Lukes Begleiterinnen und machte sich auf den Weg zu uns.
„Genau aus diesem Grund hatten wir die Abmachung geschlossen, dass wir keine Weiber mit ans Set bringen“, moserte Elijah nun Luke an und ich schüttelte innerlich den Kopf. Dieser Kerl war ein überhebliches Arschloch und ich fragte mich nicht zum ersten Mal, wie er es in unsere Gruppe geschafft hatte, ohne direkt wieder hochkant rauszufliegen.
„Reg dich ab, Anklewood“, maulte Mendoza zurück. „Beachte die beiden einfach gar nicht. Sie sind ohnehin tabu für dich, du brauchst meine Schwester also gar nicht erst abchecken.“
Sie war seine Schwester? Damit war sie gerade zum absoluten No-Go geworden, was ein leises Bedauern in mir auslöste, obwohl ich schon vorher beschlossen hatte, die Finger von ihr zu lassen.
„Das gilt für euch alle“, fügte Luke etwas lauter hinzu.
Ein letztes Mal wollte ich sie mir noch ansehen, bevor wir uns an die Arbeit machten. Inzwischen hatten die Frauen die Köpfe zusammengesteckt und unterhielten sich. Die Kleine sah kurz zu Elijah, woraufhin Lukes Schwester ihrem Blick folgte, dann aber in meine Richtung deutete. Zu gerne hätte ich gewusst, was sie über uns sagten. Dass es um uns Typen ging, als die beiden erneut in ein angeregtes Gespräch verfielen, war offensichtlich.
Ich folgte den anderen in das Gebäude und betrat den ersten Raum auf der rechten Seite. Auf einem Tisch standen drei große Kartons bereit. In dem einen befanden sich Hosen von Feuerwehruniformen, im zweiten Arbeitsstiefel und im dritten Helme und Handschuhe. Für obenrum hatte Travis nichts besorgt, aber das wäre für ein Shooting der Shirtless Guys ohnehin kontraproduktiv gewesen.
Während ich mich umzog, fragte ich mich zum wiederholten Mal, was ich hier eigentlich tat. Dieses halbnackte Posieren war die oberflächlichste Scheiße überhaupt und somit etwas, das ich absolut nicht leiden konnte.
Das erste Mal hatte ich mitgemacht, weil ich Travis einen Gefallen geschuldet hatte. Anstatt im Anschluss direkt die Notbremse zu ziehen, hatte ich inzwischen unzählige Shootings über mich ergehen lassen, sodass ich nun fest zum Team gehörte.
Wir wurden zwar an den Einnahmen, die durch den Verkauf von Kalendern und anderen Merchandise-Artikeln herumkamen, beteiligt, aber im Vergleich zu meinem sonstigen Einkommen waren das Peanuts. Ich tat es also nicht für das Geld. Vermutlich eher, um ein bisschen Gesellschaft zu haben und unter Leute zu kommen. Die meisten dieser Typen mochte ich sogar und es machte Spaß, mit ihnen Zeit zu verbringen. Die einzige Ausnahme bildete Elijah.
Nachdem wir uns umgezogen hatten, waren wir gerade auf dem Weg aus dem Gebäude, als ich hörte, wie Luke seinen besten Kumpel ansprach: „Trav, warte mal kurz, ich brauche einen Rat von dir.“ Um den beiden ein bisschen Privatsphäre zu gönnen, spornte ich die anderen an, schneller raus zu gehen.
Draußen erwartete uns schon Sarah, unsere Stylistin. Ihr heutiger Job war es, uns mit Öl zu besprühen und es gleichmäßig auf den Oberkörpern zu verteilen. Anschließend würde sie wohl noch zusätzlich Ruß auf unserer Haut auftragen müssen. Im Normalfall sorgte sie nur dafür, dass man bei uns keine Pickel oder sonstige Hautunreinheiten erkannte. Meiner Meinung nach hätten wir sie nicht unbedingt gebraucht, aber die meisten meiner Kollegen mochten sie und ihre Arbeit, also hielt ich die Klappe.
„Soll ich mit dir anfangen?“, richtete sie sich zuerst an Danny.
„Klar, warum nicht?“, erwiderte er bereitwillig und ließ sich von ihr vorbereiten, was er sichtlich genoss.
Während ich geduldig auf meine Behandlung wartete, schaute ich erneut zu den anderen Frauen, die nach wie vor die Köpfe zusammengesteckt hatten, um zu quatschen. Nur mit Mühe konnte ich verhindern, dass aus meinem kurzen Blick ein ausgewachsenes Starren wurde. Mendozas Schwester sah einfach verboten heiß aus.
Sarah rieb gerade Elijah ein, als Travis und Luke nach draußen kamen. Letzterer griff sich umgehend die Ölflasche und sprühte sich ein, bevor er sie an seinen besten Freund weiterreichte, der es ihm gleichtat.
„Hey, was soll denn das?“, wetterte Sarah. „Ihr wisst genau, dass es ungleichmäßig wird, wenn ihr das selbst macht!“
Sie bewegte sich auf Luke zu und wollte ihre Hände auf seine Brust legen, aber er wich zurück.
„Was ist dein Problem?“, schnauzte sie ihn an.
„Ich möchte nicht von dir befummelt werden, Sarah“, maulte er. „Erst recht nicht, wenn da vorne meine Freundin sitzt und uns zusieht!“
Irritiert schaute ich zu Mendoza, der genauso überrascht über seine eigenen Worte wirkte, wie ich. Noch nie hatte ich ihn mit einer Freundin gesehen oder von einer reden gehört. Er hatte ebenso wenig Interesse an einer Beziehung wie ich, wenn auch aus ganz anderen Gründen. Luke war der Prototyp eines Aufreißers, der nichts anbrennen ließ.
Nun blickte er fast hilflos zu den beiden Frauen und ich tat das Gleiche. Die Kleine sah schockiert aus, während seine Schwester den Daumen hochreckte und sich offensichtlich freute.
„Fangt schon einmal ohne mich an. Ich muss das erst klären“, murmelte er Travis zu und marschierte mit schnellen Schritten zu seinen Begleiterinnen. Dort nahm er die Hand seiner vermeintlichen Freundin und verschwand mit ihr in die Richtung, aus der er vorhin gekommen war.
Während um mich herum die ersten blöden Sprüche fielen, riskierte ich erneut einen Blick zu Lukes Schwester. Sie schaute ebenfalls zu mir und machte mit dem Zeigefinger eine lockende Bewegung, doch ich rührte mich keinen Millimeter. Luke hatte eine klare Ansage erteilt und daran wollte ich mich halten.
Ich erwartete schließlich auch, dass man sich von meiner Schwester fernhielt, wenn ich das verlangte.
Elijah, der neben mir stand, schien das entweder nicht zu interessieren oder er hatte einen Knick in der Optik … vielleicht beides. So oder so begab er sich nun auf den Weg zu ihr.
Als die Traumfrau ihn kommen sah, erhob sie sich und streckte ihm ihre flache Hand abwehrend entgegen. „Stopp, du nicht“, machte sie unmissverständlich klar und ich musste mir aufgrund ihres ablehnenden Tonfalls das Lachen verkneifen. „Ich meinte Cooper.“
Es überraschte mich, dass sie meinen Namen kannte, aber vermutlich verfolgte sie die Arbeit ihres Bruders in den sozialen Medien.
„Schon gut, kein Grund so unhöflich zu sein“, moserte Elijah, drehte sich um und kam nun auf mich zu. Er verdrehte die Augen, legte mir freundschaftlich eine Hand auf die Schulter und flüsterte: „Viel Glück bei dieser arroganten Ziege.“
„Pass auf, was du sagst“, knurrte ich. „Nur, weil sie weiß, wen sie will und wen nicht, heißt das noch lange nicht, dass sie arrogant ist!“ Ich bedachte ihn mit meinem besten bösen Blick, doch der Spinner schüttelte nur mit dem Kopf und ging zurück zu den anderen. Vermutlich wiegte er sich in Sicherheit, da er wusste, dass ich ihm nicht die Fresse polieren würde, wenn gleich die Fotos anstanden.
Unschlüssig sah ich zu Lukes Schwester, die nach wie vor auf mich wartete. Ich wollte den Wunsch meines Kollegen wirklich respektieren, aber die Traumfrau unbeachtet stehen zu lassen, erschien mir mehr als unhöflich. Solange es bei einem Gespräch blieb, konnte selbst Mendoza nichts dagegen sagen. Aus diesem Grund schlenderte ich zu ihr herüber. Bei jedem Schritt wuchs die Vorstellung in mir, dass sie eine Art Sirene sein könnte, die mit ihrem Aussehen Männer anlockte, um sie dann in ihr Verderben zu stürzen.
Bei mir würde sie mit so einem Vorhaben allerdings auf Granit beißen.
Als ich direkt vor ihr stand, erkannte ich, dass ihre Augen die Farbe von flüssigem Karamell hatten. Sie erinnerten mich an die Cookies, die meine Mom früher oft gebacken hatte. Ihr Duft hatte stets das ganze Haus erfüllt und jedes Mal, sobald sie frisch aus dem Ofen gekommen waren, hatte ich mir einen stibitzt und mir im nächsten Augenblick die Zunge an dem köstlichen Kern verbrannt.
Wie immer wenn mich ein Gedanke an die Vergangenheit einholte, schob ich ihn in den hintersten Winkel meines Bewusstseins. Der Schmerz war einfach mehr, als ich ertragen konnte.
Außerdem handelte es sich gerade um den unpassendsten Moment, um an meine Mutter zu denken. Schließlich stand die anziehendste Frau vor mir, die ich seit langem gesehen hatte.
„Hi, ich bin Cooper. Schön, dich kennenzulernen“, stellte ich mich vor und reichte ihr die Hand. Sie zögerte kurz, ehe sie sie ergriff und schüttelte. Ihre Haut war warm und weich und der Neandertaler in mir hätte sie am liebsten zu mir gezogen, um mehr davon zu spüren.
„Hey, ich heiße Anna und es freut mich auch“, antwortete sie, ohne unseren Körperkontakt zu unterbrechen. „Wollen wir uns setzen?“ Sie deutete auf die Mauer, auf der sie sich bereits die gesamte Zeit aufgehalten hatte.
„Gern“, erwiderte ich und ließ Anna los, um mich an der Stelle niederzulassen, die vorhin Lukes Freundin gehört hatte. „Da hat dein Bruder aber eine ganz schöne Bombe platzen lassen. Bisher hatte ich keine Ahnung, dass er überhaupt Interesse an einer Freundin hat“, sagte ich, nachdem sie sich neben mich gesetzt hatte. Luke schien mir ein unverfängliches Thema für ein bisschen Smalltalk zu sein.
„Weil er sich mit Händen und Füßen dagegen wehrt, sie so zu nennen. Dabei sind sie längst zusammen, wenn man mich fragt. Er müsste nur endlich Nägel mit Köpfen machen.“
„Manchen Leuten fällt es aber schwer, ihre Gefühle auszudrücken“, warf ich ein, denn ich hatte den Eindruck, dass sie es sich zu leicht machte. Soweit ich wusste, hatte Luke noch nie eine Beziehung geführt. So etwas konnte einem Angst einjagen, auch, wenn man bereits ein erwachsener Mann war.
„Das schon, doch bei ihm geht es weniger um die Gefühle, als um den Beziehungsstatus. So, wie er über sie spricht, zweifele ich nicht eine Sekunde daran, dass er in sie verliebt ist, aber das steht auf einem anderen Blatt Papier. Mich nervt einfach dieses Rumgeeiere. Wo ist das Problem, jemandem zu sagen, was man von ihm will? Ich zum Beispiel habe kein Problem damit, dir mitzuteilen, dass ich glaube, dass wir beide ein tolles Date haben könnten.“
„Du willst mit mir ausgehen?“, hakte ich nach, weil ich mir nicht sicher war, ob ich sie vielleicht missverstanden hatte.
Anna wiegte den Kopf hin und her. „Nicht ganz“, entgegnete sie. „Wiederhole deine Frage, tausch aber bitte die ersten zwei Wörter gegeneinander aus.“
„Willst du mit mir ausgehen?“ Erst, nachdem ich es ausgesprochen hatte, bemerkte ich, was ich gerade gesagt hatte. Ich musste schmunzeln, weil ich die Art, wie sie mich manipuliert hatte, so faszinierend fand.
Sie tat, als müsste sie darüber nachdenken, bevor sie antwortete: „Das könnte lustig werden. Holst du mich um halb acht bei Luke ab?“
Diese Frau war der Knaller. Wie sollte ich meinem Kumpel erklären, dass sie mich in ihre Falle gelockt hatte? „Was wird dein Bruder dazu sagen?“
Anna zuckte mit den Schultern. „Zum einen lasse ich mir von ihm nichts verbieten, zum anderen hat er gerade ganz andere Prioritäten. Schau mal.“
Mit dem rechten Zeigefinger deutete sie in die Richtung, aus der Luke und seine Freundin Hand in Hand zurückkamen. Sie sahen viel glücklicher aus als zuvor.
Wie Anna eben vermutet hatte, waren die beiden nun offiziell ein Paar. Luke stellte mir seine Freundin Lexi noch kurz vor, bevor wir zu den anderen Shirtless Guys zurückgingen, um endlich mit unserer Arbeit zu beginnen.
Auf dem Weg beichtete ich ihm direkt das anstehende Date. Zu meiner Verwunderung schien es ihn gar nicht zu stören, dass ich heute mit seiner Schwester ausgehen würde.
Anna
„Was hältst du von einem Doppeldate?“, fragte mich Luke, nachdem wir zu dritt bei ihm zu Hause angekommen waren. Er ließ sich auf den Sessel fallen und zog Lexi auf seinen Schoß. „Cooper und du könntet mit uns unsere Beziehung feiern. Das war ein großer Schritt für mich.“
Ich verdrehte die Augen. „Wir können gerne auf euer Glück anstoßen, du Spinner, aber ihr werdet mich sicher nicht begleiten.“
„Ich meine es doch nur gut“, warf er ein. „Vielleicht ist es besser, wenn ich auf dich aufpasse.“
Kopfschüttelnd gab ich ihm zu verstehen, dass daraus nichts wurde. Genau genommen wusste ich gar nicht, woher seine Sorge auf einmal kam. Da Luke selbst bis vor kurzem ein ausschweifendes Leben geführt hatte, war ihm seit Jahren nicht in den Sinn gekommen, mir irgendetwas zu verbieten. Er mochte vieles sein, aber sicher nicht scheinheilig.
„Gibt es einen ernsthaften, guten Grund, der gegen Cooper spricht? Wenn ich in Charlotte bin, kannst du doch auch nicht kontrollieren, mit wem ich ausgehe.“
„Cooper ist okay, soweit ich das einschätzen kann. Leichen dürfte er nicht im Keller haben.“
„Dann steht meinem Date also nichts mehr entgegen“, resümierte ich. „Es ist ja nur dieser eine Abend und vielleicht noch die Nacht.“
Luke atmete tief durch und strich sich mit der Hand durchs Haar. „Tut nichts, was ich nicht auch tun würde.“
„Wenn das so ist, habe ich Narrenfreiheit, cool.“ Mit diesen Worten machte ich mich auf den Weg in das Gästezimmer, um zu duschen und mich für das Date hübsch zu machen.
„Von wegen Narrenfreiheit“, rief Luke mir hinterher. „Ich führe ein sehr spießiges, monogames Leben.“
„Spießig?“, wiederholte Lexi. „Ich wollte dir gerade eine gemeinsame Dusche vorschlagen, um dir das Öl vom Körper zu waschen, aber Spießer gehen wahrscheinlich lieber allein.“
Lukes Antwort verstand ich nicht mehr, da ich in dem Moment mein Zimmer erreichte und darin verschwand.
Nachdem ich mir den Staub des Firmengeländes von der Haut gespült und mich geschminkt hatte, stand ich in ein Handtuch gewickelt vor dem Kleiderschrank und überlegte, was ich anziehen könnte. Die Auswahl war sehr überschaubar und ich hatte keine Ahnung, wohin Cooper mit mir gehen wollte.
Meine Wahl fiel schließlich auf das kleine Schwarze. Damit lag man nie verkehrt und ich würde hoffentlich weder over- noch underdressed sein. Es hatte breite Träger und einen ziemlich tiefen Ausschnitt. Dazu wählte ich eine lange Kette, deren Anhänger zwischen meinen Brüsten verschwand. So würde ihm gar nichts anderes übrigbleiben, als hinzuschauen.
Während ich die passenden Ohrringe heraussuchte und anlegte, hörte ich ein rhythmisches Klopfen und ein verdächtiges Stöhnen aus dem Zimmer über mir. Da ließ offensichtlich jemand den Spießer nicht auf sich sitzen.
Viele Leute reagierten peinlich berührt oder genervt, wenn sie andere beim Sex belauschten, aber mich störte es nicht. Aus diesem Grund nahm ich mir in Ruhe mein Bolero-Jäckchen und packte meine Zahnbürste, ein Kondom und einen frischen Slip in meine Clutch. Ich konnte schließlich nicht wissen, wie und wo der Abend für mich enden würde und wollte vorbereitet sein.
Sollte es in Coopers Bett sein, hätte ich dagegen nichts einzuwenden. Dieser Typ hatte in der halben Feuerwehruniform so heiß ausgesehen, dass es mir schwergefallen war, mich nicht direkt auf seinen Schoß zu setzen, als er zu mir herübergekommen war.
Doch es war nicht nur sein sexy Body, der mich interessierte. Hinzu kam diese düstere Aura, die ihn umgab und seine Stimme. Vor allem die Stimme. Er hatte zwar nicht viel gesagt, aber jedes Mal, wenn er gesprochen hatte, war mir ein heißkalter Schauer über den Rücken gerieselt. So, wie er klang, könnte ich ihm stundenlang zuhören.
Da Cooper in zehn Minuten hier sein wollte, ging ich ins Wohnzimmer, um dort auf ihn zu warten. Sobald ich auf der Couch saß, vernahm ich Schritte auf der Treppe. Es war Luke, der nur ein schwarzes T-Shirt und Sportshorts trug.
„Woah, Anna! Du hast nicht vor, dem Kerl auch nur eine Chance zu lassen, oder?“
„Nope“, erklärte ich überzeugt. „Hast du wirklich nichts dagegen, dass ich mit ihm ausgehe?“
Mein Bruder schüttelte mit dem Kopf. „Zum einen stehen Cooper und ich uns nicht besonders nah, zum anderen wird es sich bei euch wohl um eine einmalige Sache handeln, also wird es kein Drama geben, in das ich mit hineingezogen werden könnte. Meine Ansage heute Mittag galt eigentlich nur Elijah. Mit dem hätte ich ein deutlich größeres Problem gehabt. Dir und Cooper wünsche ich viel Spaß.“
Ich stand vom Sofa auf und umarmte Luke. „Danke.“
Er erwiderte die Geste. „Pass nur gut auf dich auf, okay? Falls irgendetwas sein sollte, ruf mich an. Ich bin für dich da, jederzeit“.
„Das weiß ich. Du bist der Beste.“
„Sowas Ähnliches hat Lexi eben auch gesagt“, scherzte Luke, nachdem wir uns voneinander gelöst hatten, und wackelte mit den Augenbrauen.
Ehe ich etwas antworten konnte, klingelte es. Ich atmete tief durch, da mich ein Anflug von Nervosität überkam. „Wie sehe ich aus?“
„Rattenscharf. Jetzt mach schon auf“, forderte mein Bruder.
So schnell, wie meine Heels mich ließen, eilte ich zur Tür und öffnete sie. Cooper sah umwerfend aus in seinem Outfit. Er hatte sich für eine dunkelblaue Jeans und ein graues Hemd entschieden. Dazu trug er ein schwarzes Jackett, das seine breiten Schultern noch besser zur Geltung brachte.
„Wow!“, kam über meine Lippen, bevor ich es verhindern konnte. „Hi, schön dich zu sehen“, versuchte ich, meinen Fauxpas zu überspielen.
„Das kann ich nur zurückgeben“, raunte er mit dieser Stimme, die meine Knie weich werden ließ. Cooper beugte sich zu mir herunter, legte eine Hand auf meine Hüfte und gab mir zwei Küsse auf die Wange. „Du bist wunderschön“, flüsterte er nah an meinem Ohr und verursachte damit eine Gänsehaut auf meinen Armen. Der Duft seines Aftershaves stieg mir in die Nase und ich konnte mich nicht daran erinnern, ob ein anderer Mann je so gut gerochen hatte. Würzig, herb, männlich.
„Hey Cooper“, rief Luke aus dem Hintergrund.
„Hi Luke“, antwortete mein Begleiter und sah über mich hinweg zu meinem Bruder.
„Wollen wir los?“, schlug ich vor, weil ich eine direkte Konfrontation der beiden vermeiden wollte. Luke hatte mir zwar gesagt, dass er nichts gegen dieses Date hatte, aber er ließ auch keine Gelegenheit aus, um mich zu ärgern.
„Moment noch“, sagte mein Bruder, der plötzlich neben mir stand. Ich drehte meinen Kopf zur Seite und warf ihm einen warnenden Blick zu, da ich ahnte, was er vorhatte.
„Ich verlange, dass ihr euch anständig benehmt!“ Sein Tonfall war so ernst, dass mir seine Tochter, sollte er je eine haben, jetzt schon leidtat. „Um zehn Uhr erwarte ich euch zurück. Seid pünktlich!“
Fassungslos starrte ich ihn an. „Sag mal, geht’s noch?“, blaffte ich. „Ich bin siebenundzwanzig und keine siebzehn mehr!“
„Na gut, dann um elf“, schlug er vor.
Cooper beobachtete uns mit undurchsichtiger Miene. „Hör einfach nicht auf ihn“, wandte ich mich nun an ihn. „Seine Ansagen waren schon in der Highschool wirkungslos.“
Bevor Luke die Situation noch peinlicher machen konnte, schob ich ihn an den Schultern ins Innere des Hauses und zog die Tür hinter mir ins Schloss.
„Du weißt, dass das ein Scherz war, oder?“, vergewisserte ich mich bei Cooper, während wir zu seinem Auto gingen, das er am Straßenrand geparkt hatte.
„Ganz sicher bin ich mir nicht. Große Brüder machen sich nun einmal Sorgen um ihre Schwestern. Vermutlich kann er da nicht aus seiner Haut.“
Cooper öffnete mir die Beifahrertür seines Lexus. Der Wagen wirkte fabrikneu und roch auch so. Der Sitz fühlte sich an, als wäre er extra für mich entworfen worden. So bequem hatte ich in noch keinem Auto gesessen.
„Luke ist übrigens nicht mein großer Bruder. Wir sind Zwillinge“, erklärte ich, nachdem er sich ebenfalls gesetzt und den Motor gestartet hatte.
„Genau wie Corey und Cody, meine jüngeren Geschwister. Die beiden halten zusammen wie Pech und Schwefel.“ Nach einem schnellen Schulterblick fuhr er los. „Steht ihr zwei euch denn besonders nah?“
Ich musste kurz überlegen, ehe ich die für mich richtige Antwort fand. „Wir verstehen uns sehr gut, ja. Da Luke mein einziger Bruder ist, weiß ich aber nicht, ob es sich anders verhielte, wenn einer von uns älter wäre.“
„In der Highschool hatte er bestimmt trotzdem eine Menge damit zu tun, dir die Jungs vom Hals zu halten, oder?“, mutmaßte er und sah einen Moment zu mir herüber.
„So schlimm war es nicht. Da er selbst extrem freiheitsliebend ist, hat er mir das Gleiche zugestanden“, berichtete ich. „Als das mit Travis dann angefangen hat, war Luke zwar dagegen, aber wir haben uns davon nicht abbringen lassen. Ich bin mir sicher, dass er dabei mehr Angst um seine Freundschaft hatte, als um mich.“
„Travis?“, hakte er irritiert nach. „Ferrington?“
„In der Highschool waren wir ziemlich lange zusammen“, bestätigte ich. „Das ist allerdings Schnee von gestern. Immerhin ist es über zehn Jahre her. Im Endeffekt hatte Luke mit seiner Sorge sogar recht. Als das mit Travis und mir auseinandergegangen ist, hat das die Freundschaft der beiden Jungs auf eine harte Probe gestellt. Das tut mir heute noch leid.“
„Was ist passiert?“
„Unsere Trennung war sehr unschön und hinterher saß Luke zwischen den Stühlen.“ Das musste als Erklärung reichen. Hier und jetzt würde ich sicher nicht zugeben, dass ich schuld am Ende der Beziehung war, weil ich Travis betrogen hatte. Wahrscheinlich war diese ganze Geschichte für Cooper schon merkwürdig genug. Schließlich kannte er Travis. Da musste ich mich nicht noch zusätzlich selbst schlecht machen. „Zum Glück können wir heute alle wieder normal miteinander umgehen“, versuchte ich, einen Schlussstrich unter das Thema zu ziehen, da ich mich ein bisschen ärgerte, dass ich es überhaupt angesprochen hatte.
„Das ist gut“, entgegnete er knapp. „Um die Freundschaft der beiden wäre es schade gewesen.“
„Hmmm“, stimmte ich zu und sah, dass wir Richtung Downtown fuhren. „Was machen wir denn heute?“, fragte ich, um endgültig das Thema zu wechseln.
„Zunächst gehen wir essen und danach sehen wir, was der Abend noch bringt.“
„Klingt gut“, antwortete ich. Genau genommen hörte es sich sogar ziemlich vielversprechend an. Vielleicht würden wir wirklich bei ihm zu Hause landen.