Inhaltsverzeichnis

Der kleine Blaue
Der Mann im Monde
Der Gast, der mit der Fähre kam
Der rätselhafte Feind
Die Faust
Die geheimnisvollen Zimmer
Der schwarze Stern
Der vierte Mann
Die Zwei und die Dame
Montrose
Lizzie
Der Fall Robert Robertson

I. Der Agent

Inhaltsverzeichnis

Vor einigen Jahren lag in einer der Straßen in der Nähe des Johannishügels ein kleines zweistöckiges Holzhaus. Das war vor der Zeit der Bauwut. Das Haus ist später niedergerissen worden, um einer der großen Mietskasernen Platz zu machen. Damals standen noch nicht viele Häuser in der Straße, die schlecht gehalten und nur teilweise gepflastert war. Das erwähnte Haus bemerkte man sofort, weil es ein bißchen vorstand, mit rotbrauner Farbe überschmiert war und mitten an der Fassade ein Schild hatte, das ganz jämmerlich in seinen Angeln quiekte, wenn der Wind sich hinein verfing. Auf dem Schild stand:

A. Jonson,
Kolonial- und Fettwarenhandlung.

Es war ein Geschäft, das sich nicht sehr imponierend ausnahm; hinter dem Ladentisch stand eine alternde, dicke Frau. Es war die Witwe von »A. Jonson«, der vor mehreren Jahren gestorben war. Sie führte den kleinen Laden jetzt allein und hatte sich durch Sparsamkeit und Betriebsamkeit so viel zurückgelegt, daß sie das Haus kaufen konnte, in dem sie wohnte. An den Laden stieß eine Wohnung, bestehend aus einem größeren und einem kleineren Zimmer und einer kleinen Küche. Zunächst dem Laden und durch eine Tür damit verbunden, lag das kleinere Zimmer, das die Witwe bewohnte. Mitten in die Tür war ein rundes Loch ausgeschnitten und eine Glasscheibe eingesetzt, durch die die Witwe, so oft sie nur wollte, den Laden überblicken konnte, und auch die Straße davor.

Um in das erste Stockwerk des Hauses zu gelangen, mußte man in den Hof hinausgehen. Von dort führte eine Treppe in die obere Wohnung. Es waren eigentlich zwei Wohnungen im ersten Stock, im ganzen vier Zimmer, aber nur eine Küche. Die Küche lag in der Mitte. Die zwei Zimmer rechts benützte die Witwe als Lagerräume. Hier lagen die Paraffintonnen und die Fässer mit grüner Seife und ähnliche Dinge, die sie nicht gut unten im Laden unter all den Eßwaren haben konnte. Aber die zwei Zimmer links hatte sie vermietet. Zu dem erwähnten Zeitpunkt bewohnte sie ein älterer graubärtiger Mann. Er hatte eine gelbe Messingplatte an die Tür genagelt, und darauf stand folgendes eingraviert:

Agent Jaerven,
Umsatz von Wertpapieren.

Als dieser Agent Jaerven einzog, ahnte die Witwe nicht, wer er war oder was für eine Art von Geschäft er betrieb. Er erlegte den Zins im vorhinein, aber handelte so viel herunter, als er nur konnte. Möbel hatte er nicht viel, ein altes massives Sofa, einen großen, runden Tisch, ehemals poliert, aber ziemlich abgenützt, einige wenige Stühle, eine Kommode, ein eisernes Bett und vor den Fenstern unscheinbare rotgemusterte Gardinen. Mitten in alle diese überaus fadenscheinige Herrlichkeit schleppte man ein Ungeheuer von einer eisernen Kasse, die obendrein mit einem eigenen Sperrmechanismus versehen war. Gerade, daß sechs kräftige Packer das Ding die Treppe hinauftragen konnten, die unter der Last krachte. Die Witwe hatte damals den Agenten gefragt, was er denn eigentlich betrieb, aber hatte ausweichende Antworten bekommen.

Der alte Mann war ein tadelloser Mieter, er bezahlte präzise und betrug sich in jeder Hinsicht ordentlich. Einmal die Woche kam eine Frau und wusch seine Wäsche. Er bereitete sein Frühstück selbst, die anderen Mahlzeiten nahm er stets in der Stadt ein. Mit der Genauigkeit eines Uhrwerks verlief sein Tag. Um sieben Uhr morgens stand er auf, und um acht Uhr hörte ihn die Witwe immer die Treppe hinunterstolpern. Er blieb dann drei Stunden fort. Zwischen elf und ein Uhr hielt er sich immer in seiner Wohnung auf, und um diese Zeit konnte es oft vorkommen, daß Besuche zu ihm kamen. Viele merkwürdige Besuche übrigens. Es waren Damen und Herren, besser gekleidete und bescheidener gekleidete. Hie und da konnte es vorkommen, daß ein Wagen drüben an der Ecke hielt und ein Herr ausstieg, sich vorsichtig umsah und dann die Treppe zu Agent Jaerven hinaufschlich. Es geschah auch, aber sehr selten, daß die Witwe laute Stimmen aus dem Zimmer des Agenten hörte und Schläge auf den Tisch.

Die Witwe merkte bald, daß es wichtige Geschäfte waren, die der Agent hatte – ja, Geldgeschäfte. Aber was kümmerte sie das, wenn sie nur ihren Zins zu rechter Zeit bekam und er sich sonst in jeder Hinsicht tadellos betrug.

Der Agent zog zu Johanni ein, und etwa zwei Jahre vergingen, bevor das geschah, was nun erzählt werden soll. Es war an einem der ersten Frühlingstage des Jahres, und die Leute, die über die Straße gingen, drehten das Gesicht der Sonne zu, um zu fühlen, wie sie schon wärmte, und um auch recht zu sehen, wie hell es schon geworden war. Der Schnee war während des Tauwetters der letzten Tage aufgegangen. Es rieselte durch die Dachrinnen, und die Gassen waren aufgeweicht und schmutzig.

*

Damals war Asbjörn Krag noch aktives Mitglied des Christianiaer Detektivkorps und stand durch die Art, wie er die ihm gestellten Aufgaben löste, hoch in der Gunst seiner Vorgesetzten.

Als er sich eines Morgens im Kontor des Chefs einfand, fand er diesen in ungeduldiger Erwartung.

»Ich habe da gerade eine Sache bekommen, die wohl etwas für Sie sein wird,« sagte er. »Diese Dame hier,« – er wies auf eine ältere, korpulente Frau, die auf dem schwarzen Ledersofa des Kontors Platz genommen hatte – »diese Dame hat mir eben mitgeteilt, daß einer ihrer Mieter in ganz merkwürdiger Weise verschwunden ist.«

Krag, dessen Interesse augenblicklich erwachte, setzte sich an den grünen Tisch des Chefs.

Er war darauf bedacht, mit dem Rücken gegen das Licht zu sitzen. Es war dies eine Gewohnheit, die er in den Verhörlokalen angenommen hatte; das Tageslicht fiel dann dem, der verhört wurde, ins Gesicht, und er konnte so jeden kleinen Wechsel im Mienenspiel beobachten.

»Darf ich Sie bitten, Ihre Erzählung zu wiederholen,« sagte der Polizeichef. »Es ist notwendig, daß dieser Herr sie aus Ihrem eigenen Munde hört.«

Die Dame erhob sich in ihrer ganzen Fülle und trat näher. Die Mantille raschelte um sie. Krag bemerkte, daß sie sehr nervös und erregt war. Sie sprach auch mit leicht zitternder Stimme.

»Ich habe mir schon mehrere Tage gedacht, daß ich mich an die Polizei wenden müßte,« sagte sie, »aber habe es immer wieder aufgeschoben, weil ich hoffte, daß er zurückkommen würde. Aber nun sehe ich, daß etwas geschehen muß!«

»Von was, oder richtiger, von wem sprechen Sie?« fragte Asbjörn Krag.

»Vom Agenten Jaerven, der zwei Zimmer in meinem Hause bewohnt.«

Asbjörn Krag griff nach seinem kleinen Notizbuch und notierte den Namen. Er wechselte einen Blick mit dem Polizeichef.

»Agent Jaerven ist also verschwunden?« fragte Krag.

»Ja,« erwiderte die Dame, »und ich habe so eine Ahnung, daß ihm etwas passiert ist.«

»Wann war er zuletzt zu Hause?«

»Donnerstag abends, den Zwölften. Heute haben wir den Zweiundzwanzigsten. Also vor zehn Tagen.«

Krag nickte und notierte.

»Und Sie wissen bestimmt, daß er Donnerstag abends zu Hause war?«

»Ganz bestimmt.«

»Können Sie mir auf den Glockenschlag sagen, wann er fortging?«

»Es war so ums Dunkelwerden. Ich denke, es wird gegen acht Uhr gewesen sein.«

»Pflegte der Agent oft – vielleicht jeden Abend, um diese Zeit auszugehen?«

»Nein, durchaus nicht. Darum fiel es mir eben auf, daß er ausging. Er ging auch den vorigen Tag um acht Uhr fort, und das war noch nicht vorgekommen, soweit ich zurückdenken kann. Aber damals redete ich mit ihm, und da sagte er mir, daß er wohl bis halb zwölf fortbleiben würde.«

»War er damals anders als sonst?«

»Nein. Er sah aus wie gewöhnlich und sprach auch ganz ruhig. – Sonst kam Jaerven immer gegen sechs Uhr von seinen Nachmittagsausgängen zurück,« setzte die Dame ihre Erzählung fort. »Er schloß sich dann in seinem Zimmer ein und empfing nicht gerne Besuch. Gegen acht Uhr war er meistens in der Küche draußen und bereitete sein Abendbrot, und gleich nachdem er gegessen hatte, legte er sich nieder. So verliefen seine Abende immer; ich kann mich nicht erinnern, daß es anders gewesen wäre. Darum war ich auch so erstaunt, als ich sah, daß er diesen Abend ausging und den Abend darauf wieder. Ich weiß noch, daß ich ganz laut zu mir selbst sagte: ›Nein, jetzt ist aber Jaerven komisch! Was in aller Welt macht er noch so spät in der Stadt!‹«

Krag notierte wieder etwas in sein Notizbuch.

Dann fragte er:

»Nun, und hat der Agent schon früher am Tage irgend etwas getan, was Ihnen seltsam vorkam?«

»Nichts Besonderes,« erwiderte die Witwe, »er hat sich nur auch schon am Vormittag eingesperrt. Sonst pflegte er immer zwischen elf und ein Uhr Besuche zu empfangen; aber an diesem Tage wollte er niemand vorlassen. Er hatte die Tür von innen zugesperrt. Ich hörte ihn mit schweren Schritten drinnen auf und ab gehen. Und das war auch etwas, was er sonst nie zu tun pflegte. Wenigstens ist es mir nie früher aufgefallen.«

»Was waren denn das für Leute, die an jenem Vormittage zu ihm hinein wollten?«

Die Witwe warf einen prüfenden Blick auf den Detektiv.

»Ich weiß nicht,« erwiderte sie zögernd.

Asbjörn Krag lächelte.

»Genieren Sie sich doch nicht,« sagte er. »Ich kann Ihnen sagen, daß wir hier bei der Polizei mehr vom Agenten Jaerven wissen, als Sie, obwohl er zwei Jahre bei Ihnen gewohnt hat.«

»Ich kümmere mich nicht um anderer Leute Angelegenheiten,« gab die Witwe schlagfertig zurück.

»Na, na! Also: Was für Art Leute waren das, die den Alten besuchten?«

»Ich denke, es werden Leute gewesen sein, die sich von ihm Geld ausleihen wollten.«

»Richtig,« erwiderte der Detektiv. »Sie werden doch die ganze Zeit gewußt haben, daß Agent Jaerven Geld auf Zinsen auslieh. Dagegen ist natürlich nichts zu sagen. Aber die Sache ist die, daß er oft zu hohe Zinsen nahm, und deshalb kennen wir ihn hier so gut. Sie verstehen?«

»Ja, ich habe mir ja auch so meine Gedanken darüber gemacht,« antwortete die Witwe.

»Schön, schön! Sie wissen also nicht, warum er an jenem Donnerstag seine Kunden nicht einlassen wollte?«

»Nein, ich habe keine Ahnung. Ich hörte nur, daß Leute oben waren und an der Tür rüttelten; aber als er nicht aufmachte, gingen sie wieder. Sie werden wohl geglaubt haben, daß er nicht zu Hause ist. Er verhielt sich auch ganz still, solange jemand draußen war. Das ist mir auch aufgefallen. Hingegen habe ich mir seine Kunden nicht genauer angeschaut, ich war ja so gewohnt, sie kommen und gehen zu sehen. Nur einer von ihnen ist mir aufgefallen. Es war ein großer, dicker Mann, der rüttelte stärker als die anderen an der Klinke, und als niemand aufmachte, da fluchte und schimpfte er auf den Alten. Er stieß auch ziemlich kräftig mit dem Fuß an die Tür, bevor er ging. Gegen halb drei Uhr pflegte ich zu dem Agenten hinauszukommen, um zu fragen, ob ich bei ihm etwas behilflich sein könne, Einkäufe zu besorgen, oder dergleichen. Auch mir machte er nicht auf, er antwortete nicht einmal auf meine Frage. Den ganzen Nachmittag blieb er eingesperrt, und erst um acht Uhr ging er aus. Seither habe ich ihn nicht gesehen und auch nicht das allermindeste von ihm gehört. Der Zins ist seit sechs Tagen fällig, und den hat er doch sonst immer sozusagen auf die Minute bezahlt. In den letzten Tagen haben mir alle möglichen Leute, die ihn sprechen wollten, die Türe förmlich eingerannt. Ich glaube, es ist ihm ein Unglück zugestoßen.«

»Was für eine Art von Unglück?« fragte der Detektiv ernst.

»Ich weiß nicht, er war den letzten Tag so sonderbar.«

»Nun?«

»Wenn er sich das Leben genommen hätte?«

Ein beinahe unmerkliches Lächeln huschte über Asbjörn Krags Gesicht.

»Eine solche Handlung sieht Jaerven nicht ähnlich,« sagte er. »Ich beobachte ihn schon seit mehreren Jahren; er hat keine Verwandten, keine Freunde, aber er ist ein sehr reicher Mann. Soweit ich weiß, hat er keine Verluste irgendwelcher Art erlitten. Es scheint mir deshalb ganz unglaublich, daß er Hand an sich ... nun, wir werden schon sehen.«

Die Witwe knöpfte ihre Mantille zu und machte sich zum Gehen bereit.

Krag hielt sie auf .

»Noch eines,« sagte er. »Pflegte Jaerven viele Briefe zu bekommen?«

»Ja freilich, fast jeden Morgen kam der Briefträger und brachte ihm Post. Auch an jenem Donnerstag, wo er verschwand, kamen Briefe. Später mußte der Briefträger alle Postsachen bei mir abgeben.«

»Danke, es ist gut. Wir werden uns mit der Sache befassen. Vor allem ist es notwendig, eine Untersuchung der Zimmer Jaervens vorzunehmen. Vorläufig müssen Sie alles unberührt lassen.«

Die dicke Witwe ging, und Asbjörn Krag blieb mit dem Polizeichef allein.

»Was glauben Sie?« fragte dieser.

»Ich glaube noch nichts,« erwiderte Krag; »aber es ist ja klar, daß da irgend etwas los sein muß. Es ist ja ganz ausgeschlossen, daß Jaerven aus freiem Willen seine zahlreichen verwickelten Geschäfte im Stich gelassen hat. Ein Selbstmord ist auch höchst unwahrscheinlich.«

Der Polizeichef war ernst geworden. Er erhob sich von seinem Platz und schritt ein paarmal im Zimmer auf und ab.

»Agent Jaerven war ja ein Wucherer,« fuhr Krag fort, »darüber sind wir doch einig.«

»Ja,« warf der Chef hin, »aber es war ganz unmöglich, ihm etwas nachzuweisen.«

»Ich weiß, er war ein grausamer und hartherziger Wucherer. Einer der ganz Gefährlichen. Einer von jenen, die mit allerhand Papieren operieren.«

Der Polizeichef blieb stehen und sah seinen Beamten an.

»Was meinen Sie?« fragte er.

»Ein solcher Mann, wie Jaerven,« erwiderte Krag mit Nachdruck, »kann seines Lebens nie sicher sein.«

II. Hausuntersuchung

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Schon eine Stunde nach dieser Anzeige im Sicherheitsbureau war Asbjörn Krag in voller Tätigkeit.

Zuerst stattete er einen Besuch bei der Bank ab, wo er wußte, daß Jaerven seine Papiere deponiert und sein Geld stehen hatte. Unter vier Augen hatte er ein Gespräch mit dem Bankdirektor und fand seine Annahme von der ausgezeichneten ökonomischen Stellung des Agenten Jaerven bestätigt. Er hatte ein großes Vermögen und nur sichere Papiere liegen. Ein paar Wechsel waren verfallen, einer vor sechs, einer vor sieben Tagen. Aber die Bank hatte die Wechsel ruhig liegen lassen, da man durch die Witwe wußte, daß Jaerven verreist war.

Krag fragte:

»Finden Sie es nicht seltsam, Herr Direktor, daß Jaerven solange von seinen Geschäften wegbleibt, ohne etwas zu sagen oder irgendwelchen Bescheid zu geben?«

Der Bankdirektor erwiderte vorsichtig, er finde auch, daß auffallend lange Zeit vergangen sei, und er habe schon angefangen, sich darüber zu wundern.

»War Jaerven Donnerstag hier in der Bank?« fragte Krag.

Er bekam zur Antwort, daß Jaerven oft in der Bank war, um Geschäfte der einen oder andern Art abzuschließen; die Bücher ergaben, daß Jaerven Mittwoch in der Bank gewesen war, aber Donnerstag nicht. Der Hauptkassierer erinnerte sich außerdem bestimmt, daß er Jaerven seit Mittwoch, dem Elften, vormittags, in der Bank nicht mehr gesehen hatte. Er hatte damals fünftausend Kronen auf sein Konto eingelegt. Der Kassierer hatte den Eindruck, daß Jaerven es nicht liebte, größere Geldsummen bar zu Hause liegen zu haben. Sowie er über solche disponierte, übergab er sie darum der Obhut der Bank. Schließlich erklärte der Direktor, daß Jaervens Geschäfte mit der Bank in jeder Hinsicht normal und korrekt waren; aber man merkte, daß er über sehr viel Geld disponierte und oft recht lebhafte Geldtransaktionen hatte. Worin diese bestanden, dafür hatte die Bank sich nie interessiert.

Das waren alle Aufklärungen, die Krag dort erhalten konnte. Viel schien es nicht, aber Krag notierte sich jeden kleinen Umstand gewissenhaft und genau.

Nach seinem Besuch in der Bank fuhr Krag in die Straße, in der Jaerven wohnte. Er war zuerst im Laden der Witwe und ersuchte sie, ihn in das erste Stockwerk zu führen. Die Witwe war sofort bereit. Sie übergab dem Kommis das Geschäft und ging mit. Unterdessen prägte sich Krag die ganze Umgebung ein, er konstatierte, daß alle, die von oder zu dem Agenten kamen, aus dem Zimmer der Witwe gesehen werden konnten; er zählte die Stufen der Treppe und bemerkte, mit besonderem Interesse, daß gegenüber dem Hause eine Gaslaterne stand; ihr Licht mußte abends gerade in das Schlafzimmer des Agenten fallen. Zuerst betraten der Detektiv und seine Begleiterin die Küche. Da standen einige Tassen und Kochgeschirre herum. Sonst war es klar zu sehen, daß die Küche schon längere Zeit außer Gebrauch sein mußte. Aus der ziemlich großen Küche führten zu beiden Seiten Türen in die Wohnungen. Die Türe rechts stand offen; hier hatte die Witwe ihre Lagerräume. Links war die Wohnung des Agenten. Einen anderen Eingang als durch die Küche gab es nicht. Der Detektiv dachte mit einem Schauder an diesen reichen Mann, der sich alle Annehmlichkeiten des Lebens versagte, um noch mehr Geld aufzuhäufen, und dessen einzige Freude immer nur darin bestanden hatte, diese freudlosen Reichtümer zu mehren.

Er rüttelte heftig an der Tür und pochte mit den Knöcheln an die eichenen Planken. Immer stärker, dann lauschte er. Aber drinnen war kein Laut zu hören.

Der Detektiv trat in das Treppenhaus und öffnete das Fenster, das von dort auf die Straße ging. Draußen, wo die Leute in einem unregelmäßigen Strom vorbeitrieben, hatte die Promenade noch ganz das Gepräge der Vorstadt. Krag blies ein paarmal scharf in seine Polizeipfeife, und es dauerte nicht lange, so kamen ein paar Schutzleute gelaufen. Sie sahen sich zuerst um, dann entdeckten sie den Detektiv, der an dem offenen Fenster stand und winkte.

»Kommen Sie einen Augenblick herauf!« rief er.

Eine Minute später waren die Schutzleute zur Stelle. Sie waren beide starke robuste Männer und grüßten Krag mit einer Ehrerbietung, die zeigte, in welch hohem Ansehen der begabte Detektiv stand.

»Wir müssen diese Tür öffnen,« sagte Krag und wies auf den Eingang zu den Zimmern des Agenten Jaerven.

Zuerst wurden alle Schlüssel, die vorhanden waren, probiert. Aber keiner paßte. Das vorsichtige Mißtrauen des Agenten hatte sich auch darin geäußert, daß er sich ein ganz besonders sicheres und starkes Türschloß angeschafft hatte.

»Es wird das beste sein, die Türe einzudrücken,« sagte der eine der Schutzleute, indem er seinen breiten Rücken an die Türfüllung stemmte.

Der Detektiv nickte zustimmend.

»Nur wegsprengen,« sagte er, »hier muß rasch gehandelt werden.«

Der andere Schutzmann half mit, und es gelang ihnen bald, das Schloß zu sprengen. Die Tür ging auf, aber ein gutes Stück der Füllung fiel heraus.

Asbjörn Krag betrat das Zimmer zuerst. Die Witwe hielt sich ängstlich im Hintergrund, so als fürchtete sie, etwas Grauenvolles zu sehen. Die Schutzleute blieben an der Tür stehen und warteten.

Krag sah sich um.

Das war also das Kontor des Agenten. Drüben am Fenster stand der Tisch, an dem er zu arbeiten pflegte. Auf dem Tisch stand ein Tintenfaß, aus dem die Feder hervorragte, ferner ein paar Tassen und ein Teller mit einigen Brotrinden. Einige unbeschriebene Papiere und ein kleines blau gebundenes Büchlein. Das war alles. Krag blätterte das Büchlein durch, aber schien nichts von Interesse darin zu finden.

Die Witwe stand noch immer in der geöffneten Tür und neben ihr die beiden Schutzleute.

»Jaervens Schlafzimmer ist dort drinnen?« fragte Krag und wies auf eine geschlossene Tür rechts.

Die Witwe nickte.

»Oeffnen Sie sie!« befahl Krag.

Zögernd ging die Witwe zur Schlafzimmertür hin, um aufzuschließen. Es war, als erwartete sie dort drinnen etwas Schreckliches zu sehen. Sie öffnete die Tür leise und vorsichtig und zog sich dann schleunigst zurück.

»Erwarten Sie vielleicht die Leiche des Wucherers zu finden?« fragte Krag, indem er der Witwe einen raschen Blick zuwarf. Aber sie erwiderte nichts, sondern zog sich nur noch weiter zurück.

Nun trat Krag rasch in das kleine Schlafgemach. Er öffnete vor allem das Fenster, um frische Luft einzulassen, und begann dann die wenigen Gegenstände zu untersuchen, die sich in dem Zimmer befanden.

In der einen Ecke stand eine alte solide eiserne Kasse, die war natürlich versperrt. Wenn der Detektiv einen Augenblick das Verschwinden des Agenten Jaerven mit einem kühnen Einbruchsdiebstahl in Verbindung gebracht hatte, so war er auf jeden Fall jetzt gründlich enttäuscht. Der eiserne Geldschrank zeigte keine Spuren, geöffnet worden zu sein, die Schlösser und alles übrige war in der schönsten soliden Ordnung. Im übrigen empfing der Detektiv nicht den Eindruck, daß der Agent die Wohnung in besonderer Eile verlassen hatte; aber die Sachen waren auch nicht so geordnet, als ob er bei seinem Fortgehen auf eine längere Abwesenheit vorbereitet gewesen wäre. Der Detektiv mußte mit einem Seufzer gestehen, daß die Wohnung nicht den geringsten Anhaltspunkt zu einer Lösung des Rätsels bot. Vorläufig konnte er auch die Kasse nicht öffnen, da er ja nicht wußte, ob der verschwundene Wucherer tot oder am Leben war.

Im Schlafzimmer stand außer der Kasse und dem Bett eine alte abgestoßene Kommode. Der Detektiv versuchte, die Laden herauszuziehen; aber sie waren alle zugesperrt. Während er noch damit beschäftigt war, entdeckte sein Blick auf dem Fußboden, gerade unter der Kommode, ein Kuvert. Es war an den Agenten Jaerven adressiert, und eine Fünföremarke war daraufgeklebt. Das Kuvert trug den Poststempel vom Elften. – Also dem Tage, bevor Agent Jaerven verschwand, dachte Krag. Er untersuchte das Kuvert mit Interesse genauer. Darin lag ein kleiner zusammengefalteter Bogen. Der Detektiv zog ihn heraus und las folgendes:

Christiania, den 11. April.
Treffen Sie mich heute abend in der Höhle und nehmen Sie den »kleinen Blauen« mit.

Der Brief hatte keine Unterschrift.

Krag steckte ihn vorläufig in die Tasche, um ihn später näher zu untersuchen. Und nachdem er sich vergewissert hatte, daß vorläufig nichts weiteres von Interesse zu finden war, verließ er die Wohnung mit der Witwe und den beiden Schutzleuten. Er bat den einen Schutzmann, dafür zu sorgen, ein provisorisches Schloß an der aufgebrochenen Tür anzubringen, damit niemand Unberufener Eingang finden konnte.

Bevor sich der Detektiv von der Witwe verabschiedete, fragte er:

»Erinnern Sie sich, welchen Anzug der Verschwundene anhatte, als Sie ihn zum letztenmal sahen?«

»Daran erinnere ich mich ganz genau,« gab die Witwe zurück; »er hatte seinen dicken braunen Rock an, den er Winter und Sommer immer trug. Auf dem Kopf hatte er seinen breitkrempigen grauen Hut. Der war so alt, daß ihm die Krempe ganz schlaff über die Ohren hing.«

Der Detektiv überlegte.

»Jaerven verschwand Donnerstag, den Zwölften,« murmelte er, »heute schreiben wir den Zweiundzwanzigsten. In der Zwischenzeit haben wir drei heftige Regengüsse gehabt, den Siebzehnten, Achtzehnten und Neunzehnten. Der Agent kann sich unmöglich in der Stadt aufhalten, sonst wäre er doch nach Hause gegangen oder hätte seinen Regenmantel und seinen Regenschirm holen lassen, die sich unberührt oben im Zimmer vorfanden.

Und seine Geschäfte, seine verfallenen Wechsel,« fuhr Krag in seinen Betrachtungen fort. »Ich kann mir nicht denken, daß er sie mit freiem Willen verlassen hat.«

»Glauben Sie, daß er zurückkommt?« fragte jetzt die Witwe beunruhigt.

»Nein,« erwiderte der Detektiv, »das glaube ich nicht.«

Damit ging er.

Auf dem nächsten Standplatz nahm er eine Droschke und fuhr zu einer Zeitungsexpedition.

Hier schrieb er folgende Annonce, die er vorläufig täglich zu bringen auftrug, bis er Bescheid gab:

Aufgepaßt!
Der Herr, der Donnerstag vormittag, den Zwölften dieses, sich vergebens bemühte, den Agenten Jaerven in seinem Kontor zu sprechen, möge die Liebenswürdigkeit haben, seine Adresse in einem Brief an die Expedition bekanntzugeben unter der Chiffre »Von höchster Wichtigkeit«.

*

Asbjörn Krag suchte nun den Chef des Sicherheitsbureaus auf, um mit ihm zu besprechen, was weiter zu tun sei.

Der Chef war jedoch nicht zugegen, so daß Krag eine halbe Stunde im Kontor sitzen und auf ihn warten mußte.

Unterdessen grübelte er wieder über die Sache nach, und er war bald mit sich einig, daß hier ein düsteres und unheimliches Verbrechen vorliegen mußte. Gleichzeitig sagte er sich selbst, daß die Entdeckung des Verbrechens besondere Schwierigkeiten bieten würde. Vorläufig fehlte noch jeder Anhaltspunkt.

III. Die eiserne Kasse

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»Nun, wie geht es?« fragte der Chef, als er das Kontor betrat.

»Vorläufig habe ich nicht den geringsten Faden,« antwortete Krag.

Der Detektiv bemerkte, daß sein Vorgesetzter etwas nervös war. Er trat ans Fenster und sah hinaus. Krag blieb an dem grünen Tisch sitzen.

»Verbrechen?« fragte der Chef wieder und legte eine vielsagende Betonung auf das Wort.

»Wahrscheinlich.«

»Mord?«

»Wahrscheinlich.«

»Und nicht ein Faden? Nicht ein Lichtstrahl?«

»Vorläufig nicht, soweit ich sehen kann.«

»Ja, da sind wir aber wieder übel daran, Herr Krag; wenn jetzt diese Affäre so rasch nach der unaufgeklärten Sache mit dem Diamantenhalsband kommt, werden die Blätter schön über uns herfallen. Wie ist das Skelett?«

(Das Skelett ist der Fachausdruck, mit dem die Detektive die Tatsachen bezeichnen, die bei Beginn einer Sache vorliegen.)

Asbjörn Krag erwiderte:

»Was ich bis jetzt gesammelt habe, ist ganz minimal, und dabei ist es nicht einmal ausgemacht, ob die verschiedenen Glieder zusammengehören.

Am Elften bekommt Jaerven einen Brief, in dem er aufgefordert wird, am selben Abend den Briefschreiber an einem Ort zu treffen, der näher als die Höhle bezeichnet wird. Jaerven sollte zu diesem Zusammentreffen den »kleinen Blauen« mitbringen. Mit dem kleinen Blauen ist sicherlich ein Papier gemeint, vermutlich ein Wechsel.

Der Wucherer ging auch ganz richtig an diesem Abend aus, was er nach Aussage seiner Hauswirtin sonst nie zu tun pflegte. Gegen Mitternacht kam er wieder und begab sich dann gleich zur Ruhe. Am nächsten Tage schloß er sich ein; niemand durfte zu ihm herein, obwohl mehrere draußen waren und an die Türe trommelten. Erst um acht Uhr abends ging er fort, und die Wirtin sah ihn durch das Fenster, das auf die Treppe geht.

Seither ist er verschwunden.

Es scheint mir ganz ausgeschlossen, daß er sich umgebracht hat. Dazu hatte er keinen Anlaß.

Ganz unmöglich ist es, daß er durchgebrannt ist.

Folglich kann sein totales Ausbleiben in nichts anderem seinen Grund haben, als daß er aus dem Wege geräumt ist. Der Wucherer Jaerven gehört wohl nicht mehr zu den Lebenden.«

Der Polizeichef hatte aufmerksam und schweigend die Erklärung seines tüchtigsten Beamten angehört. Hie und da nickte er, um kundzugeben, daß er den Folgerungen des Detektivs zustimmte.

Schließlich machte Krag seinem Chef Mitteilung von der Annonce, die er eingerückt hatte. »Die Annonce sollte ins Abendblatt kommen,« sagte er, »vermutlich ist sie schon gelesen, und wenn der Betreffende ein reines Gewissen hat, können wir ihn recht bald erwarten.«

Der Detektiv hatte kaum zu Ende gesprochen, als das Telephon klingelte. Es war die Zeitungsexpedition.

»Der Herr, nach dem Sie annonciert haben, hat jetzt einen Brief abgegeben,« hieß es.

Krag rief einen Bediensteten herein und trug ihm auf, den betreffenden Herrn zu holen, nachdem er aus dem Brief die Adresse eruiert hatte.

Es dauerte beinahe eine Stunde, bis der Mann kam. Die Polizisten erkannten ihn sofort nach der Beschreibung der alten Witwe.

Es war ein robuster Mensch von ungefähr vierzig Jahren in einem braunen, nahezu tadellosen Anzug.

Krag bat ihn um Entschuldigung, daß man ihn bemüht hatte, aber es sei von großer Wichtigkeit, die Erzählung seines mißlungenen Besuches beim Wucherer Jaerven am Zwölften dieses Monats zu hören.

Der Mann schien zuerst etwas ungehalten darüber, daß man ihn zur Polizei geschleppt hatte; aber er besänftigte sich rasch und gab bereitwillig seine Erklärung ab.

Er war gerade am Zwölften in einer kleinen Geldverlegenheit gewesen und hatte die Absicht, ein Darlehen bei Jaerven zu erwirken. Der Wucherer hatte ihm schon früher unter ähnlichen Umständen geholfen, wenn er auch unverschämte Zinsen genommen hatte.

»Nun, so ging ich denn hinauf und klopfte an seine Tür,« fuhr der Mann fort, »aber er machte nicht auf.«

»Vielleicht war er nicht zu Hause,« warf der Detektiv hin.

»Freilich war er zu Hause. Ich hörte ihn ja deutlich drinnen herumgehen. Dann rüttelte ich an der Tür, aber er machte nicht auf. Da bückte ich mich, um durch das Schlüsselloch zu ihm hineinzuschauen.«

»Der Schlüssel steckte also nicht?«

»Nein.«

»Nun, und sahen Sie etwas?«

»Ja, ich sah Jaerven. Ich konnte ihn ganz deutlich sehen. Er stand drüben am Fenster.«

»Mit dem Gesicht zu Ihnen?«

»Nein, er stand mit dem Rücken zu mir.«

»Wie lange sahen Sie ihn so?«

»Nur ganz kurze Zeit.«

»Warum nicht länger?«

»Ja, er deckte das Schlüsselloch mit der Hand zu.«

»Aber Sie sagten doch eben, daß er ganz drüben am Fenster stand.«

»Ja, ganz richtig. Aber es war so, als spürte er, daß ich ihn anguckte, denn er ging dann rücklings auf die Türe zu und verdeckte das Schlüsselloch mit der flachen Hand.«

»Rücklings? Ist Ihnen das nicht aufgefallen?«

Der Mann blickte verdutzt auf.

»Ja, wenn ich es mir so überlege ... es war eigentlich ganz komisch.«

Krag notierte etwas in sein Notizbuch.

»Und Sie haben Jaerven schon öfter gesehen?«

»Ja freilich, oft und oft! Ich erkannte ihn sofort. Schon der abgetragene alte Samtrock war genug.«

»Wie lange standen Sie da vor der Tür?«

»Na, vielleicht eine Viertelstunde. Dann ging ich. Aber ich hatte eine Riesenwut, weil er mich nicht hineinließ. Das Geld konnte ich mir dann, Gott sei Dank, anderswo verschaffen. Wünschen Sie noch etwas zu wissen?«

»Nein, danke.«

Der Mann entfernte sich, sichtlich erstaunt über die vielen komischen Fragen, die man ihm gestellt hatte.

Asbjörn Krag blieb eine Weile sitzen und starrte gerade vor sich hin, in tiefe Grübeleien versunken. Plötzlich sah er seinen Chef an, und in seinen Augen funkelte etwas auf, das darauf zu deuten schien, daß ihm eine Idee gekommen war. Er nahm wieder sein Notizbuch und durchblätterte es, die verschiedenen Angaben und Daten miteinander vergleichend. Er wurde eifrig, ja etwas fieberisch, wie immer, wenn er von einer Idee ausgefüllt war. Aber gleich darauf hatte er wieder seine gewöhnliche Ruhe.

Der Polizeichef beobachtete erfreut die Veränderung, die mit Krag vorgegangen war. So etwas versprach immer Gutes.

Der Detektiv klappte das Notizbuch zusammen und erhob sich.

»An die Arbeit!« sagte er. »Hier ist ein Verbrechen begangen worden, und wir haben es sicherlich mit einem gefährlichen und intelligenten Schurken zu tun.«

»Haben Sie jetzt einen Faden?« fragte der Chef interessiert.

»Möglicherweise. Ich beginne etwas zu ahnen. Aber einen eigentlichen Anhaltspunkt habe ich noch nicht. Wir wollen doch sehen, ob meine alte Behauptung sich nicht wieder einmal bestätigt. Nämlich daß, selbst wenn ein Verbrechen mit einer geradezu genialen Schlauheit geplant ist, selbst wenn es bis ins kleinste Detail gelingt, ihm doch noch immer Umstände anhaften, die früher oder später zur Entdeckung führen müssen. Die Voraussetzung ist nur, daß der richtige Mann die Sache richtig anpackt.«

Krag war nun sichtlich gut gelaunt – ein Gemütszustand, den sein Chef wohl kannte und zu schätzen wußte. Wie alle wirklich großen Entdecker war Krag auch bisweilen nicht frei von ein bißchen Eitelkeit und hatte einen gewissen Hang, ein stolzes Selbstgefühl über seinen Scharfsinn und seine Intelligenz an den Tag zu legen.

»Was wollen Sie jetzt tun?« fragte der Chef.

»Ich will eine umfassende Hausdurchsuchung in Jaervens Wohnung vornehmen,« erwiderte Krag; »vielleicht kann ich da dem einen oder dem andern auf die Spur kommen.«

Der Chef erklärte sich damit einverstanden, und der Detektiv ging, um die Untersuchung vorzunehmen.

Als er sich ein paar Stunden später wieder vor seinem Vorgesetzten zeigte, hatte sein Gesicht einen Ausdruck, der darauf deutete, daß nichts Neues hinzugekommen war.

»Da sind eine Menge Darlehnspapiere,« sagte er, »Wechsel, Garantieverschreibungen und dergleichen, zu einem ganz bedeutenden Betrage. Ich wundere mich nur, daß nicht mehr Leute dagewesen sind und nach Jaerven gefragt haben, seitdem er verschwunden ist. Hier habe ich mir die Namen der Personen aufnotiert, von denen ich konstatieren konnte, daß Jaerven in Geschäftsverbindung mit ihnen stand. Es ist eine ganz interessante Liste. Aber sie bringt mich nicht einen Schritt vorwärts. Jetzt erübrigt nur noch eines.«

»Was denn?«

»Seine große eiserne Kasse zu sprengen. Ich habe sie hierherbringen lassen, und acht Mann tragen sie eben herauf. Es müssen ja bei einem solchen Vorgang gewisse Amtspersonen zugegen sein.«

Der Polizeichef setzte sich mit ein paar Herren vom Gericht in Verbindung. Sobald diese eingetroffen waren, begaben sich sämtliche in den großen Saal, wo vie Kasse auf einen Tisch gestellt worden war. Ein Schlosser war auch gekommen und hatte einige grobe Stemmeisen mitgebracht. Er versuchte die Kasse zu öffnen, aber mußte es bald wieder aufgeben.

»Das ist der massivste Geldschrank, der mir noch untergekommen ist,« sagte er; »soweit ich sehe, muß er mit Dynamit gesprengt werden. Sonst würde es zu lange dauern, ihn zu öffnen.«

Asbjörn Krag gab einem der anwesenden Bedienten eine Weisung. Der Mann entfernte sich in der Richtung von Krags Privatkontor. Einen Augenblick später kam er zurück, eine kleine Kassette tragend, die mit schwarzem Leder bezogen war und Krags Namen auf einem kleinen weißen Silberplättchen eingraviert trug. Der Detektiv öffnete die Kassette und breitete den Inhalt auf dem Tisch aus, während der Chef des Sicherheitsbureaus, der Schlosser und die Gerichtspersonen mit steigendem Interesse zusahen. Die Kassette enthielt Einbruchswerkzeuge der allerfeinsten Art, blank geputzt und scharf geschliffen; sie sahen beinahe wie chirurgische Instrumente aus. Da waren kleine scharfe Sägen, ein paar kurze, dicke Stemmeisen, dünne aber scharfe Bohrmaschinen usw. Die größten Instrumente maßen vielleicht eine halbe Elle, die kleinsten waren nicht größer als Stopfnadeln. Krag wählte einige Instrumente aus und begann unverdrossen an der Kasse zu arbeiten. Man hörte, wie die Bohrer in den harten Stahl geschraubt wurden, wie die Säge ihn mit einem Zischlaut durchschnitt, man sah die kleinen weißen Eisenspäne über die Schranktür tanzen. Im Verlaufe von zehn Minuten war das Schloß gesprengt – ein Griff mit dem Stemmeisen, und die Kasse lag offen da.

Der Polizeichef war ganz sprachlos vor Staunen. Aber Asbjörn Krag sagte, während ein seltsames Lächeln seine Lippen umspielte:

»Sie haben allen Grund, sich zu freuen, meine Herren – daß ich auf Ihrer Seite bin.«

In der Kasse lagen eine Menge Papiere verstreut. Mehrere waren zerrissen. Aber was man sogleich bemerkte, war, daß das kleine Geheimfach im Innern der Kasse, das vermutlich die wichtigsten Papiere des Wucherers barg, mit Gewalt in Stücke gesprengt war, und daß man im Inhalt furchtbar herumgewühlt hatte.

»Dacht' ich mir's doch,« murmelte der Detektiv, »hier sind ungebetene Gäste gewesen.«

Der Polizeichef, der Krags Bemerkung gehört hatte, wendete ein:

»Aber die Kasse selbst ist doch unversehrt. Wie reimen Sie sich das zusammen?«

Wieder lächelte der Detektiv in seiner eigentümlichen Weise.

»Ja, wenn ich das wüßte,« gab er zurück, »dann hätte ich damit das eine der Geheimnisse enträtselt.«

»Das eine?«

»Ich sage, das eine,« fuhr der Polizist ernst fort, »denn in dieser unheimlichen Tragödie gibt es viele Geheimnisse.«

IV. Die falschen Wechsel

Inhaltsverzeichnis

Man schritt nun zu einer eingehenden Untersuchung der eisernen Kasse. Es fand sich kein Geld vor, aber eine große Anzahl von Wertpapieren, auf recht ansehnliche Beträge lautend. In einem kleinen separaten Raum lagen drei kleine Bankbücher von verschiedenen Banken Christianias, bei denen Jaerven viele tausend Kronen eingelegt hatte. Jedes kleinste Ding des Inhaltes wurde aufnotiert und in die feuerfesten Gewölbe der Polizei hinterlegt. Krag bekam noch mehrere Namen für seine Liste der Personen, die mit dem Verschwundenen in Verbindung gestanden hatten. Sobald die notwendigen Formalitäten erledigt waren, begab sich der Detektiv in sein Kontor, um die Papiere durchzusehen. Er setzte sich auf seinen harten lederbezogenen Sessel und breitete die Papiere vor sich auf dem Tisch aus. Dann nahm er eine Handvoll starker Kubazigaretten, legte sie neben sich, zündete eine an und machte sich an die Arbeit.

Wie die meisten Männer, die viel zu denken haben, liebte er es, starken Tabak zu rauchen. Der erste Name auf der Liste war »Stud. med. Jens Isaksen«. Er war für ein Darlehen von 200 Kronen, am Dreiundzwanzigsten fällig, notiert. Der zweite Name war »Schiffskapitän Halvor Bjerk«, auch auf ein Darlehen von 200 Kronen, am Einunddreißigsten fällig. Krag hielt sich nicht weiter bei diesen und einer ganzen Reihe anderer Namen auf. Aber plötzlich zuckte er zusammen. Da stand Kommissionsagent Jens Bruun, 3000 Kronen, am Elften fällig. Gleich darunter stand Leutnant Hjelm, 2000 Kronen, am Zehnten fällig. Da waren noch ein paar kleinere Beträge, die um den Elften herum fällig waren – dem Tage, an dem Jaerven verschwunden war.

Krag sagte sich folgendes: Wenn jemand ein Interesse daran hatte, Jaerven aus dem Weg zu räumen, mußte es einer seiner Schuldner sein, vermutlich einer, der nicht bezahlen konnte. Er hielt sich darum sofort an die zwei großen Beträge. Den des Kommissionsagenten von 3000 Kronen und den des Leutnants von 2000 Kronen. Krag, der sich als langjähriger Polizeibeamter eine ausgedehnte Personalkenntnis erworben hatte, kannte die beiden Herren ganz gut. Leutnant Hjelm war arm wie eine Kirchenmaus; er stand in dem Ruf, an konstanter Geldverlegenheit zu leiden, und man glaubte, daß er in die Krallen der Wucherer gefallen war. Kommissionsagent Bruun hatte seinerzeit recht große Geschäfte gemacht; aber er war in den letzten Jahren zurückgegangen, und sein Kredit hatte erheblich darunter gelitten, daß sein reicher Onkel, Konsul Bruun, die Hand vollständig von ihm abgezogen hatte.

Während der Detektiv noch in diese Gedanken versunken dasaß, trat der Polizeichef zu ihm ein. Krag sah sofort, daß er etwas auf dem Herzen hatte.

»Finden Sie nichts Merkwürdiges an diesem Geldschrank, abgesehen davon, daß er klarerweise einem Einbruch ausgesetzt war?« fragte er.

»Ja,« erwiderte der Detektiv, »an diesem Geldschrank ist allerlei Merkwürdiges. Was sofort in die Augen fällt, ist ja, daß sich nicht ein einziger unbezahlter Wechsel darin vorfindet. Hingegen eine Menge anderer Papiere. Wo hat der Wucherer seine Wechsel?«

»Genau, was ich dachte,« sagte der Chef. »Und ob das nicht so zu verstehen ist, daß mehrere an dem Verbrechen beteiligt waren – und daß sie die Wechsel vernichtet haben?«

»Sehr möglich. Aber das Wahrscheinlichste ist doch, daß Jaerven seine Wertpapiere in der Bank deponiert hat?«

»Das können wir baldigst feststellen,« sagte der Chef, »ich werde sofort telephonieren ...«

Er verschwand in sein Kontor. Als er bald darauf zurückkehrte, sagte er:

»Ja, ganz richtig. Jaerven hat ein Safe in dem feuersicheren Gewölbe der Bank gemietet. Da das Gerücht von der vermutlichen Ermordung des Wucherers schon dorthin gedrungen ist und große Bestürzung hervorgerufen hat, hat mir der Bankdirektor die Erlaubnis gegeben, die von Jaerven in der Bank deponierten Papiere zu untersuchen. Ich gehe sofort hin. Sie kommen doch mit?«

Krag erwiderte:

»Für den Augenblick ist es nicht von großem Interesse für mich, diese Papiere zu sehen. Es genügt vollständig, wenn Sie sie untersuchen. Ich habe jetzt anderes vor. Aber ich möchte Sie bitten, mir namentlich eine Information zu verschaffen: Welche Indossenten die Wechsel des Kommissionsagenten Bruun und des Leutnants Hjelm auf 3000 bzw. 2000 Kronen unterschrieben haben. Die Wechsel sind am Zehnten und Elften fällig. Jaerven ist, wie Sie sich erinnern werden, am Zwölften verschwunden.«

Der Polizeichef verstand sofort, was er meinte, und notierte sich die Namen.

»Das habe ich mir auch gedacht,« sagte er, »wenn der Verbrecher einer von Jaervens Schuldnern ist, dann muß es einer sein, dessen Wechsel an dem Tag fällig war, an dem der Wucherer verschwunden ist.«

Damit ging der Chef.

Krag blieb einige Minuten in tiefen Gedanken sitzen, während er seine Zigarette rauchte. Dann stand er plötzlich auf, trat an ein Bücherbrett und nahm einen Adreßkalender heraus. Sobald er gefunden hatte, was er suchte, ging er fort.

Beim nächsten Standplatz nahm er eine Droschke und fuhr in der Richtung der Bygdöer Allee fort.

– – – Unterdessen war der Polizeichef in der Bank angelangt, wo er den Präsidenten der Direktion traf, der ihn sofort in die feuerfesten Gewölbe der Bank geleitete. Hier lagen die Privat-Safes in Reih und Glied. Agent Jaervens Safe trug die Nummer 29; es wurde geöffnet, und man begann sofort die Papiere zu durchsuchen.

Der Polizeichef bat, ihm die zwei Wechsel zu zeigen, die vom Kommissionsagenten Bruun und Leutnant Hjelm unterschrieben waren. Der erste war vom Konsul A. C. Brunn indossiert.

Der Direktor der Bank war sehr erstaunt, als er den Namen des Konsuls auf diesem Wechsel des Wucherers erblickte.

»Das ist doch seltsam,« sagte der Polizeichef, »der Konsul ist so reich, daß man einen Wechsel mit seinem Namen in jeder Bank anbringen kann, da braucht man sich doch nicht erst an einen Wucherer zu wenden.«

»Selbstverständlich,« erwiderte der Bankdirektor, »und wenn der Wechsel auch auf 300 000 Kronen gelautet hatte anstatt auf 3000. Da muß sicherlich etwas dahinterstecken.«

Und er sah dem Polizeichef mit einem bedeutungsvollen Blick in die Augen.

»Es wird jedenfalls notwendig sein, sich der Person dieses Kommissionsagenten zu versichern,« sagte der Polizeichef.

Der Bankdirektor fügte hinzu:

»Aber gleichzeitig möchte ich Sie bitten, seinen Onkel, den Konsul, rufen zu lassen. Hier handelt es sich ja um nichts Geringeres, als daß seine im ganzen Lande bekannte Familie vielleicht durch einen aufsehenerregenden Skandal bemakelt werden soll. Wenn der Wechsel falsch ist – und man ist unleugbar versucht, es zu glauben –, dann bin ich überzeugt, daß der Konsul das Geld bezahlen wird, um den Skandal zu vermeiden.«

Der Polizeichef nickte. Die anderen bemerkten, daß er plötzlich sichtlich bewegt schien. Nach einigen Augenblicken des Schweigens sagte er:

»Hier handelt es sich nicht nur um eine Fälschung.«

Der Direktor zuckte zusammen.

»Was meinen Sie?«

»Wie Sie wissen, spricht alle Wahrscheinlichkeit dafür, daß Jaerven ermordet worden ist.«

»Wir haben es gehört.«

»Und die Polizei nimmt mit Bestimmtheit an, daß der Mörder ein Mann ist, der an einem bestimmten Tag seinen Wechsel nicht einlösen konnte. Jaerven pflegte in solchen Fällen nicht schonend vorzugehen.«

»Das ist wahr.«

»Wenn nun dieser Wechsel, der am Zehnten fällig war, also zwei Tage vor Jaervens Verschwinden, sich als falsch erweist, dann liegt ja die Vermutung nahe, daß der Kommissionsagent zu einem verzweifelten Mittel gegriffen hat, um der Entdeckung der Fälschung zu entgehen. Ein Verbrechen zieht stets ein anderes nach sich.«

»Aber der Kommissionsagent mußte sich doch sagen,« wendete der Bankdirektor ein, »daß die Fälschung ja doch früher oder später entdeckt werden mußte, da der Wechsel ja nicht beseitigt werden konnte.«

»Es hat sich aber gezeigt, daß der Mörder die eiserne Kasse des Wucherers, sowie andere Aufbewahrungsorte durchstöbert hat, um ihn zu finden. Es ist ganz klar, daß er im Besitz der Schlüssel des Wucherers gewesen sein muß. Er hat die äußere Tür mit dem richtigen Schlüssel geöffnet; aber um in das innerste Fach der eisernen Kasse zu gelangen, mußte er Gewalt anwenden. Vermutlich hat der Wucherer den Schlüssel zu diesem Fach nicht bei sich getragen.«

»Es liegt ja nahe, anzunehmen, daß der Betreffende nach seinem Wechsel gesucht hat,« warf der Bankdirektor ein. »Und wenn er soviel wie einen Mord wagte, um ihn zu erlangen, dann muß es –«

Der Bankdirektor hielt inne und sah den Polizisten an.

Dieser ergänzte:

»Dann muß der Wechsel falsch gewesen sein.«

»Ich verfolge den Gedanken weiter,« fuhr der Direktor fort, »wenn nun der Wechsel dieses Kommissionsagenten falsch ist, dann muß zweifellos der Verdacht auf ihn fallen.«

Der Chef des Sicherheitsbureaus nickte.

»Das wollen wir eben feststellen,« sagte er.

Der Polizist und der Bankdirektor verließen zusammen die Lokale der Bank und begaben sich sofort in das Polizeigebäude.

Aber vorher telephonierte der Polizeichef eine Order in das Detektivbureau. Es war die Weisung, den Kommissionsagenten Bruun zu einem Verhör zu zitieren.

Der Polizeichef hatte noch nicht lange in seinem Kontor gewartet, als der Kommissionsagent sich einfand. Es war ein kleiner, lebhafter Mann mit etwas fieberhaftem Wesen, beinahe ganz glatzköpfig, einem rotbraunen Bärtchen unter der Nase und zwei wasserblauen Augen.

Er war sichtlich sehr unruhig, als er vor die Schranke geführt wurde.

Der Polizeichef notierte seinen Namen und sein Alter. Er war dreißig Jahre alt.

»Haben Sie etwas von dem Verschwinden des Agenten Jaerven gehört?« fragte der Chef.

Bruun wurde noch unruhiger.

»Nein,« antwortete er, »das habe ich nicht.«

»So? Jaerven ist seit dem Zwölften verschwunden. Das müssen Sie doch gehört haben. Sie haben ja Geschäftsverbindungen mit ihm gehabt.«

Der Agent nickte.

»Das habe ich,« erwiderte er, »mehrere Jahre hindurch – – leider,« fügte er dumpf hinzu.

»Da die Polizei Grund hat, anzunehmen, daß Jaerven tot ist, hat sie seine Papiere beschlagnahmt.«

Der Polizist zog einen Wechsel aus dem Stoß hervor.

»Dieses Papier hier«, fuhr er fort, »ist ein Wechsel auf 3000 Kronen, von Ihnen ausgestellt. Der Wechsel ist von Ihrem Onkel, dem Konsul, indossiert. Er war am Elften fällig, dem Tage, bevor Jaerven verschwand. Warum haben Sie den Wechsel nicht eingelöst?«

»Es ist mir unmöglich gewesen. Ich versuchte, eine Teilzahlung zu leisten, aber davon wollte Jaerven nichts hören. Er wollte alles auf einmal haben. Schließlich ging er darauf ein, mir eine Frist zu gewähren.«

»Wie lange?«

»Bis zum Fünfundzwanzigsten.«

»Das ist erstaunlich. Pflegte Jaerven Fristen zu gewähren?«

»Nein.«

»Aber warum war er gerade Ihnen gegenüber so liebenswürdig?«

Der Kommissionsagent lächelte.

»Wahrscheinlich war er seines Geldes sicher.«

»Ja, Ihr Herr Onkel hat ja den Wechsel indossiert.«

»Nun eben.«

Es entstand eine kleine Pause.

Dann fragte der Polizeichef:

»Aber wenn Sie den ausgezeichneten, geldkräftigen Namen Ihres Onkels auf dem Wechsel hatten, warum wandten Sie sich da nicht an eine Bank, anstatt an einen Wucherer? Hier sitzt ein Bankdirektor! Er würde sicherlich den Wechsel diskontiert haben. Nicht wahr?«

»Absolut,« erwiderte der Bankdirektor, »auch wenn er auf 300 000 Kronen gelautet hätte.«

»Das dachte ich mir. Also: Warum gingen Sie zu diesem berüchtigten Wucherer?«

Der Kommissionsagent war jetzt außerordentlich nervös geworden. Es sah aus, als beschäftigte sich sein Gehirn mit etwas ganz anderem, als diesen inquisitorischen Fragen und Antworten über den Wechsel.

»Ich ging zu Jaerven,« erklärte er, »weil ich mehrere Jahre hindurch in Geschäftsverbindung mit ihm gestanden bin. Ich wollte ihm ganz gerne Gelegenheit geben, das bißchen Diskonto zu verdienen.«

Hier lächelte er wieder in seiner sonderbaren, hoffnungslosen Weise.

»Wie viel?« fragte der Polizeichef.

Der Agent fuhr sich mit der Hand über die Stirne und seine Augen bekamen einen gequälten Ausdruck.

»200 Prozent,« sagte er.

Der Chef erhob sich plötzlich und gab einem anwesenden Bedienten eine Weisung. Der Mann entfernte sich sofort.

Die Stimme des Polizisten hatte nun einen scharfen und harten Klang.

»Das kann nicht mit rechten Dingen zugehen,« sagte er; »ich habe Ihren Herrn Onkel holen lassen. Er ist vermutlich jetzt in seinem Kontor, so daß es nicht lange dauern wird, bis er hier sein kann.«

Der Kommissionsagent hatte sich inzwischen müde und niedergeschlagen auf eine Bank gesetzt.

»Ich kann mir ja denken, daß Sie schwere Geldsorgen hatten und noch haben,« warf der Polizeichef hin.

»Ja, das habe ich.«

»Warum hilft Ihnen Ihr Onkel nicht mehr?«

Der junge Mann entdeckte sofort die Falle.